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Der Freundeskreis im Gespräch mit Elisabeth Pötter und Wiebke Thomsen


Diesen Monat haben wir mit Elisabeth Pötter vom Soroptimist International Club Hannover 2000 und Wiebke Thomsen vom KoKi gesprochen. Dabei ging es vor allem um Teilhabe und Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft sowie um Rollenbilder in den Medien.

Stellt euch doch einmal vor …

Elisabeth Pötter: Ich bin Elisabeth Pötter und als Präsidentin vom Club Soroptimist International Club Hannover 2000 hier. Ich bin seit diesem Jahr und auch nächstes Jahr Präsidentin. Unser Club hat sich – daher der Name – 2000 gegründet, also feiern wir nächstes Jahr 25-jähriges Jubiläum. Wir gehören zu einem weltweiten Netzwerk berufstätiger Frauen. Und wichtig ist uns gesellschaftspolitisches Engagement: Wir wollen uns auf allen Ebenen für Frauen und Kinder, für eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einsetzen. Und das tun wir international, aber natürlich auch lokal in unserem Club. Wir haben in Hannover zwei Clubs: es gibt noch den Club Hannover, der sich deutlich vor uns gegründet hat.

Weshalb kam es zu einem zweiten Club?

EP: Eine bestimmte Anzahl an Mitgliedern ist für einen Club notwendig, aber nach oben hin macht es irgendwann Sinn, einen zweiten Club zu gründen. Als dieser sich gegründet hat, war ich noch nicht dabei. Einige Mitglieder im Club Hannover haben damals die Initiative für einen 2. Club ergriffen und weitere Frauen motiviert, in diesen Club einzutreten. Wahrscheinlich wollten sie Veränderung und es war eben auch eine Größe erreicht, wo es sinnvoll war. Das wurde dann von der Deutschlandebene begleitet und mitgetragen. Wir haben ja in großen Städten, wie z.B. in München, in Köln, etc. vier, fünf Clubs … und die tun sich nichts, sondern wir tun alle miteinander etwas für unsere Ziele. So ist es auch mit Club Hannover und uns: Die Orange Days veranstalten wir seit einigen Jahren zusammen mit Club Hannover.

Wenn man Mitglied werden möchte: Was gibt es für Voraussetzungen?

EP: Unsere Ziele engagiert zu verfolgen, Frauen und Mädchen zu unterstützen. Sonst gibt es eigentlich keine weiteren Voraussetzungen. Wir wünschen uns Frauen aus unterschiedlichen Berufen, ein Kennzeichen des Clubs ist die weite Palette an Berufen, was den Blick unglaublich erweitert. Aber das ist keine zwingende Voraussetzung. Auch Frauen außerhalb des aktiven Berufslebens sind natürlich herzlich willkommen.

Was war denn dein persönlicher Beweggrund? Zu sagen: „Da mache ich mit …“

EP: Wenn man sich sozial engagieren will, dann hat man ja schon, wenn man jünger ist und Kinder hat, viele Gebiete, auf denen man sich engagiert: Kindergarten, Schule etc.. Als ich aus dieser Zeit raus war, habe ich – denn ich kannte den Club schon seit der Gründung – gedacht: „Das ist das, was ich möchte.“ Die Vielfalt an Frauen, die Altersspanne von jung bis alt, das gesellschaftspolitische Engagement, die große Vernetzung: Eine tolle Gemeinschaft, wo alle voneinander profitieren. Und wir bewegen auch viel, auf der lokalen Ebene mit den Projekten, die wir machen, und mit unserer Haltung, mit der wir auch an die Öffentlichkeit gehen, um sie publik zu machen und Unterstützung zu suchen – oder um zu unterstützen.

Kommen wir zu Dir …

Wiebke Thomsen: Sehr gerne. Ich bin Wiebke Thomsen und seit August in der Kinoleitung vom Kommunalen Kino. Ich teile mir die Leitung mit meinem Mann: Wir arbeiten als Paar, auch vorher schon, mit dem Lodderbast, dem kleinsten Kino der Welt. Da sind wir sehr stolz drauf. Ein kleines, kuscheliges Kino war während Corona natürlich nicht das, was angesagt war. Deswegen haben sich die Dinge etwas anders entwickelt. Und ich bin immer schon Kinofrau gewesen, habe als Studentin Karten abgerissen, war die stellvertretende Kinoleitung im Kino am Raschplatz, habe mit einer Kollegin ein Kino in Berlin aufgemacht … Und jetzt ist es dieses Kino. Wir haben den Auftrag gekriegt und es ist auch unser innerer Drang, zu gucken, wie Kino zukunftsfähig und weiterhin relevant sein kann. Viele haben dem Kino immer schon vorausgesagt, es werde sterben. Erst hieß es, keiner wolle einen Film mit Ton – oder mit Farbe. Dann waren es die Fernseher, dann die DVDs, die Streamingdienste. Das Kino lebt aber länger, als es totgesagt wird. Und ich bin überzeugt, dass man eine andere Art von Kino machen muss: ein Kino, das einen Mehrwert hat gegenüber Netflix. Aber nicht mehr: höher, schneller, weiter, wie es vielleicht in den 80er-, 90er-Jahren war, mit tollen Soundsystemen, die man daheim nicht hat; sondern man muss einen Ort schaffen, wo man einerseits etwas für andere selektiert – gerade in einer Zeit, in der alles verfügbar ist –, aber eben auch ein Ort sein, wo man sich austauscht. Das leben wir schon länger, mit viel Leidenschaft. Und jetzt eben an diesem Ort.

Könnt ihr vielleicht beide einmal aus der jeweiligen Warte etwas zum Bedarf und zur Notwendigkeit eines Netzwerkes wie Soroptimist sagen?

EP: Also ich habe neulich mit Schreck nochmals gesehen, dass sich erst 1977 das Bürgerliche Gesetzbuch geändert hat und Frauen nicht mehr nur zur Haushaltsführung bestimmt waren. Das hat mich nachhaltig schockiert, als ich überlegt habe, wie alt ich da war, und bemerkte, dass ich das damals gar nicht bewusst wahrgenommen habe. Aber es besteht in allen Lebensbereichen immer noch ein Ungleichgewicht. Wir sind nicht gegen Männer oder irgendwen, sondern wir sind für gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen. Und das ist heute noch absolut notwendig.

WT: Ich würde das auf die Kinoarbeit übertragen. Wir machen bei uns im Kino extrem viel Retrospektive, zeigen Filme aus der Filmgeschichte. Und es ist auffällig, dass die Filme meist von Männern sind, weil es in der Struktur liegt, dass weniger Frauen Regisseurinnen waren. Wenn ich jetzt neue Filme programmiere, muss ich gar nicht versuchen, irgendeine gleichberechtigte Auswahl zu suchen: da passiert es schon allein, dass es ein buntes Spektrum ist. Da sind Filme von unterschiedlichsten Menschen dabei – nicht nur weiße alte Männer aus Hollywood. Viele Frauen, People of Color, der globale Süden, Queere … Es gibt so viele Dinge auf der Welt, so viele Augen, durch die man gucken kann. Das ist auch das Spannende am Kino. Es ist auffällig, dass die Filme, die heute ins Kino kommen, diverser und bunter sind. Aber wenn wir in die Filmgeschichte schauen, ist es ein großes Männerfeld. Wir haben für das nächste Jahr das Schwerpunktthema „female gaze“ ausgesucht. Da wollen wir genau das mehr in den Fokus holen: Filme von Regisseurinnen, von Kamerafrauen … Die waren ja immer schon da. Und darauf wollen wir einfach ein Jahr den Schwerpunkt setzen und gucken: Was und wo ist der weibliche Blick? Wieso war der so lange nicht da und wo kommt er her? Ich hoffe, wir kommen irgendwann dahin, dass man keine keine Gruppen mehr braucht, die sagen: „Wir müssen unbedingt die Frauenperspektive zeigen.“ Aber ich glaube, noch sind wir nicht ganz so weit; deswegen ist es wichtig, dass man diese Dinge auch in den Fokus hebt.

Ihr hattet zuletzt ja schon einmal Margarethe von Trotta im Programm gehabt …

WT: Wir haben jetzt gerade den Deutschen Herbst als Thema, weil das KoKi im Oktober 50 Jahre alt geworden ist. Also haben wir – als Nachgeborene – einen Monat lang auf die 70er-Jahre geblickt und versucht, das Gefühl der 70er-Jahre hervorzuholen. Den Deutschen Herbst, die RAF, die Angst in der Gesellschaft, aber eben auch den Neuen Deutschen Film, u. a. Schlöndorff, Fassbinder etc. Und Margarethe von Trotta, eine der wenigen weiblichen Personen in diesem Kreis. Auch da war es wieder schwierig. Hätte ich jetzt versucht, ein gleichgewichtiges Programm zu machen, wäre es schwierig geworden und dann hätte es auch die Zeit nicht repräsentiert. Das ist immer so die Frage: Wie will man es machen? Und für mich macht es keinen Sinn zu sagen, es solle irgendwie pari sein. Aber ich finde es wichtig, ein Augenmerk darauf zu haben und zu sagen, warum es nicht pari ist – weil es zu der Zeit nicht pari war. Es ist deutlich, dass mehr Männer diesen Neuen Deutschen Film bewegt haben.

Aber die 70er-Jahre waren nach oder im Rahmen der Frauenbewegung schon die Dekade, in der sich was beschleunigt hatte in der Hinsicht?

WT: Also bei den Protagonisten des Neuen Deutschen Films ist es sehr männlich geprägt, würde ich sagen. Aber da gibt es auch Filme, die gesellschaftlich viel bewegt haben: z. B. Filme von Rosa von Praunheim: „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Gesellschaft, in der er lebt“. Ein Initialfilm, auch für die Schwulen- und Lesbenbewegung in der Zeit. Da waren extrem viele Sachen in Bewegung, aber da war auch noch viel zu kämpfen. Und es ist immer noch so, dass ungefähr gleich viele Regisseure und Regisseurinnen Hochschulen verlassen – aber dass es in Deutschland hinsichtlich der Kinofilme und Budgets immer noch eine große Schere gibt zwischen dem, was Frauen und was Männern zugetraut wird.

EP: Also ich bin ja nicht nachgeboren, sondern habe diese Zeit als Teenager miterlebt, und denke jetzt, im Nachgang, oft über diese Zeit nach: was da alles los gewesen ist, auch in den Familien. Was ist da in Bewegung geraten? Was hat das mit so einer Struktur wie Familie gemacht? Und was hat diese Zeit für die Frauenbewegung gebracht? Ich denke, aus dieser Zeit kommt auch so ein bestimmtes Bild vom Feminismus und Feministinnen. Viele – besonders auch junge – Frauen sagen heute: „Ich bin keine Feministin.“ Der Begriff ist negativ besetzt. Aber ich glaube, das ist gar nicht inhaltlich durchdacht, worum es geht. Das ist noch so ein Bild aus dieser Zeit. Aber die Frauen damals mussten halt heftig agieren und auffallen. Heute läuft es vielleicht unauffälliger, ist aber nicht unwichtiger.

Es gibt ja durchaus Stimmen, die mit so einem antifeministischen Getöse auftreten, die sich gegen die Bemühungen um Gleichstellung richten oder sie als bereits gegeben sehen. Wie schätzt ihr das ein? Ist das eine kleine Gruppe, nimmt das zu, ist das in der Mitte der Gesellschaft angekommen, war es schon immer dort?

WT: Ich kann das nicht einschätzen, aber was mir auffällt und was ich erschreckend finde, ist, dass – gerade in den sozialen Medien – häufig die traditionellen Familienstrukturen zelebriert werden und irgendwelche 20-Jährigen in irgendeiner Datingshow sagen, sie suchten einen Versorger der Familie etc. Und das scheppert bei mir im Kopf immer ganz unangenehm. Jede*r soll die Art, wie er oder sie leben möchte, leben. Ich habe nur das Gefühl, dass das sehr missionarisch daherkommt: zu den traditionellen Werten zurück, da früher doch alles so gut sortiert war. Das irritiert mich sehr.

EP: Genau daran musste ich auch denken. Bei diesen Tradwives wird mir ganz anders. Wie kommen junge Frauen dazu? Was bewegt sie? Die Gesellschaft hat sich ja zum Glück verändert, die Gesetzgebung z. B. hat sich verändert: Wir reden von Frauen in Altersarmut … sich einen Mann mit gutem Einkommen zu suchen und bis ans Lebensende versorgt zu sein: Das ist ein absoluter Irrglaube. Deswegen sind wir z. B. auch dafür, dass in Schulen wesentlich mehr für alle gelehrt wird: Wie gehe ich mit Geld um? Was heißt Vorsorge? Warum muss ich mich da selber kümmern?

Wenn man jetzt einerseits Film – oder auch Literatur – progressiver daherkommt, gleichzeitig aber doch so ein Beharrungspotenzial wirkt und jüngere Generationen womöglich eher wieder konservativer werden: Wie blickt ihr da in die Zukunft?

EP: Mein Bauchgefühl ist: Von alleine geht gar nichts. Ich denke schon, dass wir dranbleiben müssen – auf allen Ebenen. Einfach nur zu sagen: „Das haben wir erreicht und das wird schon.“ … das hilft nicht. Die Tendenzen, die man teils bemerkt, muss man sich bewusst machen; und die eigene Position laut dagegenhalten.

WT: Das sehe ich auch so, das ist sicher richtig. Ich glaube aber zusätzlich, dass gerade in den Medien – Kino, aber auch Serien, auch Social Media – eine Diversität stattfindet, die nicht mehr wegzudiskutieren ist. Man sieht inzwischen viele unterschiedliche Menschen und Positionen. Und das geht nicht weg, da kann keiner drumherum gucken. Natürlich, man kann sich gerade in den sozialen Medien aussuchen, was man gucken will, und kriegt dann oft einen Tunnelblick. Aber das ist da, das ist sichtbar und das geht auch nicht weg, glaube ich. Und trotzdem müssen wir dranbleiben.

Noch ein Blick in die nicht ganz so ferne Zukunft: Die Orange Days und das 25-jährige Jubiläum wurden eingangs schon erwähnt …

WT: Ersteres ist eine gemeinsame Veranstaltung.

EP: Ja, die Orange Days, die internationalen Tage gegen Gewalt an Frauen, stehen an: vom 25.11. bis zum 10.12., dem Tag der Menschenrechte. Und unsere soroptimistische Aktion dieses Jahr in Hannover ist es, 155 Frauenschuhe orange einzufärben und an 155 Orten aufzustellen. Die Zahl steht für die 155 Femizide im letzten Jahr: 155 Frauen, die durch häusliche Gewalt ums Leben gekommen sind. Bei der Schuhaktion dabei sind schon z. B. die Nord/LB, Stadtbibliotheken, die Sparkasse Hannover, diverse Apotheken, Bäckereien u. v. m. Da wird der Schuh mit einem Flyer, auf dem auch die Nr. des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“, 116016, plakativ steht, im Fenster ausgestellt sein und für Aufmerksamkeit sorgen. Am 08.12. wird es im KoKi eine Filmvorführung geben: „Morgen ist auch noch ein Tag“.

WT: Genau. Aus Italien, dem Jahr 2023, in Schwarzweiß, ein bisschen an den Neorealismus erinnernd. Er spielt in der Nachkriegszeit in Italien – und es geht um eine Frau, die häusliche Gewalt erfährt. Ein toller Film, der für sich spricht – und die häusliche Gewalt niht von oben herab bemitleidet, sondern mit viel Empathie betrachtet. Es ist auch eine Regisseurin, die den Film gemacht hat, der in Italien ein Smash Hit war, in Deutschland auch. In Italien hatte er sogar mehr Zuschauer als „Barbie“. Vielleicht sei noch gesagt, dass der Film auch in unsere Filmausstellung im Dezember eingebettet ist: „La cosa cinema – Filmland Italien“. Wir zeigen dann neues italienisches Kino, aber auch Filmklassiker. Und es gibt auf jeden Fall auch einen Schwerpunkt mit jungen weiblichen Stimmen aus Italien.

EP: Ich kenne den Film ja noch nicht und bin sehr gespannt. Im Anschluss haben wir dann noch einen Orange Day Talk mit Ministerin Behrens und Christina von Saß wird sie zum Thema, was jetzt wirklich gegen Gewalt an Frauen auf der Ebene von Ministerium und Politik getan wird, interviewen. Und es gibt ja auch gerade aktuell die ganzen Aufrufe, dass dieses Gewalthilfegesetz noch umgesetzt wird. Das war eine Zusage der Koalition. Jetzt haben sie nicht mehr so viel Zeit und sie werden jetzt freundlich daran erinnert, dass es wirklich notwendig ist. Ich glaube, das wird eine tolle Veranstaltung. Und wir hoffen auf viele Zuschauer und Zuschauerinnen. CK

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