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Der Freudeskreis im Gespräch mit Leah Langnese und Fynn Kehlenbeck


Diesen Monat haben wir mit Leah Langnese und Fynn Kehlenbeck, zwei jungen Ehrenamtlichen von Politik zum Anfassen e.V., gesprochen: über den Verein selbst sowie ihre Beweggründe, Tätigkeiten und Erfahrungen.

Stellt doch zu Beginn einmal Politik zum Anfassen vor …

Fynn Kehlenbeck: Politik zum Anfassen (PzA) ist ein gemeinnütziger Verein, 2006 gegründet von zwei Personen, die Psychologie studiert haben und auch in der Kommunalpolitik aktiv waren. Und die haben quasi ihre Leidenschaften miteinander verbunden. Der Verein betreibt politische Bildung vor allem auf der Ebene der Kommunalpolitik. Und in ganz Deutschland werden Projekte und Planspiele durchgeführt: Man findet PzA auf irgendwelchen Messen oder Veranstaltungen, aber vor allem eben auch in Schulen; meist an weiterführenden Schulen, wo dann Projekte durchgeführt werden, mit welchen Schüler*innen in die Rolle von Kommunalpolitiker*innen schlüpfen und eigene Ideen entwickeln können, um ihre persönliche Lebenswelt zu gestalten – und um nachzuvollziehen, wie Demokratie auf dieser Ebene funktioniert.

Wie kam es zu der Entscheidung, sich für PzA zu engagieren? Hattet ihr in der Schule einen Politik-LK?

FK: Also grundsätzlich war ich schon sehr offen dafür, nach der Schule ein Jahr irgendwas anderes zu tun und nicht gleich mit einem Studium oder einer Ausbildung zu beginnen. Und ich war tatsächlich im Politik-LK. Das war auch ein Grund, warum ich mich dann schlussendlich für den Bundesfreiwilligendienst bei PzA entschieden habe. Und wir sind ein Team von vielen Freiwilligen, sodass man eine sehr vielfältige Arbeit hat, was die Tätigkeiten betrifft: Man ist entweder im Büro oder auf Projekten unterwegs … und man erlebt sehr viele Dinge. Man lernt viele Menschen kennen und ist auch immer in unterschiedlichen Orten unterwegs. Zudem sehe ich es auch als persönliche Herausforderung, vor einer Klasse zu stehen, über Politik zu reden und diese Projekte anzuleiten. Ich freue mich, mein Interesse da weitergeben zu können. Es ist einfach eine schöne Arbeit, die mich persönlich weiterbringt und bei der ich aber auch das Gefühl habe, dass ich damit eine sinnvolle Tätigkeit verrichte.

Leah Langnese: Ich war selber nicht in einem Politik-LK und hatte auch keinen Politik-Kurs, weil das bei meiner Schule nicht angeboten wurde. Aber Politik ist ein wichtiges Thema und jeder sollte sich dafür interessieren. Und für mich hat sich PZA als guter Startpunkt erwiesen, um mich mehr damit zu befassen, da mein Interesse an der Politik erst in den letzten Jahren stärker aufgekommen ist. Auch finde ich es immer sehr interessant, bei den Projekten die Ideen von den Schüler*innen zu erfahren, die immer sehr unterschiedlich sind. Natürlich ähneln sich manche Ideen in vielen Punkten, beispielsweise beim Thema ÖPNV, welcher häufig nicht optimal ausgebaut ist, laut den Schüler*innen. Es gibt aber immer sehr differenzierte und innovative Ideen. Und wenn die Schüler*innen dann wirklich für ein Thema brennen oder für eine ihrer Ideen, diese dann bestmöglich ausbauen, am Ende einen hervorragenden Antrag stellen, ihn in einer Sitzung anschließend bestens vorstellen, ist es immer schön zu sehen, dass das Projekt von den Schüler*innen als eine reale Chance, etwas zu ändern, angesehen wird und sie motiviert mitarbeiten. Ich selber bin zu PZA gekommen, da ich es spannend fand, dass auf spielerische Art und Weise – durch die Planspiele, durch die Projekte und Workshops – Kindern und Jugendlichen die Politik näher gebracht wird. Dadurch, dass ich jetzt auch selber an Projekten teilgenommen habe, habe ich noch mehr Einblick erhalten und ich finde, dass es ein wirklich gutes Konzept ist; auch deshalb, weil ebenso Politiker*innen zu den Projekten kommen, die die Kinder und Jugendlichen dann kennenlernen und denen sie auch Fragen stellen können. Gleichfalls das die vielfältigen Projekte nicht nur auf Hannover oder Niedersachsen begrenzt sind, sondern dass man im Verein deutschlandweit unterwegs ist und überall – je nach den Kapazitäten der Kommune oder des Ortes – Projekte durchführen kann, ist großartig.

Wie kann man sich denn euren Alltag konkret vorstellen, wenn ihr für PzA aktiv seid? Wie sieht da so ein Tag bei euch aus?

FK: Also ich glaube, grundsätzlich muss man unterscheiden, ob man einen Tag im Büro hat oder einen Tag, an dem man für ein Projekt unterwegs ist. Im Büro findet die ganze Vor- und Nachbereitung der Projekte statt. In unseren Aufgabenbereich fällt jetzt aber natürlich nicht die komplette Organisation, sondern nur z. B. das Vorbereiten der Kisten, die wir dann mit all den Materialien zu einem Projekt mitnehmen. Und mit der Nachbereitung haben wir vor allem zu tun: Es muss ein von den Schülern gedrehter Film über das Projekt geschnitten, eine Fotoauswahl und ein Magazin erstellt werden; das muss halt alles in die Wege geleitet werden. Und auf den Projekten sieht das Ganze anders aus. Da hat man meist kürzere Arbeitszeiten und übernimmt entweder eine Politik- oder einen Teil der Redaktionsklasse. Mit den Klassen arbeiten wir an ihren eigenen Ideen und den Anträgen. Und obwohl es immer der gleiche Ablauf ist, haben wir alleine dadurch, dass man an unterschiedlichen Orten mit sehr unterschiedlichen Menschen arbeitet, nicht so sehr den einen Ablauf: also von der Struktur her schon, aber vom Inhalt und vom Arbeitsaufwand her eben nicht. Aber auch die Tage im Büro sind sehr vielfältig, da immer auch neue Aufgaben anstehen.

Habt ihr denn irgendwelche Etappenziele? Oder Projekte, die derzeit einen Schwerpunkt bilden?

FK: Also wir haben grundsätzlich ein Kernprojekt: Pimp Your Town! Das ist eben dieses Kommunalpolitik-Planspiel für weiterführende Schulen. Das gibt es dann auch noch in einer bestimmten Ausführung für die Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Und da gibt es auch noch Pimp My Future!, das ist bezogen auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN. Das sind so die Haupt-Aufgabenbereiche oder -Projekte, die von PzA durchgeführt werden. In der aktuellen Zeit wird sich natürlich nochmals stärker auf die Nachhaltigkeit fokussiert. Aber ich kann jetzt kein konkretes Ziel nennen – außer, dass wir versuchen, möglichst viele Schüler*innen in ganz Deutschland zu erreichen.

Und wie ist so die Resonanz? Wie schätzt ihr das ein, was bekommt ihr da an Feedback, was erlebt ihr an Resonanz?

LL: Es kommt natürlich immer auf die Klasse an. Die Schüler*innen sind motiviert, weil es doch etwas anderes ist als der normale Unterrichtstag. Bei den Projekten sitzt man nicht einfach nur da, beredet etwas und schreibt das Tafelbild ab. Die Schüler*innen schreiben Anträge, sammeln Ideen, erleben eine fiktive Ratssitzung … Bei einem Projekt gestalten sich die drei Tage immer sehr spannend, weil die Schüler*innen nicht nur in ihrem Klassenraum sitzen. Außerdem finden die Projekte nicht immer in der Schule selbst statt, sondern z. B. im Rathaus: Das ist dann auch noch eine ganz andere Umgebung. Meist sind die Schüler*innen auch offener als bei dem starren Konzept der Schule, wo sie dann immer eine Unterrichtsstunde nach der anderen haben und immer nur die Pause abwarten. Es kommt aber wie gesagt immer auf die Klasse an. Auch weil ihnen selber bewusst sein muss, dass sie wirklich etwas verändern können, wenn sie denn etwas umsetzen wollen. Des Öfteren sagt die Stadt auch schon im vornherein, dass etwa zwei Anträge definitiv umgesetzt werden sollen oder dass mit einem bestimmten Budget Anträge umgesetzt werden sollen. Die Schüler*innen können also konkret etwas verändern – und das motiviert sie dann auch nochmals.

Ihr seid ja beide jüngeren Jahrgangs: Wie blickt ihr denn – da gerade das Stichwort Pimp My Future! gefallen ist – in die Zukunft? Was sind so die Themen, die euch am dringlichsten scheinen?

FK: Also was auch zum Teil meine persönliche Motivation für diesen Bundesfreiwilligendienst war, ist der Umstand, dass ich durchaus schon ein bisschen Sorge um das politische System habe – oder generell gesprochen um die Diskussionskultur in Deutschland. Ich versuche aber nicht, gegen irgendetwas zu sein, sondern einfach für die Demokratie. Das ist auch das Motto von PzA: Wir wollen Lust auf Demokratie machen – und nicht gegen beispielsweise Rechtsextremismus sein. Ich hoffe immer, dass wir durch unsere Arbeit die Schüler*innen langfristig zur Beteiligung motivieren kann – auch wenn es im Projekt vielleicht mal anstrengend und nervig ist, sich nochmals mit dem eigenen Antrag zu beschäftigen. Aber es lohnt sich eben, sich zu beteiligen; es lohnt sich, anderen zuzuhören. Und ich mache mir Sorgen, dass die Gesellschaft verlernt, einander zuzuhören und erst einmal innerhalb des Rahmens des Grundgesetzes alles zu akzeptieren. Das ist sozusagen die Basis, auf der dann wichtige und nötige Fortschritte im Bereich Nachhaltigkeit, Klimaschutz, soziale Absicherung u. s. w. erst möglich sind. Wichtige Teilbereiche, aber die Grundlage muss erst einmal geschaffen sein.

LL: Ich schließe mich da an. In den Projekten zeigen wir den Schüler*innen auch, dass die Demokratie eben von der Beteiligung von allen lebt – und nicht nur von Einzelnen. Natürlich können demokratische Prozesse langwierig sein, wodurch viele meist das Interesse an einer Beteiligung verlieren. Aber dass den Schüler*innen klar wird, dass nix geschehen wird, wenn sie nicht aktiv werden, ist der Punkt, auf den es ankommt. Sie müssen sich eben beteiligen – aktiv mitmachen, wenn ihnen ein Thema wichtig ist: Davon lebt die Demokratie!

Erlebt ihr denn mitunter eine Unlust oder ein Desinteresse an der Demokratie bei den Schüler*innen? Bekommt ihr sowas ab und zu gespiegelt oder auch explizit ausformuliert?

LL: Ich selbst habe so etwas bisher noch nicht direkt erlebt. Allerdings ist mir gelegentlich aufgefallen, dass Schülerinnen Aussagen gemacht haben, die problematisch oder kritisch wirken könnten. Dabei ist ihnen oft gar nicht bewusst, was sie da eigentlich sagen. In solchen Situationen frage ich sie manchmal, warum sie so denken. Häufig zeigt sich, dass solche Ansichten von ihrem Umfeld, etwa von Eltern, Freund*innen oder aus dem Internet beeinflusst sind. Sie übernehmen diese Meinungen unüberlegt und geben sie einfach weiter. Dann versuche ich, ihnen Impulse zu geben, um ihre Aussagen zu hinterfragen und darüber nachzudenken, ob das, was sie sagen, wirklich ihrer eigenen Überzeugung entspricht.

FK: Auf den Projekten, auf denen ich bisher war, ist mir noch keine einzige Aussage in Erinnerung geblieben, dass die Schüler*innen die Demokratie ablehnen würden – oder dass sie mir irgendwie das Gefühl gegeben hätten, die Arbeit im Bundesfreiwilligendienst da wäre quasi sinnlos und eine reine Sisyphusarbeit. Ich habe in den ersten Tagen der Projekte immer das Gefühl dass die Schüler*innen einfach generell unmotiviert sind. Das liegt aber, denke ich, nicht daran, dass sie Politik und politische Beteiligung schlecht oder unnötig fänden, sondern eher daran, dass es ein für sie verpflichtendes Projekt ist und dass sie da anfangs noch nicht die Chance sehen, die das Projekt bietet . Und bei der Verabschiedung am letzten Tag ist es eigentlich immer so, dass sie der Politik gegenüber halbwegs neutral eingestellt sind oder sogar mit sehr positiven Gefühlen aus dem Projekt rausgehen und sich teilweise noch mehr engagieren wollen. Also ich habe eher tendenziell positive Rückmeldungen bekommen.

Gerade war die Rede von übernommenen Standpunkten aus dem Elternhaus oder dem Internet. Wie seht ihr die politische Beeinflussung der Jugend über das Internet? Ist das ausgewogen? Lauern da Gefahren?

LL: Jugendliche sind heute viel auf Plattformen wie TikTok, Instagram und co. unterwegs, wo Inhalte oft ungefiltert hochgeladen werden und sie leicht mit Fake News in Berührung kommen. Häufig fehlt es ihnen an der Fähigkeit oder der Motivation, solche Informationen kritisch zu hinterfragen und auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Stattdessen werden diese Inhalte oft direkt weiterverbreitet, ohne genauer nachzuforschen. Durch die ständige Nutzung von Smartphones und Tablets sind sie nahezu permanent online und bekommen so eine Flut an Informationen mit, was es noch schwieriger macht, zwischen wahren und falschen Inhalten zu unterscheiden.

Eure Schulzeit im Hinterkopf: Denkt ihr, es wird genug getan für die Medienkompetenz junger Leute – oder herrscht da eher ein Mangel? Sind mehr Leitplanken und Hilfestellungen nötig – oder sind sie ausreichend vorhanden?

FK: Ich war auf einem Gymnasium und kann daher nur aus diesem Umfeld berichten und keinen Überblick über das gesamte Schulsystem geben. Und da war es schon so, dass wir über die Risiken und aber auch Vorteile oder Chancen vom Internet und von den sozialen Netzwerken gesprochen haben. Also es wurde auf jeden Fall in unterschiedlichen Fächern thematisiert, in Werte und Normen, im Deutsch- und im Politikunterricht. Aber so richtig aktiv haben wir uns nie wirklich damit auseinandergesetzt, sondern eher nur auf dem Papier, im theoretischen Rahmen. Und der aktive Umgang mit Social Media, den lerne ich jetzt tatsächlich jetzt erst bei PzA. Da wurden in der Schule eigentlich nur die Grundlagen vermittelt. Das ist aber natürlich auch eine Frage der Kapazitäten.

Vielleicht noch ein kurzes Statement zum Ende: Warum sollte man sich als junger Mensch bei PzA engagieren?

FK: Es ist eine gute Chance, um neue Erkenntnisse mitzunehmen, die einem immer weiterhelfen. Also wie nimmt man andere Meinungen von Menschen auf? Wie kann man eigene Ideen kommunizieren? Ich als Freiwilliger lerne auch einiges: Wie funktioniert Kommunalpolitik? Oder die Grundlagen des Journalismus? Der Bundesfreiwilligendienst bietet sehr viele Möglichkeiten. Es ist eine gute Idee für alle, die ein gewisses Interesse an Politik haben. Aber Politik ist nicht alles und man kann auch mit vielen weiteren Interessen ein gutes Jahr bei PzA verbringen. CK

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