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Im Gespräch mit Dr. Catrin Kuhlmann: Was macht eigentlich die Hannoversch-Britische Gesellschaft

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Im Gespräch mit Dr. Catrin Kuhlmann: Was macht eigentlich die Hannoversch-Britische Gesellschaft


Kannst du dich kurz vorstellen …
Ich bin studierte Anglistin und Germanistin und als freiberufliche Pressesprecherin, Texterin und Redenschreiberin tätig. Ich bin 2001 nach Hannover zur NORD/LB gekommen als Redenschreiberin für die Vorstände. Zwei der früheren Vorstandsvorsitzenden waren zugleich Honorarkonsule von Großbritannien. Über die Veranstaltungen des Konsulats bin ich mit der Hannoversch-Britischen Gesellschaft in Kontakt gekommen – und habe mich dort gleich sehr wohl gefühlt.

Stichwort Anglistikstudium: Hattest du schon immer Interesse an Großbritannien, Land und Leuten …?
Ich habe keinen familiären Bezug zu Großbritannien, aber ich reise regelmäßig dorthin und habe wie gesagt englische Literatur- und Sprachwissenschaft studiert und über den angloamerikanischen Autor Christopher Isherwood promoviert. Was ich an Großbritannien so mag, ist diese gewisse Gegensätzlichkeit. Einerseits kennen wir UK als das Land der Gentlemen und Ladies mit den perfekten Umgangsformen, ein Land von passionierten Hunde- und Pferdeliebhabern in Tweedanzügen mit einem untrüglichen Gespür für würdevolle, aber deutliche Selbstdarstellung. Und gleichzeitig haben die Briten zum Beispiel den Punk hervorgebracht, viele anarchistische Bewegungen, die rebellische Kultur der Street Art und so weiter. Das mag ich an Großbritannien: Es hat so viel Charakter, so viele Gesichter und Gegensätze, es ist ein Land von Individualisten – und dennoch zerfällt es nicht. Mehr noch, die Briten sind stolz auf ihr eigenes Land. Und was ich natürlich auch sehr liebe, ist der britische Humor. Der hilft in sehr vielen Momenten des Lebens mit der Botschaft „Nimm dich nicht zu wichtig. Mach einfach eine ironische feine Pointe draus und dann carry on“. Vielleicht könnte man sogar sagen, dass der Humor auch der Kitt ist, der das Land mit seinen vielen Facetten zusammenhält.

Und wieso hast du dich letztlich dazu entschlossen, Mitglied der HBG zu werden?
Das Honorarkonsulat hat damals jährlich eine große Queen’s Birthday Reception gefeiert. Dort hatte ich zunächst meinen Vorstandskollegen Torsten Oliver Deecke und dann weitere Vorstandsmitglieder kennengelernt – und dann ging es mit dem Vorstandsamt auch ziemlich schnell. 2014 haben mich die Mitglieder zur Schriftführerin gewählt und vor etwa drei Jahren zur Vorstandsvorsitzenden. Für mich war es wichtig, dass der damalige aktive Vorstand und die Mitglieder so engagiert und aufgeschlossen waren. Die Stimmung war und ist einfach immer gut in der HBG.

Wofür bist du in dieser Position zuständig?
Alles. (lacht)

Was bedeutet alles?
Das fängt bei ganz simplen Aufgaben wie der Verwaltung der Adressdateien an, geht über die Veranstaltungsplanung oder die Pflege der Webseite bis zur Kommunikation mit den Mitgliedern. Meine Arbeit umfasst auch die Netzwerkpflege zum Beispiel mit der britischen Botschaft, dem Netzwerk der deutsch-britischen Gesellschaften in Berlin und in verschiedenen deutschen Städten. Zum Glück sind wir ein siebenköpfiges Vorstandsteam, sodass die Arbeit immer auf mehrere Schultern verteilt ist.

Du hast ja einige Erfahrung in den Bereichen Journalismus und PR: Ist das bei der Arbeit, die du dort machst, von Vorteil?
Ja, absolut. Der persönliche Kontakt zu den Mitgliedern und wie man die Gesellschaft oder den Verein aufstellt, wie man ihn führt, das hat alles vor allem mit Kommunikation zu tun. Zurzeit ist ja insgesamt in Deutschland der Trend zu beobachten, dass Vereine mehr und mehr um Mitglieder kämpfen müssen, und in sehr vielen Vereinen übersteigt die Zahl der Austritte die Eintritte. In der Pandemie hat sich das verstärkt. Wir haben jedoch einen großen Mitgliederzuwachs in der HBG, und zwar ohne, dass wir aktiv Werbung machen. Ich bin überzeugt, dass die Kommunikation absolut zentral ist, damit eine Gesellschaft wie die unsere ein Gesicht und eine Identität bekommt, die es den Menschen leicht macht, sich anzuschließen und sich willkommen zu fühlen. Da hilft mir mein beruflicher Hintergrund sehr.

Gibt es denn bestimmte Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft?
Nein. Es ist nur wichtig, dass man sich allgemein für Großbritannien interessiert, für die Kultur und alles, was das Land und die deutsch-britischen Beziehungen betrifft. Ansonsten wünschen wir uns einfach nette, kommunikative Menschen, die aktiv teilnehmen, offen sind und sich einbringen. Wir haben Mitglieder aus den verschiedensten walks of life und quer durch alle Altersklassen, die sich auf unseren Veranstaltungen kennenlernen, miteinander sprechen und sich gegenseitig anregen.

Du hast gerade schon negative Entwicklungen für andere Vereine angesprochen. Bei euch steht die deutsch-britische Beziehung im Fokus: Hat der Brexit 2021 diese Beziehung verändert? Haben sich Probleme ergeben?
Definitiv. Zum einen sind der studentische Austausch und Schüleraustauschprogramme sehr schwierig geworden. Die Briten sind aus dem Erasmus-Programm ausgestiegen, und daher können britische Studierende nicht mehr so einfach für ein Auslandsjahr nach Deutschland kommen. Deutsche Studierende müssen in Großbritannien jetzt die vollen Studiengebühren für Studierende aus Drittländern bezahlen, die oft so um die 40.000 Pfund pro Jahr liegen. Es war natürlich schon immer sehr teuer, aber jetzt ist es nochmal über eine Schwelle getreten, die es noch weniger jungen Leuten oder ihren Eltern ermöglicht, ein Studium oder Auslandssemester in Großbritannien überhaupt in Betracht zu ziehen. Auch der Schüleraustausch funktioniert nur noch mit großem Aufwand. Zum einen nimmt das Interesse am Deutschlernen in Großbritannien kontinuierlich ab, und zum anderen sind die Bürokratie und Visumsanforderungen im Vorfeld unfassbar hoch. Gerade der Schüleraustausch ist ein Thema, für das sich sowohl der deutsche Botschafter in London als auch die britische Botschafterin in Berlin Jill Gallard sehr einsetzen. Ich hoffe, dass da bald wieder mehr möglich sein wird. Jedenfalls kann man feststellen: Der Brexit ist im Alltag auf beiden Seiten des Kanals angekommen.

Wo setzt ihr von der Hannover-Britischen Gesellschaft entsprechend mit eurer Arbeit an?
Wir konzentrieren uns stark auf die britischen Wurzeln in Hannover und füllen diese mit Leben. Dabei steht der Vernetzungsgedanke immer im Fokus. Unser Angebot an unsere Mitglieder ist sehr breit gefächert. Wir bieten wissenschaftliche Veranstaltungen und Besichtigungen, treffen uns zu Sportevents mit britischem Einschlag, richten gesellige Abende im Shakespeare Pub gemeinsam mit der Royal British Legion aus, wir feiern den King’s Birthday, spielen ein Croquet-Turnier im Jahr, machen gerade einen Lektürekurs zu britischer Literatur in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Stadtakademie und wir haben die Krönung von King Charles groß gefeiert im letzten Jahr. Zudem organisieren wir für unsere Mitglieder regelmäßig ein verlängertes gemeinsames London Weekend, und wir beteiligen uns organisatorisch am British Symposium auf Gut Remeringhausen im Juni. Besonders herausragend ist unser neues studentisches Reisestipendium, die Ten Days Of Freundship, mit dem wir die Beziehung zwischen den beiden Ländern wieder verbessern wollen. Das haben wir 2023 erstmals durchgeführt und werden das jetzt regelmäßig alle zwei Jahre machen. Dazu laden wir zwei bis drei Deutsch-Studierende der Uni Bristol ein, für zehn Tage nach Hannover zu kommen. Sie wohnen in Gastfamilien, und wir stellen für sie ein umfassendes Programm auf die Beine, mit dem sie die vielfältigen Verbindungen zwischen Großbritannien und Hannover bzw. Niedersachsen kennenlernen. Wir besuchen mit ihnen Orte wie den Landtag, die Herrenhäuser Gärten, die Madsack Mediengruppe, Volkswagen oder auch das Konzentrationslager Bergen-Belsen sowie andere Orte in und um Hannover, die für ein Stück gemeinsamer britisch-deutscher Geschichte stehen. Was mich besonders freut: Bei unseren Anfragen sind wir nahezu immer mit offenen Armen eingeladen worden. Sogar die Landtagspräsidentin Hannah Naber oder Hannovers MdB Adis Ahmetovic haben sich eine Stunde Zeit genommen für einen persönlichen Austausch mit unseren Gästen. Wenn die Studierenden zurückfliegen, nehmen sie unendlich viele neue Eindrücke mit – und ab dann sind sie ihr Leben lang quasi kleine Hannover-Botschafter in Großbritannien.

Darauf aufbauend schließen wir gerade ein weiteres Projekt an mit dem Namen Hannover Hangouts. In dessen Rahmen können Deutsch-Studierende aus Bristol über einen flexiblen Zeitraum nach Hannover kommen und bekommen von uns eine Gastfamilie aus unserer Mitgliederschaft vermittelt. Dort können sie kostenfrei wohnen und frühstücken. Über unser Netzwerk lernen sie die Stadt kennen und knüpfen mit vielen Mitgliedern persönliche Kontakte.

Gibt es ähnliche Angebote denn auch für Englisch-Studierende aus Hannover?
Leider nicht. Wir haben noch keinen Anlaufpunkt in Großbritannien gefunden, der sich auf diese Weise aus dem anderen Land heraus engagieren kann. Sollte jemand diese Zeilen lesen und eine entsprechende Verbindung in Großbritannien herstellen können, dann möge er oder sie sich sehr gerne bei uns melden!

Bei all den unterschiedlichen Angeboten, die ihr habt: Hast du ein Lieblingsprojekt? Etwas, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Wir haben 2021 einen englischen Schreibwettbewerb für Schülerinnen und Schüler aus Hannover und der Region organisiert. Das war Teil der offiziellen Jubiläumsfeierlichkeiten rund um den 75-jährigen Landesgeburtstag Niedersachsen und sollte an die Beteiligung der damaligen britischen Besatzer bei der Planung und Gründung des Bundeslandes erinnern. Die Aufgabe bestand darin, auf Englisch eine Geschichte, ein Gedicht, ein Essay oder irgendwas anderes über das Thema Freundschaft zu schreiben. Die Texte, die die Schüler*innen eingereicht haben, waren unfassbar toll und facettenreich. Es war total schön zu sehen, welches kreative Potenzial da schlummert.

Ein anderes Projekt, das mir auch sehr in Erinnerung geblieben ist, ist „Georgs Reise“. Vor zehn Jahren haben wir mit einer zweispännigen Reisekutsche die Fahrt des ersten hannoverschen Königs Georg von Hannover nach England zu seiner Krönung nachgestellt. Das Ganze hat knapp einen Monat gedauert. Die Kutsche ist am Leineschloss gestartet und auf den Straßen, die schon damals die Reisestraßen waren, über Belgien und Den Haag bis nach London zum St. James Palace gereist. Über den gesamten Weg waren die Plätze in der Kutsche so vermietet, dass einige Mitglieder ein Stück mitreisen konnten. Und eins unserer coolsten Mitglieder, Wilhelm Lilje, hat die komplette Reise im historischen Kostüm und mit Perücke den Kurfürsten bzw. König Georg verkörpert.

Wie viel Organisation steckt hinter so einem großen Projekt?
Eine Menge. Das ist unfassbar. Ich bin damals neu in den Vorstand gekommen, da war das meiste schon organisiert. Wir hatten das Glück, dass es in Deutschland eine große Kutschenfahrer-Szene gibt mit vielen begeisterten Menschen, die untereinander sehr gut vernetzt und sehr hilfsbereit und engagiert sind. An vielen Orten durfte die Kutschbesatzung samt Pferden auf den Höfen dieser netten Leute einkehren, die Pferde unterstellen und zum Teil auch übernachten. Außerdem wurde die Kutsche an vielen Orten entlang der Route mit viel Begeisterung empfangen. Oft gab es richtige kleine Events im Rathaus oder auf dem Marktplatz. Aber natürlich steckte noch viel, viel mehr Arbeit dahinter: die Kontakte zu den Verwaltungen in den verschiedenen Ländern, die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen, das Management mit den Verantwortlichen in den Orten entlang der Reise. In diesem Fall hat sich unser Vorstand Hugh Pierson monatelang reingehängt und alles in Bewegung gesetzt … Am Ende klappt sowas nur, wenn sich Menschen reinhängen und persönliche Beziehungen auf- und ausbauen – in diesem Fall war das unser Vorstand Hugh Pierson, der monatelang wirklich alles in Bewegung gesetzt hat.

Interview: Laura Druselmann

Mehr Infos: www.hannoverschbritischegesellschaft.org

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Internationale Kulturelle Jugendarbeit e.V

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Internationale Kulturelle Jugendarbeit e.V


„Think different. Think One World“ – unter diesem Motto leisten der vierköpfige Vorstand sowie 66 Mitglieder und circa 120 Ehrenamtliche Integrationsarbeit in Hannover und der Region. „Bei uns kommen alle zusammen – Geflüchtete, Jugendliche mit Migrationshintergrund, Einheimische – und haben einfach Spaß“.

Vor neun Jahren hat Nelly Hagen, die heutige Geschäftsführerin, gemeinsam mit Parisa Hussein-Nejad dem 2009 von Student*innen gegründeten Verein neues Leben eingehaucht. Heute berichtet sie: „Wie auch 2015/16 flüchten zurzeit unheimlich viele unbegleitete Minderjährige nach Deutschland, die meist sehr verzweifelt und alleingelassen sind. An diesem Punkt setzen wir an“. Inzwischen ist der Verein, der kurz IKJA e. V. genannt wird, freier Träger der Jugendhilfe und unterstützt mit der „Pateninitiative für geflüchtete junge Menschen“ jährlich über 400 neu zugewanderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sowie Familien.

Die Integrationsarbeit umfasst die Vermittlung von (Lern-)Patenschaften, Beratungs- und Begleitungsarbeit, Deutschunterricht, Nachhilfe und berufliche Integration, aber vor allem Aktivitäten für die Jugendlichen. IKJA e. V. integriert unter anderem in Sportvereine, in Theaterprojekte, Musikunterricht und einen Jugendchor. Für die Zukunft ist zudem eine Kooperation mit einer Hip-Hop-Tanzschule geplant. Derzeit herrsche eine prekäre Situation: Die meisten neu ankommenden Minderjährigen müssen lange in der Notbetreuung von Inobhutnahme- und Notunterkünften bleiben, weil es keine Plätze in der Jugendhilfe gibt. Ebenso fehlen Schulplätze. „Unser Verein versucht, diese Lücke zu füllen und bietet derzeit auch vier Deutschkurse an. Die Jugendlichen sind sehr froh, solche Angebote wahrnehmen zu dürfen, zu lernen und sich integrieren zu können“, betont Hagen, gibt aber auch zu verstehen, dass Integrationsarbeit sehr zeitintensiv ist. „Bei dem, was die jungen Menschen zum Teil erlebt haben, braucht es wirklich Engagement, Hinwendung und viel Ermutigung“, verdeutlicht sie, „Umso mehr freuen wir uns über jeden Menschen, der mit seinen Talenten etwas einbringen kann“.

Mitglied oder ehrenamtliche*r Unterstützer*in bei IKJA e.V. kann jede*r werden. Der größte Bedarf herrsche aktuell im Bereich der Patenschaften. „Unsere Paten sind vor allem Ansprechpartner für die Jugendlichen“, erklärt Hagen. Es gehe hauptsächlich darum, Vertrauen aufzubauen, bei der Bewältigung des Alltags zu unterstützen und ab und zu etwas Schönes gemeinsam zu unternehmen. Auch im Bereich Freizeitaktivitäten seien sie auf der Suche, vor allem nach jungen Leuten, die Spaß daran haben, Unternehmungen mit den geflüchteten Jugendlichen zu machen. „Sowas wie Bowling, Billard, Beachvolleyball im Sommer oder mal ein Picknick“, schlägt Hagen vor. Zusätzlich benötige der Verein Unterstützung bei der Nachhilfe, Wohnraumsuche, beim Fundraising, der Büro- und Öffentlichkeitsarbeit. Die Geschäftsführerin grinst: „Bei uns ist wirklich jede Unterstützung herzlich willkommen“.

Und egal in welchem Bereich, „die Arbeit macht unheimlich viel Freude, weil wir einfach sehen, was wir bewirken“, berichtet Hagen, die selbst überall mit anpackt. „Wir bekommen natürlich mit, was die jungen Leute, die zu uns kommen, schon alles haben durchmachen müssen und umso mehr freuen wir uns, wenn wir sehen, was aus ihnen wird“, führt sie fort und lächelt. Sie erzählt von anfangs verzweifelten und hoffnungslosen jungen Menschen, die inzwischen abgeschlossene Ausbildungen haben, voll im Beruf stehen oder beginnen, ihre eigenen Familien zu gründen. „Es ist so erfüllend, wenn man sieht, dass man positive Spuren hinterlässt“. Nachhaltig, wie sich zeigt: Viele der ehemals Unterstützten sind heute als Unterstützer*innen noch immer Teil von IKJA e. V. „Wir sind wie eine große Familie, kann man sagen“.

Im Fokus der Vereinsarbeit steht stets, „dass wir alle Menschen sind – egal, welche Nationalität und welcher sozialer Hintergrund“, hebt Hagen hervor. Wenn man so intensiv mit verschiedenen Menschen zusammenarbeite, erkenne man, dass die Unterschiede zwischen den Menschen innerhalb einer Nationalität viel größer seien als die Unterschiede unter den verschiedenen Nationalitäten. Bei IKJA e. V. ist jede*r gern gesehen, denn „wir können unheimlich viel voneinander lernen!“.

● Laura Druselmann

Info-Veranstaltung für Ehrenamt-Interessierte: Dienstag, 16. April, ab 17 Uhr

Allgemeine oder projektbezogene Spenden an:
IBAN: DE38251900010621662501
BIC: VOHADE2HXXX

IKJA e. V.
Am Graswege 1, 30169 Hannover
Tel.: 051110594992
Mobil: 017620326900
www.ikja.eu
E-Mail: info@ikja.eu

Nelly Hagen
E-Mail: n.h@ikja.eu
Mobil: 0152 24392890

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Der besondere Laden: Grapeful Deli

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Der besondere Laden: Grapeful Deli


Naturwein-Loft und Working Space

Dieser Laden ist mehr als nur ein weiteres Weingeschäft: Carsten Vorbrodt hat einen Ort geschaffen, der die Verkostung und den Verkauf von Naturweinen und Kaffee mit einem gemütlichen Working Space verknüpft. So hat er sich mit dem Grapeful Deli nicht nur einen Traum erfüllt, sondern auch ein Konzept umgesetzt, das in Hannover einzigartig ist.

„Ich habe schon immer leidenschaftlich gerne Wein getrunken, aber die meisten Weine fand ich nicht spannend genug“, berichtet Vorbrodt. Die Idee war geboren und, was einst als Online-Shop für Naturweine begonnen hat, wurde im Sommer letzten Jahres durch ein einladendes Loft vervollständigt. Im Herzen Hannover Lindens dürfen sich Weinliebhaber*innen und jene, die es werden wollen, auf eine erlesene Auswahl deutscher Naturweine freuen. „Im Vergleich zu konventionellen Weinen sind sie lebendiger, vielschichtiger, ein bisschen wilder, sie haben ihre Ecken und Kanten und schmecken nicht so glatt“, beschreibt Vorbrodt den Geschmack.
Doch was sind Naturweine? Die Herstellung von naturbelassenen Weinen ist davon geprägt, dass auf menschliche Beeinflussung möglichst verzichtet wird. Grundvoraussetzung ist hierbei der biologische und biodynamische Anbau im Weinberg inklusive Agroforstflächen aus Kräutern, angrenzenden Wiesen und Schattenbäumen. Nach entsprechenden EU-Richtlinien wird auf Kunstdünger, Herbizide und Pestizide verzichtet und jede Traube wird ausschließlich von Hand gelesen. Anders als bei der konventionellen Herstellung wird der Gärprozess nicht kontrolliert mit Reinzuchthefen gestartet, sondern setzt durch die wilden Hefen auf den Fruchtschalen spontan ein. Ab diesem Zeitpunkt wird der entstehende Wein lediglich begleitet und auf technische Hilfsmittel oder die Beigabe von Zusatzstoffen wird verzichtet.
„Diese Weine muss man einfach probiert haben“, betont Vorbrodt und sagt: „Natürlich schmecken sie anders und – weil nur Natur drin steckt – auch jedes Jahr ein bisschen unterschiedlich“. Der Wein- und Genussexperte wünscht sich daher, viele Weininteressierte zu empfangen, die offen für neue Geschmackswelten sind und „sich auf eine Reise einlassen, die ihnen eröffnet, wie so ein Wein eigentlich wirken kann“. Während verschiedener Tasting-Formate lädt er dazu ein, Naturweine kennen und lieben zu lernen. Donnerstags, beim „Vizefreitag“, werden verschiedene Weine, die Vorbrodt im Vorfeld auswählt, geöffnet und in das Probenglas geschenkt. Zusätzlich bietet er offene Tastings für zehn Personen an und verspricht „einen entspannten Abend in besonderer Atmosphäre“. Ein echtes Highlight sind aber die Winzer-Tastings: „Einer der Winzer, mit denen ich zusammenarbeite, kommt dann vorbei, stellt seine Philosophie, bekannte und neue Weine vor“, erklärt Vorbrodt. Jede*n der insgesamt neun Winzer*innen, von denen er seine Weine bezieht, kennt er persönlich.
Neben dem ausgewählten Sortiment an Naturweinen bietet Carsten Vorbrodt im Obergeschoss des Grapeful Deli zusätzlich einen gemütlichen, offenen Working Space. An einem großen Konferenztisch und ausgestattet mit WLAN, Monitor, Flipchart, Kreidetafel und Moderationsmaterialien können bis zu zehn Personen jenseits gewöhnlicher Büroatmosphäre zusammen arbeiten. Vorbrodt versorgt sie währenddessen gern mit Wasser und Softgetränken, Kaffeespezialitäten, Snacks oder einem Obstkorb. „Und nach getaner Arbeit können sie nach unten kommen und bei einem Tasting die Vielfalt von Naturweinen genießen“, grinst er.
Nicht nur die einzigartige Kombination von Weingeschäft und Working Space, sondern auch die Werte die Carsten Vorbrodt im Grapeful Deli umsetzt, machen das Konzept aus: Ehrlichkeit, Toleranz, Kundenorientierung, Genuss und Nachhaltigkeit. „Das sind alles Werte, die mir auch privat sehr wichtig sind, nach denen ich lebe. Es ist mir wichtig, Vertrauen zu meinen Kunden aufzubauen, sie kompetent und ehrlich zu betreuen und ihnen den Genuss von Naturweinen näherzubringen“, hebt Vorbrodt hervor und sagt abschließend: „Bei mir ist jeder herzlich willkommen“.

● Laura Druselmann
Grapeful Deli
Falkenstraße 8, 30449 Hannover
Tel. 0178 8436122
E-Mail: hello@grapefuldeli.de
www.grapefuldeli.de

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Politisches: nicht resignieren!

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Politisches: nicht resignieren!


Ein kurzer Blick auf die Umfragen zu den kommenden Europawahlen und Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen reicht aus, um festzustellen, dass die vielen Demonstrationen für unsere Demokratie, gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD bisher nicht viel gebracht haben. Nach wie vor sind die Umfragewerte hoch. Und nach den Demonstrationen hat es mancherorts sogar einen Zuwachs bei den Mitgliederzahlen der AfD gegeben. Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die Büchse der Pandora inzwischen weit geöffnet ist.
Und dass es keine Patentrezepte zu geben scheint. Ein Verbot jedenfalls würde wahrscheinlich langfristig eher zu einer Stärkung als zu einer Schwächung der neuen Rechten in Deutschland führen, denn mit einer Opfergeschichte kann man ja ganz wunderbar Stimmen einsammeln. Die AfD hat dann irgendwann einfach einen anderen Namen, aber was in den Köpfen der Menschen vorgeht, die sich politisch ganz nach rechts stellen, bleibt trotzdem brandgefährlich.
Wir sehen diesen fulminanten Rechtsruck nun also auch bei uns, ähnlich dem, was in einigen anderen europäischen Ländern bereits geschehen ist. Und natürlich redet man sich in den üblichen Talkshows darüber aktuell regelmäßig die Köpfe heiß. Was wäre ein probates Mittel, um die AfD wieder einzufangen? Da gehen die Meinungen weit auseinander. Die Ampel müsste sich mal eine Weile einig sein und geräuschlos regieren. Ja, das wäre was. Scheint aber eher utopisch. Was noch? Man müsste wieder mehr vor Ort an der Basis politisch aktiv sein und das Gespräch suchen. Klar, das wäre auch ein Weg. Dann mal los, ab auf die Marktplätze in Dresden, Gera, Suhl, Cottbus usw. Und viel Spaß. Dass sich für diese ehrenvolle Aufgabe viele Freiwillige finden werden, schein dann doch ein bisschen fraglich – weil die Einschüchterung, zumindest im Osten, vielerorts bereits ganz wunderbar funktioniert.
Was noch? Die CDU/CSU versucht es mit Stimmenfang am rechten Rand. Man bietet einfach ein bisschen AfD-light und hofft, dass die Leute nicht das Original wählen. Eine merkwürdige Logik, aber gut. Sie werden in ihrer unendlichen Weisheit sicher wissen, was sie tun. Ein bisschen Asylkritik hier und ein bisschen Leitkultur da, ein bisschen den Neid befeuern und für den Rest sorgt bestimmt der Liebe Gott. Obwohl, müsste diese Strategie sich nicht allmählich mal auszahlen? Sie zahlt sich aus, aber leider nur für die AfD. Und wenn SPD und FDP sich inzwischen leider ganz ähnlich der Union vor den AfD-Karren spannen lassen, bleiben eigentlich nur noch die Grünen übrig. Die man dann wunderbar kollektiv bashen kann, weil sie ja bekanntlich grenzenlose Zuwanderung fordern und ansonsten alles verbieten wollen. Klar.
Insgesamt ist das alles leider ein ziemliches Trauerspiel. Populismus, billige Taktiererei, es geht viel zu oft um die Partei und die politische Karriere und viel zu wenig um Deutschland. Und es ist durchaus nachvollziehbar, dass sich angesichts dieses politischen Betriebs viele Menschen ein bisschen genervt und resigniert abwenden. Leider gibt es dazu bereits eine Menge Menschen, die sich gar nicht erst abwenden müssen, weil sie Zeit ihres Lebens noch nie politisch interessiert waren. Resignation und Desinteresse, genau das stärkt die AfD am allermeisten.
Was wäre nun ein probates Mittel? Vielleicht ja doch ein andauernder Schulterschluss. Die Demonstrationen waren ein Anfang. Jetzt muss es darum gehen, nachhaltig immer aufs Neue laut zu widersprechen und keine Angst zu haben. Überall, an jedem Ort, auf der Arbeit, in der Freizeit. Es geht darum, genau hinzusehen und die echten Probleme zu identifizieren, es geht darum, sich nicht instrumentalisieren zu lassen, es geht darum, nicht nachzuplappern, sondern sich selbst schlau zu machen – aber bitte nicht in den sogenannten alternativen Medien, es geht darum, den eigenen Verstand einzuschalten und laut zu sein. Es geht jetzt vor allem darum, mutig zu sein und unsere demokratischen Werte zu verteidigen. Das ist ein Marathon, ohne Frage. Und vielerorts scheint der Weg über demokratische Debatten bereits nachhaltig verbaut. Aber versuchen müssen wir es trotzdem, zumindest alle, die morgen noch freie, individuelle Entscheidungen treffen möchten.
Politik und Medien können dabei übrigens gleichermaßen unterstützen. Die Politik, indem sie sich insgesamt allmählich mal darauf besinnt, um was es eigentlich geht. Um Menschen, um Gerechtigkeit, um Menschlichkeit. Dazu passt zum Beispiel nicht, verschiedene Gruppen gegeneinander auszuspielen. Und die Politik kann noch viel mehr tun. Sie muss beispielsweise aufwachen, sie muss alles tun, um die Lügen und die Propaganda, die sich hier bei uns einnisten, zu entlarven. Wir müssen an dieser Stelle dringend ganz entschieden aufrüsten. Ich wünsche mir Troll-Fabriken wie in Russland, die aber lauter Fakten ins Netz spülen. Ich wünsche mir ganz viele Internet-Krieger, deren Waffe die Wahrheit ist.
Und die Medien? Die sollten sich bei allem Wettbewerb weiter ihrer Verantwortung bewusst sein. Was im Wettrennen um die besten Klickzahlen so fabriziert wird, hat mit Journalismus teilweise wirklich gar nichts mehr zu tun. Das geht so nicht. Öfter mal skeptisch in den Spiegel blicken. Hält man den Anblick noch aus? Nur so ein Vorschlag.

● POL

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Ein offener Brief an Rolf Mützenich

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Ein offener Brief an Rolf Mützenich


Lieber Rolf,

mal kurz ein bisschen Rückendeckung von unserer Seite. Du wirst ja gerade wieder extrem kritisiert und beschimpft, teilweise regelrecht gemobbt, nur weil du gerne den Krieg in der Ukraine einfrieren möchtest. „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“, hast du im Bundestag gefragt. Und jetzt sind viele verärgert, allen voran der Andrij Melnyk, früherer Botschafter der Ukraine in Deutschland. Einen „widerlichen Politiker“ hat er dich genannt und deine Rede im Bundestag als „einen Rückfall in alte Zeiten“ bezeichnet. Das ist hart. Und gemein.

Und das erste stimmt auch gar nicht. Du bist kein widerlicher Politiker, sondern ein pragmatischer Politiker, und das ist nicht zu kritisieren, denn das ist als SPD-Fraktionschef ja deine Aufgabe. Man muss sich einfach die Umstände klar machen. Die SPD hängt fest im Umfragetief. Die Europawahl droht. Danach auch noch mehrere Landtagswahlen. Die AfD schwächt zunehmend die Demokratie. BSW klaut jetzt ebenfalls Stimmen. Da brauchte es einfach ganz dringend ein Profil für die SPD. Und das habt ihr euch jetzt halt so ausgeknobelt. Du übernimmst den Wagenknecht-Part, Scholz spricht Machtworte in Sachen Taurus, der Papst macht den Sidekick (keine Ahnung, wie der bei euch mit drinhängt) und voilà, schon ist die SPD als Friedenspartei geboren – und wieder wählbar, zumindest für alle tatsächlichen und angeblichen Pazifisten. Okay, da ist noch der Pistorius mit seiner Aufrüstung und seiner Kriegswirtschaft, aber der wird demnächst auch mal über irgendwas stolpern, was seine Werte in den Keller rutschen lässt. Und dann ist auch eines hoffentlich nahen Tages wieder Diplomatie angesagt, so wie früher.

Früher war sowieso alles viel schöner, oder Rolf? Da ging es noch um Abrüstung und Annäherung. Da war viel mehr Willy Brandt. Und danach darf man doch gerne auch ein bisschen Sehnsucht haben, als eingefleischter Sozialdemokrat sowieso. Annäherung ist sozialdemokratische Tradition. Und gegen Tradition ist kaum was zu machen. Wenn die in den Köpfen steckt … Da darf man sich ruhig mal vergraben in seiner ganz eigenen Realität, in der Putin sich auch endlich Verhandlungen wünscht und nicht die gesamte Ukraine plus X. Und in der die russische Armee in den besetzen Gebieten nicht mordet, vergewaltigt und foltert. Da darf man sich ruhig ein bisschen Appeasement wünschen und da darf man sich auch erträumen, dass Deutschland mitentscheidet, wann der Krieg vorbei ist. Da darf man ruhig ein bisschen blind und ignorant sein, und ja, vielleicht auch ein bisschen naiv oder auch feige. Warum denn nicht?
Vor allem, weil es ja sonst nur noch überall diese Kriegstreiber gibt, quer durch alle Parteien. Wie gut, dass wir jemanden wie dich haben, lieber Rolf, einen mit echter Expertise in der Außenpolitik, einen mit Gespür und Instinkt. Und mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit. Unvergessen, wie du dir „damals“, 2021, den Habeck vorgeknöpft hast, als der Defensivwaffen für die Ukraine wollte. Blauäugig hast du ihn genannt und nur daran interessiert, sich im Wahlkampf ein neues Image zuzulegen. Und die Grünen hast du als regierungsunfähig und unaufrichtig bezeichnet. Habeck würde als ehemaliger Landesumweltminister die innere Situation in der Ukraine verkennen und das in der Region nötige komplexe Krisenmanagement. Tja, Volltreffer. Austeilen kannst du.
Unvergessen auch, wie du ein paar Tage vor dem 24. Februar 2022 die „russische Bedrohungsanalyse“ zwar nicht geteilt, aber doch verstanden hast. Weswegen du eine europäische Sicherheitsarchitektur gefordert hast, die Militärbündnisse überwindet und Russland mit einschließt. Die NATO sei keine Garantie für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, wie die Beispiele Ungarn, Polen oder auch Trump gezeigt hätten, hast du damals gesagt. Und dass Russland „berechtigte Sicherheitsinteressen“ habe. Kurz, du hattest damals wie heute die richtig guten Ideen und Überzeugungen.

Und es ist schön, zu sehen, dass es noch Politiker gibt, die ausnahmsweise mal nicht ihr Fähnchen in den Wind hängen, sondern sich selbst treu bleiben. Auch wenn man es mit seinen Ansichten auf die Liste jener Personen schafft, geführt vom Zentrum gegen Desinformation des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, deren „Narrative … mit der russischen Propaganda übereinstimmen“. Egal, man wird ja wohl noch seine Meinung haben und behalten dürfen, ganz egal, was in der Welt passiert. Überzeugungen sind Überzeugungen. Wen interessieren da irgendwelche Listen? Problematisch wäre so eine Liste erst, wenn es die Gehaltsliste von Putin wäre. Aber Geld fließt ganz sicher nicht in deine Richtung, weil du, lieber Rolf, ein Überzeugungstäter bist. Und da kann man dann nichts machen …

● GAH

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El Kurdis Kolumne im April

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El Kurdis Kolumne im April


Kunst-Epiphanien an der Zonengrenze

Nicht erst seit im letzten Herbst die komplette Findungskommission zurückgetreten ist, fragen sich viele Leute: Wird die nächste Documenta im Jahr 2027 – also Nummer „16“ – überhaupt noch stattfinden? Und noch dazu in Kassel? Während des antisemitischen Skandals der letzten Ausstellung äußerten ja nicht wenige Kunstbetriebler aus der Hauptstadt, es sei sowieso schon lange eine Zumutung, eine Weltkunstausstellung ausgerechnet an dieser nordhessischen Milchkanne zu veranstalten.

Oft stellten sie sogar eine Verbindung zwischen der Provinzialität des Ortes und den judenfeindlichen Entgleisungen her. Wobei die diesjährige Berlinale-Preisverleihung ja sehr unschön bewiesen hat, dass eine simplifizierende „Palästina-gut-und-antikolonial/Israel-böse-und-genozidal“-Propaganda auch auf einer Kulturveranstaltung in Berlin nicht nur widerspruchslos verbreitet werden kann, sondern vom Publikum auch noch begeistert beklatscht wird.

Und obwohl oder grade weil mir bewusst ist, dass sich die Ausstellungsmacher*innen, die Ausstellenden und die Besucher*innen der Documenta noch nie für Kassel als den Ort des Geschehens interessiert haben – hier ein zutiefst provinzielles Plädoyer eines Ex-Kasselers für die Fortführung diese Kunstereignisses genau dort: In der nordhessischen Taiga, in – wie die Frankfurter sagen – „Hessisch-Sibirien“.

Zunächst einmal: Kassel ist kein übler Ort. Man kann da leben, arbeiten, aufwachsen, ohne traumatisiert zu werden. 200.000 Einwohner, viel Grün, viele Nachkriegsbauten. Stünde da nicht auf einem Hügel über der Stadt dieser verstörende große nackte Mann mit einer Keule könnte man Kassel ganz gut mit Braunschweig vergleichen. Und auch wenn viele Hannoveraner*innen ein Leben in Braunschweig als ungefähr so lebenswert einschätzen wie Loriot ein Leben ohne kleine faule Sofa-Hunde („Ein Leben ohne Möpse ist zwar möglich, aber sinnlos“), kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Selbstverständlich hat Hannover wesentlich mehr zu bieten als seine ostfälische Nachbarstadt – aber Braunschweig ist eben auch okay. So wie Kassel. Beide Städte, Kassel wie Braunschweig, lagen übrigens ziemlich nah an der DDR-Grenze. Im Zonenrandgebiet. Böse Zungen behaupten, dass man das heute noch merkt. Worauf will ich hinaus? Vielleicht hierauf: Kassel ist so mittel.

Als Jugendlicher will man aber mehr als „mittel“. Man will Aufregung, Abenteuer, Leidenschaft. Man will am eigenen Leib erfahren, was so alles geht. Und da kommt die Documenta ins Spiel: Für viele in Kassel Aufgewachsene gab es mindestens eine Documenta, die sie im Nachhinein als Erweckungserlebnis interpretieren.
Bei mir waren es mehrere. Als Kind und als Jugendlicher liebte ich alle drei Ausstellungen, die ich bei vollem Bewusstsein erlebt habe: 1977, 1982, 1987. In meiner Erinnerung begann bei jeder dieser „Documenten“ die sonst eher dösende Stadt plötzlich zu vibrieren. Und zu klingen. Es war geradezu metaphysisch: Kassel sprach in Zungen. 100 Tage lang. Und das nicht nur, wie sonst an den Nebenspielorten, in den randständigen Einwanderer-Vierteln wie dem, in dem ich aufwuchs. Auch in der guten Stube der Stadt wurde von einem Tag auf den anderen fremdgesprochen: In der Fußgängerzone, in den Cafés, in den Geschäften. Englisch, Französisch, Spanisch, Niederländisch… Sogar Japanisch. Überall sah man Leute in absurd-exzentrischer Kleidung. In Zeiten, in denen niemand das Wort ‚non-binär‘ auch nur gedacht hatte, begegneten wir Menschen, die wir beim besten Willen keinem der uns bekannten Geschlechter zuordnen konnten. Wir fanden es super.
Überall fand Kultur statt. Im offiziellen Rahmenprogramm, aber oft auch spontan und überfallartig: Draußen, auf Plätzen, in Parks, in Kneipen. Und vor allem: in unseren Köpfen. Ich wünschte mir damals, dass Kassel immer so wäre. Oder mein Leben.

Und obwohl wir keinen Dunst von Kunst hatten, lernten wir, sie zu verteidigen. Wir stritten mit Eltern, Tanten, Lehrerinnen, und – wenn es sein musste – auch mit Passanten, die sich zum Beispiel über Outdoor-Skulpturen aufregten. Manchmal erklärten wir auch – anderen Passanten gegenüber – irgendeinen beliebigen Bauzaun zum Documenta-Kunstwerk, und waren ein bisschen enttäuscht, wenn das schulterzuckend hingenommen wurde.
Anders gesagt: Wenn man wirklich will, dass Kunst eine Wirkung auf viele unterschiedliche Menschen hat – und nicht nur auf die üblichen Verdächtigen, das museumsbesuchende Bildungsbürgertum –, dann sollte man eine solche Ausstellung in ihrem lebensverändernden Potenzial nicht an Berlin verschwenden.

● Hartmut El Kurdi

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