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Literarisches: Ruby schreibt zeugs und Seymour Green


Null oder Eins? In „Binärer Ballast“ tragen Ruby schreibt Zeugs und Seymour Green unzensiert den Kampf der Geschlechter aus. In ihrem mittlerweile nicht mehr ganz so neuen Buch schreien und pöbeln sie sich gegenseitig an, reißen Wunden auf, ohne dabei verletzend zu sein, werfen gnadenlos alle Worte und Geschichten ab, die sie schon so lange verfolgen, und bringen auf den Punkt, wie scheiße sich das alles manchmal anfühlen kann. „Binärer Ballast“ ist ein Experiment. Zum Wut ablassen, zum sich liebhaben und zum endlich verstehen und verstanden werden. Von toxischer Männlichkeit bis Feminazi kämpfen sich die beiden Autor*innen durch die Landschaft der binären Geschlechter.

„Kunst soll provozieren und sogar wehtun, das gibt ihr ihren Wert hinsichtlich der Selbstreflexion“, erzählt mir Seymour Green. Und genau das tut „Binärer Ballast“. Das Besondere an der Sammlung aus kleinen Gedichten und Geschichten ist die tiefgründige Ehrlichkeit und erbarmungslose Deutlichkeit, die die beiden Autor*innen an den Tag legen. Sie zeigen Abgründe auf, die meist so verhasst sind, wie der neue Freund der Mutter. Provozierend, brutal und selbstreflektierend nehmen sie kein Blatt vor den Mund, streiten auf harmonische Art und Weise und berichten knallhart, was die Geschlechter voneinander denken und warum das nicht immer positive Gedanken sind. Green erzählt: „Wir haben uns sozusagen gegenseitig die Legitimation gegeben, alles sagen zu können, ohne die Gefühle irgendwie zu entschärfen, das macht das Buch zu etwas besonderem“.

Kennen gelernt haben sich die beiden Autor*innen bei einem Poetry Slam. „Er hat mir von seinem Projekt ‚male emotion‘ erzählt und auch ein paar Texte dazu gezeigt. Einige haben eine starke emotionale Reaktion bei mir ausgelöst, die ich nicht ganz einordnen konnte. Ich habe ihm schließlich vorgeschlagen, ich könnte seine Texte mit meinen Emotionen gegenspiegeln. Gott sei Dank, war er nicht beleidigt, sondern fand die Idee geil“, erzählt die aus Linden stammende Ruby schreibt Zeugs. Bei der Zusammenarbeit fehlte es zwar hier und da an ein bisschen Zeitmanagement und fristgerechten Abgaben, dank ein paar Arschtritten „lief die Zusammenarbeit aber insgesamt trotzdem ziemlich gut“. Der Autor erklärt weiter: „Wir haben uns immer bei Ruby getroffen, sie hat das Bier bereitgestellt und ich die Zigaretten mitgebracht und so haben wir uns gegenseitig unsere neuen Texte vorgelesen und uns weiter gegenseitig inspiriert und abgesprochen, welche Themen wir auf welche Weise aufgreifen wollen“. Ganz natürlich ist es dabei, dass da auch Kapitel herauskommen, die man von seiner Co-Autorin oder seinem Co-Autoren vielleicht manchmal ein bisschen weniger mag. „Von Seymour ist ‚Geteiltes Leid‘ an bestimmten Stellen sehr schwer zu ertragen, obwohl ich sie mittlerweile auch besser verstehe. ‚Es war einmal … eine Pornofantasie‘ ist meine direkte Antwort darauf. Aber ich liebe auch sein Gedicht ‚Geh nicht weg!‘, das geht richtig unter die Haut“, erklärt Ruby s. Zeugs. „Bei Ruby mag ich gerne ‚Das zweite Mal‘, das packt mich besonders, wobei mir ‚Chronische Unterschätzung‘ am wenigsten gefällt“, ergänzt Green.

Ruby schreibt Zeugs, die zudem bei den Lesebühnen „Nachtbarden“ und „Womansplained“ mitwirkt, freut sich über die positive Resonanz gegenüber ihrem gemeinsamen Werk. „Manchmal merke ich, wie Leute bei bestimmten Texten kurz erstarren. Doch es wird auch wirklich viel gelacht. Das Schönste für mich war, als mir neulich jemand sagte, er habe bei meinen Texten so lachen müssen, weil er sich ertappt gefühlt hat“, berichtet die Autorin. Seymour Green ergänzt: „Aber natürlich merkt man teilweise im Publikum, dass Frauen oder eben Männer über bestimmte Dinge nicht lachen, aber das gleichen Ruby und ich dann wieder gegenseitig aus. Wir haben ja auch bewusst provokante Texte, genauso wie wir auch versöhnliche haben.“

Zukünftig könnten sich die beiden Autor*innen auch vorstellen, noch einmal zusammenzuarbeiten, „unser nächstes Projekt wird jedoch versöhnlicher. Obwohl es wirklich Spaß gemacht hat, sich zu streiten …“, erwägt Ruby s. Zeugs. Wobei für Seymour Green erstmal das Schreiben seines neuen Romans ansteht.

„Toxische Männlichkeit trifft auf Feminazi … ganz ohne Filter!“, fasst Ruby s. Zeug den Inhalt von „Binärer Ballast“ zusammen und ergänzt: „Wir verbieten uns nicht gegenseitig den Mund, sondern wir lassen die andere Person ausreden. Das kann manchmal wehtun. Aber das kann auch manchmal lustig sein“. Ruby schreibt Zeugs und Seymour Green zwingen uns zum Zuhören und mit ein bisschen Glück lösen sie zumindest bei ein paar Leser*innen die emotionalen Verstopfungen und vielleicht auch den Zwang, alles als Null oder Eins betrachten zu wollen.

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