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Literarisches: Marc Lunghuß


Teppiche bieten Heimat. Gerade denen, die keine haben“, schreibt Marc Lunghuß in seinem im Oktober veröffentlichten Roman „Am Boden“. In der Theorie ist es ein Roman über Teppichböden. In der Praxis aber eine mit besonderer Symbolik erzählte Vater-Sohn Geschichte in stiller Atmosphäre, über das unter den Teppich Gekehrte. „Trotz aller Teppichthematik und der von mir erhofften Unterhaltsamkeit ist ‚Am Boden‘ vor allem das: Trauerliteratur“, so beschreibt Lunghuß sein Werk.

Die Familie in „Am Boden“ lebt warm und geborgen in einem Haus, dessen Räume alle mit Teppichboden ausgelegt sind. „Hart fallen konnten wir als Kinder also nicht“, heißt es im Buch. An ein weiches Leben gewöhnt, wird die Familie im Jahr 2006 mit dem Tod des Vaters konfrontiert. Mit 59 Jahren stirbt er in der Medizinischen Hochschule Hannover, der „Stadt aus Waschbeton“, an Leukämie. Der Teppichvertreter verstirbt „in einem Zimmer mit anti-bakteriellem Kautschukboden“. Aus dieser Situation heraus beginnt eine intensive aber humorvolle Familiengeschichte – und ein Trauerroman. Eine Geschichte über eine Kleinfamilie, die in der Nähe des Deisters lebt, über Sehnsucht, Trauer sowie die Flucht davor, über das Aufwachsen in einer politisch aufgeladenen Gesellschaft – und natürlich über Teppichböden.
„Ich hielt die Information, der Sohn eines Teppichbodenvertreters zu sein, noch nie für besonders spannend“, sagt Marc Lunghuß. Doch dann sitzt der Autor im Frühling 2022 im Rahmen des Alfred-Döblin-Stipendiums in einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein und schreibt. Mit den beiden anderen Stipendiatinnen kommt er viel ins Gespräch: Sie ermutigten ihn seine Idee zu verfolgen. „Also begann ich mit einem kleinen Text, der sich auch im fertigen Roman wiederfindet“, sagt Lunghuß und erzählt weiter: „So setzte ich die Arbeit fort, begann mit der intensiven Recherche, hielt aber immer noch den Gedanken, daraus könnte ein Roman entstehen, von mir fern. Und vielleicht war genau das der Schlüssel, dass daraus tatsächlich ein Roman wurde.“ Das Ergebnis: Ein Roman über das Unauffällige.
„Unauffällige Begleiter unseres Lebens, wie Teppiche, treten manchmal aus ihrer Unauffälligkeit in unser Bewusstsein, zum Beispiel wenn sie nicht funktionieren. Oder wenn sie mit Bedeutungen aufgeladen werden, die von uns auf sie projiziert werden“, erklärt der Autor. In Lunghuß’ autobiografisch geprägtem Roman wird der Teppichboden zum Akteur in einem familiären aber auch gesellschaftlichen Geflecht, der Verhalten und Strukturen maßgeblich beeinflussen kann. Symbolisch dient der Teppich als Spiegel für soziale Normen und Werte sowie unterdrückte Emotionen und ungelöste Konflikte. In „Am Boden“ ist der Teppich mehr als nur ein Bodenbelag: „Ein Material wird zur Brücke“, wie Lunghuß sagt.

Marc Lunghuß wurde 1974 in Gehrden geboren und studierte Philosophie und Germanistik in Heidelberg sowie Berlin. Er führt Regie bei diversen Theaterinszenierungen und veröffentlicht Kurzprosa und Erzählungen. „2025 beginne ich mit etwas Neuem, darauf freue ich mich“, erzählt er.

Bärmeier & Nikel

192 Seiten

24 Euro

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