Literarisches: Angela Schönewald

Was macht frau, wenn sie zu fest angeschnallt in den Traktorgurten ihres einst gewählten Lebens festsitzt? Schafft frau es überhaupt zu entkommen? Von ihrem Ehemann, der ländlichen Misere und einem Familienunternehmen, das sie ihr ganzes Leben lang mit aufgebaut hat? Noch nie hat sie sich über Harry beschwert, doch jetzt wagt sie einen ersten Sprung. Angela Schönewald erzählt in „Mein Mann, nennen wir ihn Harry“ die Geschichte einer Frau, die endlich bereit ist ihre Geschichte zu teilen und sich selbst zu priorisieren. Skurrile Figuren fragen nach, welches Leben sie im Alter leben wollen – und das auf eine ganz besondere künstlerische Art und Weise.

Eine Frau fährt nach München, ohne nach München fahren zu müssen, einfach weil sie eine Entscheidung treffen muss. Sie sucht sich einen Sitzplatz neben einem Mann mit beruhigender Ausstrahlung und beginnt ihm ihre Geschichte anzuvertrauen. Ihre und Harrys Geschichte. Zusammen betreiben sie und ihr Ehemann einen Landmaschinenhandel. Harry ist viel beschäftigt und reichlich unterwegs, vor allem an den Wochenenden. Er trinkt gerne Bier, verachtet Kunst und seine Treue scheint gerade zu kurz zu kommen. Doch im Gegensatz zu Harry bringen ihre Neugier und Weltoffenheit sie dazu ein Mobile an Ereignissen in Bewegung zu bringen und dem kulturellen Niemandsland den Rücken zukehren zu wollen. Sie freundet sich mit Ela, der Frau des Pfarrers, an und zusammen stellen sie sich die Fragen: Welches Leben will ich im Alter? Und kann ich Zufälle und Unsinn für mich nutzen?

Irgendwann zieht jeder Mensch eine Lebensbilanz. Vielleicht mit Mitte 20, Mitte 50 oder erst im Rentenalter. Doch wie sieht die aus? Was reicht mir? Und was sollte mir reichen? Schönewalds Roman zieht diese Bilanz für die Erzählerin und diese sieht gar nicht mal so glücklich aus. Wie sieht der Weg aus, wenn man sein Leben nochmal komplett umkrempelt? Was muss ich zurücklassen? „Mich interessieren persönliche Entwicklungsprozesse, die aus einer zementierten Lage heraus entstehen. Ich wollte in meinem Roman untersuchen, was passieren kann, wenn sich ein Mensch in einem passenden Moment (Kairos) bewusst entschließt, etwas völlig unerwartetes und unsinniges zu tun. Welches Mobile an Möglichkeiten setzt er in Bewegung, wenn er bereit ist, einen ersten unerwarteten Schritt zu gehen?“, erzählt die Autorin und ergänzt: „Und es sollte unbedingt etwas mit Kunst sein. Mir ist klar, dass Kunst und Literatur zwei voneinander getrennte Felder sind. Aber in meinem Denken werden sie manchmal zu einem einzigen Feld.“

Weiter führt Schönewald aus: „Mein Roman könnte Leser*innen interessieren, die sich mit ihrer Lebensbilanz befassen und sich dabei auch die Frage stellen, welches Leben sie im Alter leben wollen. Besonders angesprochen sind Leser*innen, die Kunst lieben und einen Sinn für Unsinn und Skurriles haben. Der Harry-Roman richtet sich aber auch an Stadtkinder, die von einem späteren Leben auf dem Land träumen.“

Angela Schönewald wurde 1953 in einem Dorf in Nordhessen geboren. Sie erzählt: „Es sind viele Erinnerungen und Beobachtungen aus meiner nordhessischen Kindheit eingeflossen. Meine Oma war überdurchschnittlich kommunikativ. Mit großem Interesse hatte ich bei jeder Gelegenheit dem Klatsch und Tratsch in unserem Dorf gelauscht.“ Die Autorin hat Bauingenieurwesen und Interdisziplinäre Arbeitswissenschaft studiert. Zuletzt begleitete sie Entwicklungsprozesse von Personen und Teams in Organisationen und veröffentlichte Artikel in Fachzeitschriften. Neben dem Schreiben stellt sie kinetische Kunstobjekte aus Metall her, die unter anderem in der GEDOK-Galerie und im Kunstraum j3fm in Hannover ausgestellt waren. Ihr ganz besonderes Interesse gilt den absurden Lebenssituationen und den skurrilen Figuren, die auch ihren ersten Roman ausmachen. Schönewald berichtet: „Als Erwachsene hatte ich immer wieder mal an die Möglichkeit des Schreibens gedacht, aber das Schreiben eines Romans wollte ich mir nicht zutrauen. Doch dann fing ich mit der Kunst und etwas später auch mit dem Schreiben an. Aus meiner damaligen Sicht, hatte ich mich an einem bestimmten Punkt entschieden, etwas Unsinniges zu tun.“

Gerade schreibt das Multitalent an einem neuen Roman: „Der Tag, er beginnt Gestern“. „Auch hier geht es wieder um skurrile Nebenfiguren, Kairos, Kunst und Unsinn und vielleicht auch um einige Klischees“, erzählt Angela Schönewald.

Epubli-Taschenbuch

185 Seiten

10 Euro.


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