Ich wollte schon immer mal gerne in Lebensgefahr sein. Schon seit ich ganz klein war. Wenn meine Eltern von irgendeiner Begebenheit erzählten, von irgendetwas, das ich angestellt hatte, fragte ich gerne: „Und? War ich dabei in Lebensgefahr?“ War ich nie. Nicht mal, als ein Ball, ein Werbegeschenk der Supermarktkette „Bonus“, auf die Straße rollte und ich ihn, kurz bevor ein Auto kam, zurückholte, gestand man mir den kleinen Nervenkitzel zu. „Das war keine Lebensgefahr,“ sagte mein Vater, „das war dumm.“ Bestimmt war ich aber schon ganz oft in Lebensgefahr, nur nicht aufmerksam genug, das auch mitzukriegen. Bis auf ein Mal, letzten Mai. Mein Freund und ich spazierten durch Tremé, einen Stadtteil von New Orleans, der sich nie so ganz von Katrina erholt hat, als urplötzlich keinen Meter neben uns eine Gruppe Männer auf einen anderen Mann einprügelte, ihn mit einer Waffe bedrohte und ihn immer wieder anschrie: „D‘ya wanna live?“ Das hätte ganz schön ins Auge gehen können, wenn ich in dem Moment so großmäulig gewesen wäre wie sonst immer.
Nun darf man mich nicht missverstehen, ich bin keineswegs ein Adrenalinjunkie. Weder klettere ich irgendwo hoch (nicht mal gesichert), noch springe ich von irgendwas runter. Kein Wrestling mit Rochen, keine kulinarische Jagd nach dem besten Fugu, nichts dergleichen. Wenn ich einen aufregenden Tod sterben sollte, wird er dergestalt sein, dass ich, im festen Glauben, es handele sich um eine zutiefst missverstandene Kreatur, das falsche Tier gegen dessen Willen an mich gedrückt und geküsst habe. Tiere küssen ist nämlich ein Hobby von mir und so ziemlich das Gefährlichste, was ich für gewöhnlich tue. Aber ich mag nun mal auch True Crime, je blutiger, desto besser. Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust, kann ich nicht leugnen.
Und eins davon begann kürzlich zu rasen. Und wie! Ich war nämlich fest überzeugt davon, dass mir jemand nach dem Leben trachtet, jawohl!
Der Grund dafür war… Petersilie!
Vor einigen Wochen fand ich vor dem Gebäude meines Arbeitsplatzes auf dem Rasenstück einige Stengel glatter Petersilie, die noch recht frisch aussahen. Ich dachte mir kaum etwas dabei, glaubte an kalte Platten-Deko von irgendeiner Weihnachtsfeier. Keine zwei Wochen später: Schon wieder Petersilie. Nicht gerade wenig! Ich fragte mich also: Wer kauft sich ein Sträußchen Petersilie, um es dann wegzuwerfen? Zu guter Letzt: Ein ganzes Bund! Und zwar direkt vor der Eingangstür, die im Grunde nur von drei Menschen benutzt wird.
Da ich weiß, dass unterschiedliche Blumen unterschiedliche Bedeutungen haben (rote Nelken stehen für Sozialismus, Orchideen für Fruchtbarkeit – der ganze Bums), habe ich mich gefragt, ob das auch für Gewürzpflanzen gilt. Und siehe da, es gibt einen alten Ausspruch: „Petersilie hilft dem Mann aufs Pferde und der Frau unter die Erde“. Kein Zweifel, ich soll also sterben! Ich bin in Lebensgefahr! Na endlich! Aber wer bedroht mich da? Meine Kollegin indes sah das anders, entweder alles Zufall oder ein missglückter Petersilienkimchiversuch. Ich aber wollte mich nicht damit abfinden, dass es nichts bedeutet. Ist das etwa eine Form von Voodoo? Vielleicht durch unseren ehemaligen Kollegen? Dem ist Einiges zuzutrauen! Oder ist Petersilie gar das vegane Äquivalent zu einem Schweinekopf? Habe ich es hier mit der Kräutermafia zu tun, die mich dafür meucheln will, dass ich behauptet hab, Koriandergrün schmecke so wie die Seife im Gästeklo meiner Oma riecht? Da bin ich ja wohl nicht die Einzige!
Das ist alles so aufregend, ich kann kaum an mich halten. Ich! Gejagt von Sergio Brokkoli (Mann fürs Grobe) und Emilio Petersilio (Drahtzieher)! Das kann man sich doch schöner gar nicht ausdenken. Mal schauen, was als Nächstes passiert. Zeugenschutz, ich komme! IH
