Ein offener Brief… an Markus Söder

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Lieber Markus, wir schon wieder! Mit einem Gruß zum neuen Jahr, aufrichtigen Glückwünschen zu deinen genialen Wahlkampfideen und einem beherzten „Weiter so!“. Kann man Wahlkampf eigentlich noch besser machen? Du hast es wirklich verstanden und verinnerlicht: Es gibt grundsätzlich zwei relevante Gruppen in Deutschland. Da sind einmal die Leute, die sich noch verantwortlich fühlen, die nachdenken, die grübeln, die auch mal in einem Faktencheck stöbern. Diese verdammten woken Arschlöcher lesen zwischendurch ein Buch, im Zweifel sogar ein Sachbuch, sie glotzen MAITHINK X im Zweiten und hängen an den Lippen von Professor Harald Lesch. Diese Gruppe ist absolut zu vernachlässigen, weil man sie sowieso nicht kriegt. Die wählen die Grünen oder die Linken oder eventuell aus taktischen Gründen mal die SPD, aber die würden niemals die CDU wählen, oder in Bayern die CSU, sie sind also für deinen Kanzlerplan „Söder-2029“ völlig irrelevant.

Was nicht so tragisch ist, weil sie auch als Wählergruppe zunehmend kleiner und irrelevanter werden. Wahlen gewinnt man mit den anderen. Mit denen, die sich das alles nicht mehr gefallen lassen, die sich ihre Bratwurst nicht verbieten lassen, die überhaupt nicht einsehen, warum ausgerechnet sie im Sommer ihren Pool nicht mit Wasser füllen dürfen, die kurz gesagt diesen ganzen grünen Mist nicht glauben und lieber alles feiern, was ihnen in den Kram passt. Mehr Döner, weniger Ausländer. Echte deutsche Werte und Tugenden. Zwei Geschlechter. Deutsche Ingenieurskunst. Keine absurden Experimente. Das ist die Zielgruppe, die man in Deutschland für sich gewinnen muss.

Diese Leute wollen bedient werden. Sie wollen die richtigen Wohlfühlgeschichten hören. Sie wollen hören, dass sie nicht allein sind und auf der richtigen Seite stehen. Also nicht auf der woken Arschgesichter-Seite. Sie wollen Teil der Mehrheit sein. Weswegen es auch sehr klug ist, beizeiten eine Gruppe als Minderheit und Hassobjekt zu definieren. Jemand muss Schuld haben. Und du, lieber Markus, hast das sehr schön verinnerlicht. Die Grünen sind vom Satan besessen. Sie wollen uns alle mit ihrem veganen Scheiß vergiften. Sie wollen uns das Leben verbieten. Klar, das alles ist auch ein bisschen AfD-Sound, aber es nützt ja nichts. Man kann den Rechten ja nicht einfach dieses herrlich willige Stimmvieh überlassen.

Natürlich weißt du, dass du die Idioten bedienst, die Deppen von der letzten Bank, die egoistischen, verfressenen Arschlöcher, die sich gerne Gartenzwerge in den Vorgarten stellen und bei heruntergelassenen Jalousien sonntags so richtig die Sau rauslassen, bevor es zum Gottesdienst geht. Ganz normale Deutsche eben, die nicht weiter springen als sie müssen und nicht weiter denken als die eigene Nase lang ist. Die einfach gerne alles glauben, was ihnen in den Kram passt. Sie wollen gar nichts wissen. Sie wollen angelogen werden. Sie sehnen sich nach Populismus, nach einfachen Antworten. Soll man sich dem als ambitionierter Politiker verweigern? Im Gegenteil. Man muss genau die Show abliefern, die gewünscht wird. Und dabei ist alles erlaubt, selbst ein Kniefall in Warschau. Das ist nicht „eine der größten Geschmacklosigkeiten“, ein „absoluter Tiefpunkt“ oder „Selbstbesoffenheit“, das ist einfach nur klug kalkuliert. Da sind alle Synapsen genau richtig verdrahtet.

Du lieber Markus, weißt einfach, dass deine Zielgruppe nicht weiß, wer Willy Brandt war, was der in Deutschland für einen Job hatte und dass der sich auch mal in Warschau die Hose dreckig gemacht hat. Du hast nur Respekt gezeigt, davor sollte man Respekt haben. Klar. Wir Södern uns die Welt, wie sie uns gefällt. VA


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