Ein offener Brief… an Friedrich Merz

Lieber Friedrich, Gratulation! Jetzt ist es bald geschafft, trotz allem. Was für ein Glück, dass die Vollpfost*innen von der SPD den Olaf ins Rennen geschickt haben. Gegen so eine „Konkurrenz“ kann man es sich leisten, ganz viel falsch zu machen – und wird trotzdem Kanzler. Trotz AfD-Kumpelei, trotz Angelas Rüffel, trotz der galoppierenden Abwesenheit einer tragfähigen Strategie. Unter uns, mit Boris Pistorius wäre die Geschichte wahrscheinlich wesentlich knapper ausgegangen. Wir wissen das. Du weißt das. Die gesamte SPD weiß das – und wird Olaf jetzt schleunigst in die Wüste schicken.

In vier Jahren (vielleicht auch schon eher, man weiß ja nie) werden die Karten dann wieder neu gemischt. Und du wirst mit ziemlicher Sicherheit gegen Pistorius antreten müssen. Oder sogar gegen Anke Rehlinger. Eine Frau … Das wäre wirklich das Worst-Case-Szenario. Also an die Arbeit! Es muss jetzt darum gehen, die Macht zu zementieren. Der Anspruch ist klar: In Deutschland darf nie wieder eine andere Partei als die CDU den Kanzler (nicht die Kanzlerin) stellen. Und ein erster Schritt auf diesem Weg ist eine zweite und dritte Amtszeit Merz. Und möglichst auch noch eine vierte. Angela hat 16 Jahre auf deinem Platz gesessen. Es ist einfach eine Frage der ausgleichenden Gerechtigkeit. Vielleicht schaffst du auch 18 Jahre, das wäre ein neuer Rekord in Deutschland. Du könntest dann mit 87 Jahren mit wirklich stolzgeschwellter Brust in den wohlverdienten Ruhestand gehen.

Aber erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Wie muss es jetzt weitergehen? Es gibt zwei denkbare Wege: Du krempelst die Ärmel hoch, machst einen Strich unter all das, was du im Wahlkampf so rausgehauen hast, suchst dir einen fähigen und willigen Koalitionspartner, und dann arbeitet ihr fleißig und gemeinsam möglichst geräuschlos und sehr effektiv daran, Deutschland so richtig nach vorne zu bringen. Mit echten, nachhaltigen Lösungen, die manchmal unpopulär sind und für manche Menschen auch anstrengend.

Oder du krempelst die Ärmel hoch, machst keinen Strich unter all das, was du im Wahlkampf so rausgehauen hast, suchst dir einen machtgeilen Koalitionspartner und lieferst ab. Die schlechten Ausländer raus und die guten rein, Höchststrafen für Faulenzer und Schmarotzer, keine Geschenke mehr, außer für die Leistungsträger, bloß nicht zu viel Umweltgedöns und ein Hoch auf den deutschen Verbrenner. Und weil klar ist, dass all diese „Lösungen“ auf Dauer ein Schuss ins eigene Knie sind, braucht es ein gutes Marketing für diese Agenda. Wie schafft man es, dass möglichst viele Menschen den ganzen Quatsch glauben? Man sorgt erstens – ganz wichtig – dafür, dass sich im Bildungsbereich möglichst wenig bis gar nichts bewegt. Wozu auch gehört, dass man ein Fach „Medienkompetenz“ an den Schulen verhindert. Zweitens muss weiter die Angst der Treiber in Deutschland sein. Wer keine Angst hat, der denkt am Ende nach, was gar nicht gut wäre. Und drittens darf die Debattenkultur nicht wieder an Niveau gewinnen. Das ist sehr wichtig. Nur so kann man gute Ideen und skeptischen Fragen von der Oppositionsbank ins Lächerliche ziehen, ohne Gefahr zu laufen, in eine echte Diskussion einsteigen zu müssen.

Was es braucht, ist dazu ein gutes Team. Menschen ohne Gewissen, die im Zweifel die Wahrheit bis zur Schmerzgrenze biegen. Die tatsächlich keinerlei Skrupel haben und das Wohl der Menschen jederzeit den eigenen Interessen unterordnen. Da bietet sich ein Jens Spahn natürlich an. Es braucht so einen Bombenleger, gefragt ist diese gewisse Hinterfotzigkeit. Klar, der Markus Söder gehört auch in so ein Team. Aber dreh ihm nie den Rücken zu. Und vielleicht noch die Julia Klöckner. Okay, eine Frau, da bist du skeptisch. Aber in diesem speziellen Fall kann man ja vielleicht mal eine Ausnahme machen. Mit so einem Team sollte es eigentlich ganz gut gelingen, das Niveau in Deutschland weiter zu schleifen. Und ganz nebenbei auch die Grenzen weiter zu verschieben – nach rechts. Denn mal angenommen, die SPD und die Grünen sind auf Dauer nicht machtgeil genug, was dann?

Dann gibt es noch eine andere Option, die schon eine Weile machtgeil mit den Füßen scharrt, jenseits der Mauer. Wir wissen das. Du weißt das. Wenn die nächsten 18 Jahre mit dir als Kanzler realistisch sein sollen, muss auch diese Option irgendwann auf den Tisch. Zum ersten Mal spätestens 2029, wenn die Bilanz deiner ersten vier Jahre sichtbar wird und sich die Menschen noch viel mehr nach Alternativen umsehen werden. Man muss beizeiten bereit sein, Kompromisse zu machen. Niemand hatte jemals die Absicht, eine Brandmauer zu errichten. Das haben immer nur die anderen erzählt. VA

Tiago Sierra Sierratds / Pixabay.com

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