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Editorial 2023-02

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Editorial 2023-02


 

Liebe Leserinnen und Leser,
und noch einmal, nach der Ausgabe Dezember, in der ich mir ein paar Sorgen gemacht und über meine Ängste geschrieben habe, ein weiterer kleiner, persönlicher Zwischenruf. „Bruchlinien“, so habe ich den Text auf den Seiten 54 und 55 in dieser Ausgabe überschrieben. Und ich ahne schon, dass ich es mir mit diesem Text vielleicht mit ein paar guten, alten Freunden verderbe, von denen ich weiß, dass sie sehr vehement ganz anderer Meinung sind. Denn ich habe in meinen „Bruchlinien“ unter anderem einen ganz klaren Standpunkt bei der Frage zur Unterstützung der Ukraine: Alles, was geht, beziehungsweise rollt!

Ich habe bereits vor einigen Monaten den von Alice Schwarzer initiierten Offenen Brief an Olaf Scholz gegen die Lieferung von schweren Waffen nicht nur nicht verstanden, mich hat im Nachgang dazu erschrocken, wer dort alles mitunterzeichnet hat. Ich habe im Nachgang die Erklärungen von Richard David Precht gehört und bin noch heute überzeugt, dass nie ein Philosoph mehr geirrt hat. Okay, ich übertreibe. Die Philosophie hat eine große Geschichte der Irrungen und Wirrungen. Was gut ist, denn das schafft Erkenntnis.

Inzwischen gab es ein paar Erkenntnisse, und auch Richard David Precht musste zähneknirschend zugeben, dass er damals ein bisschen danebengelegen hat. Die Ukrainer haben sich gewehrt und sie sind immer noch da, was ohne die gelieferten Waffen äußerst fraglich wäre. Sie haben sich verteidigt, während Russland bis heute Kriegsverbrechen an Kriegsverbrechen reiht. Ich sehe kein einziges Argument, nach wie vor nicht, das diesen russischen Angriff rechtfertigen könnte. Alles, was da so kursiert, ist aus meiner Sicht auf Deutsch gesagt dummes Zeug. Man hat sich bedroht gefühlt von der NATO? Ernsthaft? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Bevölkerungen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien usw. einen Angriffskrieg der NATO gegen Russland mit wehenden Fahnen begleitet hätten? Genau! Null. Und dann diese Geschichte mit den Nazis in der Ukraine. Ich sehe dort vor allem Menschen, denen das blanke Entsetzen in den Gesichtern steht. Putin hat diesen Krieg lange vorbereitet. Und Teil dieser Vorbereitung war die gezielte Verbreitung diverser wirrer Erzählungen. Leider hat das vielfach funktioniert. Wer aber diese Erzählungen jetzt noch glaubt, angesichts der täglichen Gräueltaten durch die Russen in der Ukraine, dem ist entweder nicht zu helfen oder der möchte ahnungslos bleiben.

Ich habe meinen Zwischenruf in dieser Ausgabe vor allem wegen des Krieges in der Ukraine, beziehungsweise wegen der deutschen Haltung zu Waffenlieferungen geschrieben. Glaubt man den neusten Umfragen, lehnt eine Mehrheit die Lieferung schwerer Waffen inzwischen ab. Ich finde das ganz entsetzlich. Denn diese Ablehnung hat ja Gründe. Angst vor Eskalation, Angst davor, dass wir zur Kriegspartei werden könnten, Angst vor einer Verlängerung des Krieges, der Wunsch nach einem schnellen Ende, der Wunsch, dass möglichst bald wieder billiges Gas durch die Pipelines fließt, der Wunsch, dass möglichst schnell alles so wird wie früher. Ich finde diese Gründe zynisch, angesichts dessen, was in der Ukraine passiert.

Aber warum bezieht „der Westen“ nicht auch in anderen Kriegen Stellung, warum nur in der Ukraine? Diese Frage höre ich sehr oft. Manchmal auch mit diesem schönen „Ich-stelle-nur-Fragen-Unterton“. Die Frage ist absolut berechtigt. „Der Westen“ war in der Vergangenheit ziemlich oft ein äußerst fragwürdiger Verein und ist es stellenweise noch. Aber vielleicht erleben wir ja gerade einen Neuanfang. Eine Abkehr von der Verlogenheit, eine Abkehr davon, für gute Geschäfte beide Augen zuzudrücken. Okay, ich höre schon auf. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen …
Geträumt habe ich zugegeben auch ein bisschen im Titeltext. Von einer Gesellschaft, die hoffentlich noch die Kurve kriegt. Ich habe nämlich die Befürchtung, dass wir bereits vor einer Weile ziemlich falsch abgebogen sind. Dass wir stellenweise unsere Mitmenschlichkeit vernachlässigt und vergessen haben, dass wir nicht mehr aufeinander achtgeben. Dass wir uns mehr und mehr im Egoismus verlieren. Dass wir nicht mehr als Gesellschaft funktionieren, sondern nur noch eine Versammlung von Ego-Shootern sind. Ich hoffe sehr, dass ich mich irre, aber die Haltung zur Unterstützung der Ukraine, die sich momentan in Deutschland mehr und mehr etabliert, lässt mich doch arg zweifeln. Ich habe vor einigen Ausgaben im Titelinterview „Über Armut“ mit Klaus Dieter Gleitze gesprochen, dem Geschäftsführer der Landesarmutskonferenz, und er hat mir erzählt, dass er unsere Gesellschaft zunehmend als kalt empfindet. Ich habe das damals nicht so recht glauben wollen. Inzwischen habe ich die Befürchtung, dass es stimmt. Es wird kälter in Deutschland und stellenweise ist es schon eiskalt.
Ich hoffe, wir bekommen das irgendwie gedreht.

Viel Freude mit dieser Ausgabe wünscht
Lars Kompa
Herausgeber Stadtkind

PS: Ihr findet uns übrigens auch im Fediverse auf Mastodon:
https://norden.social/@Stadtkind
let’s make a change

 

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Verlosung: 5 x 2 Karten für „NDR Kultur Foyerkonzert on tour“  mit dem Trio E.T.A. am 02.02.2023

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Verlosung: 5 x 2 Karten für „NDR Kultur Foyerkonzert on tour“ mit dem Trio E.T.A. am 02.02.2023


Wir verlosen 5 x 2 Karten für das „NDR Kultur Foyerkonzert on tour“ mit dem Trio E.T.A. am 02.02.2023, 18:00 im kleinen Sendesaal des NDR im Landesfunkhaus.
 
Aus gutem Grund verneigt sich das 2019 in Hamburg gegründete Trio E. T. A. mit seinem Namen vor dem Schriftsteller, Komponisten und Kritiker E. T. A. Hoffmann: Elene Meipariani (Violine), Till Schuler (Violoncello) und Till Hoffmann (Klavier) haben ihr Triospiel mit romantischer Musik begonnen, lieben künstlerische Querverbindungen und beschäftigen sich mit dem kammermusikalischen Repertoire von der Klassik bis hin zur zeitgenössischen Musik. E.T.A. Hoffmann ist gerade durch seine Vielseitigkeit und seine Liebe zur Musik als der für ihn höchsten Kunst ein Vorbild für die drei.
 
Und so einfach könnt Ihr gewinnen:
sendet uns eine Email an gewinnen@stadtkind-hannover.de mit dem Betreff „NDR“ und Eure vollen Namen im Text. Die Gewinner*innen werden per Email benachrichtigt und stehen dann auf der Gästeliste des NDR. (Die Daten werden bei uns zum Ende der Verlosung wieder gelöscht.)
Teilnahmebedingungen:
– Die Verlosung endet am 26.01.2023 um 23:59 Uhr.
– Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
– Pro Teilnehmer*in wird nur ein Preis vergeben. Mehrfachgewinne sind nicht möglich.
– Der Gewinn ist weder austausch- noch übertragbar. Auszahlungen sind ausgeschlossen.
– Die Gewinner*innen werden aus allen Einsendungen per Losentscheid ermittelt.
– Durch die Teilnahme an der Verlosung akzeptieren die Teilnehmenden diese Teilnahmebedingungen.
 
Und wenn Ihr Lust habt, dann folgt uns auf den „sozialen“ Medien, „liked“ unsere Beiträge und abonniert das Stadtkind 😀
#supportyourlocalartists #supportyourlocalstadtkind
Weitere Infos zum Konzert:
https://www.ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/NDR-Kultur-Foyerkonzert-on-tour-mit-dem-Trio-ETA,pressemeldungndr23678.html

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Auf ein Neues: frohes Neues !

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Auf ein Neues: frohes Neues !


von ❤️ alles Gute für das Neue Jahr!

Mit der heutigen ersten Neumondnacht des Jahres beginnt das Jahr des Hasen mit Element Wasser.
Im Hannover-Wappen wurde das Pferd entsprechend aktualisiert.
Das Jahr verspricht u.a. Beständigkeit und Heilung im Innern.
Wir wünschen Toi Toi Toi 🍀🍀🍀
Weiterführendes:
https://china-wiki.de/jahr-des-hasen-bedeutung-ausblick-2023/
https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/676513

6 Möglichkeiten der geschichtlichen Zeitrechnung: islamisch, jüdisch, römisch, christlich und weitere

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Mittendrin Hannover e.V. – Verein für Inklusion und die EUTB

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Mittendrin Hannover e.V. – Verein für Inklusion und die EUTB


Ehrenamtliches Engagement in Hannover

Inklusion und Barrierefreiheit – zwei Dinge, von denen Menschen mit Behinderungen leider oft nur träumen können. Der Verein Mittendrin Hannover e.V. hat sich das Thema Inklusion auf die Fahne geschrieben. Er ist der Träger der gleichnamigen Kontakt- und der Ergänzenden-Unabhängigen-Teilhabe-Beratung, die Menschen mit Behinderungen in Hannover berät.

„Von einer inklusiven Gesellschaft sind wir noch Lichtjahre entfernt“, meint Jason Weber.  Er ist einer der Berater*innen der EUTB, der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung – ein Bundesprojekt, hervorgegangen aus dem Bundesteilhabegesetz. „Es ist unsere Aufgabe, Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige zu beraten – in allen Anliegen. Dabei sind wir niemandem verpflichtet, außer dem Verein, und können so wirklich ganz im Sinne der Menschen mit Behinderungen beraten“, erklärt Weber. Zusätzlich findet hier das Konzept der Peer-to-Peer-Beratung Anwendung. Menschen mit Behinderungen beraten Menschen mit Behinderungen – und das u.a. ehrenamtlich. „Die Ehrenamtlichen kommen nicht als Anhängsel mit in die Beratung, sondern beraten gleichberechtigt mit. Das ist eben das Schöne. Eigene Erfahrungen, Beratungskompetenzen und fachliche Kompetenzen heben die Beratung noch einmal auf ein ganz anderes Niveau“, erklärt Weber. „Im Beratungskontext hat ein Mensch mit Behinderungen zum Ratsuchenden einen leichteren Zugang und ein anderes Einfühlungsvermögen. Die Beratung wird durch die persönlichen Erfahrungen der Ehrenamtlichen bereichert“, fügt Franziska Suhari hinzu, ebenfalls EUTB-Beraterin.
Die Zustände für Menschen mit Behinderungen sind „teilweise katastrophal“, betont Sarah Boeckhoff, die ehrenamtlich bei Mittendrin Hannover e.V. und bei der EUTB-Beratung tätig ist. „Es ist wichtig auf das Thema Inklusion aufmerksam zu machen. Es gibt Maßnahmen, die sind einfach notwendig. Und trotzdem gehöre ich zur Gesellschaft dazu“, betont sie. „Vielen ist die Thematik gar nicht bewusst.“ Die Liste der Beispiele für fehlende Inklusion und Barrierefreiheit ist schier endlos. „Im Bereich der Barrierefreiheit oder Inklusion liegt wirklich noch sehr viel im Argen“, bestätigt auch Weber. „Inklusion ist eine Haltung. Man muss dahinterstehen, damit sich für das Thema etwas bewegt.“ Die ehrenamtliche Peer-to-Peer-Beratung ist eine der Maßnahmen, sich für Menschen mit Behinderungen stark zu machen. „Ich bin lange aus dem Arbeitsmarkt raus gewesen“, erzählt Sarah Boeckhoff, „ich habe da niemanden gehabt, der Ahnung hatte. Und das macht so unsicher, dass man Gesagtes glaubt. Es wird zu schnell gesagt: ‚Das geht nicht‘ oder ‚Das ist zu viel‘. Es wird zu viel weggehört und das muss sich auf jeden Fall ändern.“ Deswegen möchten EUTBs wie Mittendrin Hannover e.V – Verein für Inklusion die Selbstbestimmung und Teilhabe der Menschen mit Behinderungen in der Stadt und Region Hannover verbessern.

Mittendrin Hannover e.V. – Verein für Inklusion  und EUTB-Beratung
Herrenstarße 8a, 30159 Hannover
Tel.: 0511 590 946-0
E-Mail: info@mittendrin-hannover.de
www.mittendrin-hannover.de

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Das Bollerwagen-Café Hannover

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Das Bollerwagen-Café Hannover


Ehrenamtliches Engagement in Hannover

Sandra Lüke

Sandra Lüke weiß viel zu erzählen über das Leben auf den Straßen Hannovers, menschenunwürdige Bedingungen und über die Menschen, die sich Tag für Tag durchboxen. Sie kennt die obdachlosen Menschen Hannovers beim Namen – und die kennen Sandra. Seit 2015 engagiert sich Sandra Lüke ehrenamtliche für obdachlose und bedürftige Menschen in Hannover. Sie ist die Gründerin des Bollerwagen Cafes und hat gemeinsam mit anderen Unterstützer*innen den Tagestreff für Frauen eröffnet.

Im Oktober 2015 machte sie das erste Mal bei einer Verteilaktion mit und zog mit einem Bollerwagen, beladen mit beschmierten Brötchen, einer Pumpkanne voll Kaffee, Hygienetütchen und Wintersachen, durch die Innenstadt Hannovers. Immer öfter ging sie dann nach ihrer Arbeit als Krankenschwester mit ihrem Bollerwagen los und kam abends durchgefroren und ohne Schal, Mütze, Handschuhe und Schuhe nach Hause. „Da war jemand mit lumpigen Schuhen und wir hatten die gleiche Schuhgröße. Also hat er meine bekommen. Ich musste ja nur die kurze Strecke nach Hause, der andere hatte ganz andere Sorgen. So viel Elend und Not, was ich bei den Verteilaktionen gesehen habe, ist mir im Kopf geblieben und hat mir keine Ruhe gelassen.“  Aus diesem Gefühl heraus gründete Sandra Lüke das Bollerwagen Cafe.
Der nun in der Hagenstraße eröffnete Tagestreff bietet obdachlosen und bedürftigen Frauen zahlreiche Angebote, die für viele in dieser Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sind: Warme Mahlzeiten, Lebensmittel, einen Ort zum Duschen, zum Wäsche waschen und trocknen, Kleidungsausgaben oder einen Zugang zum Internet. „Unser Angebot ist komplett kostenfrei, weil wir nicht wollen, dass die Frauen in der Nacht zuvor Dinge tun müssen, die ekelhaft sind und die sie eigentlich gar nicht wollen. Die sie nur tun, damit sie sich am nächsten Tag einen Kaffee, ein Brötchen oder eine Dusche leisten können“, erklärt Sandra Lüke.
Außerdem unterstützt das Bollerwagen Cafe Menschen beim Stellen von Anträgen und Ausfüllen von Formularen, verteilt Rücksäcke mit einer Notfallausrüstung, organisiert seit sieben Jahren eine Tafel und bringt obdachlose Menschen ins Krankenhaus oder zum Arzt. Doch neben diesen praktischen Angeboten ist der Tagestreff auch ein sicherer Rückzugsort für Frauen, um von der Straße mal abschalten zu können. „Es geht nicht nur ums Essen und Einkleiden, das steht ganz am Ende. Es geht zuerst um Menschlichkeit, Herzlichkeit und das Willkommen sein. Ziel ist es, dass man sich angekommen fühlt“, betont Sandra Lüke. Im Moment versorgt das Bollerwagen Cafe rund 1200 Menschen und das ist „fast unmöglich zu bedienen.“ Der Bedarf ist groß, doch die Mittel zu Helfen begrenzt.
Im Bollerwagen Cafe steckt Sandra Lükes gesamtes Herzblut. Alles, was sie an Zeit, Geld, eigenem Besitz und Engagement hat, steckt sie in ihre Arbeit, um anderen Menschen zu helfen, die sich in der Abwärtsspirale ganz unten befinden. „Meine Rufnummer ist 24 Stunden am Tag erreichbar, 365 Tage im Jahr.“
Um das Projekt am Leben erhalten zu können, sind Spenden ungemein wichtig. Sach- und Geldspenden sowie eigenes Engagement werden immer dringend benötigt. „Ich finde, wir sind alle in der Pflicht, etwas zu tun“, meint Sandra Lüke. „Jede*r kann sich in einer solchen Situation wiederfinden und irgendwann auf Hilfe angewiesen sein. Die Abwärtsspirale ist per se immer im Raum. Bei allen Menschen. Ob arm oder reich. Wer von uns weiß denn, wo die Reise hingeht? Man muss sich nur mal Gedanken machen: Was wäre, wenn? Und eben nicht einfach jene verurteilen, die schon ganz unten sind.“

Bollerwagen Cafe e.V.
Hagenstr. 26, 30161 Hannover
Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-16 Uhr.
www.bollerwagen-cafe.de
IBAN: DE71 2505 0180 0910 5175 50
BIC: SPKHDE2HXXX

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Ein offener Brief an Gianni Infantino

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Ein offener Brief an Gianni Infantino


Lieber Gianni,
die Sache ist gelaufen, du hast es durchgezogen, du hast gewonnen, du hattest sozusagen deine Satisfaktion. Wir gratulieren! Endlich ist es geschafft. Endlich kannst du einen Haken dranmachen. Das muss dich wirklich verfolgt haben, diese Zeit damals im schweizerischen Brig, deine Eltern Gastarbeiter aus Italien, du untalentiert, erfolglos und gemobbt beim FC Folgore in der 5. Liga. Damals hat sich dein Hass entwickelt, dein Hass auf diesen verdammten Fußball.
Und du hast dich auf den langen Weg gemacht, es allen heimzuzahlen. Du hast dich eingeschlichen bei der FIFA, hast dir alle Haare abrasiert, damit man bei deinem Anblick fast automatisch an Fußball denkt, bist schließlich aufgestiegen zum Präsidenten und damit hattest du es endlich in der Hand. Wie richtet man möglichst nachhaltig einen Sport zugrunde? Wie sorgt man dafür, dass sich die Menschen reihenweise angewidert abwenden? Richtig, man verkauft Weltmeisterschaften an Länder, für die Fußball ein ebenso nachrangiges Thema ist wie Menschenrechte. Und man pfeift dabei auf jede Zurückhaltung, damit auch wirklich allen klar wird, wie sehr geschmiert wurde, man entblößt den Weltfußballverband in aller Öffentlichkeit als korrumpierte, gewissenlose Geldmaschine, so funktioniert effektive Diskreditierung.
Hier ein paar Uhren, dort ein paar Geldkoffer, hier ein paar tote Arbeiter, dort noch ein paar mehr tote Arbeiter, hier ein paar Umweltsünden, dort eine in den Winter verlegte Weltmeisterschaft, weil es im Sommer doch schnell mal 50 Grad im Schatten werden können, was bei der Vergabe aber noch niemand gewusst hat, weil die Sommertemperaturen in Katar absolutes Geheimwissen sind. Da müssen erst tausende investigative Journalisten eifrig recherchieren, um das herauszufinden.
Und wenn dann alle denken, dass es schlimmer nicht mehr werden kann, verwandelst du den finalen Elfmeter, gibst zum Start der WM eine Pressekonferenz und hast sehr starke Gefühle. Du fühlst dich als Katarer, als Araber, fühlst dich afrikanisch, homosexuell und behindert, fühlst dich als Arbeitsmigrant, wetterst anschließend noch ein bisschen gegen die Doppelmoral der westlichen Welt, schimpfst auf die Europäer und bringst die FIFA zur Lösung aller Weltprobleme ins Spiel. Wie geil ist das denn? Einen nackteren Arsch kann man der Weltöffentlichkeit gar nicht entgegenstrecken. Großartig! Und dann sitzt auch noch die Faeser neben dir mit dieser schrägen Binde. Während die armselige deutsche Mannschaft vor Sanktionen zittert.
Lieber Gianni, wir verneigen uns tief. Was für ein Kantersieg. Sepp Blatter war schon eine große Nummer, du hast sein Werk nun würdig vollendet. Den Sport an sich, den du so sehr verabscheust, hast du erfolgreich zur Nebensache degradiert, Argentinien ist Weltmeister, aber in China fällt manchmal auch ein Sack Reis um. Besser kann man König Fußball nicht in den Dreck ziehen. Wir sind gespannt, was nun noch kommen kann. Die Vergabe der WM 2026 ist ja leider schon gelaufen, dann sind ganz harmlos Kanada, Mexiko und die USA dran. Was gut für den Fußball sein könnte, was dich alarmieren und motivieren sollte. Wie wäre es mit Nordkorea als Austragungsort der WM 2030?

GAH

Bild: 3D Animation Production Company / Pixabay.com

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