Tag Archive | "Stadtkind"

Unbekannt verzogen – Die Eltern-Kind-Kolumne

Tags: , , ,

Unbekannt verzogen – Die Eltern-Kind-Kolumne


Morgendlicher Motz-Tsunami

Morgenstund‘ hat Gold im Mund“ – so sagt es die berühmte Redewendung. Doch das ist eine Lüge. Die Morgenstund‘ hat vor allem eines im Mund und auf der Zunge: Hass, Beleidigungen und Drohungen. Damit meine ich nicht den morgendlichen Twitter-Konsum auf dem Klo. Nein, ich rede von den seelischen Kollateralschäden des Kinder-Aufweckens.

Meine Erwartungen an den Morgen mit Kindern wurden durch Werbespots für Frühstücks-Cerealien in den frühen 90ern geprägt: sonnendurchflutete Küchen, gemeinsames Lachen, Vorfreude und Miteinander. Lass ihn raus, den Tiger. Doch das Einzige, was mich jetzt noch an Toni, die Kelloggs-Katze erinnert, ist das Gefühl einen Raubtierkäfig zu betreten. Statt mentaler Sonnendurchflutung gibt es Wellen von Beleidigungen. Statt gemeinsamem Lachen bedrohliches Fauchen. Statt gut gelauntem Aufstehen gibt es ein Klammern an das Bett, das selbst Dornröschen zu verschlafen gewesen wäre. Meine Kinder verschanzen sich zwischen den Decken wie die Deutsche und Franzosen bei Verdun. Ich renne an, mit Sturmangriffen der väterlichen Zuneigung und rhetorisch-musikalischer Muntermacher, doch es nützt alles nichts. Im Sperrfeuer von Ignoranz, Hau-ab-Salven und austretenden Füßen muss ich irgendwann geschlagen den Rückzug antreten.

Doch was tun, wenn der frühe Vogel von schroffen Schrotsalven aus Kindermündern zerfetzt wird? Wie motiviert und präpariert man sich als Vater, der aus Gründen der Familien-Logistik nahezu jeden Tag mit dem Himmelfahrtskommando der Nachwuchs-Erweckung betraut ist? Ich habe mir dazu ein paar freie Gedanken gemacht – hier einige Ideen, was ich tun könnte:

1. Die sogenannte „Hell Week“ aus dem Training der amerikanischen Navy Seals gilt als ultimative Vorbereitungs- und Auslesephase: fünfeinhalb Tage mit insgesamt vier Stunden Schlaf, über 300 km Marschstrecke, 20 Stunden schwerer körperlicher Aktivität täglich, lediglich unterbrochen durch Mahlzeiten. Also kurz: eine ganz normale Elternwoche. Aber im Ernst: Ein physisch-psychischer Grenzerfahrungstrip wie dieser kann einen vielleicht abhärten für die Spezial-Operation „Guten Morgen“.

2. Think positive! Positivity-Workshops und -Seminare haben ein geradezu pandemisches Ausmaß angenommen. Überall versprechen Mental-Trainer „Toolkits“ für den „Mood-Boost“. Gedankliches Doping für die eigenen Emotionen. „Tschakka, du schaffst das“ nannte man das in meiner Jugend. Erst ironisch in einer Comedy-Show, später fast ernst gemeint, zum Beispiel mit einer gleichnamigen Show auf RTL2, in der ein verrückter niederländischer Motivationstrainer namens Emile Ratelband Menschen an ihre Grenzen und darüber hinaus führte. Später machte Merkel „Wir schaffen das“ daraus, da ging es auch um Grenzen und es trug nicht zu guter Laune bei. Ich schweife ab … da schlafen die Kinder direkt wieder ein.

3. Show must go on! Ich weiß noch, wie ich das erste Mal vom Beruf des „Show-Einheizers“ erfuhr. Ich war fasziniert. Menschen, die auf Kommando gute Laune verbreiten können, die griesgrämige Alman-Armeen zum Schunkeln, Klatschen und Johlen bringen. Dafür muss es doch auch eine Aus- oder Weiterbildung geben. Folge ich den filmischen Darstellungen dieses Jobs, müsste ich morgens eine Linie Koks ziehen, in Otto-Waalkes-Schritten ins Zimmer laufen und mit rhythmischen „Jetzt aber alle!-Spielchen den Nachwuchs auf Betriebstemperatur bringen. Je länger ich darüber nachdenke … einen Versuch ist es wert.

Natürlich gibt es noch hunderte seriöse Blog- und Magazintexte mit tausenden Tipps für besseres Aufstehen. Eine der häufigsten Anregungen: selbst gute Laune verbreiten. Großer Gott! Wenn eins beim Aufstehen richtig schlechte Laune macht, dann ist es gute Laune bei anderen. Vielleicht sollten wir uns lieber ganz authentisch gegenseitig wachmotzen. Probiere ich sofort aus. Oder mit den Worten des berühmten Aufsteh-Philosophen Jürgen von der Lippe: „Guten Morgen, liebe Sorgen!“

Martin Kontzog

Martin Kontzog ist staatlich anerkannter Vater – ansonsten gilt seine Fürsorge dem Satire-Blog Pingu-Mania (http://pingumania.wordpress.com/)

Abgelegt unter * Ticker, Aktuelles, Kolumne des MonatsEinen Kommentar verfassen...

El Kurdis Kolumne im Mai

Tags: , , ,

El Kurdis Kolumne im Mai


Meine nominelle Arisierung

Für viele Deutsche ist es eine Herausforderung, jemandem mit einem nahöstlichen, asiatischen oder afrikanischen Namen zu begegnen.
Sie fangen an zu stammeln, machen hilflose Artikulationsversuche und sprechen den Namen dann halt irgendwie aus.
So wurde ein Mitschüler meiner Tochter von den Lehrer*innen konsequent „Aamett“ genannt, obwohl er selbstverständlich Ahmed hieß, und es ja nun wirklich nicht so schwer sein sollte, sich zu merken, dass ein solches „h“ in der Mitte tendenziell eher wie ein „ch“ gesprochen wird.
Aus diesem Grund habe ich meinen arabischen Vornamen schon 1971, kurz nach meiner Einschulung, selbständig gegen meinen urdeutschen Mittelnamen getauscht. Eigentlich heiße ich ganz vorne nämlich „Samer“, was hübscherweise soviel bedeutet wie „Jemand, der seine Freunde des Nachts mit Plaudereien unterhält“. Leider aber bekamen die Kinder in meiner Klasse diesen Namen einfach nicht über die Lippen. Obwohl „Samer“ ja keinerlei schwer auszusprechende Konsonantenanhäufungen, übermäßig viele Ypsilons oder andere komplizierte Buchstabkombinationen enthält.
Selbst meine Lehrerin konnte „Samer“ bei der Anwesenheitskontrolle nicht ohne Stocken aus dem Klassenbuch ablesen.
Damals hieß man als Junge in Deutschland üblicherweise Matthias, Andreas, Michael. Die mit exzentrischen Eltern hießen Oliver oder Pascal. Da ich in einem robusten Viertel in Kassel aufwuchs, nannten mich meine Mitschüler wahlweise „Samen“ „Besamer“ oder irgendwas anderes mit Sperma. Ein Junge nannte mich, warum auch immer, „Senftopf“.
Ich dachte mir: Dann doch lieber „Hartmut“. Das klang für mich eindeutig, unverfänglich und deutsch. Diesen Zweitnamen hatte mir meine deutsche, sommersprossige Mutter verpasst, weil sie, als ich ihr in Amman nach der Geburt in die Arme gelegt wurde, vermutlich dachte: Okay, es ist also, wie erwartet, ein kleiner Schwarzkopf geworden. Der kriegt jetzt mal zum Ausgleich einen germanisch-blonden SS-Mittelnamen. Quasi als Look-Name-Balance. Und als eine Art nominelle Arisierung.

Meine Umbenennung war allerdings nur so mittel erfolgreich: Mein Nachname „El Kurdi“ verwirrt manche Deutsche so, dass sie gar nicht anders können, als meinen Vornamen schriftlich zu „Hartmoud“ zu orientalisieren. Analog zum arabischen „Mahmoud“, was übrigens der Vorname meines Vaters ist. Der von Deutschen allerdings oft „Mammut“ ausgesprochen wird. Siehe: Aamett.
Auch schön: In verschiedenen Zeitungen – von TAZ bis ZEIT – erschienen schon Texte von mir unter meinem unfreiwilligen Pseudonym „HELMUT El Kurdi“. Daran gefällt mir, dass die Verantwortlichen hier gar nicht dazu kommen, meinen arabischen Nachnamen zu verhunzen, sondern sich vorher schon im deutschen Vornamengestrüpp verheddern: Hartmut, Helmut, Helmfried, Friedhelm – was soll’s? Alles eine Suppe! Lustigerweise nennt mich auch meine Freundin Mely Kiyak  – im Gegensatz zu mir halbkurdischem Hessen vollkurdische Niedersächsin – konsequent Helmut. Zumindest in unserer erschütternd albernen Digital-Korrespondenz. Beim ersten Mal war es wohl ein Versehen. Wir kannten uns noch nicht gut. Seitdem macht sie es aus Daffke. Ich nenne sie folgerichtig und durchgehend seit Jahren Melanie. Melanie ist, neben Claudia beziehungsweise „Claudi“, mein deutscher Lieblings-Frauen-Seventies-Name.  Obwohl: „Dagmar“ respektive „Daggi“ und „Petra“ finde ich auch nicht schlecht…

Abschweifung: Hätten meine Freundin und ich unsere Tochter „Petra“ genannt, dann wäre Petra kürzlich in Petra gewesen. Was mir sehr gefallen hätte. Die junge Frau war nämlich kürzlich zum ersten Mal in meinem Geburtsland und besuchte dort unter anderem die alte nabatäische Felsenstadt „Petra“. So war aber nur Salima in Petra. So heißt meine Tochter nämlich wirklich. In Jordanien war sie mit einer französischen Freundin, die den schönen, leicht ähnlich klingenden hebräischen Namen „Salomé“ trägt  – und die prompt bei der Einreise am Flughafen in Amman von den jordanischen Grenzbeamten gefragt wurde, ob sie Jüdin sei. Als meine Tochter mir davon berichtete, dachte ich: Die lassen aber auch kein Klischee aus. Vor allem: Was wäre passiert, wenn sie tatsächlich Jüdin gewesen wäre und mit „ja“ geantwortet hätte?  Abschweifung beendet.

Meine Tochter Salima wird in Deutschland übrigens mal Samira, mal Selina, mal Shalimar genannt. Selbst wenn die Leute ihren Namen vor sich auf einem Formular oder ihrem Ausweisdokument stehen haben. Manchmal glaube ich, dieses Land braucht dringend eine Alphabetisierungskampagne.

Hartmut El Kurdi

Abgelegt unter * Featured, * Ticker, Aktuelles, Kolumne des MonatsEinen Kommentar verfassen...

Neu in der Stadt: smow

Tags: , , , ,

Neu in der Stadt: smow


smow

Ab Mai besitzt Hannover ein Kleinod mehr. Von der Innenstadt fußläufig erreichbar, eröffnet der neue smow Store am Klagesmarkt 43, direkt angrenzend an Fahrradboulevard und Wochenmarkt.
Auf einer Fläche von 420 m² bietet der Design-Store eine Auswahl an aktuellen Trends und legendären Klassikern aus dem Designmöbelsegment.

Möbelkreationen von Charles & Ray Eames, Verner Panton oder Egon Eiermann werden in dem urbanen Laden genauso vertreten sein wie beispielsweise die zeitgenössischen Herstellerlabels Jan Cray oder Moooi, die junge Designer*innen in den Fokus stellen.

Zusätzlich zu Designer-Einzelstücken bietet smow auch ganzheitliche Konzeptionen für Büroräume und ähnliches an.
Das vierköpfige Team aus Innenarchitekt*innen steht bei der Raumplanung kompetent zur Seite.
Das Erfolgsgeheimnis von smow ist die Omnichannel-Strategie, die der Designmöbelanbieter seit einigen Jahren verfolgt: smow betreibt neben dem erfolgreichen Onlineshop für Designmöbel und Accessoires Einrichtungshäuser in 17 deutschen Städten sowie einen Schweizer Standort – und realisiert komplexe Einrichtungsprojekte von der Planung bis zur Umsetzung und Nachbetreuung.

Die Kombination aus Onlineshop und Ladennetzwerk ermöglicht es, sich vor dem Kauf online die Designermöbel anzuschauen und sie auch vor Ort im Laden auszuprobieren.

smow Hannover
Am Klagesmarkt 34
30159 Hannover

E-Mail: hannover@smow.de
www.smow.de/hannover

Abgelegt unter * Ticker, Aktuelles, Einkauf & Genuss, Neu in der StadtEinen Kommentar verfassen...

Neu in der Stadt: Kvik

Tags: , , , ,

Neu in der Stadt: Kvik


Der Küchenhersteller Kvik eröffnet sein erstes Studio in Hannover und bereichert die Landeshauptstadt um ein reichhaltiges Sortiment dänischen Designs.
Es ist das mittlerweile sechste Küchenstudio in Deutschland – und präsentiert auf 165 m² moderne Küchendesigns, Badmöbel und Schranklösungen.
Das breite und vielfältige Sortiment bietet für fast jeden Geschmack und Geldbeutel eine passende Lösung.
Kvik wirbt mit schnellen Lieferzeiten, absoluter Preistransparenz und einem hohen Anspruch an Design und Nachhaltigkeit.
Das Kvik Studio befindet sich am Klagesmarkt 17 und wird am 11. Mai ab 10 Uhr mit einem feierlichen Akt eröffnet – alle Küchen-, Design- und Wohninteressierten sind dazu herzlich eingeladen.

Christian Stolte, Kvik Country Manager Deutschland, blickt optimistisch auf die Neueröffnung in Hannover: „Die positive Resonanz und Nachfrage der Kunden zeigt uns, dass dänisches Design gepaart mit Nachhaltigkeit und einem Produktportfolio, das für jedes Budget etwas bereithält, gefragter ist denn je.“
Das Kvik Studio ist bequem per U-Bahn (Haltestelle: Christuskirche) erreichbar sowie per Bus (Haltestelle: Am Klagesmarkt).
Wer mit dem PKW kommt, kann die öffentlichen Parkplätze direkt vor dem Studio nutzen. Bei Bedarf steht ein Tiefgaragenparkplatz zur Verfügung.

Kvik Hannover Mitte
Am Klagesmarkt 17
30159 Hannover

Allgemeine Öffnungszeiten
Montag – Freitag 10:00 – 18:00 Uhr
Samstag 10:00 – 16:00 Uhr

Ein unverbindliches Beratungsgespräch kann online auf www.kvik.de/hannover-mitte oder
direkt im Studio gebucht werden.
Fotos: Kvik A/S

Abgelegt unter * Ticker, Aktuelles, Einkauf & Genuss, Neu in der StadtEinen Kommentar verfassen...

Ein letztes Wort im April

Tags: , , ,

Ein letztes Wort im April


Ein letztes Wort

mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil


Vorab noch nachträglich Glückwunsch zum Zehnjährigen in der Staatskanzlei. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Bilanz?
Das ist ja fast schon wieder verjährt. Es kommt mir nicht so lange vor, was daran liegen mag, dass es ein Jahrzehnt der Krisen war. Aber ja, ich bin ganz zufrieden. Und vor allem macht mir meine Arbeit immer noch genauso viel Freude wie am ersten Tag.

Für den Blick zurück bleibt auch momentan kaum Zeit, weil einfach zu viele Themen parallel heiß diskutiert werden, aktuell zum Beispiel das Aus für das Verbrenner-Aus – die FDP hat sich in Brüssel quergelegt. Und dann auch noch das angedachte Verbot von Öl- und Gasheizungen ab 2024 aus dem Hause Habeck. Was ist Ihr Standpunkt zu diesen Themen?
Ich habe ja keinen Hehl daraus gemacht, dass ich das Veto zum Verbrenner-Aus nicht verstanden habe. Dieses Thema hat eine lange Vorgeschichte mit vielen Diskussionen, die gesamte Automobilindustrie hat sich darauf eingestellt und längst einen Haken dran gemacht. Es gibt kein nennenswertes Automobilunternehmen mehr, das nicht massiv in Elektromobilität investiert. Die E-Fuels sind für PKW wirklich ein Randthema. Für mich ist das gar keine Ideologie-Frage. E-fuels sind unter dem Strich CO2-neutral, das ist gut. Aber sie haben einen großen Nachteil: Sie sind teuer, weil sie sehr viel Energie benötigen und die Produktion aufwendig ist. Da reden wir über einen großen Preisunterschied zum Elektro-PKW.

Was sagen Sie zu Habecks Heizungsplänen?
Das Thema ist absolut wichtig. Wenn wir in Zukunft klimaneutral werden wollen, kommen wir um Gebäudedämmungen und neue Heizungssysteme nicht herum. In diesem Bereich ist in den vergangenen Jahren viel zu wenig passiert ist, Peter Altmaier hat sich an diese schwierige Thema nicht herangetraut. Insofern ist es gut, dass jetzt die Öl- und auch Gasheizungen auf die Agenda kommen. Aber man sollte nicht versuchen, das im Hauruck-Verfahren durchzuziehen. Es ist wichtig, dass alle mitgehen können, dass es ausgewogen bleibt und dass die Leute nicht überfordert sind.

Kann man das Ende der Diskussionen vielleicht so vorwegnehmen: Das Aus für die Verbrenner kommt so oder so, das Aus für Habecks Vorschlag in der Form kommt ebenfalls so der so?
Nein, wir müssen ran an die Wärmewende. Es ist Robert Habeck wirklich hoch anzurechnen, dass er sich die Gebäudewirtschaft vornimmt. Aber es muss eben auch realistisch sein, damit der Start gelingt. Man wird da jetzt alle an einen Tisch holen müssen, die Bauwirtschaft, die Gebäudewirtschaft, die Energiewirtschaft, die Wohnungswirtschaft. Dafür braucht es einen gut durchdachten Prozess, einen realistischen Weg. Wie schnell geht das, was kostet das alles und wer zahlt das? Wir haben in Niedersachsen zum Beispiel gerade im eher ländlichen Raum viele ältere Menschen, die in Häusern mit Ölheizungen wohnen. Sie bedauern oftmals ihren hohen CO₂-Ausstoß, sehen aber von jetzt auf gleich keine Alternative, die sie sich leisten können. Für solche Probleme muss man die richtigen Antworten finden. Ich würde mir bei diesem Thema sehr viel differenziertere Diskussionen wünschen.

Sie werden aber in den einschlägigen Talkshows alles andere als differenziert geführt. Wenn Sie diese Diskussionen verfolgen und teilweise ja auch selbst in den Runden sitzen, so wie neulich bei Anne Will, wie genervt oder auch gelangweilt sind Sie eigentlich davon? Der FDP geht es offensichtlich nur noch darum, das eigene Profil zu schärfen. Die CDU kritisiert, dass die Ampel jetzt nicht schnell genug alle Versäumnisse nachholt, die uns die Regierungszeit der CDU eingebrockt hat. Es wird viel geredet, teilweise auch völliger Unsinn, und die Zuschauer dürfen dann in diesem Nebel herumstochern, das ist ganz oft mein Eindruck …
Ich hatte bei Anne Will den Eindruck, dass es durchaus auch Diskussionsteilnehmer gab, die sich sehr bemüht haben, vernünftig zu argumentieren (lacht). Aber im Ernst, mich machen solche Diskussionen auch nicht glücklich. Ich befasse mich nun schon sehr lange mit Energiepolitik und bin überzeugt, dass wir für den Klimaschutz längst weitaus mehr hätten tun können und müssen. Klimaschutz ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Und gerade darum brauchen wir durchdachte Pläne, die überzeugen, keinen platten Populismus, keine Scheindiskussionen. Nur so bekommen wir für den Klimaschutz die gesellschaftliche Zustimmung, die es braucht. Ich setze mich in diese Diskussionsrunden, weil ich für dieses Thema werben und es gerade nicht den Bremsern überlassen möchte. Und ja, manchmal nerven mich manche Diskussionsbeiträge dann auch. Die Themen sind zu wichtig, als dass man leichtfertig damit umgehen dürfte.

Ich verfluche hin und wieder den Tag, an dem die Talkshow erfunden wurde. Sie auch?
Nein, ich würde Talkshows nicht pauschal verteufeln. Ich kann mich durchaus an Sendungen erinnern, die bei mir zu Erkenntnisgewinnen geführt haben.

Finden Sie eigentlich, dass wir gesellschaftlich gerade wirklich über die richtigen Fragen diskutieren? Unterm Strich geht es für mich um zwei ganz wesentliche, übergeordnete Punkte: Schafft es die Welt, eine Klimakatastrophe noch abzuwenden? Und schaffen es die Demokratien durch die kommenden Jahre? Wenn ich mir hier in Deutschland den politischen Betrieb so ansehe, sehe ich da ehrlich gesagt ein bisschen schwarz.
Über den Klimaschutz ist tatsächlich lange genug geredet worden. Das Thema gehört jetzt auf die operative Ebene. Wie genau schaffen wir das? Was können und müssen wir wie bis wann umsetzen? Bei der Demokratie gebe ich Ihnen vollkommen recht. Wir werden aber unsere Demokratie ganz sicher nicht durch abstrakte Diskussionen schützen und festigen. Ich denke, der beste Schutz vor antidemokratischen Kräften ist eine überzeugende, glaubwürdige Politik. Ich brauche nicht die fünfundneunzigste Sonntagsrede über Demokratie. Wir brauchen klare und schnelle politische Entscheidungen. Mir fehlt bei einigen Themen die Stringenz in der Umsetzung.

Wenn ich mir diese beiden Fragen vorlege, führt mich das zu einer weiteren, sehr großen Frage: Schafft es die Welt, den Kapitalismus einzufangen und einzuhegen? Würde das gelingen, würde ich auch bei den zwei anderen Fragen nicht ganz so schwarzsehen.
Ich sehe als Grundmodel eigentlich keine Alternative zu unserem System, aber wir müssen es schaffen, den Kapitalismus zu bändigen, ihn sozialer und nachhaltiger auszugestalten. Wir brauchen einen gesellschaftlich kontrollierten Kapitalismus.

Wir sehen ja weltweit ganz offensichtliche Fehlentwicklungen im Kapitalismus, einzelne Menschen werden unfassbar reich, während viele andere hungern. Bei uns steht der Konsum im Vordergrund, Wachstum ich das höchste Gebot und in anderen Teilen der Welt zerstört der Klimawandel die Lebensgrundlagen. Und dann bekommt Olaf Scholz zwischendurch Besuch aus Bhutan und freut sich über das Bruttonationalglück – aber dann geht es weiter um den deutschen Wohlstand, der in Euro und Cent gemessen wird …
Das sind jetzt echte Grundsatzfragen: Wie definiere ich mein persönliches Glück? Was ist mir und was ist uns als Gesellschaft wichtig? Die Menschen treffen ihre ganz eigenen, privaten Entscheidungen. Aufgabe der Politik, aber auch gesellschaftlicher Institutionen ist es, dafür zu sorgen, dass es einigermaßen gerecht zugeht und dass wir Klima- und Umweltschutz einen größeren Raum geben. Für Teile der jüngeren Generation hat Nachhaltigkeit heute eine sehr viel größere Bedeutung als für frühere Generationen. Das ist auch dringend notwendig. Wir beobachten aber auch die Tendenz, die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus zu hinterfragen und mehr Wert auf Zeit und weniger auf Geld zu legen. Das passiert allerdings bei nicht wenigen auf einem recht hohen, als selbstverständlich wahrgenommenen materiellen Niveau. Das durchschnittliche Nettoeinkommen in Deutschland gibt das kaum her. Meine Sorge gilt eher der alleinerziehenden Mutter oder dem Arbeiter, der knapp oberhalb des Mindestlohnes irgendwie eine Familie durchbringen muss. Da misst sich ein bisschen mehr Glück dann sehr wohl auch in Cent und Euro. Mich treibt eher um, dass sich einige Menschen angesichts des alltäglichen Drucks mehr und mehr ins Private zurückziehen. Ich möchte, dass sie sich stattdessen als Teil einer solidarischen Gemeinschaft fühlen können, in der sich jede und jeder nach Kräften engagiert.

 

Interview: Lars Kompa

Abgelegt unter * Featured, * Ticker, Aktuelles, MP-InterviewEinen Kommentar verfassen...

Am Küchentisch: mit Luvuyo Mbundu – Staatsoper Hannover

Tags: , , , , , ,

Am Küchentisch: mit Luvuyo Mbundu – Staatsoper Hannover


Luvuyo Mbundu ist aktuell in „Rusalka“ zu erleben. Hier mit Kiandra Howarth + Nina van Essen

Der Bariton Luvuyo Mbundu stammt aus Südafrika und studierte an der University of Cape Town Opera School. 2017 gewann er den 3. Preis beim Les Azuriales Opera-Programm in Nizza, 2018 den 2. Preis beim ATKV-Muziqanto-Wettbewerb in Südafrika sowie den 1. Preis der Gabriela Benackova-Competition in Tschechien. Ab der Spielzeit 2019/20 war er Mitglied des Opernstudios der Deutschen Oper am Rhein und dort unter anderem als Papageno in „Die Zauberflöte für Kinder“, Fiorillo in Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ und Ein Steuermann in Wagners „Tristan und Isolde“ zu erleben. Bei der Académie du Féstival d’Aix sang er im Sommer 2021 die Titelpartie in Mendelssohn Bartholdys Oratorium „Elias“. An der Opera Vlaanderen in Antwerpen war er 2022 als Schaunard in Puccinis „La Bohème“ zu erleben und verkörpert diese Partie zudem im Sommer 2022 beim Glyndebourne Festival. Seit dieser Spielzeit ist Luvuyo Mbundu Ensemblemitglied der Staatsoper Hannover.

Was gab es heute bei dir zum Mittagessen? Welche Bedeutung spielt die Küche in deinem Alltag?

Es gab Geflügel und Salat, ein einfaches Essen. Wenn ich frei habe, koche ich schon ab und zu. Und dann macht es mir auch wirklich Spaß.

Du bist diese Spielzeit neu ins Ensemble gekommen, dein erstes Festengagement nach deiner Ausbildung im Opernstudio der Deutschen Oper am Rhein. Wie geht es dir? Wie waren deine ersten Monate hier in Hannover?

Bevor ich nach Hannover gekommen bin, habe ich hier und da gastiert. Im Sommer war ich beim Glyndebourne Festival. Mein Start in Hannover war dann sehr gut, ich habe Marcello in „La Bohème“ gesungen, eine meiner Lieblingsrollen. Und ich habe das Neujahrskonzert gesungen, was auch toll war. Alle sind sehr nett, ich bin gut reingekommen. Ich habe noch nicht so viel unternommen hier in Hannover, es fühlt sich anders an als in Düsseldorf, etwas ruhiger …

Warum bist du nach Hannover an die Staatsoper gekommen?

Es ist ein großes Haus. Ich bin hergekommen, weil ich wusste, dass es eines der besten Häuser in Deutschland ist. Ein A-Haus. Und ich mag, dass es ein Repertoire-Haus ist. Es wird das gespielt, was an all den großen Häusern weltweit gezeigt wird. Es ist also vor allem für junge Sänger wie mich interessant, weil wir viel lernen und ausprobieren können, bevor wir vielleicht irgendwann weiterziehen.

Du bist ja schon viel rumgekommen … Wie bist du zum Gesang gekommen?

Ich komme aus Südafrika, aus Kapstadt. Zu Hause bin ich in einer sehr musikalischen Familie groß geworden. Mein Vater ist Pfarrer und in seiner Kirche gibt es einen Chor, in dem ich schon sehr früh angefangen habe zu singen. Ich bin zur Highschool gegangen und in eine Musikschule, die von einem Opernsänger gegründet wurde. Ich habe dort viel gelernt und bin so zum Operngesang gekommen. Nach der Uni bin ich in Düsseldorf gelandet. Für mich war es ein leichter Weg, aber ich weiß, dass es das nicht für jeden ist.

Sind es der Gesang und die Karriere wert, so weit weg von zu Hause zu leben?

Es ist schon sehr hart. Du kommst in ein Land, das dir völlig fremd ist. Alles ist anders! Es hat Zeit gebraucht, bis ich angekommen und mich angepasst habe. Am Ende geht es um meine Passion und um Liebe. Ich weiß, dass ich singen kann und versuche, daraus mein Zuhause zu machen. Aber manchmal ist es schon sehr einsam in einem Land zu leben, das nicht deine Heimat ist.

Musik ist also deine zweite Heimat?

Ja, sie ist es geworden. Was ich liebe, ist in mir. Ich muss die Bedingungen akzeptieren und daran glauben, dass es klappen wird. Die ersten paar Monate in Düsseldorf wollte ich einfach nur nach Hause, ich hatte Heimweh, aber jetzt bin ich entspannt und fühle mich gut.

Im März hat „Rusalka“ Premiere gefeiert, deine erste Neuproduktion am Haus. Was hat dir an der Inszenierung von Tatjana Gürbaca gefallen?

Ich liebe die Ausstattung, das Bühnenbild. Es ist anders als in anderen Produktionen, modern, und ich mag es sehr!

Wie würdest du deine Rolle beschreiben?

Heger ist ein Wildhüter, der immer mit dem Küchenjungen unterwegs ist und mit ihm tratscht. Es ist eine Art Comic-Rolle. Ich habe sehr viel Spaß auf der Bühne, zusammen mit Nina van Essen, die den Küchenjungen spielt. Zwischendurch mag ich es, auch mal eine lustige Rolle zu spielen. Es war ein Rollendebüt, aber kein wirklich großes und schweres.

In einer Szene trägst du ein wahnsinnig tolles Glitzerkleid. Liebst du es, in verschiedene Rollen zu schlüpfen? Macht das – neben dem Gesang – die Faszination Oper für dich aus?

Ja, das liebe ich an Oper. Du machst Sachen, von denen du niemals dachtest, dass du sie jemals tun würdest. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein Kleid trage. Aber sag niemals nie, vor allem nicht in der Oper. Du kannst jeder Charakter sein, den man sich vorstellen kann. Das ist sehr aufregend. Das mag ich so gern. Alles ist möglich.

Aber ist trotzdem immer auch ein bisschen Luvuyo mit dabei?

Wenn ich ein Kleid trage, überlege ich, wie es wäre, wenn ich eine Frau wäre. Wie würde ich dann laufen, mich bewegen? Wenn ich ein gefährlicher Typ auf der Bühne bin, versuche ich mir vorzustellen, wie ich dann wäre. So versuche ich, mich der Rolle anzunähern, mich wirklich hineinzuversetzen. Ich versuche das schon auf mich selbst zu beziehen.

Apropos Mode – auf deinem Instagram-Account bekommt man den Eindruck, dass du dich sehr für Mode interessierst …

Wenn du gut aussiehst, dann bist du auch gut in dem, was du tust. Ich versuche immer etwas Positives und Gutes auszustrahlen. Ich mag es, gut auszusehen. Das bin ich. Das plane ich nicht unbedingt, es passiert einfach (lacht). Wenn ich unter Leute gehe, möchte ich gut aussehen.

Du stehst also gerne im Mittelpunkt, im Rampenlicht?

Vielleicht … (lacht) Man muss sich schon daran gewöhnen, dass Menschen kommen, um einen anzugucken. Aber so bin ich aufgewachsen. Ich habe schon immer vor Menschen gesungen, sie haben mich immer angeschaut. Ich habe mich also daran gewöhnt und mag es vielleicht deshalb, wenn ich angeschaut werde (lacht).

Bald hast du ja wieder die Möglichkeit dazu. Im April steht gleich die nächste Neuproduktion an, mit dir in der Titelrolle. Mit „L’Orfeo“ reisen wir in der Musikgeschichte über 200 Jahre zurück in der Zeit. Der italienische Komponist Monteverdi erfand mit „L’Orfeo“ die Gattung Oper mit. Wie stellt man sich als Sänger auf diese ganz unterschiedlichen Musiken ein? Wie bereitest du dich darauf vor?

Das ist eine ganz neue Art für mich zu singen. Es ist meine erste Barockoper, und herausfordernd. Aber machbar. Ich habe die Musik bereits gelernt und sie ist wunderschön, ich genieße sie. Als ich die Noten das erste Mal angeschaut habe, hatte ich schon etwas Respekt, weil ich so etwas noch nie gesungen hatte. Ich musste mir erstmal Aufnahmen anhören, wie damals gesungen wurde. Ich musste mich mit dieser Art Gesang erstmal vertraut machen. Du kannst hier nicht mit der gleichen Opernstimme singen wie du Verdi oder Puccini singst. Deine Stimme muss sehr kontrolliert sein. Es gibt viel, was man beachten muss. Es hat mehr Zeit gebraucht, zu lernen wie man diesen Stil singt. Jetzt bin ich fast da, aber lerne noch. Im November habe ich angefangen und bis Ende April ist noch ein bisschen Zeit, damit die Rolle perfekt wird.

Magst du diese Art Herausforderung?

Mein Lieblingsjahrhundert ist das 19. mit Werken von Puccini und Verdi. Aber als Sänger ist es wichtig, Dinge auszuprobieren und ich bin immer neugierig. Ich probiere gerne Dinge aus. Mein Instrument, meine Stimme, ist ein Geschenk Gottes. Du weißt nie, welche Möglichkeiten, in dir stecken. Es ist nie gut, irgendwo stehen zu bleiben und sich zu langweilen. Lieber versucht man etwas und schaut, ob es klappt. Das kann man auf alle Bereiche im Leben übertragen.

Was reizt dich an der Geschichte und an der Musik von „L’Orfeo“ konkret?

Barockmusik ist sehr frei, du kannst alles machen, was du möchtest. Monteverdi gibt dir die Struktur vor, aber dann kannst du innerhalb dieser sehr flexibel agieren. Du bist viel freier als in der Musik des 19. Jahrhunderts. Das Publikum kann also sehr gespannt sein. Die Geschichte ist sehr interessant. Ich habe viel gelernt. Manchmal glauben wir Menschen nicht an die Liebe. Orpheus hat Eurydike wirklich geliebt, er ist bereit, ihr in die Unterwelt zu folgen. Diese tiefe Liebe und das tragische Ende finde ich sehr interessant.

Orpheus hat Kräfte, die anderen Menschen versagt sind: Wenn er singt, halten die Tiere inne und horchen auf, er kann sprichwörtlich Steine erweichen. Was ist deiner Meinung nach die Kraft von Musik/Gesang?

Ein Leben ohne Musik ist nicht vorstellbar. Egal, ob wir traurig sind oder glücklich: Wir wollen Musik hören. Eine Party ist nur eine Party, wenn es Musik gibt. Das Leben wäre wirklich ein Fehler ohne Musik. Ich bin hier in Europa nur wegen der Musik. Es gibt eine unendliche Liste an Dingen, die Musik den Menschen bringt. Wir brauchen sie!

Du hast Silvia Costa, die „L’Orfeo“ inszenieren wird, neulich getroffen und ein Stück von ihr angeschaut. Was ist sie für eine Künstlerin? Hat sie schon was über ihre Pläne in Hannover verraten?

Sie ist eine großartige Regisseurin. Ich habe ein Stück von ihr angeschaut und an dem Abend ist sie selbst für jemanden der krank war, auf der Bühne eingesprungen. Das war sehr beeindruckend. Ihre Inszenierungen und Installationen werden europaweit gefeiert, ich bin gespannt, wie ihr „L’Orfeo“ aussehen wird. Ich habe gehört, dass es surreale Elemente geben soll. Und dass ich viel auf der Bühne sein werde. Orpheus ist eine große und herausfordernde Rolle für mich, auf die ich mich aber sehr freue!

Abschließend die Frage, was du brauchst, um glücklich zu sein? … Auch wenn ich mir die Antwort schon denken kann …

Ich glaube, ich muss singen … (lacht). Wenn ich gut singe und das erreiche, was ich mir vorgenommen hab, dann bin ich glücklich. Ansonsten gehe ich gerne aus, hab Spaß und lebe mein Leben. Wir arbeiten sehr viel, aber manchmal muss man sich auch distanzieren und andere Dinge machen.

Vera Barner

L’Orfeo“ von Claudio Monteverdi feiert am 28. April Premiere.

Fotocredit: Sandra Then

BU: Luvuyo Mbundu ist aktuell in „Rusalka“ zu erleben.

Abgelegt unter * Featured, * Ticker, Aktuelles, Im Gespräch, MenschenEinen Kommentar verfassen...

Stadtkind twittert