Tag Archive | "Stadtkind 2024-06"

Ein offener Brief an Benjamin Netanjahu

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Ein offener Brief an Benjamin Netanjahu


Lieber Bibi,

wir haben lange überlegt, ob wir dir einen offenen Brief schreiben. Die Tendenz war nämlich eher, dir einen verdeckten Brief zu schreiben, denn man muss ja heutzutage sehr aufpassen, dass man nicht sofort in irgendeine Ecke gestellt wird. Aber dann haben wir uns gedacht: drauf gepfiffen. Wir werden sowieso ständig in irgendwelche Ecken gestellt, da kommt es auf eine Ecke mehr oder weniger jetzt auch nicht mehr an.

Also, lieber Bibi, jetzt mal Tacheles, der Karren steckt ganz schön tief im Dreck. Wie kommst du aus der Nummer bloß wieder raus? Zurücktreten ist ja keine Option, weil du erstens Benjamin Netanjahu bist und Eier aus Stahl hast. Und weil du zweitens im Nachgang wahrscheinlich ziemlich dran wärst, denn sie kämen ja bestimmt sofort mit den alten Vorwürfen um die Ecke: Bestechlichkeit, Betrug und Untreue. Und jetzt wahrscheinlich auch noch Kriegsverbrechen oder was auch immer. Was bleibt, ist also nur die Flucht nach vorn. Hart bleiben. Weitermachen. Sich nicht beirren lassen. Die Hamas platt machen. Und wenn die Hisbollah es drauf anlegt, dann muss eben auch noch der Libanon dran glauben. Das ist der Weg. Das ist dein Weg. Einfach weiter Benjamin Netanjahu sein, Sohn von Benzion, Bruder von Yoni und Iddo. Man muss bei dir ja immer die Familiengeschichte mitdenken. Das ist genau das, was immer alle vergessen, die dich so boshaft kritisieren. Du kannst gar nicht aus deiner Haut. Du hast die Lehrsätze deines Vater tief verinnerlicht. Die Palästinenser sind gar kein Volk. Frieden mit Arabern ist unmöglich. Einen eigenen Palästinenserstaat darf es darum niemals geben. Sie würden ihn nur als Basis nutzen, um wieder und wieder anzugreifen.

Entsprechend warst du die ganzen Jahre politisch unterwegs, hart rechts, der Beschützer Israels, der mit der garantierten Sicherheit, der mit der Ruhe und dem Wohlstand, aber ohne Frieden, weil es den mit Arabern nicht geben kann. Klare Kante. Nicht so wie damals Yitzhak Rabin, der mit Yasir Arafat diesen irren Osloer Friedensvertrag geschlossen hat, mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung. Wie du gehetzt hast seinerzeit, da könnte sich die AfD heute noch eine Scheibe abschneiden. Aber gut, den Rabin hat dann ja ein rechter Extremist erschossen. Wolltest du nicht, klar. Manche reagieren halt über, wenn man ihnen zu viel Hass eintrichtert. Steckt man nicht drin.

Und dann bist du 1996 zum ersten Mal Regierungschef geworden. Und es durfte fortan gesiedelt werden im Westjordanland. Wunderbar. Aber schon folgten die ersten Korruptionsskandale und 1999 deine Abwahl. Dein politisches Ende haben sie dir damals prophezeit. Wir wissen, es kam ganz anders. Bis heute hast du deine Linie durchgehalten. Und erst recht nach dem grausamen Überfall der Hamas am 7. Oktober, bei dem so viele Juden ermordet wurden wie nie mehr seit dem Holocaust. Und jetzt rufen sie wieder alle nach Frieden. Den wird es aber mit dir niemals geben. Und eine Zweistaatenlösung auch nicht. Immerhin, in diesen Fragen bist du mit der Hamas absolut einig. Kann ja sein, dass das manche schade finden, ist aber so. Und bleibt so. Da können sie noch so viele Haftbefehle beantragen. Du wirst so lange weitermachen, bis sie dich demnächst abwählen und dann wahrscheinlich irgendwelche neugewählten linken Vögel Friedensangebote machen. Bis sie wieder voll auf die Fresse kriegen – weil ein Frieden mit den Arabern nicht möglich ist. Das wusste ja schon dein Vater.

Und warum haben wir dir nun diesen Brief geschrieben? Ganz einfach, weil wir das alles einfach mal aufschreiben wollten, ohne den leisesten Hauch von Antisemitismus. Das geht nämlich auch. Wir unterscheiden lediglich zwischen Arschlöchern und Nichtarschlöchern. Und okay, vielleicht, ganz vielleicht haben wir in deinem Fall ein vorläufiges Urteil gefällt. Wobei, andererseits sind wir alle ja auch nur Kinder unserer Väter, und wenn es in Familien Tradition ist, ein Arschloch zu sein, dann ist dagegen wahrscheinlich kaum was auszurichten. So gesehen kannst du vielleicht gar nichts dafür.

● GAH

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El Kurdis Kolumne im Juni: Die christliche Fett-weg-Spritze

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El Kurdis Kolumne im Juni: Die christliche Fett-weg-Spritze


In den USA wurde schon so manche fundamentalistisch-evangelikale Kirche nur gegründet, um deren Gottesdienste landesweit im Fernsehen übertragen zu können. Nur so hat man die Möglichkeit, Schwule und Lesben mit möglichst großer Reichweite zu hassen und gleichzeitig über regelmäßige Spendenaufrufe die Luxuswagen-Flotte des jeweiligen Kirchenbosses zu finanzieren. Oder seine 35-Zimmer-Villa. Ich wünschte übrigens, das wäre eine polemische Übertreibung. Nur ein Beispiel: Der Chef der Lakewood-Mega-Church Joel Osteen lebt in einem 1.600 Quadratmeter großen Anwesen, das zwölf Millionen Dollar wert ist. Osteens Vermögen wird auf mindestens 100 Millionen Dollar geschätzt, sein Einkommen beträgt über 70 Millionen Dollar pro Jahr. Soviel zum Erfolg der vermeintlich christlichen Botschaft mit Hilfe der traditionellen Medien.

Inzwischen werden im Christenmilieu aber auch modernere Kanäle genutzt, vor allem von einzelnen missionarisch beseelten jungen Menschen, den sogenannten „Christfluencern“. Auf YouTube, Instagram und TikTok bringen es die amerikanische Internetstars auf Millionen Followerzahlen. Aber auch deutsche Teens und Twens, die digital auf den Spuren des Nazareners wandeln, schaffen es, zehn- bis hunderttausende Anhänger auf ihren Profilen zu versammeln.

Dort erzählen sie ihren jungen Jüngern, was reaktionäre Christen labilen Menschen heutzutage eben so erzählen: Warum Abtreibung und Homosexualität Sünden sind, dass Männer Männer und Frauen gefälligst Frauen bleiben sollen, und sie loben die Freuden der vorehelichen Keuschheit, die „Purity Culture“. Der einzige Unterschied zu den Old-School-Predigern ist, dass die jungen Menschen sich äußerlich und oberflächlich irgendwie „hip“ geben. Und „authentisch“ – oder was sie dafür halten: Sie wuscheln sich zwischendurch cute durchs Haar, ordnen nachdenklich ihren Dutt oder tanzen auch mal unmotiviert zu Popmusik. Und hier und da streuen sie ein „nice“ oder „instantly“ in ihre Predigt-Reels.

Einer der Stars der deutschen Jesus-Szene ist Jana Hochhalter, die sich als Christfluencerin „Jana Highholder“ nennt. Die 26 Jahre alte Koblenzerin ist ein hyperaktiver Tausendsassa: Autorin von sieben Bücher, Podcasterin, Poetry Slammerin, „Speakerin“. Und sie sieht zudem nach den üblichen Internetmaßstäben gut aus. Wie überraschenderweise die meisten Christfluencer, ob Mann oder Frau: Alles tippitoppi gestylte „Germany‘s next Top-Christen“.

Interessant ist, dass die gerade fertig studiert habende Medizinerin Jana Hochhalter neben ihrer Christfluencerei auch noch als Ärztin praktiziert. Auch das ist für sie ein Gottesdienst. Auf Instagram zeigt sie ein Video, auf dem sie vor Arbeitsbeginn betet: Nicht kniend, mit gefalteten Händen, sondern stehend: Die Augen geschlossen, die Arme ausgebreitet und gen Himmel gerichtet, so als wäre sie eine menschliche Antenne und als wollte sie den Heiligen Geist auf Langwelle empfangen. Dazu schreibt sie: „Jeden Morgen vor der Arbeit bete ich für den Tag; für die Patienten, denen ich begegnen werde, für die Gespräche, die ich führen werde und für die Entscheidungen, die ich treffen werde. Ich lege all mein Wissen und meine Fähigkeiten in die Hände Gottes und bitte ihn, durch mich zu wirken.“

Nun hat sich Jana von allen Medizinbereichen, in denen man als frommer Mensch christliche Nächstenliebe praktizieren könnte, einen ganz besonderen ausgesucht: Sie bietet in einer Privatpraxis in einem Wellnesshotel „ästhetische Medizin“ an. Dort kann man sich so allerhand injizieren lassen: „Botox (ab 250 Euro)“, „Skinbooster (ab 290 Euro)“, „Hyaloron (ab 300 Euro)“ oder die „Fett-weg-Spritze (ab 350 Euro)“. Ein Spötter würde jetzt vielleicht fragen: Pfuscht Jana damit nicht dem Herrgott ins Handwerk? Unterstützt sie so nicht den Äußerlichkeitswahn einer egozentrischen, sexbesessenen Gesellschaft? Verrichtet sie damit nicht das Werk Satans?

Das Gegenteil ist richtig. Denn Jana ist eine dialektisch denkende Fundamentalistin. Sie weiß, dass sie selbst gesegnet und auserwählt ist, dass aber nicht alle Gläubigen so gut aussehen können wie sie. Vor allem aber weiß sie, dass der Fanatismus die Gesichter der meisten Frömmler langfristig brutal zeichnet. Und deswegen spritzt sie ihren Glaubensbrüdern und – schwestern die Enthaltsamkeits-Falte zwischen den Augenbrauen glatt, pufft ihre verkniffen-schmalen Bigotterie-Lippen auf und lässt per Lypolyse den Glaubenskummerspeck um die Hüften verschwinden. Eine schönere Definition von „Caritas“ kann es gar nicht geben.

● Hartmut El Kurdi

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Neu in der Stadt: Physio 27

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Neu in der Stadt: Physio 27


Farah & Yamil Abumohor Schatte

Zwischen der Innenstadt und der Nordstadt bieten Farah und Yamil Abumohor Schatte in ihrer neuen Praxis für Physiotherapie am Klagesmarkt eine breite Palette an Behandlungen an.

Von klassischer Krankengymnastik und therapeutischen Massagen bis hin zu Elektrotherapie und Beckenbodentraining hat das junge Team eine ganze Menge drauf.
Auch außergewöhnlichere Behandlungsmethoden werden hier angeboten: zum Beispiel Fango-Behandlungen oder Flossing. Ersteres sind Wärmebehandlungen mit gemahlenem vulkanischem Gestein, das in Form von Schlamm auf den Körper aufgetragen wird, um eine positive Wirkung zu erzielen. Beim Flossing werden einzelne Körperteile mit einem speziellen Gummiband zeitweise abgeschnürt, um die Mobilität der Gelenke und Muskeln zu trainieren.

Allerdings ist Physio27 keinesfalls nur eine Praxis für Physiotherapie. Es ist gleichzeitig auch Ausstellungsraum, denn Yamil dekoriert dort die Wände mit seinen eigenen Kunstwerken.
Er beschäftigt sich hauptsächlich mit figurativer Malerei und Zeichnung und möchte mit seinen bunten und kontrastreichen Arbeiten zum Nachdenken anregen.
All seine Bilder können auch käuflich erworben werden. Informationen dazu sind auf www.yamilschatte.com zu finden.

Physio 27
Am Klagesmarkt 27, 30159 Hannover
Öffnungszeiten Mo-Fr 7-19.30 Uhr
Tel. 0511 27019146.
www.physio27-hannover.de

https://www.facebook.com/people/Physio27-Hannover/61558568387979/

https://www.instagram.com/physio27hannover

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Neu in der Stadt: No MeanInk

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Neu in der Stadt: No MeanInk


Am 11. Mai hat in Hannovers Südstadt ein neues Tattoostudio eröffnet: No MeanInk.

Tattookünstlerin Sarah Flamme hat bereits als Kind für das Zeichnen gebrannt und freut sich, ihre Leidenschaft nun mit ebenso tattoobegeisterten Menschen teilen zu dürfen.
Zunächst äußerte sich die Kreativität der gebürtigen Hannoveranerin vor allem in Form von Graffiti.

Nach einer Ausbildung zur Physiotherapeutin und einem berufsbegleitenden Studium im Gesundheitsmanagement hat sie 2016 schließlich damit begonnen, sich intensiver mit der Thematik des Tätowierens auseinanderzusetzen. Schnell stand der Entschluss fest und sie hat ihr künstlerisches Hobby zum Beruf gemacht.
Schon ein Jahr später hat Sarah Flamme im Studio Delicious Pain eine Lehre begonnen und ist seit 2018 selbstständig als Tätowiererin tätig.

Während der vergangenen sechs Jahre hat sie an zahlreichen Seminaren teilgenommen, darunter eines in Frankreich bei dem weltbekannten Tätowierer Thomas Carli Jarlier sowie ein Online-Seminar von Luigi Mansi.
Darüber hinaus hat sie live von Ralf Nonnweiler und Erich Rabel lernen dürfen.

Selbst beschreibt Sarah Flamme sich als ehrgeizig und selbstkritisch, sodass sie stets anstrebt, sich zu verbessern und ihren Kund*innen eine Freude zu bereiten, die unter die Haut geht.

Auf Terminanfrage kreiert die Tattookünstlerin Realistic- und Abstract Realistic-Tattoos sowie Cover Up-Motive.

No MeanInk
Sonnenweg 9, 30171 Hannover
Tel. 0511 7800891
E-Mail nomeanink@gmail.com
http://www.nomeanink.com

https://www.facebook.com/SarahFlammeTattoo

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Editorial 2024-06

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Editorial 2024-06


Liebe Leser*innen,

Und schon wieder eine Republik, diesmal eine aufgehetzte … Nach den Übergriffen in Dresden und anderswo wird gerade überall diskutiert, ob diese Attacken zu einer Gefahr für unsere Demokratie werden könnten. Ich finde diese Fragestellung bezeichnend. Geht es vielleicht auch mal eine Nummer kleiner? Natürlich – wehret den Anfängen. Und natürlich – ich würde mir einerseits Aufrüstung wünschen. Aber auch Abrüstung. Aufrüstung zum Beispiel bei der Ausschöpfung des Strafmaßes für solche Übergriffe. Und Abrüstung bei den gegenseitigen Schuldzuweisungen.

Aber muss eigentlich jedes Problem immer gleich zu einem Riesen aufgeblasen werden? Ein paar Idioten sind gewalttätig geworden. Sie sind bereits in Gewahrsam. Sie werden hoffentlich hart bestraft. Aber nein, unsere Demokratie ist nach den Attacken noch längst nicht in Gefahr. Sie ist glücklicherweise ziemlich wehrhaft aufgestellt. Was aber nicht heißt, dass man nun einfach so zur Tagesordnung übergehen sollte. Denn ein Problem haben wir, gar keine Frage.

Wir sind eine aufgehetzte Gesellschaft, wir sind alarmiert, ängstlich, besorgt und alles andere als optimistisch. Und das ist kein Zustand, der für Gesellschaften besonders gesund ist. Zumal in dieses Feuer gerne noch Öl gekippt wird. Denn natürlich versuchen diverse Länder von außen massiv Einfluss zu nehmen. Die bereits sichtbare Spaltung soll weiter vorangetrieben werden, man will Deutschland destabilisieren. Was nun eigentlich dazu führen müsste, dass die Demokraten in Berlin den Schulterschluss wagen und sich darauf besinnen, um was es eigentlich geht, nämlich um das Wohl der Menschen in Deutschland.

Leider tun sie das Gegenteil. Sie machen mit. Sie polemisieren, sie diffamieren. Sie kochen jeweils ihr ganz eigenes Süppchen. Zum Nachteil Deutschlands. Ich habe selten eine Regierung gesehen, deren Koalitionspartner derart egozentrisch auf den eigenen Vorteil fokussiert waren. Und ich habe selten eine Opposition gesehen (damit ist hier die CDU/CSU gemeint, die AfD ist für mich keine Opposition, sondern ein erbärmlicher Witz), die derart verantwortungslos die Stimmung im Land vergiftet hat. Es ist wirklich ein trauriges Schauspiel.

Es gäbe sehr viel, was die demokratischen Parteien gemeinsam tun könnten, um wieder für ein bisschen mehr Ruhe und Frieden, für ein bisschen mehr Gemeinschaft und Zuversicht zu sorgen. Sie könnten beispielsweise mal alle zusammen und ausnahmsweise konstruktiv an den Problemen arbeiten, mit denen wir in Deutschland tatsächlich zu kämpfen haben. Aber wenn ich mir die handelnden Akteurinnen und Akteure so ansehe, hält sich meine Hoffnung doch sehr in Grenzen. Haben die alle zusammen verdient, dass man sie wählt? Das man am 9. Juni zur Wahl geht und sein Kreuz macht? Nein, verdient haben sie es ganz und gar nicht.

Ich gehe aber trotzdem zur Wahl und werde mein Kreuz machen – um Schlimmeres zu verhindern. Das ist leider bei dieser Wahl meine einzige Motivation. Ich würde mir sehr wünschen, dass die demokratischen Parteien in Berlin mir möglichst bald wieder ein paar mehr Gründe gönnen.

Viel Freude mit dieser Ausgabe wünscht

● Lars Kompa
Herausgeber
Stadtkind

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