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Ein letztes Wort im Mai

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Ein letztes Wort im Mai


mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil

Stephan Weil (r) und Lars Kompa (l)

Herr Weil, heute frage ich Sie nicht primär als Ministerpräsident, sondern als SPD-Landesvorsitzender. Lassen Sie uns doch mal jenseits aller ganz großen Konflikte ein bisschen eintauchen in die Landespolitik in Deutschland. In Niedersachsen liegt die AfD nach einer Umfrage von Allensbach von Anfang Februar auch schon bei 21 Prozent. Der Geist ist immer mehr aus der Flasche, oder?
Ja, wir können uns schon lange nicht mehr vormachen, dass das allein ein ostdeutsches Problem sei. Das ist es definitiv nicht. Hätten wir vor zweieinhalb Jahren über dieses Thema gesprochen, dann wäre ich vielleicht noch davon ausgegangen, dass die AfD bei den Landtagswahlen im Herbst 2022 unter 5 Prozent bleiben könnte. Aber im Februar 2022 hat Russland die Ukraine angegriffen, es folgten Energiepreiskrise und Inflation. Seither sehen wir auch im Westen einen deutlichen Anstieg der Werte der AfD. Mag der Zuwachs auch vielleicht durch die Partei von Sahra Wagenknecht ein bisschen geringer werden, müssen wir doch nüchtern konstatieren, dass sich in Deutschland eine Partei deutlich rechts von der CDU festsetzt.

Nun sagen die einen, man muss die AfD inhaltlich stellen, also mit der AfD diskutieren. Und die anderen meinen, dass das gar nichts bringt und dass man dieser Partei möglichst keine Bühne geben sollte. Auf welcher Seite stehen Sie?
Ich möchte der AfD möglichst keine zusätzliche Bühne bieten. In jedem Fall möchte ich dagegen die Wählerinnen und Wähler der AfD ansprechen. Denn das sind ja weiß Gott nicht alles Rechtsextreme. Wir wissen aus vielen Umfragen, dass nach wie vor ein hoher Anteil vor allem Unmut ausdrücken will. Viele glauben dabei gar nicht, dass die AfD eine seriöse Adresse sei. Wir müssen uns in der Sache hart mit der AfD auseinandersetzen und genau analysieren, wofür diese Partei inhaltlich steht. Nehmen Sie die Europawahl: Ohne das Wort Dexit in den Mund zu nehmen, sinniert die AfD über ein Ausscheiden der Bundesrepublik aus der EU. Obwohl Europa der wichtigste Markt für die deutsche Wirtschaft ist. Ein solcher Schritt wäre ein Programm zur massenhaften Verarmung von Menschen in Deutschland.

Thüringens CDU-Chef Voigt ist ja gerade mit Höcke in den Ring gestiegen. Und Höcke hat dort gesagt, dass es der englischen Wirtschaft deutlich besser geht als der deutschen Wirtschaft. Und dass der Brexit demnach ein Erfolgsmodell sei.
Da sind die Engländer selbst aber inzwischen ganz anderer Meinung. Die bitteren Konsequenzen des Austritts sind dort überall spürbar.

Was Höcke allerdings nicht groß interessiert. Und mit jemandem zu diskutieren, der sich die Welt macht, wie sie ihm gefällt, ist ein bisschen schwierig, oder? Also doch besser lassen?
Wie gesagt, mein Ansatz ist es eher, die Wählerinnen und Wähler der AfD direkt anzusprechen, ihnen zuzuhören und ihre Argumente zu hinterfragen. Letztlich aber gibt es auf die Frage, was man wirklich gegen die AfD tun kann, nur eine richtig gute Antwort.

Das haben Sie schon öfter gesagt. Die Politik muss besser werden, sie muss Sicherheit und Verlässlichkeit vermitteln. Das scheint mir in nächster Zukunft aber bei aller Liebe ein bisschen fraglich, wenn ich mir die Performance der Ampel ansehe.
Es ist dennoch der richtige Weg, und ich hoffe, dass das irgendwann alle Beteiligten verstanden haben. Menschen mit einem gefestigten rechtsextremen Weltbild werden wir mit guter Politik nicht erreichen. Es lohnt sich aber sehr wohl mit denen zu sprechen, die jahrzehntelang CDU, SPD, Grün oder FDP gewählt haben, sich jetzt aber enttäuscht der AfD zuneigen. Viele von ihnen verwahren sich persönlich auch entschieden dagegen, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Wir müssen reden, überzeugende Alternativen aufzeigen und dann auch so handeln. Ich habe jetzt damit begonnen, Bürgerversammlungen anzubieten für Menschen, die mir oder auch anderen bitterböse Briefe schreiben. Diese Menschen bringen durch diese Briefe zumindest zum Ausdruck, dass sie noch Erwartungen an die Politik haben. Und ich stelle fest, dass man ins Gespräch kommen kann. Oft macht der Ton die Musik – übrigens auf beiden Seiten. Machen wir also einen Unterschied zwischen den Repräsentanten dieser Partei, wie dem Faschisten Höcke, und ihren Wählerinnen und Wählern. Damit gibt man der AfD keine Bühne. Und nochmal apropos Bühne: Herr Voigt hat zwar sein Ziel erreicht, bundesweite Publizität zu bekommen, aber zu einem ziemlich hohen Preis. Denn auch Herr Höcke hat diese Publizität bekommen.

Den Eindruck hatte ich auch. Zumal gerade beim Thema Zuwanderung die Unterschiede zwischen den beiden für mich nicht so ganz klar geworden sind. Beide sehen das ja als massives Problem. Wahrscheinlich wählen die Leute dann doch lieber das Original.
Das ist das Risiko, wenn man in den Sound der AfD einstimmt. Auch und gerade in Bezug auf Geflüchtete gilt es, die eigenen Argumente sehr sorgfältig abzuwägen. Von den Kritikern unserer Politik wird häufig darauf hingewiesen, dass die Flüchtlinge reichlich bekämen, bei deutschen Rentnerinnen und Rentnern aber gespart werde. Ich weise dann darauf hin, dass etwa ein Viertel aller Arbeitsplätze in Deutschland inzwischen von Menschen mit Migrationshintergrund besetzt sind. Würden wir uns die wegdenken, wäre die Deutsche Rentenversicherung kaputt. Bei solchen Argumenten blickt man dann doch in nachdenkliche Gesichter.

Sprechen wir in dem Zusammenhang noch kurz über die neue Kriminalstatistik. Was die AfD daraus macht, ist klar: Alle Ausländer sind kriminell, als ob es da ein Gen gäbe … Ein Argument mehr, sie nicht ins Land zu lassen oder wieder zu vertreiben. Sie gehören nicht hierher. Und passend kommt dann die die CDU mit der Leitkultur um die Ecke …
Ich glaube, von den Ergebnissen der jüngsten polizeilichen Kriminalstatistik ist zunächst niemand überrascht, der sich schon mal näher mit diesen Statistiken befasst hat. Ich kenne das Thema jetzt seit den 90er-Jahren, als ich mal im Justizministerium gearbeitet habe. Die Kriminalstatistik reflektiert auch sehr stark die soziale Lage. In der Gruppe derjenigen, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen, ist die Zahl der Zugewanderten leider stets hoch. Armut ist nicht kausal für Kriminalität, aber Armut kann ein Faktor bei einer Entwicklung hin zur Kriminalität sein, das Gefühl, ohnehin nicht richtig dazuzugehören ein anderer. All das entschuldigt kein kriminelles Verhalten, aber es weist auf Lösungsansätze hin. Mehr Integration und Teilhabe, schneller und unkomplizierter berufliche Perspektiven aufzeigen. Und zur Wahrheit gehört eben auch, dass die allermeisten Menschen, die zu uns kommen, sich große Mühe geben, die Erwartungen in ihrem neuen Heimatland zu erfüllen, dass sie schnell unsere Sprache erlernen und unser Grundgesetz achten und respektieren. Und was die Leitkultur der CDU angeht: Mir reicht unser Grundgesetz.

Das am 23. Mai 75 Jahre alt wird. Und das soll gefeiert werden …
Ja, das sollten wir feiern! Unser Grundgesetz ist wirklich ein guter Kompass, eine kluge Grundlage für unser Zusammenleben und ein Grundpfeiler unserer Kultur. Was mir am Grundgesetz besonders gut gefällt, ist die Balance zwischen den eigenen Freiheitsrechten und anderen ganz persönlichen Rechten und den Belangen der Allgemeinheit. Das ist ganz, ganz große Rechtssetzungskunst.

Da könnten sich heutige Gesetzgeber manches abschneiden …
Das ist leider wahr. Nehmen wir nur die hohe Zahl der einzelnen Regelungen zur Schuldenbremse im Grundgesetz und vergleichen sie mit dem Abschnitt über die Grundrechte.

Heute würde das Grundgesetz bestimmt auch anders heißen.
Besseres-Deutschland-Verfassung-Gesetz. Oder Besseres-Zusammenleben-Gesetz. Aber Spaß beiseite. Wir können sehr stolz sein auf unser Grundgesetz, das übrigens eine ungeschriebene Überschrift hat: Nie wieder! Seine Bilanz kann sich wirklich sehen lassen. Wir hatten 75 Jahre lang in Europa keinen Krieg und bei durchgängig persönlicher und politischer Freiheit einen stetig wachsenden Wohlstand. Das aber sollte uns umso mehr mahnen, uns jetzt für unsere Freiheit, für unsere Demokratie und ihr Fortbestehen einzusetzen. Jede und jeder von uns! Das ist jetzt unsere gemeinsame Aufgabe. Denn unsere Freiheit ist gefährdet, daran gibt es gar keinen Zweifel.

Interview: Lars Kompa

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Staatsoper Hannover: am Küchentisch mit Ketevan Chuntishvili

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Staatsoper Hannover: am Küchentisch mit Ketevan Chuntishvili


Ketevan Chuntishvili

Die in Tiflis geborene Sopranistin Ketevan Chuntishvili absolvierte ihr Studium an der Musikhochschule in Hannover und gab 2020 ihr Operndebut am Stadttheater Klagenfurt. Nach einiger Zeit am Stadttheater Cottbus und mehreren Stipendien und Auszeichnungen für ihr Gesangstalent, schloss sie sich zur Spielzeit 2023/24 nun dem Ensemble der Staatsoper Hannover an. Hier wird sie mit ihrer großartigen Stimme der Susanna aus Mozarts „Le Nozze di Figaro“ Leben einhauchen …

Du wurdest in Georgien geboren, einem Land, in dem die Musik eine große Rolle spielt. Und doch haben dein Musikstudium und große Teile deiner bisherigen Karriere nicht dort stattgefunden, sondern hier in Deutschland. Wie kommt das?
Das hat damit zu tun, dass meine Tante hier in der Nähe lebt und ich somit früh Zugang zu Deutschland hatte. Ich konnte mich hier schon vorher adaptieren und mich schlau machen, wie das mit dem Studium funktioniert. Außerdem müsste man selbst nach einem abgeschlossenen Bachelor in Georgien in Deutschland von vorne beginnen, weil er nur teilweise oder gar nicht anerkannt wird. Und das hätte ich schade um die Zeit gefunden, weil die für mich irgendwie schon lange schneller tickt. Mir ist erst später klar geworden, dass es eventuell nicht klappen könnte, denn ich hatte mich für nichts anderes beworben. Das war ein bisschen unbedacht. Ich habe sonst alles durchdacht, aber das nicht. Aber ich hatte damals diesen Drive, den ich hinterher immer wieder verloren habe, diesen Glauben und die Manifestation, dass alles klappen wird, ja… klappen muss. Ich denke, ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und bin froh, dass ich hier wirklich gute Bildung genossen habe.

Und wieso unbedingt Deutschland? Weil deine Tante und dein Onkel hier gewohnt haben?
Ja, das war ausschlaggebend. Außerdem ist das Studium in Georgien sehr teuer. Ich hatte das Gefühl, dass ich dort letzten Endes nichts erreichen kann, außer ich investiere nach dem Abschluss noch mal viel Geld, um nach Europa zu gehen, eventuell sogar einen weiteren Abschluss zu machen und Wettbewerbe, um gesehen zu werden und gehört zu werden. Es kamen mehrere Dinge zusammen.

Bist du jetzt nach einigen Jahren an die Staatsoper Hannover gekommen, weil du dich während deines Studiums in die Stadt hier verliebt hast, oder gab es dafür noch andere Gründe?
Es war die Mischung aus vielen Pros: In erster Linie ist die Staatsoper ein überaus begehrenswerter Arbeitsort, aber die Stadt hat auch einen besonderen Wert für mich, aufgrund der mit ihr verbundenen positiven Erinnerungen und Erfahrungen.

Aber nach deinem Studium hast du noch einige Abstecher gemacht, richtig?
Ja. Zuerst war ich eine Zeit in Klagenfurt, dann in Cottbus. Da blieb ich lange.

Als du wieder hierhergekommen bist, hast du da in dein ehemaliges Wohnviertel zurückgefunden?
Ich habe mich jetzt woanders niedergelassen. Ich habe insgesamt dreimal den Stadtteil gewechselt und zuletzt wohnte ich in Linden. Nun hatte ich Lust auf etwas Neues und wohne etwas weiter weg, im Grünen. Aber mit dem Fahrrad geht das superschnell. Ich genieße es, am Ufer des Maschsees entlangzuradeln.

Ist das dein Lieblingsort hier in der Stadt?
Tendenziell liebe ich alles, was grün ist und blüht. Während meiner Studienzeiten bin ich zum Beispiel häufig aus der Mensa in die Eilenriede gegangen. Da komme ich jetzt kaum noch hin. Dafür sind bei mir um die Ecke die Ricklinger Kiesteiche. Und ich mag auf jeden Fall den Maschsee, die List und die Altstadt!

Du hast vor einigen Jahren mit deinem Filmbeitrag zu dem „Lied Me!“-Projekt des Internationalen Liedzentrums Heidelberg über deine Unsicherheiten und „Die Stimme im Kopf“ gesprochen. Ist diese Stimme immer noch da?
Ja, aber die ist viel, viel, viel leiser. Und auch viel netter. Daran habe ich intensiv gearbeitet und tue es noch. Wir Sänger können uns nicht auch noch selbst fertig machen, wenn wir ständig damit konfrontiert sind, kritisiert und korrigiert zu werden. Ich selbst hatte da bis jetzt sehr viel Glück. Aber man hört immer wieder Gerüchte über Vorgesetzte, Dirigenten und Regisseure, die rumbrüllen und Kritik in wirklich offensiver Art und Weise äußern. Da müssen wir uns nicht noch selbst fertig machen und uns selbst umso mehr unter Druck setzen.

So viel Stress. Dabei warst du Stipendiatin eben jener Lied-Akademie des Heidelberger Frühlings und vieler weiterer Organisationen und hast bereits zahlreiche Preise wie den Max-Grünebaum-Preis gewonnen. Ist Unsicherheit eine Art Berufskrankheit, die sich durch die Branche zieht?
Ich glaube, dass das etwas super Persönliches, Individuelles ist. Ich verstehe jedoch, warum der Eindruck entsteht, dass das eine Berufskrankheit ist. Der Beruf an sich ist einfach so persönlich. Man gibt etwas von sich selbst preis, man entblößt sich sehr oft, im übertragenen Sinne natürlich. Man zeigt seine Psyche und sein Inneres nach außen und das macht einen verletzlich.

Schön zu hören, dass es dir damit mittlerweile besser geht. Was hast du dagegen gemacht oder was hat sich seitdem gebessert?
Ich habe Therapie gemacht. Viel reflektiert, mich anderweitig schlau gemacht. Ich höre mir gerne Podcasts beim Joggen an, um auch noch außerhalb von dieser Bubble, in der wir leben, etwas mitzubekommen. Sonst ist man morgens und abends in der Oper. Regulär. Und in der Mittagszeit bereitet man sich für die Proben am nächsten Tag vor. Außerdem haben wir meistens Kontakt mit Sänger*innen, gezwungenermaßen, weil wir ansonsten für nichts anderes Zeit haben, und da geht es auch meistens um die Themen rund um den Gesang. Dadurch kann man, glaube ich, ein bisschen durchdrehen, wenn man sich nicht ab und zu Schlupflöcher in andere Themen sucht.

Ein weiteres Thema, mit dem du dich innerhalb des HIDALGO Festivals 2021 auseinandergesetzt hast und das sich ebenfalls in „Le Nozze di Figaro“ findet, ist der sexuelle Missbrauch. Ist es Zufall, dass sich dieses wichtige Thema häufiger in Projekten, die du wahrnimmst, findet?
Ja (lacht). Es ist Zufall, aber ich bin froh, dass ich doch etwas dazu beitragen konnte. Ich gehört zu denen, die bis jetzt keine schlimmen persönlichen Erfahrungen mit dem Thema gemacht haben. Es gab auch bei mir mal Ansätze davon, aber jetzt nichts so Krasses, was ich da verkörpert, vertont oder dargestellt hätte. Es ist einfach verrückt, dass so etwas passiert. Wir haben den Stoff gehabt, um den die Idee und das Projekt entstanden sind, aber ich wünschte ehrlich gesagt, diese ganzen Storys würden gar nicht erst existieren.

Dann lass uns über die Oper reden. „Le Nozze di Figaro“, ist das für dich nicht mittlerweile schon ein alter Hut, den du in- und auswendig kennst?
Ja, ist es. Ich kenne mich mit dieser Oper sehr gut aus, trotzdem lerne ich bei jeder Probe so viel Neues dazu. Da gibt es unendlich viel zu verfeinern. Aber ja, es ist die Partie, die ich bis jetzt am häufigsten gesungen habe.

Die Oper soll recht schwer zu beschreiben sein, aber du als Profi kannst das sicher trotzdem versuchen.
Also …Wie soll ich’s zusammenfassen… Wir haben ein Paar, das jede Minute heiraten möchte, Susanna und Figaro. Sie sind beide angestellt im Hause von Graf und Gräfin Almaviva. Zwischen diesem Ehepaar läuft es nicht mehr so gut. Der Graf sucht Ablenkung und Fun bei allen anderen Frauen außer bei seiner eigenen. Er kennt wirklich keine Grenzen. Und jetzt hat er ein Auge auf Susanna geworfen. Sie spürt das, traut sich aber nicht, ihrem Mann gegenüber etwas zu sagen, weil die Männer gut befreundet sind und sie sich deswegen auf dünnem Eis bewegt. Außerdem ist der Graf ihr Vorgesetzter, woraus sich ein Machtgefüge ergibt. Letzten Endes erfährt Figaro von ihr davon und ist außer sich. Er legt den Grundstein für die Revolution.

Du hast schon an andere Inszenierungen mitgewirkt. Was macht diese hier so besonders? Was sind ihre Eigenheiten?
Diese Inszenierung ist auf eine Art düster und irgendwie grotesk. Sie hat einen gruseligen, spukigen Touch. Ich bin ein großer Fan der Regisseurin, Lydia Steier. Sie hat einen so frischen Blick auf die Oper geworfen, indem sie sich mit etwas beschäftigt hat, über das immer spekuliert wird. Was empfindet Susanna denn eigentlich für den Grafen? Ist das nur Ekel? Ist sie einfach nur genervt von ihm? Oder gibt es eine gewisse Anziehung? Es ist superinteressant zu beobachten, wie sich diese Spannung im Laufe der Akte immer mehr entwickelt.

Was gefällt dir generell an der Figur der Susanna? Magst du sie?
Ja, sehr. Ich mag, dass sie den Überblick über alles hat. Und ich mag, dass sie trotz des Wahnsinns, der um sie herum passiert, die Contenance bewahrt, professionell bleibt und weiterhin ihre Arbeit macht. Sie ist trotzdem so liebevoll, so herzlich, lebendig und fleißig.

Ließe ihr Kampf sich nicht fast als Mozarts-Version einer Me-Too-Geschichte auslegen?
Total! Es ist eine Me-Too-Geschichte schlechthin, wegen der übergriffigen männlichen Figuren. Allen voran der Graf.

Könnte man das Happy End des Stücks dann schon fast als empowernden Triumph Susannas und Figaro als den edlen Helden auslegen, weil er sich mit dem Grafen anlegt?
Ich denke, bei uns geht das nicht. Bei uns ist alles ein bisschen anders. Besonders das Ende ist so anders als alles, was ich bisher miterlebt habe. Unsere Inszenierung weicht ein bisschen ab von der Originalhandlung und das löst Lydia eigentlich sehr gut durch die letzte Szene. Normalerweise sind alle Paare vom Anfang wieder zusammen, der Graf ist bei der Gräfin und bereut sein Verhalten und Figaro ist bei Susanna. Für den Moment verzeihen alle einander und sind happy. Aber trotzdem wissen wir nicht, ob es morgen wieder von vorne losgehen wird. Bei uns sind viele Menschen am Ende nicht happy, vor allem Susanna und der Graf.

Manche werfen der Figur des Figaros vor, sie würde nur aufbegehren, um aufzubegehren, und eigentlich gar kein klares Ideal haben. Siehst du das auch so? Es handelt sich immerhin, um deinen „Geliebten“?
Ja, er ist eben auch nur ein Mann … Das sehe ich auch so. Im Figaro steckt etwas… Im Kern ist er ein leicht gewalttätiger, leicht übergriffiger Macho-Typ und ich glaube, nur seine Position erlaubt ihm nicht, das auszuleben. Je mehr er vordringt und mit seiner Revolte erreicht, umso mehr zeigt er auch seine wahren Triebe und die narzisstische Art.

Wenn du einen anderen Charakter aus dieser Oper singen müsstest, egal ob männlich oder weiblich, welcher wäre das?
Der Graf (lacht). Ich finde seine Arie richtig geil. Außerdem kann man den Grafen auf so viele verschiedene Arten und Weisen darstellen. Das geht sowieso mit allen Charakteren, aber gerade bei ihm gibt es Millionen Wege. Die Psychoanalyse des Grafen fände ich auch superinteressant. Ich habe das Gefühl, dass er die ganze Zeit eine Fassade errichtet hat und ich würde gerne entdecken, was dahintersteckt.

Die Inszenierung wurde mit großartigen Kostümen ausgestattet. Hat man da als Darsteller oder als Darstellerin eigentlich irgendein Mitspracherecht? Kann man sich bestimmte Details wünschen?
Wenn irgendwas gar nicht passt, dann werden wir auf jeden Fall gehört. Wir dürfen was sagen, so war zumindest bis jetzt immer meine Erfahrung. Aber ich bin auch ziemlich entspannt und vertraue da den Kostümbildnern. Ich weiß, dass sie wissen, was sie tun, und ihr Bestes geben, damit wir uns wohlfühlen und auch möglichst gut aussehen. Ob mir jetzt eine bestimmte Farbe steht oder nicht, ist völlig egal. Darum geht es nicht. Hauptsache, es drückt nicht an der Stelle, an der ich atmen muss, und nimmt nicht so viel Fokus von meinem Gesang, damit ich mich wohlfühle. Darauf passen die schon immer auf und ich habe bisher wirklich gute Erfahrungen gemacht.

Zuletzt eine Art Doppelfrage: Welche Stelle in der Oper singst du am liebsten und welche Szene wird euer Publikum am meisten umhauen?
Welche Szene ich am liebsten singe … Erst einmal die Arie im vierten Akt und dann die Szene mit Figaro und Susanna, in der wir diesen Kampf haben und sie ihn schlägt. Ich finde die Szene unglaublich schön und sie hat einen guten Aufbau. Da explodiert alles und dann beruhigen sie sich wieder. Ich glaube, das wird das Publikum umhauen, was er da in dieser Szene mit ihr macht.

●Filine Hunger

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Der Freundeskreis im Gespräch im Mai

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Der Freundeskreis im Gespräch im Mai


In diesem Monat haben wir uns mit Dr. Vanessa Erstmann (VE), der Vorsitzenden des Jazz Club Hannover, und mit Gudrun Benne (GB), der Geschäftsführerin des Industrie-Club Hannover, getroffen. Mit den beiden Freundeskreis-Mitgliedern haben wir uns über ihre Tätigkeiten, ihre Verbindungen zum Verein und das Image der Stadt unterhalten.

Beginnen wir mit dir, Vanessa: Du bist Vorsitzende und Geschäftsführerin des Jazz Club Hannover, aber das ist nicht dein Hauptberuf, richtig?

Vanessa Erstmann

VE – Genau, meine Arbeit im Jazz Club ist rein ehrenamtlich. Dazu bin ich gekommen, als ich über die Imagearbeit der Stadt Hannover promoviert habe. Das Thema Stadtimage hat mich fasziniert und mit dem Nachlass des ehemaligen städtischen Imagepflegers Mike Gehrke bin ich als Historikerin auf einen spannenden Quellenbestand gestoßen. Gehrke hat von 1972 bis 2004 als Imagepfleger der Stadt agiert und war zeitgleich über Jahrzehnte Vorsitzender des Jazz Clubs. Sein Büronachlass im Stadtarchiv umfasste etwa 300 Aktenordner. Parallel dazu durfte ich rund 200 Aktenordner im Jazz Club einsehen und dort vor Ort forschen. In dem Zuge habe ich mich auch mit der Öffentlichkeitsarbeit und dem Marketing des Jazz Clubs beschäftigt und angefangen, mich im Verein ehrenamtlich zu engagieren. Auch beruflich beschäftige ich mich im weitesten Sinne mit Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Ich betreibe freiberuflich Markenpflege für unterschiedliche Unternehmen, unterstütze diese bei der Unternehmenskommunikation und arbeite als Historikerin Unternehmensgeschichten auf. Die Identität und Markentradition eines Unternehmens ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal, das sich für das sogenannte „History Marketing“ aktiv nutzen lässt.

Mitglied im Freundeskreis bin ich seit 2015 – und seit einem Jahr Kuratoriumsmitglied. Meine Vereinsmitgliedschaften, sei es im Jazz Club oder im Freundeskreis, habe ich immer als ein Ventil gesehen, um mich für die Stadt einzusetzen und sie voranzubringen – vor allem im Hinblick auf die Imagearbeit.

Also könnte man sagen, dein Interesse für Hannovers Image und seine Geschichte war nicht nur wissenschaftlicher Natur, sondern auch ein persönliches Anliegen?

VE – Ja, auf jeden Fall. Ich finde Stadtmarketing letztendlich total spannend – beruflich, aber auch privat. Als gebürtige und begeisterte Hannoveranerin interessiere ich mich vor allem für das Image meiner Heimatstadt. Ich lebe gerne in dieser Stadt und wollte immer herausfinden, woran es liegt, dass so viele Hannoveranerinnen und Hannoveraner meinen, sich gegenüber Außenstehenden für ihren Wohnort rechtfertigen zu müssen. Meine Fragestellungen waren zum Beispiel: Wie funktionieren Stereotype? Wie kann man diesen mit Imagearbeit begegnen? Geht das überhaupt? Oder hat Hannover, das wirklich über Jahrzehnte eine ambitionierte Imagearbeit betrieben hat, die Anfänge der Stadtwerbung verpasst?

Dann kommen wir jetzt zu dir, Gudrun. Vor dem Industrie-Club warst du am Hannover Airport tätig. Magst du uns von deinem Werdegang erzählen?

Gudrun Benne

GB – Ich komme nicht aus Hannover, sondern bin in Georgsmarienhütte geboren, bei Osnabrück. Ich bin gelernte Bankkauffrau und habe in Münster/Westfalen BWL studiert. Danach war ich in diversen Positionen bei der DB Cargo, dem Güterverkehr der Deutschen Bahn, beschäftigt und habe im Anschluss mehrere Jahre als Unternehmensberaterin gearbeitet. 2005 kam ich dann zum Hannover Airport. Über verschiedenste Umwege – das Rhein-Main-Gebiet, München und auch das Ausland – bin ich dann in Hannover gelandet. Mich hat aber nicht die Stadt gereizt, sondern die Aufgabe als Marketingleiterin am Flughafen Hannover. Die Tätigkeit war sehr vielfältig und interessant. Ich habe dabei u. a. eine Markenpositionierung mit einem Relaunch durchgeführt und freue mich sehr, dass es das Logo immer noch gibt. Die Markenbildung verbindet mich u. a. mit Vanessa. Dann bekam ich 2012 – nach sieben Jahren am HAJ – die Chance, die Geschäftsführung des Industrie-Club Hannover zu übernehmen. Dort bin ich nun seit über zehn Jahren, als erste Geschäftsführerin, tätig und beschäftige mich mit der Vernetzung von Unternehmen, genauer gesagt mit der Vernetzung der oberen Führungskräfte der Mitgliedsunternehmen. Schon durch meine Tätigkeit am Flughafen habe ich viele interessante Unternehmen im Großraum Hannover kennengelernt. Der Wirtschaftsstandort ist sehr attraktiv. Viele tolle Unternehmen, die auch Mitglied im Industrie-Club sind, sind hier ansässig und bieten zahlreiche Arbeitsplätze. Doch Hannover und die Region haben noch viel mehr zu bieten: beispielsweise Forschung und Wissenschaft, Kunst und Kultur, Erholung und Sport.

Bezüglich meiner Mitgliedschaft im Freundeskreis kann ich nur unterstreichen, was Vanessa schon gesagt hat. Auch ich will die Stadt voranbringen und mich aktiver einbringen. Und so bin ich im März 2020 – während der Corona-Pandemie – Mitglied geworden. Ehrenamtlich bin ich seit November 2022 im Kuratorium und seit Oktober 2023 im Präsidium des Kuratoriums des Freundeskreises tätig.

Der Jazz Club ist durch seine regelmäßigen Konzerte und Events sicherlich vielen Leuten bekannt. Den Industrie-Club kennt man vermutlich nur, wenn man Mitglied ist oder werden möchte. Woraus besteht eure Arbeit?

GB – Wir sind ein Wirtschaftsnetzwerk, das aus Unternehmensmitgliedern besteht. Die Unternehmensvertreterinnen und -vertreter wollen sich vernetzen, haben Interesse an der Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes, wollen sichtbarer, bekannter werden. Wir bieten eine attraktive Plattform für den Austausch von Wissen, Erfahrungen und Meinungen. Wir organisieren für unsere Mitglieder regelmäßig hochkarätige Veranstaltungen zu aktuellen Themen – z. B. zur Fabrik der Zukunft oder New Work. Wir nutzen dafür verschiedene Formate: mal sind es reine Vortragsveranstaltungen, mal Diskussionsrunden oder auch Betriebsbesichtigungen. Es gibt immer einen Veranstaltungsteil, in dem wir in den inhaltlichen Dialog einsteigen, und einen Teil, bei dem das persönliche Netzwerken erfolgt. Wir prägen durch unsere Arbeit auch das Bild der Stadt. Wenn bspw. eine Mitarbeiterin neu nach Hannover kommt und ihr Arbeitgeber Mitglied im Industrie-Club ist, dann können wir dazu beitragen, dass sie sich in Hannover schneller einlebt und sich hier wohl fühlt.

VE – Ich finde das wunderbar, was Ihr im Industrie-Club macht. Man muss auf den Wirtschaftsstandort achten. Das ist ganz wichtig für Hannover. Ich habe mich erst kürzlich wieder mit der hannoverschen Wirtschaftsgeschichte beschäftigt. Im Rahmen eines meiner diversen Projekte unterstütze ich das Niedersächsische Wirtschaftsarchiv dabei, den eigenen Auftritt zu modernisieren und Unternehmen für den Umgang mit ihren historischen Unterlagen zu sensibilisieren. Das ist dringend notwendig, denn viele Unternehmen haben eine Scheu, sich entweder mit ihrer eigenen Geschichte zu beschäftigen oder aber ihre Unterlagen abzugeben. Die verschwinden dann, werden entsorgt oder im feuchten Keller vergessen. Und das ist ganz bitter, denn dadurch verlieren wir einen Teil unseres wirtschaftlichen Gedächtnisses. In Niedersachsen wurde das Wirtschaftsarchiv übrigens erst 2005 gegründet, während das Pendant in Nordrhein-Westfalen auf eine hundertjährige Geschichte verweisen kann.

GB – Odo Marquard hat gesagt „Zukunft braucht Herkunft“. Die Vergangenheit sollte den Grundstein für die weitere Entwicklung in der Zukunft legen. Der Industrie-Club Hannover, 1887 als „Fabrikanten-Verein“ in Linden gegründet, hat eine lange Tradition, ist sich seiner Werte und Wurzeln bewusst und verändert sich ständig. Die Transformation macht auch vor Vereinen nicht halt.

In Bezug auf den Klimawandel?

GB – Die Veränderungen haben auch mit dem Klimawandel zu tun, mit Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Dekarbonisierung – aber auch mit der zunehmenden Digitalisierung, der demografischen Entwicklung und den Veränderungen der Gesellschaft.

VE – Überhaupt jemanden zu finden, der sich ehrenamtlich engagieren mag, ist an der einen oder anderen Stelle nicht mehr so einfach, wie ich höre. Ich bin froh, dass wir das Problem im Jazz Club nicht haben, sondern uns über regen Zulauf freuen können. Ich persönlich erfahre eher, dass ich mich regelmäßig für mein ehrenamtliches Engagement rechtfertigen muss, dabei ist es so bereichernd und zugleich wichtig für eine gut funktionierende Gesellschaft.

Zwischen dem Freundeskreis und dem Industrie-Club scheint es viele Analogien zu geben …

GB – Ja, sicher. Beide haben eine Vereinsstruktur, eine interessante Historie und bringen Menschen zusammen, damit etwas Positives entsteht. Das gilt übrigens auch für den Jazzclub. Die persönliche Begegnung zwischen Menschen steht bei allen dreien im Mittelpunkt, sei es mit einem musikalischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Schwerpunkt. Die Menschen werden Mitglied im Freundeskreis, weil sie gemeinsam etwas für die Stadt tun möchten, weil sie sich im Bürgerverein lebendig zeigen wollen, weil sie sich mit anderen austauschen, was unternehmen und etwas Neues kennenlernen wollen.

Mögt ihr zum Abschluss des Gespräches positive Erfahrungen eurer Mitgliedschaft im Freundeskreis mit uns teilen?

VE – Etwas, das sich aus meiner Forschung ergeben hat, ist die Erkenntnis, dass Hannover nicht den Beginn der Imagearbeit verschlafen hat, sondern dass damals der Verkehrsverein, der Vorgänger des Freundeskreises, die Stadt nach vorn gebracht hat. Ich fand es sehr schön, dass die Initiative aus der Stadtbevölkerung heraus gekommen ist. In genau der Tradition sehe ich mich und die heutigen Mitglieder des Freundeskreises. Das heißt: Was mich von Anfang an sehr beseelt hat, war diese gemeinsame Hannover-Liebe. Und da erinnere ich mich an viele schöne Momente. Bei den Veranstaltungen verspüre ich immer diese besonderen Vibes – und ich schätze auch die Bedeutung des Bürgervereins, dass man gemeinsam etwas für seine Stadt erreichen kann, wenn man sich zusammensetzt.

GB – Ich stimme dir zu. Das sind, wie du sagst, Vanessa, diese Vibes. Ich habe mich immer sehr willkommen und sehr umarmt im Freundeskreis gefühlt. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist wichtig; ich habe es u. a. bei dem vom Freundeskreis initiierten Kundgebungen erlebt. Darauf aufbauend möchte ich mich in den nächsten Jahren weiter aktiv einbringen und den Verein gemeinsam mit den anderen Mitgliedern weiterentwickeln. Hannover ist attraktiv und hat viele Schätze. Diese noch stärker zu „polieren“, damit die Bürgerinnen und Bürger und auch die Menschen, die – beispielsweise als Touristen – zu uns kommen, (noch) Hannover-verliebter werden: Das würde ich mir wünschen.

● CK/LD

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Stadtkinder essen: Restaurant Safran

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Stadtkinder essen: Restaurant Safran


Am Steintor tut sich ja immer so Einiges – meist sind es Friseur- und Barbershops, die Namen, Äußeres und Inhaber wechseln, aber auch in der Gastroszene geschieht ordentlich was. Kaum zu übersehen ist das neue afghanisch-persische Restaurant Safran. Auch wenn der Name erst einmal verwirrend ist – schließlich gibt es auch noch das Café Safran an der Glocksee, das seit geschätzten 526 Jahren eine Institution in dieser Stadt ist. Die beiden Läden hängen nicht zusammen – da sind wir uns seit unserem Besuch sicher.

Safran macht den Kuchen gel – oder lila? Lila dominiert hier nämlich: Außen ein leuchtendes, innen ein blasseres Lila, das die Wände schmückt. Ganz schön viel Platz hier, immerhin erstreckt sich das Restaurant über zwei Etagen.
Die Karte ist gigantisch groß und ziemlich fleischlastig, das soll aber in der persischen Küche so üblich sein, haben wir uns sagen lassen.

Trotzdem, oder gerade deshalb, testen wir auch eine vegetarische Vorspeise. Kaschko Bademdjan – dabei handelt es sich um gebratene Auberginen in persischer Buttermilchsauce mit gerösteter Minze, Röstzwiebeln und persischen Gewürzen (7,90€). Sehr lecker und cremig, ein spannender Geschmack – unbedingt probieren!
Dazu gibt es einen Blaubeer-Eistee (3,90€). Dieser wird allerdings nicht schnöde in der Hipster-Flasche serviert, in der er verkauft wird, sondern kommt elegant mit reichlich Eis und Spearminze im Cocktailglas.
Außerdem testen wir die Vorspeisenplatte für eine Person (9,90€), bestehend aus zwei gefüllten Weinblättern, einer frittierten Teigtasche mit Gemüsefüllung, einem Schälchen Oliven, einem Falafelbällchen sowie vier Dips: Zwei auf Schafskäse- und zwei auf Labneh-Basis, einem recht stichfesten Joghurt. Alles ist gut abgeschmeckt und wirklich frisch. Wem es nicht abgeschmeckt oder frisch genug ist: Die Servicekraft bringt uns nicht nur Brot, sondern auch einen Teller mit frischen Kräutern wie Minze, Koriander und Petersilie, sowie einigen Stücken Schafskäse zum Nachjustieren der Würze.

Wir haben noch nicht ganz aufgegessen, da kommen schon die Hauptgänge: Ghormeh Sabzi (12,90€), ein klassisch-persisches Schmorgericht mit Kalbfleisch, diverse Kräutern, roten Bohnen und getrockneten Zitronen. Serviert wird es mit wirklich gutem Basmatireis.
Ehrlicherweise sieht das Gericht zum Davonlaufen aus, aber das tun die meisten Schmorgerichte, egal, welcher Küche sie entstammen. Geschmacklich erinnert es ein bisschen an Grünkohl, aus welchem Grund auch immer, aber die Zitronen geben eine interessante exotische Note, die schwierig zu beschreiben ist. Spannend!
Auch das andere Hauptgericht, Djudje Esfenaj (17,90€), kommt mit Reis sowie Grilltomaten. Hier handelt es sich um fein mariniertes und gut gegrilltes Hähnchenbrustfilet (den Spieß, an dem es gegart wurde, hat man in der Küche netterweise schon entfernt) mit einer Sauce aus gebratenem Spinat, frischen Pilzen, Knoblauch und Schafskäse – superlecker, aber auch unglaublich mächtig.

Wir sind ganz schön satt und zufrieden. Beim nächsten Besuch werden wir uns wohl eher auf eine Vorspeisenauswahl beschränken. Zumal dort auch die Auswahl an vegetarischen Gerichten größer ist (als Veganer wird man hier kaum glücklich), die vegetarischen Hauptgerichte muten nämlich seltsam italienisch-international an. Alles in allem aber wirklich gute Küche, die einen Besuch lohnt.

Restaurant Safran
Kurt-Schumacher-Straße 26
30159 Hannover
Montag bis Sonntag von 12:00-21:30 Uhr geöffnet
www.safran-hannover.de

● IH, Fotos Gero Drnek

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Stadtkinder wundern sich…… dass die CDU/CSU so sehr dagegen ist


Wenn sie übernehmen, machen sie die Legalisierung umgehend rückgängig. Selten war die Union so geschlossen einer Meinung: Die Cannabis-Legalisierung ist des Teufels!

Aber warum?
Sie hat ja einen guten Grund. Wenn man sich mal so insgesamt die politische Bilanz der vergangenen 15 oder 20 Jahre anschaut, wenn man zum Beispiel eine Ausgabe der Tageschau aus dem Jahre 2004 mit einer Ausgabe von letzter Woche vergleicht, dann ist da plötzlich ganz viel Traurigkeit, ganz viel Resignation.

Deutschland hat in den letzten zwei bis drei Dekaden wirklich kaum noch was geschissen gekriegt, die Themen waren schon damals die gleichen. So gut wie nichts ist passiert. Wir lagen tief im Dornröschenschlaf und haben unfassbar viel verpennt. Und jetzt folgt die Götterdämmerung. Jetzt springt uns jeden Tag die Misere mit Anlauf und nacktem Arsch ins Gesicht.

Aber die Politik diskutiert nur noch populistisch das, was die Menschen angeblich wollen, statt sich ernsthaft den Problemen zu widmen. Viel Substanzielles kommt nicht dabei heraus. Das Einzige, was angesichts der großen Trostlosigkeit nun noch halbwegs gute Laune verspricht, ist ein vernünftig bestückter Joint, eine tägliche Dosis, die uns allen Dank der Legalisierung dieses wunderbare Scheißegal-Gefühl beschert. Zum Frühstück, nach dem Mittagessen und zum Abendbrot – zugedröhnt ist alles nicht mehr ganz so schlimm.
Also, die Legalisierung ist für alle politischen Parteien eine gute Sache, weil ein hart bekifftes Volk nicht mehr so sehr mitschneidet, was für Vollpfosten regieren oder opponieren.

Wenn die Union die Legalisierung bei nächster Gelegenheit kassiert, schneidet sie sich also tief ins eigene Fleisch – denn besser wird’s mit denen ja auch nicht werden. Warum also sind sie so sehr dagegen? Masochismus? Maßlose Selbstüberschätzung? Sie müssten es doch eigentlich besser wissen, immerhin hat sich der Drogenkonsum beispielsweise in Bayern die letzten Dekaden ja voll bewährt. Da regieren regelmäßig die allergrößten Hirnis und trotzdem sind dort alle total zufrieden. Keiner merkt’s, weil alle voll einen sitzen haben.

Oder geht es der Union am Ende nur darum, die Grünen zu ärgern – die bekanntlich alle kiffen wie nichts Gutes. Das könnte natürlich sein. Wäre zwar ziemlich infantiler Scheiß, aber wie gesagt, Politik ist ja immer mehr Sandkasten. Liebe Union, seid bitte gnädig. Lasst uns lieber gemeinsam überlegen, was wir noch legalisieren, wenn demnächst die AfD am Steuer sitzt. Dann braucht es wesentlich härtere Substanzen.
●VA

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Stadtgeschichte(n): Appelstraße

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Stadtgeschichte(n): Appelstraße


Sie wirkt eigentlich ziemlich unscheinbar, die Haltestelle zwischen den Herrenhäuser Gärten und dem Wilhelm-BuschMuseum, doch die Geschichte hinter dem Namen ist beachtlich. Äpfel spielen darin natürlich eine zentrale Rolle.
Es heißt, dass die Apfelbäume hinter den Straßenbahngleisen, die einst den Eingang zum anliegenden Georgengarten fl ankierten, bis ins späte 20. Jahrhundert hinein die leckersten Äpfel weit und breit trugen. Und die Ernte war stets reichlich, das wusste man nicht nur in der gesamten Region, das hatte sich auch weit darüber hinaus herumgesprochen.
So verwundert es nicht, dass sich Wanderer auf der Durchreise besonders gerne unter den prächtig grünen Baumkronen niederließen, um sich zu entspannen und natürlich von den leckeren Früchten zu kosten.

Einer dieser Gäste unter den Apfelbäumen, dafür finden sich im Stadtarchiv recht eindeutige Hinweise, ist seinerzeit wohl auch Sir Isaac Newton gewesen. Ja, er hat seine Beobachtungen zum Phänomen der Schwerkraft sehr wahrscheinlich unter den Apfelbäumen in Hannover gemacht.
Newton selbst hat das zwar nie bestätigt, der Ort seiner Entdeckung scheint ihm nicht so wichtig gewesen zu sein („Äpfel fallen überall von den Bäumen auf die Erde“, so ein Zitat des großen Physikers), aber die Hinweise im Stadtarchiv sind doch recht eindeutig. Und noch ein zweiter, berühmter Name fi ndet sich in den verstaubten Büchern: Franz Kafka. Er soll dereinst unter einem der Apfelbäume gerastet und geträumt haben. Geweckt hat ihn dann ein herabfallender Apfel, der direkt vor ihm beim Aufprall einen armen Käfer zerquetschte. Die Idee für Gregor Samsa war geboren.
Eine Verwandlung hat dann einige Jahre später aber leider auch der Ort durchmachen müssen, denn der gesamte Bestand der Apfelbäume hatte sich Feuerbrand (Erwinia amylovora) eingefangen und das Bakterium ist für Apfelbäume bekanntlich fast immer tödlich. Man musste im großen Stil roden, kein einziger Baum hat überlebt.

Doch überlebt haben immerhin die bemerkenswerten Geschichten rund um die Appelstraße (die Militärstraße hieß, bevor die Apfelbäume dort wuchsen). In einigen Quellen ist übrigens nachzulesen, dass die Appelstraße entgegen unseren Erkenntnissen ihren Namen einer Feinkostfabrik namens Appel am Engelbosteler Damm verdankt, doch wir halten diese Geschichte für äußerst fragwürdig.

● Tina Meyer

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