Liebe Leser*innen,
bekommt man das noch hin in dieser immer unübersichtlicheren Welt, die Unterscheidung zwischen Gut und Böse? Was ist richtig und was ist grundfalsch? Wie schärft man zwischendurch den eigenen Kompass? Wir haben uns dazu in dieser ersten Ausgabe des Jahres 2024 ab Seite 54 ein paar Gedanken gemacht. Für mich ist dieses Thema vielleicht eines der wichtigsten Themen der Zukunft. Denn die Frage nach Gut und Böse mündet aus meiner Sicht ganz automatisch in der Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen?
In Deutschland, so zeigen momentan immer neue Umfragen, wünschen sich leider zunehmend mehr Menschen, dass es jedenfalls keine Demokratie mehr sein sollte. Man wünscht sich einen starken Führer. Eine Autokratie. Mindestens. Und ich lasse hier mal die weibliche Form für den Führer weg, denn ich glaube nicht, dass diese Leute sich eine Frau an der Spitze wünschen. Wenn ich mir ansehe, was bei den anstehenden Landtagswahlen in ein paar Monaten droht, bekomme ich tatsächlich Beklemmungen. Können Menschen denn wirklich so irre sein? Es scheint so? Was ist denn da falsch gelaufen?
Ich rätsele genauso wie viele andere. Klar, man kann vielleicht ein paar Gründe finden, die Überforderung durch all die Krisen und Konflikte, diese diffuse Bedrohung, auch durch den Klimawandel, die Angst macht, die Ebbe im Portemonnaie, dieses Gefühl, abgehängt zu sein und nicht das zu bekommen, was einem zusteht („während die Flüchtlinge alles hinterhergeschmissen bekommen“). Aber wählt man deswegen eine Partei, die für noch viel mehr Abgehängte sorgen würde? Man kann im Parteiprogramm der AfD nachlesen, was sie für die weniger gut ausgestatteten Menschen in Deutschland im Köcher hat: Gar nichts. Eher im Gegenteil.
Ich verstehe nicht, warum es den anderen Parteien nicht gelingt, die AfD zu stellen und zu entzaubern. Beziehungsweise verstehe ich schon, warum das nicht gelingt. Weil man sich fleißig vor den Karren der AfD spannen lässt. Aber warum? Warum kommt die CDU jetzt sogar noch mit der guten alten Leitkultur um die Ecke? Stacheldraht ums Hirn? Brauchen wir das? Ernsthaft, CDU? Nichts gelernt? Ich verzweifle allmählich an unseren Parteien in Deutschland.
Ich bin sehr gespannt auf dieses Jahr. Wird es noch schlimmer? Oder schaffen wir es, zumindest hier in Deutschland, das Rad wieder ein bisschen mehr in die andere Richtung zu drehen. Ich würde es mir für uns alle sehr wünschen.
In diesem Sinne ein „gutes“ neues Jahr!
Lars Kompa
Herausgeber Stadtkind