Jeden Monat gibt es eine Stadtgeschichte im STADTKIND, eine Geschichte eben, die etwas über die Stadt erzählt…
In dieser Ausgabe mal eine Geschichte zu einer noch etwas jüngeren Namensgebung.
Lange hatte die Rasenfläche zwischen Velvetstraße und Pfarrlandstraße, gleich neben dem Pfarrlandplatz mit der AWO-Kindertagestätte, keinen Namen. Was natürlich verwundert, denn neben der Limmerstraße ist dieser Platz einer der belebtesten in Linden-Nord. Viele kennen und schätzen seine zentrale Lage und die perfekte Mischung aus buntem Spielplatz mit tobenden Kindern und ruhigem Ort, der zum Verweilen auf einer der Bänke einlädt. Hier trifft nachmittags der spielende Nachwuchs auf junggebliebene Ältere, die regelmäßig ihre Tischtennis-Schläger auspacken und ein Turnier veranstalten.
Ein friedliches, städtisches Miteinander.
Doch wie gesagt, lange Jahre fehlte ein Name.
Doch dann wurde am 30. Juni 1994 der 16-Jährige Halim Dener auf dem Steintorplatz in Hannover von einem SEK-Polizisten in Zivil beim Plakatieren erwischt und erschossen. Der Beamte behauptete später, es sei ein Versehen gewesen und er wurde freigesprochen. Halim Dener war damals als unbegleiteter Minderjähriger erst wenige Wochen zuvor nach Deutschland geflüchtet, um Schutz zu suchen. Er klebte in der Nacht Plakate der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans „ERNK“, die seit 1993 in Deutschland verboten ist, wie alle PKK-nahen Organisationen. Im Zuge der großen Trauerkundgebung mit vielen Kurd*innen wurde nun darüber diskutiert, jenen Platz, der in Hannover so sehr für ein friedliches und freundschaftliches Miteinander steht, nach Halim Dener zu benennen. Um damit nicht nur die Erinnerung an den jungen Mann zu erhalten, sondern gleichzeitig nachhaltig auf die Problematik von Polizeigewalt und Racial Profiling hinzuweisen und nicht zuletzt auch auf die dringende Notwendigkeit einer Aussöhnung zwischen Kurd*innen und der Türkei.
Schnell war man sich damals einig, die Umbenennung wurde im Bezirksrat nur kurz diskutiert und einstimmig beschlossen, die Klage eines Umbenennungsgegners ein paar Wochen später vom Verwaltungsgericht abgewiesen.
Tja, und seither heißt der Platz nun Halim-Dener-Platz.
Und wenn im kommenden Jahr der 30. Todestag von Halim Dener auf diesem Platz feierlich, aber vor allem freundschaftlich mit einem deutsch-türkisch-kurdischen Friedensfest begangen wird (sogar ein Auftritt des Polizeiorchesters ist geplant und die Reiterstaffel ist mit einer Kinderaktion vertreten), dann dürfte Hannover mal wieder im Mittelpunkt des bundesdeutschen Interesses stehen.
Denn Hannover zeigt einmal mehr, wie man es richtig macht. Aussöhnung, Verständigung, Freundschaft, Miteinander – nur so gelingt Verzeihen.
Nicht zuletzt: Als wir ein Foto für diesen Artikel machen wollten, haben wir kein Schild gefunden. Wahrscheinlich war es kaputt und wird gerade repariert. Wir hoffen, die Stadt schafft es recht bald, das Schild wieder dort aufzustellen, wo es hingehört.
Mette Vöge