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Ein letztes Wort im November

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Ein letztes Wort im November


mit dem Ministerpräsidenten Stephan Weil

Herr Weil, wir treffen uns am 11. Oktober, wenige Tage nach dem Angriff der Hamas auf Israel …

Und es ist unfassbar, was dort geschehen ist. Fürchterliche Terrorangriffe, Grausamkeiten, die wirklich sprachlos machen. Mich hat das alles, wie viele andere, zutiefst erschüttert. Es ist völlig klar, dass wir in einer solchen Situation an der Seite Israels stehen. Und wir werden in Niedersachsen Sympathiebekundungen für den Terror der Hamas konsequent unterbinden. Israel hat das Recht, sich zu verteidigen. Das Ende des Terrors ist auch die Voraussetzung dafür, dass es für die Menschen in Gaza wieder zu einigermaßen erträglichen Lebensbedingungen kommt.

Es fällt schwer, so ein Thema in unserem Gespräch auszuklammern, aber wenn das November-Stadtkind in gut zwei Wochen erscheint, haben wir wahrscheinlich schon wieder eine ganz andere Situation in Israel. Wie es dort weitergeht, darüber könnten wir jetzt nur spekulieren. Darum zurück nach Deutschland und zu den aus SPD-Sicht sicher traurigen Wahlen in Hessen und Bayern. In Bayern waren es für die SPD noch 8,4 Prozent …

Ich war drei Tage unterwegs, um in beiden Ländern den Wahlkampf zu unterstützen, und ich muss ehrlich zugeben, dass mich die Ergebnisse dann nicht mehr überrascht haben. Die Stimmung war für die SPD in beiden Ländern spürbar schlecht. Aber was mir in Bayern besondere Sorgen macht, das ist einerseits eine starke AfD mit 14,6 Prozent und dazu die Freien Wähler mit 15,8 Prozent. Das sind zusammen über 30 Prozent! Und hinzu kommt noch eine CSU mit 37 Prozent, die unter diesen Bedingungen dann schon die Partei der Mitte ist. Und weniger als 30 Prozent für Liberale, SPD und Grüne – das beunruhigt mich sehr. Mich haben auch schon die Reaktionen auf die Affäre-Aiwanger erschrocken. Verfehlungen, die vor 35 Jahren geschehen sind, sind natürlich schon lange her, aber wenn so etwas passiert ist, dann muss man wenigstens anständig damit umgehen. Glaubt wirklich irgendjemand, dass Herr Aiwanger die Wahrheit gesagt hat? Und trotzdem fühlen sich viele von ihm nicht etwa hinters Licht geführt, sondern solidarisieren sich mit ihm. Was ist da los? Ich fürchte, dass in unserer Gesellschaft teilweise ein paar moralische Grundlagen verloren zu gehen drohen.

In Hessen waren es für die SPD 15,1 Prozent, weit hinter der CDU mit 34,6 Prozent und auch hinter der AfD mit 18,4 Prozent …

In Hessen müssen wir einfach einen großen Erfolg der CDU konstatieren. Und die SPD dort ist noch mehr als in Bayern in die Bundesdiskussion mit reingezogen worden. Die Stimmung der Ampel gegenüber ist wirklich nicht gut. Hinzu kommt, dass wir tatsächlich zu hohe Zuwanderungszahlen haben. Und die Bundesinnenministerin steckte als Spitzenkandidatin mitten in dieser Debatte. Das hat sicherlich eine Rolle gespielt.

Für die SPD waren die Wahlen ein Desaster.

Da ist so.

Würde es in Niedersachsen am kommenden Sonntag anders aussehen?

Die letzte Umfrage für Niedersachsen gab es im Juli, da war das Ergebnis für die SPD noch sehr passabel. Aber wir werden demnächst zum einjährigen Bestehen der Landesregierung sicher neue Umfragen bekommen. Mal sehen, wie die ausgehen. Niedersachsen ist keine Insel, aber wir sind in Niedersachsen – so mein Eindruck – auf einem wesentlich gefestigteren Boden unterwegs.

Wir sehen in Deutschland ganz eindeutig einen Rechtsruck. Und mich wundert das gar nicht. Denn was ich feststelle, ist, dass sich die demokratischen Parteien allesamt immer wieder vor den Karren der AfD spannen lassen. Die AfD setzt die Themen und treibt die anderen Parteien. Und plötzlich klingen im Sound alle fast gleich. Ich habe mir neulich mal einen Vergleich der europäischen Länder angesehen. Wie werden Flüchtlinge, Asylbewerber*innen, Migrant*innen bei uns behandelt, wie werden sie in anderen Ländern behandelt? Das Ergebnis: In vielen anderen Ländern geht man schäbig mit diesen Menschen um. Sie werden in erbärmlichen Behausungen untergebracht, sie werden schlecht behandelt, sie bekommen keine Unterstützung, keine Freundlichkeit. Nichts. Während wir in Deutschland uns bisher immerhin größte Mühe geben. Bei der Unterbringung, bei der Integration. Da ist sicher Luft nach oben, doch vergleichsweise verhalten wir uns bisher wirklich human, menschlich. Aber sind wir darauf stolz? Sehen wir das positiv? Nein, stattdessen gibt es inzwischen einen Wettbewerb, wie wir es den anderen Ländern nachmachen können, wie auch wir es diesen Menschen, die zum Teil zutiefst traumatisiert sind, möglichst noch schwerer machen können. Das kann es doch nicht sein. Kleine, längere Ansprache, Entschuldigung.

Zum Teil haben sie recht. Wir müssen aber – egal was die AfD sagt – auch einfach feststellen, dass wir in vielen Städten und Gemeinden riesige Probleme mit der Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten haben. Wir sind kaum noch in der Lage, grundlegende Integrationsleistungen so zu erbringen, wie wir das für notwendig erachten. Die Situation ist schwieriger als 2015/16, weil der Sockel wesentlich höher ist. Schon im letzten Jahr waren wir deutschlandweit bereits bei etwa 250.000 Menschen, bis Endes des Jahres werden wahrscheinlich noch einmal 300.000 dazukommen. Ganz zu schweigen von den Aufnahmen in den Vorjahren. Hinzu kommen in Niedersachsen noch etwa 130.000 Menschen aus der Ukraine, die bei uns Zuflucht gefunden haben. Die allwöchentlich große Zahl neuer Geflüchteter macht insbesondere den Kommunen große Sorgen. Es hat leider schon einen Grund, wenn die allgemeine Verunsicherung wächst. Und beim Thema Migration wird dann verständlicherweise die Frage gestellt, warum wir acht Jahre nach dem Herbst 2015 noch keine kontrollierte Migration haben. Wir brauchen keine Politik der Schikane, aber wir brauchen eine Kombination aus europäischen und nationalen Maßnahmen, um Menschen ohne Bleibeperspektive zügig zurückschicken und denjenigen, die vor Krieg, Verfolgung und Vertreibung fliehen, effektiv Schutz gewähren zu können.

Und dann kommt Friedrich Merz und spricht davon, dass sich die Leute hier die Zähne machen lassen. Der Chef der Partei mit dem „C“ im Namen. Das ist doch AfD pur und hat mit der Suche nach Lösungen rein gar nichts zu tun.

Das war unterirdisch, da gebe ich Ihnen Recht. Und ja, das war AfD-Sprech, das hilft auch der CDU nicht. Wir müssen die echten Probleme klar benennen und gute Lösungen finden. Der Sound verantwortungsbewusster Politikerinnen und Politiker muss ein anderer sein. Wenn wir Handlungsfähigkeit beweisen, werden wir auch Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen.

Mir fehlt dazu trotzdem eine Art Perspektivwechsel. Wir werden unsere Gesellschaft nicht zusammenhalten, wenn wir Neiddebatten führen, Angst verbreiten, Missgunst sähen, sondern wenn wir uns daran erinnern, dass wir solidarisch und human sein sollten, dass wir über Menschen sprechen, und dass wir nach wie vor ein starker Staat sind, der sehr viel leisten kann. Diese Ansprache fehlt mir momentan.

Aber neben schönen Ansprachen wollen die Menschen auch Taten sehen. Machen wir uns nichts vor, wir brauchen jetzt kontrollierte Verfahren und spürbare Verbesserungen in Europa und in Deutschland. Klar ist, dass wir das Grundrecht auf Asyl schützen und bewahren wollen. Und wir wollen unsere humanitären Verpflichtungen erfüllen. Auch deshalb müssen Menschen, die kein Schutzrecht haben, unser Land wieder verlassen. Geflüchtete aus Nordafrika haben beispielsweise eine Anerkennungsquote von unter einem Prozent. Wir können nicht alle Menschen bei uns aufzunehmen, die sich das wünschen, auch wenn viele Motive nachvollziehbar sind. Ich tue mich schwer mit der Vorstellung, dass Europa sich an seinen Grenzen abriegelt, aber ich halte das inzwischen für notwendig. Und es ist wohl leider auch notwendig, bereits an den Außengrenzen der EU über die Bleibeperspektive zu entscheiden. Und für Deutschland ist es besonders wichtig, dass wir eine gleichmäßige Verteilung über ganz Europa hinbekommen. Das alles ist noch ein dickes Brett, aber zumindest bin ich inzwischen zuversichtlich, dass wir zum ersten Mal zu einer europäischen Asylpolitik kommen. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt.

Interview: Lars Kompa

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Im Interview: „Biber“ (Barrio Tümpeltown) und Felix (Leinemasch BLEIBT)

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Im Interview: „Biber“ (Barrio Tümpeltown) und Felix (Leinemasch BLEIBT)


Wie geht es jetzt eigentlich weiter mit dem Südschnellweg? Wird demnächst geräumt und gerodet? Momentan ist Saison, es kann im Grunde jeden Tag losgehen. Aber das Gelände ist besetzt und freiwillig werden die Aktivist*innen nicht gehen. Für den Niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) ist längst ein Haken dran, aus seiner Sicht sind weitere Diskussionen unnötig – der Ausbau des Südschnellwegs wird kommen. Für verschiedenste Initiativen ist das letzte Wort aber noch längst nicht gesprochen. Sie wollen Rodung und Ausbau so lange wie möglich verhindern …

Könnt ihr euch zum Einstieg kurz vorstellen und erzählen, wo und wie ihr euch engagiert?

Biber (B): Ich bin aktiv in der Waldbesetzung Tümpeltown, die seit Ende September 2022 besteht, und spreche aus dieser Gruppe. Ich beteilige mich dort, weil es mir um Klimagerechtigkeit geht. Und für mich ist dieser Ausbau exemplarisch. Während der globale Norden weiter Straßen ausbaut, wird die Klimakrise im globalen Süden bereits immer bedrohlicher. Es gibt ein krasses Ungleichgewicht, eine krasse Ungerechtigkeit. Wir kritisieren den neokolonialen Kapitalismus, der diese Zustände produziert.

Felix (F): Ich spreche für Leinemasch BLEIBT, eine Gruppe, die sich bereits seit 2021 gegen den Ausbau des Südschnellwegs wendet. Ich komme so ein bisschen aus der Ecke der Fridays, war dort eine Weile aktivistisch aktiv, und habe dann irgendwann einen Spaziergang mitgemacht. Ich wollte mich dann mehr einbringen, richtig mitarbeiten. Meine Gründe sind ganz ähnlich wie die von Biber. Das Projekt Südschnellweg ist einfach symptomatisch für alles, was in der Verkehrspolitik schiefläuft. Es ist nicht nur ein kleines, lokales Ärgernis, es zeigt sehr deutlich, was sich deutschlandweit ändern muss.

Könnt ihr mal aus eurer Sicht über die Geschichte des Projekts erzählen. Wann gab es die ersten Planungen, wann denn ersten Widerstand?

F: Die Pläne zum Ausbau sind schon älter. Um 2015 gab es dann nochmal so einen großen Ideenwettbewerb, basierend auf Prognosen, die von mehr Verkehr ausgingen. Darum diese Idee der Verbreiterung, um mehr Autoverkehr zu ermöglichen. Und dann haben sich immer mehr Menschen Gedanken gemacht zu den Plänen, und festgestellt, dass da etwas so richtig schiefläuft. Im Anschluss sind gleich mehrere Gruppen fast zeitgleich aktiv geworden. Das Bündnis gegen den Ausbau des Südschnellwegs ist mit einer Petition gestartet. Ein bisschen später hat sich dann Leinemasch BLEIBT formiert. Es gab Info-Spaziergänge, um der Bevölkerung klarzumachen, was geplant war. Anfang 2022, während der Rodungsphase – die geht immer von Oktober bis Ende Februar – wurden dann nicht nur Spaziergänge organisiert, es gab dazu auch eine große Menschenkette um das Rodungsgebiet. Und es wurden Bündnisse geschmiedet zwischen den Gruppen. Einige haben versucht, die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, es hat auch Klagen gegen den Ausbau gegeben. Leinemasch BLEIBT geht inzwischen ganz klar davon aus, dass der Dialog gescheitert ist, dass es dazu keinen Willen von Seiten der Politik mehr gibt. Wobei man wahrscheinlich sagen muss, dass es diesen Willen im Grunde auch nie gegeben hat. Und dann kam der Oktober 2022, wir sind mal wieder zur Leinemasch marschiert – und da haben wir plötzlich euch entdeckt (zeigt auf Biber und lacht).

B: Genau, letztes Jahr, am 30. September 2022, hat die Ortsgruppe Hannover von „Ende Gelände“ die Besetzung gestartet. Und wir sind damals davon ausgegangen, alle Beteiligten, dass man diese Besetzung richtig schnell beenden würde, dass man umgehend räumen würde. Aber diese Räumung gab es bisher nicht. Ein Jahr ist vorbei, wir sind immer noch da und wir sind gewachsen. Seit der Teilrodung hat sich bei uns auch eine Menge getan. Wir haben uns inzwischen mit Tümpeltown zu einem autonomen Freiraum entwickelt, sind also unabhängig von Ende Gelände, und versuchen, für uns dort ein gerechteres Zusammenleben zu organisieren, das auf Hierarchiefreiheit und auf Kapitalismusfreiheit basiert und den Anspruch hat, alle Diskriminierungsformen, die in unserer Gesellschaft präsent sind, möglichst abzubauen. Wir sind heute eine queer-feministische Gemeinschaft. Und wie gesagt, wir werden uns natürlich gegen die Rodung wehren, die Olaf Lies ja bereits angekündigt hat.

F: Vielleicht noch kurz zu der Zwischenphase, denn durch die Besetzung gab es ja noch einmal so ein Moratorium, das Olaf Lies ausgesprochen hat. Und in dem Zuge auch Vermittlungsversuche – so zumindest hat er das genannt. Es ist ihm aber sehr offensichtlich nur darum gegangen, für mehr Akzeptanz zu sorgen und nie darum, noch einmal wirklich alles kritisch zu hinterfragen. Für mich war das eher so eine Wahlkampfgeschichte, kurz vor den Landtagswahlen. Dann gab es noch diesen runden Tisch in Berlin, auch Leinemasch BLEIBT war zuerst dabei, aber wir haben sogar dafür kämpfen müssen, dass der Punkt Klimaschutz überhaupt auf der Tagesordnung stand. Das Thema wurde trotzdem nahezu ausgeklammert. Was uns dann veranlasst hat, auszusteigen. Zum Abschlussbericht haben wir uns noch einmal hingeschleppt, um aktiv ein Veto zu setzen. Das ist gescheitert, weil es im Grunde kein Dialogversuch war. Es gab nie die ernsthafte Absicht, ins Gespräch zu kommen. Für uns war danach klar, dass wir den Protest in anderer Form weiterführen müssen.

Würdet ihr sagen, dass die angenommenen Verkehrszahlen, die als Grundlage für die Planungen genutzt wurden, falsch sind? Ich habe den Eindruck, dass die Leute sich leider immer mehr Autos kaufen, statt weniger.

F: Die Zahlen müssen falsch sein, das lässt sich ganz logisch herleiten. Mit dem Beschluss, das 1,5-Grad-Ziel erreichen zu wollen, gehen ja bestimmte Dinge einher. So ein Ziel erreicht man nicht ohne Maßnahmen. Und was unter anderem beschlossen wurde, ist eine Reduzierung des Autoverkehrs in Niedersachsen bis 2035, eine Senkung des Individualverkehrs. 2035 müssen demnach weniger Autos auf den Straßen unterwegs sein als heute. Und jede Prognose, die das Gegenteil behauptet, muss zwangsläufig falsch sein. Aber es müssen natürlich auch die Ziele ernst genommen und entsprechend die Weichen richtig gestellt werden. Also, auf dem Südschnellweg werden künftig nicht mehr Autos fahren, sondern weniger Autos. Und damit ist die Prämisse für den Ausbau falsch.

B: Alle Gruppen, die sich gegen den Ausbau wenden, das ist ganz wichtig, treten umgekehrt für eine soziale und klimagerechte Mobilitätswende ein. Wir müssen natürlich unsere Mobilität umbauen. Und dazu gehört einfach, dass wir keine neuen Straßen mehr bauen oder sie vergrößern. Wir müssen stattdessen Mobilität ausbauen, die für alle zugänglich ist.

Ihr fordert, nur noch im Bestand zu sanieren, oder?

F: Das ist die Kernforderung von Leinemasch BLEIBT. Und klar, man könnte natürlich auch davon träumen, die Straßen allmählich rückzubauen, aber das ist ja nicht realistisch und ein Rettungswagen muss ja auch irgendwo fahren. Aber um das zu gewährleisten, reicht eine Sanierung im Bestand. Das geht zudem schneller, ist deutlich günstiger und angemessen für das, was wir wirklich brauchen. Und wenn dort dann am Ende ein im besten Falle kostenloser ÖPNV fährt, mit Beschäftigten, die fair bezahlt werden, dann ist viel erreicht.

Ist das auch die Forderung von Tümpeltown?

B: Wir haben beschlossen, keine Forderungen mehr zu stellen. Wir sagen nur, wofür wir einstehen. Es gibt ja einfach unterschiedliche Gruppen bei diesem Protest und alle sollten solidarisch zusammenarbeiten. Wir wollen bewusst zulassen, dass es unterschiedliche Protestformen geben kann und unterschiedliche Schwerpunktlegungen. Unsere Position ist, dass wir nicht mehr im politischen Diskurs stehen wollen, sondern andere Formen von Protest darstellen möchten. Darum, keine Forderungen. Wir sind einfach da, um unter anderem die Rodung zu verhindern. Und wir möchten gleichzeitig einen Platz schaffen, an dem sich Menschen ausprobieren können, anders zu leben. Es sind alle herzlich eingeladen vorbeizukommen und mitzugestalten.

Es gab ja während dieser gesamten Phase des Projekts Südschnellweg durchaus ein paar Kreuzungen, an denen man anders hätte abbiegen können.

F: Im Grunde hat es da für mich immer nur eine Abzweigung gegeben. Man hätte das ganze Projekt gar nicht erst anfangen sollen. Es hätte bereits bei den ersten Planungen auffallen müssen, dass sie nicht mit dem Pariser Klimaabkommen zusammenpassen. Aber es gab noch andere Kreuzungen. Jetzt heißt es immer, dass Planfeststellungsverfahren für das gesamte Projekt sei abgeschlossen, man können nichts mehr machen. Dahinter versteckt sich auch Olaf Lies. Es wurden aber Anwält*innen mit einer Prüfung beauftragt, mit dem Ergebnis, dass man beide Teile hätte trennen können. Es gab ja die Angst, dass ohne den Ausbau in der Leinemasch die Tunnellösung wackelt. Gutachten haben gezeigt, dass das nicht so ist. Es wäre absolut möglich gewesen, einen Teil umzusetzen und einen nicht. Aber dazu hätte man sich einfach mal auf Seiten der Politik ehrlich machen und sagen müssen: okay wir haben hier ein bisschen Mist gebaut. Diesen Willen gab es aber nicht. Was natürlich nicht daran liegt, dass die zu dumm sind und das nicht checken. Das ist einfach Kalkül. Olaf Lies vertritt in der Leinemasch die Interessen von diversen Lobbys, da sind schlicht die Prioritäten anders gesetzt. Natürlich noch schlimmer bei einem Volker Wissing, den das alles gar nicht interessiert. Auch eine schlechte Weichenstellung, diese Besetzung des Postens.

B: Wir versuchen mit unserem Protest ganz grundsätzlich aufzuzeigen, dass Politik anders gemacht werden sollte. Wenn Menschen sich einbringen, Petitionen auf den Weg bringen, Demonstrationen, Spaziergänge, dann zeigt sich einmal mehr, dass das Problem im politischen System als solches liegt. Denn es gab hier sehr viele Menschen, die für ein anderes Vorgehen gekämpft und gezeigt haben, dass das möglich wäre. Aber die Politik hat das letztlich alles ignoriert. Und ist den fossilen kapitalistischen Interessen gefolgt. Man hat der Baulobby und der Autolobby nachgegeben. Was ja nicht nur in Hannover stattfindet, der gesamte Bundesverkehrswegeplan ist danach ausgerichtet. Es hat einen Grund, dass es bereits seit Jahren eine sehr aktive Besetzungsbewegung in Deutschland gibt. Nämlich, weil die Straßen überall weiter ausgebaut werden, statt sich endlich mal zu besinnen.

Kommen wir mal zum Stand der Dinge aktuell. Steht die Räumung kurz bevor?

B: Das lässt sich nicht so leicht sagen. Wir können ja nicht darauf vertrauen, was die Polizei oder die Landesstraßenbaubehörde sagt. Wir haben gehört, dass sie uns in dieser Rodungssaison räumen wollen, wahrscheinlich eher im Januar oder Februar. Aber es kann natürlich auch schon morgen oder übermorgen zu einer Bodenräumung kommen. Wir befinden uns darum in ständiger Alarmbereitschaft. Und wir werden uns dem entgegenstellen. Wir rechnen übrigens mit einem großen Aufgebot und Polizeigewalt. Das hat sich vor allem im letzten Jahr im Umgang mit der Klimagerechtigkeitsbewegung immer wieder gezeigt. Es ist rabiater geworden.

F: Das kann ich nur bestätigen.

Was ist eigentlich mit den Bibern? Seid ehrlich, habt ihr die da ausgesetzt?

F: Das Einzige, was wir aktuell dazu wissen, ist, dass die untere Naturschutzbehörde noch nicht aktiv geworden ist. Wir sind ratlos. Das ist auch so ein Beispiel, wie wir in Deutschland, aber natürlich auch in allen Ländern des globalen Nordens mit der Natur umgehen. Wir zerstören solche Lebensräume durchgehend für die fossile Infrastruktur. Und selbst, wenn man das aufzeigt, mit Kamera-Beweisen, dann werden die relevanten Behörden trotzdem nicht aktiv. Das zeigt deutlich, was schiefläuft. Ich hatte so eine leise Hoffnung, dass man jetzt tatsächlich noch einmal genauer hinschaut. Aber das passiert nicht. Und das enttäuscht mich.

B: Das Vorgehen ist aber altbekannt. Das haben wir in der Vergangenheit immer wieder bei anderen Großbauprojekten gesehen. Es kostet einfach weniger, den Naturschutz auszuklammern, im Zweifel gegen Gesetze zu verstoßen und mögliche Strafen zu bezahlen.

Wenn ich es mal zusammenfasse, dann kommt demnächst die Rodung und es gibt im Grunde keine Chance mehr, den Ausbau noch zu verhindern. Aber ihr macht weiter. Warum? Weil die Leinemasch auch ein Symbol ist?

B: Wir machen weiter, weil alles, was wir gerade tun und noch tun werden, Auswirkungen hat und haben wird. Ich bin mir sicher, wenn es um den Westschnellweg geht, wird man mit anderen Prämissen in die Gespräche starten. Der Südschnellweg ist ja nicht die einzige Straße in Hannover, die ausgebaut werden soll. Und auf diese Zukunft nehmen wir Einfluss. Auch dadurch, dass sich Menschen bei uns beteiligen, dazulernen. „You can’t evict a movement“, so funktioniert Protest ja schon immer. Es geht einfach weiter und jeder kleine Teilerfolg zählt. Wir waren schon erfolgreich. Wir sind noch da. Sie wollten schon im letzten Jahr räumen. Wir sind erfolgreich, weil es durch uns die Leinemasch jetzt schon ein Jahr länger gibt.

F: Man darf einfach die Hoffnung nie aufgeben. Sonst kann man nicht aktiv sein. Hoffnungslosigkeit lähmt. Wir haben ein Jahr gerettet. Und wer weiß, vielleicht geschieht ja auch dieses Jahr wieder eine Überraschung. Das ist deutlich unwahrscheinlicher geworden, ich glaube, das muss man auch ehrlich so sagen, aber für kleine Wunder ist es trotzdem nie zu spät. Wir feiern in der Klimagerechtigkeitsbewegung sehr oft diese Kollateralerfolge. Man verfehlt vielleicht das Hauptziel, aber man hat auf dem Weg trotzdem so viel zusätzlich geschafft. Immerhin sprechen wir jetzt darüber, ob das mit diesen Planfeststellungsverfahren eigentlich noch zeitgemäß ist. Ob man etwas umsetzen muss, obwohl die Zeit längst darüber hinweggegangen ist. Es werden Diskussionen angestoßen. Und die Politik realisiert, dass sie sich diese Fehler besser nicht mehr erlauben sollte. In ganz Deutschland sehen wir ja Waldbesetzungen und Proteste gegen solche irrsinnigen Projekte wie den Ausbau des Südschnellwegs. Das passiert nicht mehr im luftleeren Raum. Immer mehr Menschen erkennen diese Fehlentscheidungen.

Ihr sagt, es gibt viele Leute, die sich anschließen. Es gibt aber auch die anderen, die sich gegen die Klimaaktivist*innen richten, die pöbeln und Schlimmeres. In den letzten Monaten gab es sogar eine gewisse Radikalisierung, manche bezeichnen Klimaaktivist*innen schon als Terrorist*innen. Der Trend kann euch nicht gefallen …

F: Man muss sich grundsätzlich fragen, wen wir überzeugen wollen und können. Und wenn beispielsweise jemand pöbelt, spare ich mir lieber meine Kraft und investiere sie dort, wo sie gut eingesetzt ist. Wenn wir von Leinemasch BLEIBT nach Tümpeltown kommen, ist da eine so große Solidarität zwischen uns, das macht mir Hoffnung.

B: Ich glaube auch, dass Zusammenhalt das Wichtigste ist. Sich gegenseitig bestärken. Und wenn dann jemand im Vorbeifahren übel pöbelt, dann ist das nicht so schlimm, weil man das gemeinsam trägt. Man lässt sich nicht verscheuchen. Und pöbelt zusammen ein bisschen Richtung Olaf Lies. Das funktioniert dann ganz gut.

Wie kommt man mit euch in Kontakt?

F: Website, Instagram, einfach mal vorbeikommen zu den öffentlichen Spaziergängen, zu den Mahnwachen.

B. Wir haben ein Pressehandy, eine Website, einen Telegram-Kanal, einen Instagram-Kanal, wir haben Mastodon, man kann bei uns vorbeikommen. Es gibt viele Möglichkeiten.

F: Es gibt von Leinemach BLEIBT auch einen Rodungsalarm. Wenn man mitbekommen will, wann es losgeht, dann kann man sich auf unserer Website einfach eintragen, und dann gibt’s eine Nachricht.

B: Und mit unserem Telegram-Ticker von Tümpeltown ist man auch immer auf dem Laufenden.

● LAK

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Der Freundeskreis im Gespräch im November

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Der Freundeskreis im Gespräch im November


Diesen Monat haben wir uns mit Oliver Macarenhas (OM) und Leonid Bialski (LB) getroffen. Beide sind Mitglied im Freundeskreis Hannover e.V. In unserem Gespräch ging es um die verschiedenen Funktionen von Musik und darum, was sie in der Gesellschaft bewirken kann.

Fangen wir mit einer Vorstellung an: Wer seid ihr? Was macht ihr?
OM – Mein Name ist Oliver Mascarenhas, bin 49 Jahre alt und seit 26 Jahren Cellist in der NDR Radiophilharmonie Hannover. Ich bin alleinerziehender Familienvater zweier wunderbarer Kinder und auch über das Orchester hinaus musikalisch aktiv.

LB – Ich heiße Leonid Bialski und wurde 1955 in der Ukraine geboren. Im Jahr 1990 kam ich nach Deutschland, 1992 nach Hannover. In meiner Heimat habe ich Violine als Orchestermusiker und Musikpädagoge studiert. Derzeit beschäftige ich mich am meisten mit Organisation von Projekten, wobei ich sehr gerne den Schwerpunkt in der Förderung talentierter Nachwuchs setze.

Wann habt ihr geahnt, wo es einmal hingehen soll? Wann hat sich dieses Verlangen, sich mit Musik zu beschäftigen, erstmals gezeigt?
OM – Ich bin bereits mit 4 Jahren von meinem Vater an das Violoncello herangeführt worden. Mein Vater ist selber Cellist, stammt aus Goa in Indien. Er ist durch ein DAAD-Stipendium nach Deutschland gekommen, hat in Essen studiert, meine Mutter in derselben Celloklasse kennengelernt. Auf Wunsch meines Vaters sollte ich auch das Cello erlernen. Es sei noch ergänzt, dass mein Opa aus Indien auch ein Cellist gewesen ist und für die Maharadschas gespielt hat. Wir sind wenn man so will eine Cellist:Innen-Dynastie.

Wenn du „sollte“ sagst, klingt das so ein bisschen nach Zwang …
OM – Es war erstmal ein Vorschlag meines Vaters und ich hatte anscheinend Talent. Das hat er natürlich gefördert – aber später wurde es über weite Strecken zwingend. Letztendlich war ich mit 14 Jahren so weit, dass ich keine Lust mehr auf das Cello hatte und etwas anderes machen wollte. Durch „Jugend musiziert“ kam ich zu einem anderen Lehrer, der die Lust am Cello wieder in mir entfacht hat. Jürgen Wolf aus Düsseldorf, Solo-Cellist der Düsseldorfer Rheinoper hatte das Talent, mit einer sehr bildhaften Sprache und viel Humor zu unterrichten.

LB – Bei mir war das doch etwas anders: Im Gegenteil zu Oliver hatte ich keine Musiker in meinem direkten Umfeld. Die Einzige, die wirklich musikalisch war, war meine Oma. Sie sang sehr gern beim Nähen und beim Kochen. Als meine sieben Jahre ältere Schwester angefangen hat private Klavierstunden zu nehmen, habe ich mich immer versteckt und konnte stundenlang lauschen. Damit habe ich den Anstoß bekommen, erstmal Klavier zu lernen. Irgendwann meinte meine Klavierlehrerin ich hätte Gehör, und zwar absolutes Gehör und gehöre damit zum Geigenspielen. So war mein Weg …

Du bist auch im Tolstoi e.V. aktiv …
LB – Ich bin seit der Gründung Mitglied im Tolstoi Hilfs- und Kulturwerk – und bin dort als Projektleiter für größere Musikprojekte zuständig, die wir initiieren, durchführen und realisieren. Manchmal mache ich das allein, manchmal in Kooperation mit anderen Institutionen und Organisationen.

Es gab ja 2022 anlässlich des Ukraine-Krieges ein Benefiz-Konzert vom Tolstoi Hilfs- und Kulturwerk e.V.
LB – Dieses Konzert wurde eigentlich von den Sängerinnen und Sängern der Staatsoper in Hannover initiiert – und von Tolstoi e.V. unterstützt. Da war ich nicht direkt mit involviert. Das heißt: Ich war als Zuhörer da und habe sehr laut applaudiert…

Aber vielleicht sprechen wir einmal über Musik als vermittelndes, verbindendes Medium. Was kann denn Musik eigentlich in der Gesellschaft erreichen?
OM – Musik ist sehr verbindend. Das kann ich konkret an absolvierten Projekten verdeutlichen: Ich habe 2006 einmal ein größeres Benefizkonzert in der Lister Matthäus Kirche veranstaltet – anlässlich des 60-jährigen Jubiläums von UNICEF. Man hat an diesem Abend gemerkt, dass Musik so universell und verbindend ist und immer einem guten Zweck dienen kann. Ich hatte damals die Chance, den damaligen Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg als Schirmherrn, ein Gesangsensemble der HMTMH, den Mädchenchor Hannover sowie ein Jugend Ensemble (Percussion Crew Ostkreis), das damals eine unglaubliche Stimmung gezaubert hat für die Veranstaltung zu gewinnen. Ich bin der Meinung, wir müssen solche unterstützenden Projekte immer wieder organisieren. Es ist total wichtig, dass Aufmerksamkeit  aufgebaut wird, um bestenfalls Spenden für einen guten Zweck zu generieren. Es gibt ein weiteres Projekt, das ich damals zu Corona-Zeiten mit einem sehr guten Freund (Julian Scarcella) aus Fischbeck Nähe Hameln initiiert habe: „ClimateCrisis? Stop and Listen!“ Das kann man im Netz heute noch anschauen. Es handelte sich um einen Klima-Chat mit Kompositionen, die nach Aussagen prominenter Menschen entstanden sind, die sich gegen die Klimaerwärmung ausgesprochen haben, z. B. Papst Franziskus. Da haben wir dann entsprechend zu diesen Sätzen oder Aussagen Musik komponiert und diese in einem Klima-Livestream präsentiert. Ich erkenne, wenn ich nach 26 Jahren zurückblicke, dass es gerade in Hannover eine unglaubliche Initiative gibt – nicht nur von den Institutionen, sondern auch besonders von der freien Musikszene.

LB – Von zwei Projekten möchte ich kurz erzählen: Ein Projekt entstand ca. 2001 aus meiner Idee in Zusammenarbeit mit dem bekannten russischen Klavierprofessor Wladimir Krainew, der viele Jahre an der Musikhochschule Hannover gelehrt hatte. Zusammen mit dem Tolstoi e.V. haben wir überlegt, dass wir junge Musiktalente aus Russland nach Deutschland holen und sie anschließend auf ihren musikalischen Wegen begleiten. Manche dieser Nachwuchstalente wurden später weltberühmt, wie der Starpianist Daniil Trifonov. Das zweite Projekt haben wir nach dem Beginn des Ukraine-Krieges initiiert, mit dem Weltklasse-Jazzhornisten Arkady Shilkloper, der ursprünglich aus Moskau kommt, und mit dem ausgezeichneten Jazz-Pianisten Vitaliy Kyianytsia, der aus Kiew kommt. Die beiden Ausnahme-Musiker haben sich zum ersten Mal in Berlin – ihrer zweiten Heimatstätte – getroffen und ein Konzertprogramm zusammen kreiert, das unter dem Titel „Jazz-Dialog für den Frieden“ im November 2022 im Lister Turm vom Tolstoi e.V. präsentiert wurde.

In euren Beispielen scheint es mir vier wichtige Punkte zu geben… Da war zunächst das Generieren von Aufmerksamkeit für ein Thema, dann das Spenden, darüber hinaus noch die über Textelemente vermittelte Botschaft … und schließlich ein interkultureller Aspekt. Bei Spenden hat man ja einen messbaren Effekt. Wie schätzt ihr solche Effekte von Musik in den anderen Bereichen ein? Vermutet ihr, dass sich durch die generierte Aufmerksamkeit sehr viel tut – oder ist die spätestens am nächsten Tag gleich wieder futsch?
OM – Ich würde noch die Jugendförderung erwähnen wollen, die ist immens wichtig. Es kommt aber darauf an, wie eine Veranstaltung angelegt ist. Wenn es nur ein einzelnes Konzert ist, kann es am nächsten Tag in Vergessenheit geraten. Wenn es mehrere Konzerte sind oder eine Reihe von Aufritten z. B. auf einem Festival, dann ist es gut möglich, dass es länger im Bewusstsein bleibt. Wenn ich selber als Zuhörer in ein Benefz-Konzert gehe und es eine tolle Darbietung mit wunderbaren Musiker*innen und Künstler*innen ist, die mich fesselt und begeistert, dann bin ich selbstverständlich immer bereit, mehr Geld zu geben. Das hängt aber an vielen organisatorischen Faktoren. Wie viele Möglichkeiten bekommt man, ein Konzert bekannt zu machen? Oft muss man selber für Publikum sorgen. Man muss selber die PR-Maschinerie mobilisieren, Kontakt zu Online, Zeitungen, Radio, gegebenenfalls Regionalfernsehen aufbauen. Das ist ein unglaublicher Aufwand im Vorfeld. Aber Beharrlichkeit siegt. Man bemüht sich nach Kräften ein größeres Publikum anzusprechen. Je nach Aktualität des Themas wird das natürlich entsprechend auch veröffentlicht.

Bei dir fiel gerade der Anspruch an die Aktualität der Konzerte. Wie sehr wird die Aktualität zwingend vorausgesetzt? Kann man ein Konzert bewerkstelligen, das vielleicht gar keine Aktualität, keinerlei Gegenwartsbezug hat? Fällt das dann schwerer?
OM – Ja, dem würde ich zustimmen. Natürlich muss es nicht immer eine zwingende Aktualität haben. Wir haben so viele Probleme in der Welt, ein unglaubliches Durcheinander, dass man im Prinzip selber manchmal überhaupt nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht. Wir bleiben beim Thema Musik und das ist letztendlich die Qualität, die wir geben, die wir vermitteln können und die wir auch zu Gehör bringen wollen. Mein musikalisches Leben hat sich in den letzten Jahren etwas verlagert. Meine beiden Kinder motivieren mich zunehmend, wieder mehr Jugendförderung zu betreiben. Ich habe jüngst für die Klasse meiner Tochter einen kleinen Opernbesuch mitorganisiert. Die Oper macht ganz wunderbare Jugend- und Kinderprojekte in diesem „Exchange-Programm“. In dem Rahmen wurde ein Kinderkonzert in der Oper veranstaltet – mit einem Maler, der zeitgleich zu der wunderbaren Musik ein wunderschönes Bild an eine riesige Leinwand gemalt hat. Das war für die Kinder einfach grandios. Thema Begeisterung: Das ist ein grundlegendes Thema. Wenn man in der Lage ist, etwas begeistert zu vermitteln, dann merkt es auch das Publikum – Klein wie Groß.

Wie blickst du auf die Effekte von Musik?
LB – Für uns ist Nachhaltigkeit sehr wichtig, das heißt: Folgeprojekte mit gleichen Teilnehmer*innen unter bestimmten Themenansichten, sodass wir quasi das Werk rollen lassen. Zum Beispiel haben wir so ein Projekt mit Arkady Shilkloper: In Folge dieser ersten Zusammenkunft mit einem ukrainischen Musiker ist eine Initiative entstanden, sodass Arkady im nächsten April eine Reihe von Workshops und anschließenden Konzerten mit und für ukrainische Jazzmusiker machen wird, die, begründet durch diese Kriegssituation, jetzt in Hannover leben. Und natürlich träumen wir davon, die Besten bei dem Enecity Swinging Hannover präsentieren zu können! Darin sehen wir eine absolut direkte Nachhaltigkeit. So machen wir das auch bei anderen Projekten. Im Moment arbeiten wir an einem Projekt mit jungen Streicherinnen und Streichern aus Dänemark und Deutschland. Ein preisgekröntes Jugendstreichorchester aus Kopenhagen soll im Februar 2024 nach Hannover kommen, hier mit jungen Ausnahmetalenten ein gemeinsames Programm zusammenstellen und dieses bei zwei Konzerten präsentieren: ein Konzert in Hannover am 11. Februar und ein Konzert in Celle. Dabei sind Anfänger und absolute Virtuosen, die schon vieles erreicht haben, die bei internationalen Wettbewerben Preise abgeräumt haben, bei renommierten Festivals gastieren und mit etablierten Orchestern spielen. Und das ist natürlich das Faszinierende: Das begeistert und motiviert zum Erreichen von weiteren Zielen.

Wenn über die Musik unterschiedliche Generationen oder Nationalitäten zusammengebracht werden, dann würde ich sagen, dass das vielleicht den recht progressiven Effekt hat, dass der Horizont ein bisschen erweitert wird. Ließe sich Musik nicht aber auch missbrauchen? Es gibt ja europaweit so einen Rechtsruck …
OM – Ich möchte jetzt nicht die verschiedenen musikalischen Stilistiken bestimmten politischen Gesinnungen zuordnen, nach dem Motto „Heavy Metal nutzen rechtsorienterte Menschen zur gegenseitigen Erbauung und klassische Musik ist nur reichen Menschen vorbehalten“. Da hat sich einiges getan in den letzten Jahrzehnten. Ich glaube, Musik ist immer sehr universell und verbindend gewesen und wird es auch weiterhin bleiben. Musik ist lokal, national und international zugleich. Ich denke, man kann nicht einen Rachmaninoff oder einen Tschaikowsky verbieten, weil Krieg in der Ukraine herrscht. Diese Komponisten sprechen Alt und Jung gleichermaßen an. Genauso wie Jazz oder auch Heavy Metal. Musik sollte absolut sein und nicht politisiert werden. Man sollte hin- und wieder den Kontext analysieren, inwieweit welcher Künstler, welcher Komponist, welche Musik bei welchem Anlass gebraucht – oder vielleicht eben auch missbraucht – hat.

LB – Das kann ich nur unterstützen. Der Herr Tschaikowsky konnte nichts dafür, dass Herr Putin jetzt so einen furchtbaren Krieg führt. Übrigens war Tschaikowskys Vater ein Ukrainer, was viele nicht wissen. Ich finde, das ist absoluter Nonsens und ein No-Go, dass man das verbietet. Zugleich ist es mir auch eher unsympathisch, wenn man ganz im Gegenteil etwa zeitlich befristete Akzente setzen will und bestimmte Gruppen für eine Zeitlang in den Vordergrund rückt. Da frage ich mich, was passiert danach? Warum muss man in einem Monat so einen Akzent setzen – und in den anderen nicht? Und ich bin auch kein Freund von Quotenregelungen. Also für mich persönlich sind alle Menschen gleichwertig, unabhängig von Hautfarbe, von Religion, vom Bildungsstand… Und so finde ich, schöne Musik – ob Rock, Jazz oder Klassik, egal von wem – muss gehört und muss vermittelt werden.
OM – Was mir aber tatsächlich ein bisschen Angst macht, ist doch diese Instrumentalisierung. Denn man kann eigentlich alles, wenn man will und es darauf anlegt, instrumentalisieren. Und auch das, was als gut und schön angesehen wird, kann man instrumentalisieren.

Sicherlich birgt das Verbindende von Musik auch Gefahrene. Es gibt ja den Spruch: „Wo man singt, da lass Dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“ Aber das ist ja unsinnig – und im Nationalsozialismus wurde auch gesungen …
OM – Beispiel Schlager: Man hört ihn gerne, aber wie schnell er missbraucht werden kann, das ist bedenklich.

CK/LD

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Stadtkinder essen: NY-Italian

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Stadtkinder essen: NY-Italian


Buffetrestaurants – der Ort, der jedweder Barbarei Vorschub leistet und an dem man hervorragend das Niveau der Gäste erkennen kann. Die Einen lieben es, die Anderen nicht. Denn eigentlich ist es ja kein Geheimnis: In den meisten Restaurants dieser Art ist die Qualität bestenfalls medioker, jedenfalls dann, wenn sie mit unschlagbar günstigen Preisen werben. Ende der Vorurteilsaufzählerei. Wir haben uns aufgemacht um herauszufinden, wie sich das in Sachen Qualität und Preis im „NY-Italian“ verhält.

Ziemlich unscheinbar in der Striehlstraße gelegen, befindet sich das Restaurant im Untergeschoss und erinnert damit an die für New York typischen Kellerrestaurants. Das Problem hier wie da ist das gleiche: Keine Fenster. Was schade ist, denn so kann niemand von draußen die tatsächlich geschmackvolle Einrichtung sehen. Leider ist nicht viel los, deshalb kommen wir in den Genuss einer gründlichen Buffet-Führung durch die freundliche Servicekraft. Es gibt Tomatensuppe, eine Burger-Station zum Burger-selber-Bauen, eine Hotdog-Station, ein Pizza-, Salat-, Pasta-, Dessert- und ein Eisbuffet und außerdem eine Candybar. Zusätzlich haben wir die Wahl zwischen diversen Kaltgetränken, auch Bier und Wein sind im Buffetpreis von 29,90€ pro Person inbegriffen.

Wir staunen über die große Auswahl: Vier Pasta-Sorten, vier unterschiedliche Saucen, Hähnchenflügel, Pommes frites, Garnelen… Wir versuchen, von allem ein bisschen zu probieren. Ich bin ein wenig traurig, weil ich auf die Nummer eins der italo-amerikanischen Gerichte gehofft, es aber nicht entdeckt habe: Spaghetti mit Fleischbällchen. So richtig Susi und Strolch-mäßig. Schade! Und nein, es ist nicht das Gleiche wie Spaghetti Bolognese! Ich finde mich also damit ab und bastele mir stattdessen einen Hotdog. Gleich der nächste Skandal: Kein Sauerkraut.

Da wir unsere Burger am liebsten noch halblebendig essen, die Pattys aber fertig gebraten sind, verzichten wir darauf, uns einen zusammenzubauen und zu probieren.
Mit einer bunten Auswahl an Gerichten setzen wir uns an unseren Platz und fangen an zu testen.
Es ist alles in Ordnung, nur etwas zu wenig heiß – „Schlingtemperatur“ nennt man das wohl.
Was wir feststellen: Vieles ist nicht haus-, bzw. selbstgemacht, die Desserts kommen aus der Tüte oder aus dem Froster.

Und noch einmal die Frage: Was will man auch erwarten? Kleine Kalkulationsübung. Wenn man, sagen wir mal, drei Kaltgetränke nimmt, ist man anderswo schon gut und gerne 12€ los. Bleiben 17,90€ fürs Essen. Wenn es einem um Masse statt Klasse geht, ist das preislich völlig okay.
Und wer Fine Dining erwartet, sollte sich lieber selbst fragen, wie er auf die Idee gekommen ist, dies in einem Buffetrestaurant zu suchen. Was also ist das Fazit?
Für eine Firmenweihnachtsfeier ist das sicher eine Supersache, denn hier dürfte jeder irgendwas finden, das ihm oder ihr schmeckt. Auch, wenn man zwei pubertierende Teenagerjungs zuhause hat, die einem die Haare vom Kopf fressen und auf Junkfood stehen, ist dieses Restaurant eine Topadresse.

Wer gerne in Fastfoodketten einkehrt, wird hier glücklich.
Und zwar von Donnerstags bis Sonntags und an Feiertagen:
Abendbuffet: Donnerstag bis Sonntag, 17:30-22:00 Uhr
Mittagsbuffet: Samstag 11:30-14:00 Uhr
Brunchbuffet: Sonn- und Feiertags 10:30-14:00 Uhr.

NY ITALIAN Hannover City
Striehlstraße 10
30159 Hannover

0162 7880673
info@ny-italian.com
Betreiber: Fun Areas Deutschland GmbH

Mehr Informationen: www.ny-italian.com/hannover-city

IH, Fotos: Gero Drnek

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Jugendbetreuung und Katastrophenschutz bei den Johannitern

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Jugendbetreuung und Katastrophenschutz bei den Johannitern


Wer anderen Menschen helfen möchte und Blaulichtthemen spannend findet, ist bei den Johannitern genau richtig. Ganz vielseitig können hier ehrenamtlich Helfende ihre Expertise und Zeit einbringen. Marcellina ist eine von ihnen – sie ist Jugendbetreuerin bei den „Kurzen“ und beim Katastrophenschutz tätig.

„Mich macht das einfach glücklich, wenn ich Menschen lächeln sehe, dieses Danke zurückbekomme und einfach weiß, dass es diesen Menschen jetzt besser geht“, erzählt Marcellina. Die 20-Jährige macht gerade ihre Ausbildung als Kinderkrankenschwester, in ihrer freien Zeit engagiert sie sich ehrenamtlich bei den Johannitern. Als Jugendbetreuerin setzt sie sich mit den „Kurzen“, mit Kids zwischen fünf und zwölf Jahren, jeden Dienstag auf kreative Weise mit Erster Hilfe auseinander. Dazu gehören nicht nur theoretische Kenntnisse, sondern auch praktische Übungen.
„Wir haben zum Beispiel Organpuppen, mit denen sich die Kinder das ein bisschen besser vorstellen können, was man überhaupt für Organe hat“, erzählt sie. Das Angebot ist für die „Kurzen“ kostenlos. „Mir macht es einfach Spaß und Freude, den Kindern das alles beizubringen und zu sehen, wie schnell die Gruppen zusammenwachsen. Und auch zu sehen, wie jedes Kind wächst und wie vielseitig die sind“, erzählt Marcellina.

Vor sechs Jahren saß sie selbst auf der anderen Seite, Marcellina ist seit ihrem 14. Lebensjahr bei den Johannitern: „Ich habe auch selbst in der Jugend angefangen und mich dann quasi hochgearbeitet in die SEG“, erklärt sie. SEG – das steht für Schnelle-Einsatz-Gruppe und ist ein Teil des Katastrophenschutzes. Denn neben ihrer Jugendarbeit engagiert sie sich auch hier ehrenamtlich.

Die Aufgabenfelder sind dabei super vielfältig: Durchführung von Evakuierungen bei Bombenentschärfungen, die Suche nach vermissten Personen mit ausgebildeten Suchhunden oder die Unterstützung von Sanitätsdiensten, bei Konzerten, Messen und Festivals – all das können Aufgaben der Ehrenamtlichen sein.
Für den Fall der Fälle hat jedes Mitglied ein digitales Meldegerät und bekommt so über Einsätze Bescheid. „Mir macht der Katastrophenschutz so viel Spaß, weil das sehr vielseitig ist. Man lernt auch eine Menge über sich, seine Stärken, seine Schwächen kennen. Aber auch in dem medizinischen, technischen, handwerklichen Bereich und bei der Kommunikation mit den Patient*innen lernt man mega viel“, erklärt sie.

Mehrere Ärzte und Ärztinnen, Rettungsfachpersonal, Rettungsassistent*innen, Rettungssanitäter*inne und Sanitätshelfer*innen sind Teil der Schnell-Einsatz-Gruppe, auch Marcellina hat durch ihre Ausbildung einen medizinischen Hintergrund. Rundum ausgebildet muss man aber nicht sein, wenn man bei Einsätzen des Katastrophenschutzes mitwirken möchte, nur einen Sanitätshelfer, „den muss man haben.“ Diese Kurse werden aber regelmäßig angeboten. „Dann lernt man einfach nochmal die medizinische Basis, damit alle auf einem Stand sind, was die Grundkenntnisse angeht“, erklärt Marcellina. Entscheidend ist vor allem die Motivation: „Man sollte einfach Lust darauf haben, Sachen zu lernen, sich auf neue Sachen einzustellen und während Einsätzen mit den Leuten zu interagieren und zu kommunizieren. Und auch einfach Freude an der Arbeit zu haben, das ist das Wichtigste“, betont sie.

Für die Arbeit als Jugendbetreuerin muss die Juleica-Ausbildung, die Ausbildung zur Jugendleiter*in abgeschlossen werden. „Um bei der Jugend mitzumachen, muss man auf jeden Fall Spaß an der Arbeit mit Menschen haben, kommunikativ sein und Menschen gerne etwas beibringen wollen“, erklärt sie. „Wenn man gerne etwas mit Kindern macht, medizinisches Interesse hat, Menschen helfen möchte, dann kann man sich sehr gerne bei uns melden. Alle sind hier herzlich eingeladen. Ob bei der Jugend, der SEG oder anderen Bereichen – wir suchen immer Leute, die uns unterstützen wollen und freuen uns über Verstärkung!“

Jule Merx

Johanniter Ortsverband Hannover-Wasserturm
Kabelkamp 3, 30179 Hannover
Tel. 0800 0511 112.
www.johanniter.de/juh/lv-ndsbr/rv-niedersachsen-mitte/

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Der besondere Laden: Öznur-Art Galerie & Atelier

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Der besondere Laden: Öznur-Art Galerie & Atelier


Inmitten der List befindet sich Öznur Kökels kleine Welt – Öznur-Art Galerie & Atelier. Egal, ob man professionell zeichnen lernen möchte, sich künstlerisch austoben oder einfach die eigene kreative Seite entdecken will: In Öznurs Kursen taucht sie mit Interessierten in die Welt der Kunst ein. Alles unter dem Motto, die innere Farbe zu entdecken.

„Wir müssen Hand in Hand als Künstler*innen diese Welt schön machen. Welche Religion, welche Sprache, ist für mich dabei egal“, meint Öznur Kökel, Künstlerin und Inhaberin von Öznur-Art Galerie & Atelier in der List. „In meiner kleinen Welt habe ich das geschafft“. Ihre kleine Welt ist ihr Laden ganz in der Nähe des Lister Platzes. Die Wände um sie herum sind mit ihren eigenen Kunstwerken geschmückt, auf dem Tisch an der Fensterfront stapeln sich Pinsel, Farben, Staffeleien – all das, was sie für ihre Kurse und Workshops braucht. Denn ihre Räumlichkeiten nutzt Öznur nicht nur als Galerie. Hier bietet sie anderen Menschen die Möglichkeit, ihre künstlerische Leidenschaft zu entdecken.

Ob in Mappenvorbereitungskursen, Manga-Zeichenkursen, Kunstkursen für Jugendliche und Erwachsene, themenspezifischen Workshops oder Firmenfeiern: In den Kunstkursen der professionellen Künstlerin lernen die Teilnehmenden verschiedene Techniken der Malerei und Zeichnung kennen und können ihre eigenen Projekte in einer kleinen Gruppe realisieren. „Du musst immer zuerst sehen lernen. Bei meinem Unterricht zeige ich zuerst, wie man richtig sehen kann – Form, Licht“, erklärt sie. Erst dann geht es ans Papier. „Ich zeige, wie man richtig mit Stift und Papier umgeht. Schritt für Schritt: Grundtechniken, Zeichentechniken, Schattierungen, dann Farbe. Wenn man keine Geduld hat, sage ich immer, sollte man zu Hause bleiben.“

Öznurs eigene Kreativität fand schon früh ihre Anfänge, ihre Leidenschaft für Formen und Farben entdeckte sie bereits im Kindesalter. Vieles brachte sie sich selbst bei, dann folgte ein Kunststudium an der Universität „Dokuz Eylül“ in Izmir in der Türkei. „Ich habe richtig intensiv Kunst, Maltechniken und Grundtechniken gelernt. Von der Wurzel an.“

Ihr Weg führte sie nach Hannover. „Ich konnte am Anfang kein Deutsch, das war sehr hart für mich. In Izmir bin ich professionelle Künstlerin, habe ein Diplom“ – in Deutschland hatte sie erstmal nichts. „Aber ich habe sofort mit der Kunst weitergemacht. Ich habe in meinem Koffer viele Farben mitgebracht“, erinnert sie sich schmunzelnd. Und es dauerte nicht lange, bis sie wieder die Kunstbühne betrat. Ende der 90er Jahre stellte sie in der Stadtbibliothek in Seelze ihre Kunstwerke aus, viele weitere Ausstellungen folgten. Sie begann Unterricht zu geben, wie auch schon ihre Eltern, die beide Lehrer waren. 2013 gründete sie dann Öznur-Art Galerie & Atelier. Denn trotz Kursen und Workshops hat Öznur keineswegs mit der eigenen Kunst aufgehört. Immer sonntags zieht sich die Künstlerin in ihr kleines Atelier zu Hause zurück und schafft neue Kunstwerke. „Das ist meine schöne Zeit. Mit Pinsel und mit Farbe.“

Auf ihrem Weg hat Öznur viele Hürden überwunden. Und auch heute ist das Leben als selbstständige Künstlerin nicht immer leicht. „Wenn Menschen durch die Tür gucken, sagt man mir oft ,Oh, du hast einen sehr schönen Beruf’“, erzählt sie. „Aber oft ist das schon ganz schön viel. Alles organisieren, Miete, jährliche Nachzahlungen. Die eine Seite ist wunderschön, die andere Seite ist hart“, meint Öznur. Doch unterkriegen lässt sie sich davon nicht. „Mein Ziel ist meine besondere Farbe zu finden. Ich male jeden Tag. Ich lerne jeden Tag etwas Neues. Das ist nicht das Ende. Ich muss noch die richtige Farbe finden. Es ist egal, welche Farbe, aber das ist mein Ziel. Ich habe Erfahrung mit meinem Beruf, ich bin professionelle Künstlerin. Aber ich möchte in dieser Richtung weitermachen, ohne Ende.“

Jule Merx

Öznur-Art Galerie & Atelier
Lister Straße 11, 30163 Hannover
www.oznur-art.de
Instagram @oznurart und @oznurkokel

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