Tag Archive | "randgruppenbeleidigung"

Randgruppenbeleidigung im Juni

Tags: , , ,

Randgruppenbeleidigung im Juni


Royalisten

Ist schon klar, so ein König ist super! Folklore ist super! Das schweißt ja auch zusammen, das verbindet, da fühlt man sich als großes Volk. Und das scheint ja irgendwie wichtig zu sein, so ein Volksgefühl. Also hat man die Königin viele Jahre geliebt, und verehrt nun den König – gemeinsam mit den vielen anderen Irren, die für das ganze Theater Millionen ausgeben. Würde das Geld nicht an anderer Stelle ziemlich dringend gebraucht werden, man könnte fast drüber lachen.

Okay, wir wollen ehrlich sein, wir lachen trotzdem drüber. Eine Nation züchtet sich Gossip. Ein bisschen wie die Truman Show, nur in echt. Da gibt es dann eine Familie, deren Mitglieder aufgrund ihrer Abstammung privilegiert sind, die mit dem berühmten goldenen Löffel im Mund geboren werden, denen von Kindesbeinen an kübelweise Puderzucker in den Allerwertesten geblasen wird. Und klar, wenn sie nicht absolut resilient sind, dann degenerieren sie im Laufe der Zeit und werden zu rotwangigen, ungeduldigen Riesenbabys, die bei defekten Füllfederhaltern nervös werden und die auf krude Dinge stehen, worüber man eigentlich gar nichts wissen will, aber trotzdem alles erfährt.

Zwischendurch darf dann mal eine Weltliche in den Zirkus einheiraten, um für ein bisschen frisches Blut zu sorgen. Zur Freude der versammelten Royalisten, der Spanner mit Fähnchen, denn so eine Weltliche ist ja nicht von Kindesbeinen an auf den Job vorbereitet und darum vielleicht ein bisschen dünnhäutig, und eventuell steht sie auch gar nicht auf krude Dinge – und dann fällt die königliche Sippschaft über die Weltliche her. Daran kann man sich als Royalist natürlich wunderbar ergötzen. Es sei denn, jemand stirbt. Dann ist man mal kurz traurig. Aber wenn Prinz Harry dann auf einer Kostümparty als Nazi unterwegs ist, dann muss der gemeine Royalist doch wieder schmunzeln. Humor hat der Junge ja. Trotz der großen Tragödie.

Aber inzwischen ist ja längst wieder alles gut, die Königin ist tot, lang lebe der König mit Queen Camilla an seiner Seite – und wie man so hört, sollen die beiden ja immer noch …. Nein, niemand will das wissen. Bitte, macht keine Fotos. Hört keine Telefongespräche mehr ab. Also, alles ist wieder gut, ein Söhnchen hat sich verabschiedet und mit ein bisschen Dreck geworfen, aber ansonsten läuft die Monarchie-Maschine, die Firma funktioniert, die Medien berichten gerne positiv – und ausschließlich positiv, Kritiker werden wegen Landesfriedensbruchs von der Polizei festgenommen, wer in Großbritannien gegen die Monarchie protestiert, lebt nicht ungefährlich. Man sollte sich vor allem in Acht nehmen vor dem Royalisten-Lynchmob. Alles in schönster Ordnung im Königreich. NICHT!

Royalisten sind wirklich eine Pest. Sag was gegen die Monarchie, und sie versuchen dich mit ihrer Teetasse zu erschlagen. Wobei sie natürlich trotzdem höflich bleiben. Und warum das alles? Um das eigene belanglose Leben verdrängen zu können. Wer einem König zujubelt, fühlt ja beinahe schon selbst wie ein König, oder wahlweise wie eine Königin. Das kann man dann auch gerne jedes Jahr mit 100 Millionen Pfund subventionieren, auf dass die zweitklassige Seifenoper niemals enden möge. Man könnte fast drüber lachen …

VA

Foto: PixelAnarchy / Pixabay.com

 

Abgelegt unter * Featured, * Ticker, Aktuelles, Kolumne des MonatsEinen Kommentar verfassen...

Randgruppenbeleidigung im Mai

Tags: , , ,

Randgruppenbeleidigung im Mai


Desinteressierte

Du bist es ist einfach. Gottes Geschenk. Gar kein Zweifel. Und darum ist es wichtig und richtig, dass die Welt erfährt, was du denkst und fühlst. Wer du bist. Was dich beschäftigt. Was dich bewegt. Wie es generell so läuft bei dir. Und es läuft natürlich super! Seht und hört und staunt!

Deine Sätze beginnen alle mit „Ich …“ und deine Sätze enden nie mit einem Fragezeichen. Du kannst dich einen ganzen Abend und gerne auch eine ganze Nacht lang bestens darüber unterhalten, wie geil du bist, ohne den Namen deines Gesprächspartners herauszufinden. Ohne überhaupt irgendwas über denjenigen zu erfahren, dem du so eifrig einen Blumenkohl an die Hörmuschel laberst. Dein Thema, das bist allein du. Was könnte interessanter sein? Und schon geht es los mit deinen Ergüssen über deine Herrlichkeit, Verbalonanie pur. Zweifel sind dir völlig fremd. Und dein Gegenüber bleibt dir völlig fremd. Denn du interessierst dich nicht die Bohne für andere. Du interessierst dich eigentlich für gar nichts, außer für dich.

Und so steht man dir ein bisschen ratlos gegenüber und versucht, ein höflicher Mensch zu bleiben. Man versucht nicht zu lachen, als man erfährt, dass du ausgerechnet Journalist bist. Man versucht, keine Miene zu verziehen. Währen du schwallerst und schwallerst und schwallerst. Deinen Job bist du gerade los, sie waren in der Redaktion einfach nicht schnell genug für dich, sie haben deine Genialität nicht verstanden, du warst wahrscheinlich einfach zu sehr Überflieger und dann entsteht natürlich Neid. Dann ist es besser, irgendwann einfach zu gehen. Du wärst darum auch von allein bald gegangen. Wenn sie dir nicht mit der Kündigung zuvorgekommen wären, hättest du gekündigt. Und klar, sie konnten diese Kündigung nur lächerlich begründen. Du hättest in deinen Interviews zu viel von dir erzählt, deine Fragen seien immer weitaus länger gewesen als die Antworten der Interviewten und nachgefragt oder nachgehakt hättest du nie. Lächerlich. Deine Fragen und Einlassungen seien doch im Gegenteil gerade das Salz in der Suppe gewesen Was soll man denn machen, wenn einem bei den Interviews nur langweilige Menschen vor die Nase gesetzt werden, die so gar nichts Spannendes zu erzählen haben. Da muss man dann halt kreativ reagieren und die ganze Geschichte entsprechend aufbrezeln. Oder etwa nicht?

Was bleibt einem übrig als zu nicken, wenn man nicht unhöflich sein will? Und schon geht es weiter mit der feuchtfröhlichen Selbstdarstellung. Jetzt steht die richtige Ernährung auf der Gesprächsliste. Man erfährt, wie du auf die Idee gekommen bist, Vegetarier zu werden, damals, schon vor Jahren. Als die ganze Problematik in den Medien noch gar kein Thema war. Du warst schon immer ein Vordenker. Und man kommt einfach nicht dazwischen, während es Argumente für den Fleischverzicht hagelt, man schafft ihn nicht, diesen einen Satz, der eigentlich gesagt werden müsste: „Ich bin längst Vegetarier und das schon ein paar Jahre länger als du!“ Der Satz bleibt ungesagt. Ist ja auch nicht so spannend.

Spannend ist, dass du jetzt große Pläne hast. Du willst noch einmal richtig angreifen. Und darum bist du auf dieser Party. Denn dieser Typ von dieser Zeitung soll auch da sein. Und wenn du den in die Finger bekommst und der checkt, was für ein Genie du bist, dann wird richtig Karriere gemacht. Der muss es halt nur kapieren. Dass er sich reines Gold ins Haus holen würde. Ein richtig spannendes Exemplar. Einen Lottogewinn, wenn man so will. Und dann wird man plötzlich stehengelassen. „Entschuldige, ich sehe da drüben jemanden, den ich kenne, glaube ich. War interessant, sich mit dir zu unterhalten. Wie war noch mal dein Name?“ Die Antwort bleibt ungehört.

VA

 

PS: Ich glaube, ich habe keinen Job für dich.

Abgelegt unter * Featured, * Ticker, Aktuelles, Kolumne des MonatsEinen Kommentar verfassen...

Randgruppenbeleidigung im April

Tags: , , ,

Randgruppenbeleidigung im April


Genussmenschen

Komm, das gönne ich mir heute. Darauf kommt es jetzt eh nicht mehr an. Das Tier ist ja schon tot. Ach, und du bist Vegetarier? Und? Wem soll das was nützen? Meinst du, du rettest so das Klima? Du allein? Und als Vegetarier? Müsstest du dann nicht besser Veganer sein? Vegetarier ist doch nichts Halbes und nichts Ganzes. Isst du auch keine Wurst? Stört es dich, wenn ich trotzdem Fleisch esse? Bist du denn auch so ein Bio-Sklave und kaufst den ganzen überteuerten Kram? Und diese ekligen Ersatzprodukte? Hast du mal gelesen, was da alles so drin ist? Auch nicht alles Gold, wenn du mich fragst. Ist wahrscheinlich gesünder, einfach ein vernünftiges Stück Fleisch zu essen. Ich könnte da gar nicht drauf verzichten. Ab und zu muss das mal sein. Okay, wenn ich ganz ehrlich bin, muss es jeden Tag sein. Man gönnt sich ja sonst nichts. Ich steh nicht so auf diese Askese-Nummer, ich möchte mein Leben echt noch ein bisschen genießen. Wer weiß, was die Grünen nächstes Jahr schon alles verboten haben.

Ja, klar, ist vielleicht ein bisschen egoistisch von mir. Mag sein. Und ja, klar ist das nicht schön für die nächsten Generationen. Aber ich allein werde es ja nicht ändern. Und außerdem will ich sowieso keine Kinder in die Welt setzen. Die Welt ist doch längst im Arsch, machen wir uns nichts vor. Wer jetzt noch Kinder in die Welt setzt, hat es echt noch nicht kapiert. Das wird schnell gehen in den nächsten Jahren, du wirst in ganz vielen Gebieten nicht mehr leben können, der Katastrophenzustand wird das neue Normal. Ich bin ziemlich froh, dass ich nicht mehr ganz so jung bin. Vielleicht habe ich ja Glück und kneife den Arsch zu, bevor es ganz den Bach runtergeht. Aber bis dahin werde ich mein Leben noch genießen. Mach du, was du willst, ich bestelle mir jetzt ein schönes Stück Fleisch, medium. Das muss jetzt sein. Ich hatte echt einen anstrengenden Tag.

Mmh, lecker! Willst du nicht doch mal probieren? Ist echt gut. Du bist mehr so die personifizierte Enthaltsamkeit, oder? Lässt du Sex auch aus? Selbst gewähltes Zölibat? Und dann sitzt du allein zu Hause in deiner kalten Wohnung, weil alles über 18 Grad Sünde ist? Und zwischendurch wärmst du dich mit Yoga auf? Kannst du ja gerne machen, ich bin zu Hause aber gerne im T-Shirt unterwegs und da braucht es dann einfach 24, 25 Grad. Wem soll denn das bitte was nützen, wenn ich friere? Dann krieg ich nur schlechte Laune und das ist auch kein Spaß für alle Beteiligten. Ist schon schöner, wenn ich gute Laune habe, glaub mir.

Weiß du, was ich dieses Jahr noch mache? Ich fliege nach Dubai. Hab ich schon lange auf dem Zettel. Muss man ja mal gesehen haben. Das wird geil. Da werde ich es mir mal richtig geben, Luxus pur. So ein Flug kostet ja echt gar nichts mehr. Acht oder neun Stunden, schon sitzt du in deinem Hotel. Das darf dann gerne auch teuer sein. Ist heftig, was die da in die Wüste geklotzt haben, oder? Und du, was machst du im Sommer? Wandern in der Lüneburger Heide? Ich bin ja mehr so der Pool-Sitzer und Cocktail-Trinker im Urlaub. Bisschen die Langeweile genießen, zwischendurch mal was Leckeres einwerfen, dann bin ich schon glücklich. Ich bin da echt mehr so der Genussmensch. Man muss sich auch mal was gönnen, das Leben ist schon anstrengend genug. Isst du deine Kartoffeln nicht mehr? Kann ich die für meinen Fleischsaft haben. Soooo lecker? Dir ist schlecht? Du hast keinen Appetit mehr? Dann kann ich sie also haben? Danke! Wo willst du denn jetzt hin? Eine rauchen? Da würde ich mitkommen. Dass ist echt was, das ich vermisse, dass man nicht mehr drinnen rauchen darf. Das war früher soooo gemütlich. Das haben damals auch die Grünen verboten, oder?

VA

 

Abgelegt unter * Featured, * Ticker, Aktuelles, Kolumne des MonatsEinen Kommentar verfassen...

Randgruppenbeleidigung im Februar

Tags: , , ,

Randgruppenbeleidigung im Februar


jeden Monat neu: unsere Randgruppenbeleidigung. Ab und zu mal hier online. Aber immer im Druck.

Stelzböcke

Du denkst, du hast dich gut gehalten, du denkst, man sieht dir dein Alter gar nicht so sehr an. Du denkst, weil du ein Stückchen größer bist als all die kleinen Mäuse, dass sie die lichten Stellen auf deinem Hinterkopf nicht sehen. Du denkst, dass du vergleichsweise jung angezogen bist. Du hast dich umgesehen, was so getragen wird, und du hast dir diverse Verkleidungen zugelegt. Du kannst auch die Sprache ganz gut. Und so stehst du nun auf den diversen Partys in den diversen Locations herum, während du eigentlich beim Bingo-Abend sein solltest oder auf Butterfahrt mit dem Kegelclub. Du stehst dort und guckst so ein bisschen cool und lässig und unbeteiligt, vielleicht sogar desinteressiert über die Köpfe hinweg, aber nach ein bisschen Alkohol bleibt dein Blick dann doch stellenweise kleben. Und man sieht es kurz lodern in deinen Augen, ehe du deinen Blick schnell wieder abwendest. Ach, wenn du könntest, wie du wolltest. All die jungen Mäuse … Wenn sich doch nur eine erbarmen würde.

Aber sie erbarmen sich nicht. Denn man erkennt einen Stelzbock ja schon drei Meilen gegen den Wind. Manchmal riecht man sie auch, denn sie neigen zu sportlichen Düften, reichlich aufgetragen. Da kannst du dich noch so unauffällig ranpirschen, dich noch so uninteressiert geben, alle wissen, dass du einer von der Sorte bist, alle ahnen, was du willst. Du willst das Eine, wobei du das Eine wahrscheinlich gar nicht mehr so richtig hinbekommst in deinem Alter. Wobei wir hier nicht alte Menschen bashen und die nachwachsenden Stelzböcke vergessen wollen. Es gibt sie auch in jüngeren Varianten. Aber es stimmt schon, die älteren Varianten sind meist schlimmer, weil sie verzweifelter sind. Sie klappern verzweifelt mit dem Autoschlüssel und hantieren verzweifelt mit den Kreditkarten, sie rascheln verzweifelt mit den großen Scheinen und wenn du richtig großes Glück hast, dann bekommst du eine von ihren High-end-Visitenkarten, handgeschöpftes Papier mit Prägung.
Stelzböcke sind eigentlich ganz lustig – aus der Ferne. Man kann sich wunderbar über ihre Erbärmlichkeit amüsieren. Obwohl das natürlich gemein ist. Aber es trifft ja die Richtigen, denn wenn du sie zu nah ranlassen würdest, wären sie gemein zu dir. Sie interessieren sich nicht für dich, sie interessieren sich ausschließlich für deine junge Hülle. Du bist zwanzig, dreißig, vierzig Jahre jünger? Völlig egal, Hauptsache volljährig, obwohl selbst darauf manche pfeifen. So stelzen sie dir nach, pirschen sich ran an den einen Rock, entdecken den nächsten Rock, und den übernächsten Rock, und vielleicht wäre die Kleine da hinten auch nicht so schlecht … Und wenn die Party sich dem Ende neigt, wird der Stelzbock nervös, wie eine hungrige Katze rennt er dann durch den großen Mäuseschwarm, aber die kleinen Mäuse sind schneller.
Und so sitzt der arme Stelzbock ganz am Ende mal wieder resigniert im Taxi und erzählt dem armen Taxifahrer, dass er wichtig ist und sportlich und begehrt, dass er sich gut gehalten hat und eben in der Bar mal wieder etliche Angebote ausschlagen musste. Diese jungen Mäuse, ganz verrückt, man könne sich ja kaum retten. Und der Taxifahrer nickt beiläufig, bringt den Stelzbock nach Hause und holt den nächsten Stelzbock mit der gleichen Geschichte von der nächsten Party ab. Ein steter Strom resignierter Stelzböcke. Ihr Armen. Probiert es mal im Kegelclub, da habt ihr bestimmt mehr Glück.

VA

Abgelegt unter * Featured, Aktuelles, Kolumne des MonatsEinen Kommentar verfassen...

Randgruppenbeleidigung im November

Tags: , ,

Randgruppenbeleidigung im November


Verwaltungsadel

Du bist schon viele Jahre dabei, du weißt Bescheid, du kennst alle Abläufe, alle Paragrafen, alle Formulare, alle Interna. Dir kann niemand mehr irgendwas erzählen, du weißt, was geht, und vor allem, was nicht geht. Und du hast es dir ganz nett eingerichtet in deinem Büro, unentbehrlich in der zweiten Reihe.
Über dir nur jene, die im Zweifel den Kopf hinhalten müssen, die kommen und gehen, unter dir alle anderen, die immer unter dir bleiben, weil du klebst, wo du klebst.

Du bist ein mächtiges kleines Rädchen im großen Getriebe, eine Instanz im Staat, ohne dich geht gar nichts und wenn du den Daumen senkst, haben sie verspielt.
Alle, die zu dir kommen, nein, nicht zu dir, zu denen über dir. Und sie kommen ja ständig, diese verdammten Bettler, diese Bittsteller mit ihren ärgerlichen Ideen. Diese Zwerge, die sich auf Augenhöhe wähnen mit denen über dir und auch mit dir. Lächerlich! Wie naiv. Wissen die denn gar nichts? Und dann machen sie ihre Vorschläge während ihrer Audienz, wollen etwas auf die Beine stellen, meinen, dass sie es besser wissen, dass sie es besser können, doch was sie erzählen, das hast du schon längst alles zigmal gehört und durchdacht, da musst du gar nicht lange zuhören, da weißt du schon nach den ersten Worten, in welche Richtung der Daumen zeigen wird. Oder dir passt einfach das Gesicht nicht. Kann auch passieren. Hat die gute Idee eben Pech gehabt.

Und abends liegst du dann in deinem Bettchen im netten Häuschen vor der Stadt und neben dir schnarcht es schon friedlich und du lächelst zufrieden, denn du hast heute wieder viel Schaden abgewendet, du hast deine Verwaltung geschützt, da waren Bürger*innen, die hatten Eigeninitiative im Sinn, die wollten etwas bewegen, solche Vorhaben muss man natürlich im Keim ersticken, denn was bedeuten derartige Späße für dich und deine Verwaltung? Noch mehr Arbeit, ganz genau. Und das geht nicht, das gilt es mit Macht zu verhindern. Und dann dauert es eben mal ein paar Tage länger, dann kann die Antwort auf die Mail warten, bis alle Fristen verstrichen sind. Und während du so darüber nachdenkst und dabei die ratlosen und enttäuschten Gesichter der Bürger*innen vor dir siehst, wird es dir ganz warm, aber nicht ums Herz, sondern an gänzlich anderer Stelle. Wenn die wüssten … Wie machtlos, wie hilflos sie sind. Und du bist unangreifbar, fest verankert in der Hierarchie und gut abgesichert, denn du hast das Spiel verstanden. Wer handelt, wer agiert, wer sich bewegt, der macht im Zweifel Fehler, der macht sich angreifbar. Also simulierst du seit Jahren Aktivität und minimierst so dein Risiko.

Ach, gäbe es doch nur ein paar weniger von deiner Sorte, keiner Verhinderer, sondern Ermöglicher, ohne Dünkel und Arroganz, was könnte alles wachsen und gedeihen? Doch leider wächst nur wenig bis gar nichts, weil der Verwaltungsadel an Veränderungen kein Interesse hat. #Entmachten!
GAH

Abgelegt unter * Featured, * Ticker, Kolumne des MonatsEinen Kommentar verfassen...

Randgruppenbeleidigung im Juli: Spielplatzsportler*innen

Tags:

Randgruppenbeleidigung im Juli: Spielplatzsportler*innen


Diese kleinen Scheißer! Du hast Feierabend, du gehst nach Hause, du hast dich gerade entschieden, dein Fitness-Abo heute ausnahmsweise auszulassen, weil das Wetter viel zu gut ist. Lieber noch irgendwo auf die Wiese, ein Kaltgetränk, ein bisschen chillen. Und dann siehst du sie, da drüben, auf dem Spielplatz in der Nachbarschaft, aufdringlich schnaufend und stöhnend – die Spielplatz-Sportler*innen.

Was dagegen einzuwenden ist, sein Geld nicht ins Fitnessstudio zu tragen, sondern an der frischen Luft die Klettergerüste auf den Spielplätzen als Trainingsgeräte zu missbrauchen? ALLES! Das ist Exhibitionismus pur! Fein definierte Muskelpakete glänzen ölig in der Sonne, der Schweiß fließt in Strömen, man kann es riechen aus hundert Metern Entfernung. Sie bewundern sich gegenseitig, während sie ihre Übungen machen, sie finden sich unendlich geil. Und sie gehen davon aus, dass auch alle anderen sie unendlich geil finden. Tun wir aber nicht! Euer Anblick ist eine aufdringliche Zumutung, das ist beinahe Nötigung.

Wir müssen ja nicht hinsehen? Okay, wie wäre es dann ohne Rums-Bums-Hip-Hop? Wenn ihr aufhört, eure Umwelt zuzudröhnen, während ihr pumpt und schwitzt, fällt es uns vielleicht leichter, euer Elend zu ignorieren. Aber wenn der Bass aus euren Musikboxen bis hoch in den sechsten Stock dröhnt, ist das nicht so leicht. Es ist im Gegenteil Terror. Doch natürlich beschwert sich niemand, denn wer will sich schon mit einer Horde verschwitzter Muskel-Dödel anlegen, die da irgendwas auf Spielplätzen kompensieren, über was wir hier lieber nicht nachdenken wollen.

Gebt die Spielplätze zurück! Sie gehören den Kindern! Und den Eltern. Hört endlich auf, eure Mitmenschen zu verstören! Nach jedem Spielplatzbesuch muss man wieder alles neu erklären: Nein, ein Sixpack ist nicht normal, dafür muss man hart trainieren und sich sehr bewusst ernähren und hat entsprechend weniger Zeit, schlaue Bücher zu lesen. Ja, stimmt, darum sind diese öligen Gestalten auf dem Spielplatz wahrscheinlich ein bisschen doof. Nein, ich kann nicht 30 Liegestütze auf einem Arm machen, das ist aber auch gar nicht schlimm. Nein, die Mama von der Laura guckt da nicht ständig hin. Und ich auch nicht. Verdammt noch mal!

Hingucken ist absolut verboten. Du kannst noch so viel Mitleid in deinen Blick legen, sie nehmen es trotzdem als Kompliment, boostern mit deinem Blick ihr Ego und pumpen nur noch heftiger. Publikum motiviert sie. Manche missverstehen die Blicke auch grundsätzlich als Flirtversuch und zwinkern dir zu. Bitte! Wer will von öligen Gestalten auf Spielplätzen angezwinkert werden?

Liebe Spielplatzsportler*innen, sucht euch bitte einen anderen Ort, fahrt in irgendeinen Wald und macht dort Klimmzüge an den Ästen. Wir haben keine Lust mehr, auf euren glitschigen Schweißflecken auszurutschen. Inzwischen muss man ja den gesamten Spielplatz streuen, ehe die Kinder dort gefahrlos spielen können. Glücklicherweise gibt es meist genug Sand vor Ort. Übrigens, Stadt Hannover, gelangen die öligen Hinterlassenschaften nicht ins Grundwasser? Gibt es da nicht irgendeine Strafe? Oder wenigstens eine Gebühr?
Linn Bongard

Abgelegt unter * Ticker, Kolumne des MonatsEinen Kommentar verfassen...


Stadtkind twittert