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Editorial 2022-08

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Editorial 2022-08


Liebe Leserinnen und Leser,

es ist gar nicht so leicht, momentan nicht die Hoffnung zu verlieren. Die Pandemie ist noch längst nicht vorbei, der Krieg in der Ukraine geht einfach immer weiter, die Folgen des Klimawandels werden nun immer sicht- und spürbarer und die Lebenshaltungskosten explodieren, es geht plötzlich ans Eingemachte. Und das sind nur die Themen, die momentan die Schlagzeilen beherrschen. Vieles gerät schnell wieder aus unserem Fokus, wird schlicht vergessen. Die anderen Kriege und Konflikte, die Flüchtlinge. Überall Krisen, Menschen in tiefster Not, Menschen, die hungern, die verhungern. Und wie geht es eigentlich den Frauen in Afghanistan?

Es ist wahrscheinlich ganz gut, dass wir Menschen ausblenden und verdrängen können, wir würden sonst wohl kollektiv durchdrehen. Und uns stellenweise vielleicht auch in Grund und Boden schämen, angesichts unserer eigenen Rolle im Spiel um den größten Wohlstand. Wir realisieren mehr und mehr, dass unsere Weste so weiß gar nicht ist – wir haben nur viele Jahre die Flecken nicht sehen wollen. Und wenn ich in diesen Tagen Menschen erlebe, die ganz offensichtlich einzig und allein den eigenen Vorteil im Blick haben, die egoistisch argumentieren und handeln, die Angst um ihr bisher so schönes Leben haben, dann habe ich zwar den Impuls, mich angewidert abzuwenden, aber ein Stück weit ahne ich dabei, dass ich möglicherweise einfach nicht in den Spiegel blicken mag.

All diese Krisen bergen neben den offensichtlichen, direkten Folgen noch eine weitere Gefahr. Wir neigen dazu, uns einzuigeln, die Stacheln aufzustellen, wenn wir uns bedroht fühlen. Wir neigen zudem zu einfachen Erklärungen. Und wir mögen Schuldige. Wenn es zu unübersichtlich wird, dann verschafft so ein Sündenbock uns ein bisschen Luft. Das zusammengenommen führt dazu, dass die Populisten an Stärke gewinnen, dass wir empfänglicher werden für die vermeintlich einfachen Lösungen. Ich bemerke diese Tendenzen immer wieder auch bei mir. Ich puzzle mir mein Weltbild zurecht und oft sind es dann zum Beispiel „die Reichen“, die ich als Schuldige ausmache. Oder der Kapitalismus ist das wahre Böse. Das ist einfach gedacht und gesagt. Bei anderen Menschen sind es „die Ausländer“ oder die „Gutmenschen“ oder die „links-grün versifften Spinner“. Es ist darum vermutlich ziemlich klug, sich hin und wieder den Mechanismen unseres Denkens zu widmen, um zu verstehen, wie wir ticken. Das rate ich an dieser Stelle gerne und ausdrücklich auch allen Intellektuellen, die offene Briefe schreiben.

Was ich bei mir selbst bemerke in letzter Zeit, und das ist noch so eine Gefahr, die mit der momentanen Krisen-Überforderung eng verknüpft ist, das ist Resignation und Lähmung. Ich sehe eine brennende Welt, aber ich habe keine Handhabe. Ich kann das alles nicht ändern. Ich fühle mich machtlos und ausgeliefert. Einfachste Küchenpsychologie. Die Probleme erscheinen so groß, der Berg so unüberwindbar, dass schon der erste Schritt irgendwie sinnlos erscheint. Und darum bleibt man stehen. Mir hat es darum sehr gutgetan, in diesen Tagen Steffen Krach zu treffen, unseren Regionspräsidenten, und mit ihm über Ideale und Ideen zu sprechen (ab Seite 50). Weil mir dabei bewusst geworden ist, dass man auch ganz anders mit der momentanen Situation umgehen kann. Man kann die Ärmel hochkrempeln und sich um das kümmern, worauf man direkten Einfluss hat. Man kann versuchen, es einfach vor Ort besser zu machen. Und zum Beispiel für ein 365-Euro-Ticket kämpfen. Man kann viele kleine, sinnvolle Schritte in die richtige Richtung gehen, das ist weitaus klüger als permanent über den einen großen Schritt zu grübeln und an der Welt zu verzweifeln. Ich bin mir sicher, Steffen Krach hat keine Zeit für einfache Erklärungen, Sündenböcke oder Resignation, dafür hat er einfach zu viele kleine Schritte auf dem Zettel.

Viel Spaß mit dieser Ausgabe

Lars Kompa

Herausgeber Stadtkind

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