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Stadtkinder essen: My Mem

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Stadtkinder essen: My Mem


In Hannover gibt es so einige vietnamesische Restaurants und Imbisslokale. Und warum auch nicht? Die vietnamesische Küche ist schließlich eine Gute. Aber deshalb ein weiteres Lokal testen? Ja! Letztens sah ich in den Sozialen Medien den Beitrag eines Bekannten – ohne Ortsangabe – in dem ihm eine gigantische Portion von irgendetwas Dampfendem, phantastisch Aussehendem serviert wurde. Ich schrieb ihm eine Nachricht, „was ist es, ich will es“ und erhielt die Antwort, er habe sich schon einmal durch die ganze Karte gefuttert und alles wäre sehr lecker gewesen. Gut, dann geh ich da hin.
Hier sind wir nun, in der Deisterstraße 24, direkt neben dem Kulturpalast. Alles ist sehr gediegen und schick eingerichtet, mit bequemen Stühlen und soliden Holztischen. Allein das unterscheidet das My Mem schon von einigen anderen Imbissen und Restaurants mit vietnamesischem Essen, wie man fairerweise sagen muss.
Die Karte ist ziemlich groß: Neben vietnamesischen Spezialitätetn werden auch Sushi, gemischte Platten für mehrere Personen und Bowls angeboten.
Ein kluger Mensch hat gesagt: „Bestell zuerst den Aal. Wenn der richtig gut schmeckt, ist der Rest des Sushis auch prima.“ Deshalb: Einmal die Unagi Nigiri, bitte (2 Stück, 5,20€) und Goi Cuon Tom, die klassischen Sommerrollen mit Garnele (6,50€). Beides kommt zügig und ist liebevoll angerichtet. Der Aal ist perfekt gegrillt, mit einer Art Teriyaki-Sauce lackiert und so kompakt mit dem Reis verbunden, dass man das ganze Nigiri mit Stäbchen aufheben und davon abbeißen kann, ohne, dass der ganze Kladderadatsch runterfällt. Sehr angenehm – und sehr lecker. Genau wie die Sommerrollen: Das Reispapier ist zum Bersten gefüllt mit Reisnudeln (die zum Glück nicht untrennbar aneinanderkleben), frischem Gemüse, viel, viel Kräutern und zwei enormen rohen Garnelen. Dazu gibt es das klassische Nuoc Cham, ein Dip aus Limettensaft, Rohrzucker, Fischsauce, Wasser, Chili und Knoblauch. Super gut! Die Rolle kommt halbiert, das macht sie perfekt zum Teilen, denn eine Hälfte davon ist aus Vorspeise wirklich ausreichend.
Dann geht‘s weiter: Wir nehmen einmal gebackene Wan Tans (4 Stück, 6,50€) und Bun Cha Ha Noi (15,90€). Das ist eine Spezialität aus, wie der Name schon sagt, Hanoi. Dabei handelt es sich um einen Teller mit gegrillten Schweinefleischbällchen, Schweinebauch, Salat, Reisnudeln und einer Schüssel Nuoc Cham.
Auf dem Teller ist alles nebeneinander angerichtet, Aufgabe des Gastes ist es nun, dies nach Belieben zu mischen und mit dem Dip zu übergießen. Die Erdnüsse, die zur Garnitur darauf liegen, sind geröstet – das zu erwähnen ist wichtig, weil man sie meist ungeröstet bekommt. So erhält das Gericht aber eine intensivere Note, die gut zum Grillaroma des Fleisches passt. Die Bällchen bestehen aus sehr fein gewolftem Fleisch, das gut abgeschmeckt und schön gegrillt wurde. Der Schweinebauch hätte durchaus noch ein, zwei Minuten mehr auf dem Grill vertragen, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Alles in allem: sehr gut.
Ebenso die Wan Tans: Auch sie sind mit einer sehr feinen Masse aus Garnele, Huhn, Gemüse und Kräutern gefüllt und knusprig gebacken, dazu gibt es einen kleinen, wirklich frischen Beilagensalat und eine süße Chili-Sauce.
Unser Fazit: Ja, es ist vietnamesische Küche und eigentlich nichts, was wir nicht schon anderswo gegessen hätten – aber lange nicht mehr so gut!

● IH, Fotos Gero Drnek

My Mem
Deisterstraße 24
30449 Hannover
www.mymem1407.de
Dienstag bis Sonntag 12:00-22:00 Uhr
Tel: 0174 327 2789 & 0159 016 30717

 

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Der Freundeskreis im Gespräch im Juli

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Der Freundeskreis im Gespräch im Juli


Diesmal haben wir uns mit Ulrike Duffing (UD), der ehemaligen Koordinatorin vom Haus der Religionen – Zentrum für interreligiöse und interkulturelle Bildung, und dem Künstler und Aktivisten Joy Lohmann (JL) auf der ZuKunst, einem Gemeinschafts- und kulturellen Möglichkeitsraum auf der Ihme, getroffen. Im Gespräch ging es um Zukunftsmodelle, verschiedene Perspektiven und Visionen.

Mögt ihr euch zu Beginn kurz vorzustellen und erzählen, was ihr so gemacht habt und welche Perspektive ihr mitbringt?

Joy Lohmann

JL – Mein Name ist Joy Lohmann und ich begrüße euch recht herzlich auf der ZuKunst, unserem Floating Future Lab. Alles hier ist von unserem Verein, den Makers for Humanity e.V., selbst gebaut: Zuerst das Tiny Float, an Land in der Paul Doorman Schule mit Freiwilligen, dann kamen die Schwimmkörper dazu, zwei AluminiumPontons rechts und links – also ein Katamaran-Prinzip. Und wir haben Solarpanels auf dem Dach, machen also unseren Bordstrom selber. Makers for Humanity sind eine interdisziplinäre, intergenerationelle und multikulturelle Gruppe und bieten an Bord Workshops wie Mantrasingen, Jamsessions und Treffen für Bildung und Gesundheit an, aber auch Kulturbootsfahrten, einen MakerSpace – und auch Konzerte und Onlinekonferenzen hatten wir schon an Bord. Man kann mit eigenen Inhalten herkommen oder Inhalte von anderen aufnehmen – und gerade in so einer fragilen Atmosphäre, so einer selbstgemachten analogen, kreativen Gemeinschaft kommen richtig tolle Ergebnisse zustande und man führt ganz schnell tiefe Gespräche. Schon zur Weltausstellung hatte ich damals ein schwimmendes „Future Lab“ gebaut, das schnell zu einem Symbol, einem Narrativ wurde, das unterschiedlichste interessante Leute anzieht. Die schwimmenden Gärten auf dem Maschteich 2009 waren so erfolgreich, dass ich die folgenden drei, vier Jahre in Indien mit Makers vor Ort ein modulares Schwimminselsystem erfand und entwickelte. Die Nachfrage nach Schwimminseln steigt mit den Meeresspiegeln und Open-Island ist der Bauplan für Menschen in Not, sich selber, günstig und einfach schwimmende Extraflächen zu bauen.

Ulrike Duffing

UD – Was mir sofort auffällt: Bei dem, was du erzählst und was bei mir ankommt, geht es nicht nur um Kunst, es geht um Ernährung, um Architektur und Bauen, um Wasser, es geht um Gemeinschaft und nicht zuletzt um interkulturelles Miteinander. Das verbindet uns. Mit dem Haus der Religionen hier in Hannover habe ich ganz ähnlich wie Joy ein Projekt begleitet. Als ich 2013 auf meine Arbeitsstelle kam war es ein Projekt. Mit diesem Begriff verbindet sich ein Beginn und ein temporäres Ende. Doch inzwischen ist daraus eine Institution geworden. Das Kind ist erwachsen geworden und sozusagen aus den Kinderschuhen herausgewachsen. Auch bei uns war es damals so, dass in die Zukunft gedacht wurde und besonders die Menschen notwendig sind: Wir brauchen Menschen mit diesem gemeinsamen Spirit und wir brauchen ganz viel positive Energie plus Liebe, Geduld und Begeisterung als Schutz, um das Ganze zu bewahren, fortzuführen und es auch an die nächste Generation weitergeben zu können. Das sehe ich hier und das ist bei uns ganz ähnlich gewesen. Es ging einfach darum, das zu denken, was alle anderen nicht denken: nämlich zehn Jahre im Voraus zu denken, in die Zukunft zu schauen. Über ein Jahrzehnt war ich im Haus der Religionen und habe vorher in der evangelisch-lutherischen Kirche einen ganz klassischen Job gehabt, aber ich wollte mehr, ich wollte andere Religionen kennenlernen und auch verstehen und mit ihnen arbeiten. Ich wollte neue Strukturen, auch eigene Strukturen, gestalten und im Team weiterentwickeln.

Bist du denn ein religiöser Mensch? Und wenn ja: als Christin oder hast du dir andere Perspektiven, die du kennengelernt hast, angeeignet?

UD – Als ich das Ganze angefangen habe, war ich evangelisch-lutherische Christin und ein religiöser Mensch – und das bin ich auch heute noch. Es war nicht das Ziel, irgendetwas zu werden oder zu konvertieren, sondern es war das Experimentelle: ich war offen einfach zu schauen, was passiert. Ich wollte mal die Sicherheiten und die Strukturen loslassen, in denen man sonst immer dümpelt, ohne nachzudenken. Auch etwas, das Joy und mich verbindet. Und ja, meine Perspektive ist komplett verändert, nämlich enorm geweitet worden. Als Christin ging mir nichts verloren, aber ich habe reichhaltige Vielfalt hinzugewonnen.

Es scheint so, als würdet ihr an einem Strang ziehen, was die Ziele betrifft, aber ihr habt doch recht verschiedene Formen der der Weltaneignung oder -ausdeutung gewählt. Wenn Kunst und Religion die Oberbegriffe wären: Würdet ihr sagen, dass ihr da anders wahrgenommen werdet? Sieht man sich in der religiösen Ecke eventuell mit mehr Gegenwind konfrontiert als in der Kunstszene?

UD – Es ist natürlich gerade eine ganz gruselige Zeit, da sage ich euch nichts Neues. Also Antisemitismus, Rassismus und die AfD – das ist etwas, das man sich nicht gewünscht hat. Viele Menschen sehen nur noch schwarz und weiß. Die Empathie ist verloren gegangen, die Diskussionskultur. In der Demokratie und gerade bei uns im Haus der Religionen ist der Dialog im Vordergrund. Das Zusammenarbeiten und einander zuhören in den unterschiedlichen religiösen Kontexten ist enorm wichtig. Nur so kommt man zueinander und beginnt einander mit den jeweils verschiedenen Meinungen zu verstehen. Es ist sehr wichtig, denke ich, wieder zu üben zu verstehen, dass es eben verschiedene Positionen gibt. Das ist die Grundlage unserer demokratischen Gesellschaft und danach den Kompromiss zu suchen. Auf Augenhöhe! Ja, es gibt schon sehr viel rauhen Gegenwind, besonders jetzt durch politische Gewalttaten, Terrorangriffe und Kriege.

JL – Ja, ich sehe da eigentlich zwei Entwicklungen. Das eine ist die Verrohung und, dass viele Leute Gefallen an der Provokation und auch am Hass finden. Und das andere, das ist so eine gesellschaftliche Tendenz der Oberflächlichkeit und Bequemlichkeit. Das hat sicher auch mit der Digitalisierung zu tun, dass man das echte Erleben gar nicht mehr richtig lernt. Es muss immer schneller, risikofreier gehen, man legt sich überhaupt nicht mehr fest. Das ist für Kulturveranstalter eine Katastrophe. Man kann überhaupt nicht mehr planen. Hier an Bord versuchen wir eine andere Kultur zu prägen und einzufordern. Die Erfolgsgeschichte des Menschen ist einfach das soziale Miteinander; und daraus entsteht Synergie, daraus entsteht Innovation.

Holt so ein Statement auch die Jüngeren ab?

JL – Das ist kein Generationenbashing … Im Gegenteil möchte ich für die Jugend hier mal eine Lanze brechen, denn wir verdanken der Jugend unglaublich viel. Die Fridays for future beispielsweise kämpfen für uns alle für den Klimaschutz und eine lebenswerte Zukunft. Ich bin bei den Artists for Future und daher in dieser Szene ein bisschen drin und muss sagen: Ich habe unglaublich viele richtig tolle, politische, mutige und engagierte Leute kennengelernt. Junge Menschen, von denen wir viel lernen können. Und aus der älteren Generation gibt es dafür arrogante Häme: Junge Leute überlegen, wie sie ohne Gewalt anzuwenden die existentielle Gefahr deutlich machen können, sprechen dabei letztlich für uns alle, kleben sich persönlich auf Straßen fest und riskieren Strafverfolgung, gesundheitliche Schäden und werden dann als Klimakleber gedisst … Das macht mich unglaublich traurig. Und wenn dann die Bauern mit fetten Traktoren die Autobahnen blockieren, dann fangen die Minister an zu überlegen, was man denen noch Gutes tun kann. Es gibt viel junges politisches Engagement und deswegen freue ich mich sehr, dass man bei der Europawahl bereits ab 16 wählen konnte.

UD – Ja, ich finde es auch gut, wenn sich Jugendliche ihre eigenen Protestformen wählen und laut auf sich aufmerksam machen. Junge Menschen sind erfinderisch und suchen sich ihre eigenen Formate. Das wirkt manchmal drastisch, aber ist vollkommen berechtigt. Sonst fühlen sie sich nicht gesehen und gehört. Mir wäre dazu aber das Wort Verantwortung wichtig. Also die Frage ist ja: Wie funktioniert eine Gesellschaft, die dieses System innehat? Demokratie heißt auch, dass ich mich da hinein üben muss. Ich muss lernen, für etwas Verantwortung zu übernehmen. Es muss Regeln geben. Zunächst übe ich diese Softskills in einer kleinen Gemeinschaft ein, etwa in der Familie. Später in der Peergroup oder wenn ich mit den eigenen Freund*innen zusammen bin. Es muss eine Verständigung geben über die Regeln, die es gibt, und eine gewisse Art von Orientierung. Sonst wird es schwierig im Miteinander. Selbstverständlich kann ich auch ausscheren und die Regeln brechen. Doch dann muss ich dazu stehen und die Verantwortung für mein Handeln übernehmen. Und was nun die Proteste der Jugend betrifft: Das sehe ich genauso wie du. Und das ist auch etwas, was wir früher genauso gemacht haben, in Brokdorf etwa, als wir gegen Atomkraft protestiert und genauso wilde Sachen gemacht haben. Man muss das tun, weil der Sache ja sonst keine Aufmerksamkeit geschenkt wird und man gar nicht vorankommt. Deswegen finde ich das völlig richtig, was du gesagt hast. Möglicherweise hast du es aber auch mit etwas anderen Jugendlichen zu tun. Bei uns sind die Jugendlichen ja immer in einer eher gezwungenen Situation, weil sie eben durch die Schule zu uns kommen. Aber es gibt bei uns einen Schutzraum dafür, dass sie Ihre Meinung sagen können. Und dann hängt an einer nachgebauten Klagemauer etwa ein Zettel mit der Botschaft „Free Palestine“. Ich will jetzt nicht alle Meinungen aufzählen, das ist auch nicht wesentlich, sondern wichtig ist, dass man sich dann zusammensetzen und sagen kann: Wie seht ihr dies oder wie seht ihr das? Also: die Diskussionskultur einüben und jede/r darf ausreden und eine/r hört dem/der anderen zu. Manchmal ist es mühsam. Doch auch „einander aushalten“ gehört dazu.

JL – Was hier auch im Rahmen unserer Kunst aus unserer Perspektive sehr spannend wäre, gerade auch beim Thema Integration: einfach mal in verschiedene Religionen reinzuschauen – zu gucken, was in den Schriften oder auch in der Praxis an gemeinwohlorientierten Praktiken und Regeln existiert. Denn jede Religion beinhaltet ja auch einen Verhaltenskodex, eine Art Spielregel guten Zusammenlebens. Da würde ich mich sehr freuen, wenn wir diese Idee vertiefen und schauen: Was für Potenzial bringen fremde Religionen und aber auch Kulturen in unsere Stadtgemeinschaft ein? Und dieses ganze Wissen aus fernen Kulturen haben wir hier in Hannover. Wir haben die Orte hier, wir haben die Menschen hier, die Geschichten, die Gerichte, die Musik, die Kultur.

UD – Genau, die verschiedenen Orte, Gerichte und Geschichten in unserer Stadt sind jetzt das zweite Standbein unserer Institution. Neben dem Herzstück – unserer multireligiösen Dauerausstellung mit 9 verschiedenen Religions- und Weltausstellungsgemeinschaften – hat das Haus der Religionen ein zweites Standbein: Man setzt sich in eine Straßenbahn oder U-Bahn und kann an einem Tag sämtliche Weltreligionen besuchen. Wir haben mit allen unseren Gemeinschaften den Deal, dass in jeder religiösen Gemeinschaft, die zu uns gehört, jeweils nach vorheriger Verabredung circa 90 Minuten Führung stattfinden. Manchmal gibt es auch etwas zu essen. Es ist wirklich eine spannende Sache, in Hannover umher zu fahren und mal verschiedene Gemeinschaften zu besuchen.

Ihr habt da also schon Kontakte geknüpft und etwas in Planung …?

JL – Ja, neben den Makers for Humanity bin ich auch im Kulturraum Region Hannover e.V. tätig – und mit dem Freundeskreis zusammen führt der Verein sogenannte KulturPerlen-Fahrten durch. Und der übernächste Kulturausflug geht u. a. tatsächlich in das Haus der Religion. Wir wollen unseren Mitbürger*innen mit den KulturPerlen die Möglichkeit bieten, Hannover und die Region auch in der Tiefe wahrzunehmen. Ihr öffnet dafür die Türen, wir bringen die Leute, der Freundeskreis hilft dabei und das Stadtkind schreibt drüber. Fantastisch.

UD – In unserer Stadt gibt es so viele beeindruckende Initiativen, Projekte und Institutionen – häufig werden sie nicht wahrgenommen oder finanziert. Es ist schön, dass wir den Freundeskreis haben, denn manches könnte man noch mehr in den Focus rücken. Ich habe gerade mal 11 Jahre ein Projekt begleitet, dass nun eine feste Institution geworden ist, jetzt aber immer noch finanziell sehr zu kämpfen hat. Es ist wirklich dermaßen ein Klinkenputzen, damit man überleben kann und vielleicht für ein weiteres Jahr eine Stelle finanzieren kann. Wenn du irgendwo einen Antrag auf finanzielle Förderung stellst und du schreibst darin „Wir machen was Kulturelles“, dann wird das garantiert bezuschusst. In dem Moment, in dem du „Religion“ draufschreibst, wird überhaupt nichts bezuschusst. Dabei sind alle Religionen dem Frieden verpflichtet und wir zeigen mit diesem 1. und immer noch einzigen Haus der Religionen in Deutschland, welch „guten Boden“ Hannover hat, auch für die Integration und das kulturelle Miteinander. Und jetzt – und das ist ganz schrecklich und traurig – haben wir diese Kriege … und weil auch Antisemitismus und Rassismus plötzlich ganz oben auf der Agenda in der Politik stehen, gibt es auf einmal Geld, wofür wir ja auch dankbar sind. Aber es ist wirklich ein Trauerspiel, dass wir immer wieder über Jahre und Jahre sparen müssen – sparen, sparen und überall die Klinken putzen –, damit überhaupt diese wenigen Kolleg*innen, die bei uns im Haus arbeiten, bis zum Jahresende finanziert werden können. Im Moment haben wir 1 volle Stelle befristet auf 5 Jahre plus 2 halbe Projektstellen befristet auf 1 Jahr. Doch uns trägt immer noch die Hoffnung, dass es irgendwann mal so weit kommt, dass wir dauerhaft finanziert werden. Ein langfristiges Ziel wäre es, dass vier Stellen finanziert werden. Mit unserer FSJ`lerin und unseren Mitarbeitenden im Praktikum wären das 6 Arbeitsplätze. Das wäre etwas, was für mich wirklich großes Glück bedeuten würde

JL – So einfach ist es leider in der Kultur auch nicht. Aber ich möchte auch
einen kleinen Fokus aus unserer Maker-Perspektive hinzufügen. Und zwar ist es das Ehrenamt. Es muss ja gar nicht alles bezahlt sein, weil es noch mehr Werte gibt als nur Geld. Im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsinitiative habe ich mir einige Jahre mit klimapositiven Lifestyles beschäftigt. Na klar, man braucht auch Geld – aber glücklich wird man dadurch nicht, sondern durch nicht-monetäre Werte. Durch freiwilliges Engagement für ein Herzensthema bekommt man beispielsweise wertvolle soziale Kontakte. Man lernt dazu, hat authentische Erlebnisse, tut etwas Gutes. Auch das ist sinnvoll und wertvoll. Klar, das muss alles organisiert werden und dafür braucht es bezahlte Stellen – aber ich möchte einfach nochmals Danke sagen für Hunderttausende, die sich auch unterhalb dieser Schwelle in ihrer Freizeit, neben ihrem Job, neben der Familie engagieren – für ihre Gemeinschaft, für die Kultur, für das, was ihnen am Herzen liegt und uns allen auch eine gute Zukunft beschert.

UD – Das möchte ich gerne bekräftigen. Das ist bei uns ganz genauso. Das Forum der Religionen, der Rat der Religionen, unser Kuratorium, der Vorstand vom Haus der Religionen: alle arbeiten ehrenamtlich bei uns. Daneben gibt es einen hoch engagierten Kreis von Freiwilligen aus den verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die bei uns im Verein Mitglied sind. Unser Freiwilligenteam hält verlässlich Dienstags und Donnerstags von 16-19 Uhr unsere Dauerausstellung für Einzelbesuchende kostenfrei geöffnet.

JL – Das ist super investiertes Geld, weil die wenigen bezahlten Menschen ein unglaubliches Feld an Toleranz, an Kreativität und an Engagement organisieren. Ich bin der Meinung, so kann man eine Gesellschaft eigentlich viel besser zusammenhalten: Es ist hocheffizient, Geld in Kultur und Gemeinwohl zu investieren.

● CK/LD

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Zappelige Zebras e.V.

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Zappelige Zebras e.V.


Ehrenamtliches Engagement

Schon seit über 30 Jahren verbirgt sich hinter den Fassaden eines Wohnhauses in der Calenberger Neustadt ein Ort zum Wachsen und Wohlfühlen. In der Kindertagesstätte Zappelige Zebras e.V. stehen Bedürfnisorientierung und die individuelle Betreuung jedes Kindes an erster Stelle.

Insgesamt zehn Kinder im Alter von einem bis drei Jahren werden hier wochentags zwischen 7.30 Uhr und 15.30 Uhr liebevoll betreut. „Dabei achten wir ganz besonders darauf, auf die Wünsche der Kinder und Eltern einzugehen und auch ihre Grenzen zu respektieren“, betont Katharina Schecker, die im August 2023 die pädagogische Leitung der KiTa übernommen hat.

Das siebenköpfige Team besteht aus zwei Kindheitspädagoginnen, einer Erzieherin und einer sozialpädagogischen Assistentin sowie einer studentischen Hilfskraft mit abgeschlossener Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin und zwei Minijobberinnen. Gemeinsam begleiten sie die Kleinkinder durch einen geregelten Alltag. Der Tagesablauf soll Halt und Geborgenheit vermitteln, „dient aber vor allem der Orientierung und ist immer offen für Variationen“, so Schecker. Gemeinsam mit ihren Betreuerinnen haben die Kinder mittags die Möglichkeit, verschiedene Spielplätze und Wiesen in der Umgebung zu besuchen. Dienstags wird auf dem Lindener Wochenmarkt frisches Brot für das gemeinsame Frühstück gekauft, donnerstags musizieren die Kinder zusammen und freitags geht die Gruppe in eine nahegelegene Turnhalle.

Bei den verschiedenen Aktivitäten wird stets darauf geachtet, dass sich jedes Kind wohlfühlt und den Ablauf mitgestalten kann. Außerdem lernen die Kinder, ihre persönlichen Bedürfnisse und Grenzen zu erkennen und zu kommunizieren. „Wenn wir etwa merken, dass einem Kind etwas nicht gefällt, dann regen wir dazu an, das Problem zu äußern und zusammen nach einer Lösung zu suchen. Wir fragen die Kinder beispielsweise auch, bevor wir sie wickeln, ob das für sie in Ordnung ist und von wem sie gewickelt werden möchten“, erklärt Schecker. Auf diese Weise sollen die Kinder schon von klein auf lernen, dass ihre individuellen Bedürfnisse wahrgenommen und respektiert werden.

Ein besonderes Highlight für die Kinder sind ihre Geburtstage bei den Zappeligen Zebras. Diese werden nicht etwa in der KiTa gefeiert, sondern die gesamte Gruppe besucht das Kind bei sich zu Hause. „Kinder und Eltern verbringen einen gemeinsamen Tag, feiern, essen Kuchen und wir schenken dem Geburtstagskind ein Buch, das wir vorher mit dessen Eltern angesprochen haben“.

Das Konzept des Zappelige Zebras e.V. beinhaltet außerdem die Körperwahrnehmung der Kinder und eine geschlechtersensible Pädagogik. So werden den Kindern spielerisch und in altersgerechter Form gesunde Ernährung und eine gesunde Körperwahrnehmung beigebracht. Unter dem Motto „Hilf mir, es selbst zu tun“, das aus der Montessoripädagogik bekannt ist, werden die Kinder in die Zubereitung der Mahlzeiten eingebunden und lernen neben Selbstständigkeit auch die Vielfalt an gesunden Lebensmitteln kennen. Zudem soll jedes Kind die Chance haben, das Geschlecht für sich zu entdecken, ohne dabei von sozialen und gesellschaftlichen Normen in Rollen gedrängt zu werden. „Wir begleiten die Kinder in einer sehr frühen Entwicklungsphase, daher ist es uns wichtig, dass sie genügend Raum bekommen, sich damit auseinandersetzen zu können, wenn sie es möchten“. In regelmäßigen Abständen wird bei so genannten Entwicklungsgesprächen auch mit den Eltern Rücksprache zu diesen Themen und der Entwicklung ihrer Kinder gehalten.

In Trägerschaft einer Elterninitiative werden die Eltern der KiTa-Kinder auch anderweitig integriert. Für die Dauer des Betreuungsverhältnisses oder auf Wunsch auch länger treten sie dem Trägerverein bei und unterstützen das Betreuerinnen-Team bei täglichen Aufgaben. Hierfür erhalten alle Elternteile Schlüssel für die Räumlichkeiten und dürfen diese auch nach der Betreuungszeit gemeinschaftlich nutzen. Auf diese Weise soll ein vertrauensvolles Miteinander für alle Beteiligten geschaffen werden. Es wird ein freundschaftlicher und familiärer Umgang ermöglicht, der den Kindern als Vorbild dienen soll. „Wir schauen bei Bewerbungsgesprächen vor allem danach, ob es zwischenmenschlich passt“, sagt Schecker, „denn das Wohlfühlen steht bei uns immer an oberster Stelle!“

● Laura Druselmann

Zappelige Zebras e.V.
Lenaustr. 7, 30169 Hannover
Tel. 0511 14006

E-Mail: info@zappelige-zebras.de
http://www.zappelige-zebras.de

Anmeldung online unter www.zappelige-zebras.de/anmeldung.
Der Auswahlprozess für das jeweilige Krippenjahr (August bis Juli) beginnt im Herbst/Winter des Vorjahres.

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Der besondere Laden: RIVA GOLD

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Der besondere Laden: RIVA GOLD


You are Gold – Always believe in you…“ ziert nicht nur das Schaufenster und eine der Wände im neuen Geschäft von Diplom Designerin Steffi Spitzl, sondern inspiriert die gesamte Arbeit der Inhaberin und ihres Teams. „Für uns heißt das, sich selbst wertzuschätzen und sich etwas Gutes zu tun. Und das möchten wir an unsere Kund*innen weitergeben“.

Im November vergangenen Jahres hat die Gründerin des Riva und des Riva Maison am Lindener Marktplatz ihren dritten Laden eröffnet. Im Riva Gold erwartet Kund*innen eine große Auswahl an „poetischen, coolen modischen und individuellen Schmuckstücken“. Zum Sortiment zählen unter anderem Ohrringe, Ketten und Armbänder. Ein Großteil des Schmucks ist aus allergiefreiem Edelstahl oder 925er Silber, teils mit hochwertiger Vergoldung, gefertigt. Ergänzt wird das abwechslungsreiche Schmuckrepertoire durch farbige Elemente aus Süßwasserperlen, Kunstharz und Emaille. „Tolle Pflanzenposter, Spiegel und Schmuckständer, ausgewählte Tücher, Taschen und Geldbörsen runden unser Sortiment ab“.

Einige der Accessoires, wie etwa Haarspangen, bestehen aus biologisch abbaubarem Celluloseacetat. „Fairer Handel liegt uns am Herzen und wir bemühen uns, so nachhaltig wie möglich vorzugehen“, betont die Inhaberin. Zu den Partnern von Riva Gold gehören sowohl lokale Schmuckdesigner*innen als auch internationale Labels, die größtenteils für Fairness und Sustainability stehen. So arbeitet Riva Gold beispielsweise mit A Beautiful Story aus den Niederlanden zusammen, die Accessoires per Hand fertigen: „An jedem ihrer Schmuckstücke sind eine kleine Beschreibung und ein Bild der Person, die es hergestellt hat, befestigt. So bekommt man einen Eindruck von der Produktion und von den Menschen, die dahinterstehen“. Steffi Spitzl erklärt aber auch, dass solche detaillierten Infos über einen fairen Herstellungsprozess nicht auf das gesamte Sortiment zutreffen: „Hundertprozentig nachhaltig zu arbeiten, ist im Moment noch nicht möglich, aber für die Zukunft auf jeden Fallwünschenswert“.

Nachhaltigkeit genießt nicht nur bezüglich der Schmuckstücke im Riva Gold einen hohen Stellenwert, sondern auch im Umgang mit der Kundschaft. „Wir nehmen Ideen von außen immer gerne auf, gehen in den Austausch mit unseren Kund*innen und lassen uns von ihnen inspirieren“. Die Inhaberin des Riva Gold könne sich auch vorstellen, gemeinsam mit hannoverschen Designer*innen, mal eine eigene Schmuckkollektion zu entwerfen. Die große Auswahl an hochwertigen Schmuckstücken könnte auf diese Weise durch Riva-Unikate ergänzt werden.

Egal, ob Kund*innen für sich selbst nach Schmuck schauen oder nach Geschenken für ihre Liebsten suchen – das Team steht gerne zur Seite. „Wenn wir merken, wir können jemandem mit unserer zugewandten und fachkundigen Beratung bei der Auswahl von Schmuckstücken unterstützen, dann freut uns das sehr. Die Kund*innen sind begeistert und so multipliziert sich das Glück“. Im Riva Gold soll jede*r von einer angenehmen Atmosphäre empfangen werden, abschalten und schöne Momente erleben können. „Bei uns ist jede*r herzlich dazu eingeladen, das Gold in sich selbst und in anderen zu finden“, hebt Steffi Spitzl hervor. „Wir alle sind wertvoll und schön so wie wir sind und mit dem passenden Schmuckstück können wir, je nach Lust und Laune, das Bewusstsein dafür stärken und vor allem nach außen tragen“, ergänzt sie. „Kommt ins Gold, wir freuen uns auf euch!“.

Laura Druselmann

Riva Gold
Lindener
Marktplatz 9, 30449 Hannover

Tel. 0511 30023603
E-Mail:
mail@rivashop.de

www.rivashop.de

https://www.instagram.com/rivashop_hannover/
https://www.facebook.com/rivahannover

Öffnungszeiten:

Mo-Fr 11-18.30 Uhr, Sa 10-15 Uhr

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Ein offener Brief an die traurige Gemeinschaft der Scholz-Erklärer

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Ein offener Brief an die traurige Gemeinschaft der Scholz-Erklärer


Ihr Lieben, jetzt müssen wir euch zwischendurch mal ein bisschen den Rücken stärken. Es ist so traurig und quälend, das mit anzusehen. Aber haltet durch! Das Finale kommt bestimmt. Bald. Nur noch ein Weilchen. Bis es vorbei ist. Bis das Spiel gelaufen ist. Die Reihen schließen, ein Team sein! Team Scholz! Jetzt! Ab auf den Platz und Gras fressen! Und auch mal gegen den Ball spielen!

Entschuldigung, aber der Stepan Weil macht das auch immer. Fußball und SPD, das gehört ja irgendwie zusammen. Spätestens seit Gerhard „Acker“ Schröder. Mist, jetzt haben wir den bösen Namen gesagt, den niemand mehr sagen darf. Aber zumindest müsst ihr den jetzt nicht mehr erklären. Nur noch euren Scholz. Also, lieber Lars Klingbeil, liebe Saskia Esken, lieber Kevin Kühnert, liebe Katarina Barley, lieber Hubertus Heil, lieber Stephan Weil, liebes altgedientes Mitglied in Dortmund, liebe Genossin in Großheide und Nentershausen, liebe Gemeinschaft der Scholz-Erklärer, seid stark, auch wenn es weh tut. Auch wenn ihr euch quälen müsst wie ein Team unter Felix Magath. Ihr habt keine Wahl und unser Mitgefühl. Ihr müsst ihm jetzt die Treue halten, ihm den Rücken stärken. Alles andere wäre momentan auch politischer Selbstmord. Weil er im Hintergrund noch zu sehr die Fäden zieht. Wer jetzt den Aufstand wagt, riskiert den Kopf. Aufpassen! Der Scholzomat sieht alles. Also, Ruhe bewahren und bloß nicht öffentlich die Pistorius-Option erwähnen.

Diese Option bitte nur, wenn alle Türen zu sind. Dann kann man das unter vier Augen schon mal durchspielen. Ein bisschen in die Zukunft schauen. Demnächst diese Landtagswahlen. Die SPD degradiert zur Kleinstpartei im Osten. Es wird rumoren, es wird schwelen an der Basis, immer mehr werden Scholz den Rücken kehren, man wird sich noch weiter durchkämpfen mit ihm bis zum Sommer, bis zur Sommerpause, aber dann wird Schluss sein, dann wird Scholz zurückgetreten und Boris übernimmt exakt zwei Monate vor der Bundestagswahl. Der Clou! Die Union wird ihn in der kurzen Zeit kaum noch beschädigen können. Und der Sieg der Sozialdemokraten im September 2025 wird groß sein. Aber Pssst! Das gehört jetzt noch nicht in die Öffentlichkeit.

Jetzt ist erst noch eine ganze Weile „scholzen“ angesagt. Also Ungesagtes ergänzen, Gesagtes übersetzen, Grinsen zur Unzeit erklären, schlechte Witze relativieren, knappe Ansagen entschuldigen. Auch wenn es euch sichtbar körperliche Schmerzen bereitet. Auch wenn man euch den Widerwillen ansieht. Die leeren Augen, die hängenden Schultern. Lasst euch nicht beirren. Olaf Scholz ist der gewählte Kanzler und er wird Kanzler bleiben, er steht jetzt nicht zur Debatte. Und auch seine Kanzlerkandidatur im September 2025 steht nicht zur Debatte. Klar, ist ein Brüller. Wissen alle. Aber das ist jetzt das Wording. Bis zum Sommer 2025. Ist ja nicht mehr lang.

Und es könnte ja auch alles noch viel schlimmer sein. Zu „scholzen“ ist ja eigentlich relativ leicht. Man sagt einfach, dass er bestimmt das Richtige gemeint hat und dass er das halt nur mal wieder ein bisschen umständlich formuliert hat. Fertig. Stellt euch mal vor, ihr müsstet nicht „scholzen“, sondern „mützenichen“. Das, ihr Lieben, das wäre so richtig Folter.
● GAH
Foto: Tobias Rehbein / Pixabay.com

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El Kurdis Kolumne im Juli: Zwischen Seepferdchen und Diplomarbeit: Eine gebrochene Bildungsbiographie

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El Kurdis Kolumne im Juli: Zwischen Seepferdchen und Diplomarbeit: Eine gebrochene Bildungsbiographie


In diesem Jahr jährt sich der Abbruch meines Studiums zum 30. Mal. Offiziell, in der Statistik, gelte ich nämlich als „Studienabbrecher“. Inoffiziell, also quasi heimlich, habe ich selbstverständlich zu Ende studiert. Mit (fast) allem Drum und Dran. Nur zum Äußersten ließ ich es nicht kommen.

Hier die Details: Ende des letzten Jahrtausends absolvierte ich an der Universität Hildesheim ein Studium der „Kulturpädagogik“. Dieser aus der Not der einstmals existierenden Lehrerschwemme geborene Studiengang war der Vorgänger der diversen „Kulturwissenschafts“-Studiengänge, die heute so in Hildesheim angeboten werden. Soweit ich informiert bin, sind die Studieninhalte aber immer noch ähnlich, nur etwas ausdifferenzierter. Ich vermute mal, dass das „Pädagogik“-Anhängsel in der Studiengangbezeichnung den Verantwortlichen irgendwann peinlich war, weil es zu sehr nach „Sozialpädagogik“ und 70er-Jahre klang. Also änderte man den Namen. Mal abgesehen davon, dass das Berufsfeld und die Ausbildung der Sozialpädagog*innen meiner Meinung nach zu Unrecht belächelt werden, hatte unser Studium tatsächlich sehr wenig damit gemein. Man konnte zwar Pädagogikkurse belegen, musste aber nicht, wenn man nicht wollte. Stattdessen konnte man auch Philosophie, Soziologie oder Politik als „Beifach“ zu den künstlerischen Fächern wählen. Oder so tun, als ob.

Wie dem auch sei: Die damalige Kulturpädagogik-Prüfungsordnung verlangte perfiderweise, dass man zunächst seine Abschlussprüfungen machte und erst dann, also im Anschluss, eine Diplom-Arbeit schrieb. Was dazu führte, dass eine erkleckliche Anzahl von Studierenden brav die mündlichen und schriftlichen Prüfungen absolvierte, um sich anschließend sofort und gnadenlos im Leben zu verfranzen. Indem sie ABM-Stellen annahmen, nachts in postmodernen Spelunken kellnerten oder schlicht depressiv wurden, weil die Freundin oder der Freund sich jetzt doch dafür entschieden hatte, lieber mit dem Ralf oder der Petra nach Freiburg zu ziehen.

Welche meine Gründe waren, kann ich nicht mehr genau rekonstruieren. Wahrscheinlich alle drei auf einmal. Vielleicht fand ich es auch einfach albern, diese Arbeit zu schreiben. Mein Lieblingsprofessor sagte in einer meiner mündlichen Prüfungen: „Sie machen den Eindruck, als ob sie es für eine Unverschämtheit halten, überhaupt geprüft zu werden.“ Ich konnte ihm nicht widersprechen. Schließlich hatte ich nicht nur die vorgeschriebenen neun Semester, sondern vor lauter Begeisterung sogar noch zweieinhalb Jahre länger in Seminaren und praktischen Übungen Engagement und neurodiverses Verhalten gezeigt, sogar hin und wieder die übermenschliche Leistung vollbracht, zu Veranstaltungen um 10 Uhr (s.t.) zu erscheinen, hatte mindestens drei Mal in der Woche in der am Bolognese-Tag nach Erbrochenem riechenden Uni-Mensa gegessen und dazu noch in meinem Nebenfach Musik eine Prüfung in „Ensembleleitung“ aka „Dirigieren“ nicht nur nicht verweigert, sondern – au contraire – auch noch bestanden, wofür ich mich heute noch ein bisschen schäme. Und jetzt sollte ich auch noch eine 100-Seiten-Arbeit schreiben? Pardon, irgendwo ist dann auch mal Schluss, finde ich.

Ich gebe das hier auch nur zu Protokoll, damit nicht etwa irgendwann jemand sagt: „Wie bitte? Sie schreiben seit Jahrzehnten eine Stadtmagazin-Kolumne OHNE Hochschulabschluss? Wie können Sie es wagen?! Normalerweise braucht man dafür einen Dr. phil. oder einen PhD! Mindestens einen B.Sc., Sie Hochstapler, Sie!“

Also, ich hab’s ja jetzt zugegeben. Nicht, dass sich da demnächst die Investigativ-Journalisten des SPIEGELS oder der ZEIT dahinterklemmen. Außerdem kann es ja auch sein, dass ich doch noch mal in ein Ministeramt schlittere oder man mich zwingt, auf dem Intendantensessel eines Drei-Sparten-Theaters oder einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Platz zu nehmen. Spätestens bei der Besetzung eines solchen Postens wird ja inzwischen jeder Lebenslauf, jeder Abschluss, jede Doktorarbeit sofort faktengecheckt. Hat man abgeschrieben, falsch zitiert oder aus einem Strandurlaub in Italien ein Erasmus-Semester gemacht: Zack, weg vom Fenster! Damit das jetzt mal endgültig klar ist, liebe Hannoveraner*innen, sehr verehrtes Deutschland: Die einzigen Abschlüsse, die ich besitze, sind: a) Die Fahrradprüfung aus der 4. Klasse und b) ein solides Zweikommairgendwas-Abi. Und natürlich: das Seepferdchen.

Mal sehen, ob ich doch noch zurücktreten muss, von was auch immer, wenn jemand rausfindet, dass das mit dem Seepferdchen gelogen ist.
● Hartmut El Kurdi

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