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Der Freundeskreis im Gespräch im November

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Der Freundeskreis im Gespräch im November


Interview des Freundeskreis Hannover am 07.10.2022 mit Kerstin Berghoff-Ising und Dr. Heike Schmidt

In diesem Monat unterhalten wir uns mit Kerstin Berghoff-Ising (KB), der Vorständin der Sparkasse Hannover und Dr. Heike Schmidt (HS), der Chefredakteurin der nobilis. Sie sind beide Mitglieder des Freundeskreis e.V. und sprechen mit uns über den Umgang mit Krisenzeiten und den potenziellen Konsequenzen.

Beginnen wir damit, dass ihr euch vorstellt: Wer seid ihr und was macht ihr?

KB – Ich bin Kerstin Berghoff-Ising. Ich lebe schon mein Leben lang in der Region Hannover, arbeite bei der Sparkasse als Vorständin und bin zuständig für das Personal, für die Orga, die IT und für das Privatkundengeschäft. Ich bin verantwortlich für den gesamten Personalbereich und Themen wie Mitarbeiterbindung, Mitarbeiterentwicklung und Arbeitgeberattraktivität. Das bedeutet unter anderem, dass ich dafür sorge, dass innerhalb einer Sparkasse sowohl für die Kundinnen und Kunden als auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alles reibungslos abläuft.

HS – Mein Name ist Heike Schmidt. Ich komme nicht aus der Region Hannover, wohne aber schon lange hier. Ich stamme aus dem schönen Weserbergland in der Nähe von Porta Westfalica, bin als Studentin hierhergekommen und habe ganz klassisch Germanistik und Geschichte studiert. In Geschichte habe ich promoviert, anschließend bei der HAZ volontiert und war dann lange dort tätig. Seit vier Wochen bin ich Chefredakteurin der nobilis. Die nobilis gibt es seit 40 Jahren in Hannover und ich glaube, sie ist inzwischen der Titel schlechthin, wenn man etwas über die schönen Dinge lesen möchte. Sie ist konkurrenzlos – so eitel bin ich jetzt mal – das Hochglanzmagazin für Hannover und in Hannover. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, nicht nur in der Stadt präsent zu sein, sondern auch Gesprächsthemen anzumoderieren und zu schauen, wo die Interessen der Menschen liegen. Da haben wir mit dem Freundeskreis e.V. tatsächlich ein Stück weit eine Gemeinsamkeit.

Wo wir gerade beim Freundeskreis sind: Wie kam es denn jeweils zu der Entscheidung, sich dort zu engagieren oder mitzumachen?

KB – Zum Freundeskreis bin ich beruflich als aktives Mitglied der Sparkasse gekommen und habe dort auch eine Zeit lang im Vorstand mitgearbeitet. Ich bin einfach davon überzeugt, dass es Menschen in unserer Stadt geben muss, die sie für uns Bürgerinnen und Bürger lebens- und liebenswert erhalten – und dazu gehört auch das Miteinander und ein offener Dialog.

HS – Ich bin über die Kunst und Kultur zum Freundeskreis gekommen, als mich der Finanzvorstand des Landesmuseums darauf angesprochen hat.

Dass es hier lebenswert bleibt … Ist das eine Frage, die in der letzten Zeit dringlicher geworden ist?

KB – Durch den Lockdown konnten viele Kulturinstitutionen nicht besucht werden. Leider sind die Besucherzahlen auch heute noch  weit unter dem Niveau vor der Pandemie. Ich bin privat Schauspiel- und Opernhausgängerin und die Häuser sind einfach nicht voll. Am Anfang hatte es sicherlich den Grund, dass man noch Angst vor der Pandemie und der Ansteckungsgefahr hatte. Wir laufen jetzt aber gerade in eine Situation, in der es möglicherweise auch etwas mit den finanziellen Möglichkeiten der Menschen zu tun hat. Wenn dadurch ganze Institutionen infrage gestellt werden, dann wird das mittelfristig auch Konsequenzen für die Lebensqualität in unserer Region haben.
HS – Das kann ich nur unterstützen, denn ich war am Samstag in der Oper und habe mich erschreckt. Es war wirklich toll gemacht, aber es war nicht voll. Wenn das dem großen Opernhaus schon so geht, wie soll es dann den ganzen kleinen Theatern gehen, die Hannover ausmachen und so liebenswert machen? Jetzt ist Corona vorbei – oder man glaubt es zumindest –, aber die Leute halten wirklich das Geld zusammen, weil es auf anderer Ebene schwierig wird.

Es ist also vor allem die finanzielle Lage, die dafür sorgt, dass die Leute zu Hause bleiben? Es gab ja auch vielfach die Befürchtung, die Leute hätten es verlernt, auszugehen.

KB – Ich glaube schon, dass da etwas dran ist. Man ist vielleicht auch bequem geworden, weil es abends so nett zu Hause ist; oder man ist im Home Office und geht gar nicht erst raus. Aber ich glaube, dieses Thema um finanzielle Sorgen und die Frage, was noch auf uns zukommt, ist noch gewichtiger. Ich würde es gut und wichtig finden, wenn wir gemeinschaftlich mit allen, die die Möglichkeiten haben, Geld zu geben, versuchen, diese Institutionen für unsere Stadt zu erhalten. Umso wichtiger ist es, dass viele Mitglieder auch Fördermitglieder sind. In Hannover gab es ja mal so eine Kultur in den 1920er-Jahren, in der die Bürger*innen das auch geschafft haben.
HS – Die Kestner Gesellschaft wurde ja beispielsweise zu Krisenzeiten gegründet und war durchaus eine Säule in der Stadt. Das ist sie ja heutzutage noch immer. Das ist tatsächlich eine sehr interessante und auch hochaktuelle Gründungsgeschichte, weil sie einfach für Mut in der Kultur steht. Ich glaube, das macht Hannover aus. Und die Kunst- und Kulturszene ist hier sehr ausgeprägt, auch durch die Kleinen.

Die Krise trifft ja auch andere Städte: Steht man in Hannover vielleicht etwas besser da, weil die Fülle der Kunst- und Kulturszene dazu führt, dass man – etwas zynisch gesprochen – etwas mehr hat, wovon jetzt ein Teil wegzubrechen droht?

KB – In unseren Generationen hatten wir das Glück, dass wir ausschließlich in Frieden gelebt haben und die Menschen, die jetzt hierherkommen – egal woher –, schon ganz andere Erfahrungen in ihren Leben machen mussten. Wir hatten das große Glück, dass unsere Eltern diesen Frieden ermöglicht haben und wir ihn auch leben dürfen. Darüberhinaus leben wir in einem stabilen sozialen Rahmen, der uns unser Leben so ermöglicht. Jetzt erkennen wir – und das macht vielen Sorgen –, dass wir auch auf etwas werden verzichten müssen. Ich wünsche mir, dass wir alle mehr Zuversicht haben und wissen, dass wir diese wirtschaftliche Situation durchstehen können, wenn wir zusammenstehen.

HS – Das ist fast eine philosophische Frage. Es ist immer die Perspektive, die man sehen muss. Wenn ein Kind hinfällt und sich das Knie aufschlägt, kann man ihm nicht sagen, das sei nicht schlimm; denn für das Kind ist es schlimm. Das ist ein persönliches Empfinden eines jeden Einzelnen – und da kann ich mich ja nicht drüber stellen. Der Punkt bei den Krisen ist, dass durch Ungewissheiten Ängste entstehen: So funktioniert im Grunde jeder Edgar-Wallace-Film: Irgendwo steigt Nebel auf, man sieht nicht, was kommt – und dann kommt der Schreckmoment. Wenn es aber bestimmte Strukturen gibt, die man logisch nachvollziehen kann, dann kann man sich darauf einstellen – und dann ist die Unsicherheit nicht so groß. Wenn man also sehen würde, wie so ein Edgar-Wallace-Film gedreht wird, wäre einem klar, dass man keine Angst haben muss. Wenn ich also dafür sorge, dass es Strukturen gibt, die man verstehen kann, dann nehme ich den Menschen so ihre Angst. Dann ist es nicht mehr ungewiss und das Thema bekommt Kontur und eine Kontur kann man greifen.

Es steigen ja nicht nur die Energiepreise, sondern nahezu alles wird teurer, es steigen z. B. auch die Papierpreise. Wie sieht die Situation bei euch aus?

HS – Für den Papiereinkauf bin ich selbst nicht zuständig, aber ich weiß, dass im April dieses Jahres die Papierpreise auf das Dreifache gestiegen sind. Gleichzeitig sinken die Auflagen der Tageszeitungen – und es ist weniger Altpapier im Umlauf.

Wenn der Preis steigt und gleichzeitig auf lange Sicht für alle Bürger*innen die Preise steigen, befürchtest du, dass die Leute weniger dazu bereit sind, Geld für ein Magazin auszugeben?

HS – Ich denke, dass die Menschen weiterhin ein Magazin lesen werden. Das glaube ich ganz bestimmt. Ich denke, dass sie das eher lesen werden als eine Tageszeitung, denn wir haben Hochglanzpapier, wir haben eine längere Verweildauer auf den Tischen, wir sind ein Monatsmagazin. Meine Aufgabe ist es auch tatsächlich, das so hochwertig und so schön zu gestalten, dass die Leute da gerne reingucken. Ich muss natürlich dazu spannende Geschichten erzählen, die die Leute gerne lesen wollen. Wenn ich das noch mit Service verknüpfen kann, umso besser. Ich versuche, einen Mehrwert zu bieten. Nicht nur einfach eine Geschichte, sondern die Leser*innen sollen auch was davon haben. Deswegen glaube ich, das Magazin wird schon weiterhin gelesen.

Der Ausblick in die Zukunft ist also optimistisch?

HS – Total.

Die Sparkasse selbst wird sich vermutlich auch keine Sorgen machen müssen. Wie blickst du auf die Zukunft der Kunden?

KB – Wir werden jetzt im nächsten Jahr 200 Jahre alt , ein echtesTraditionsunternehmen. Wir sind ein Institut, das mit seinen Kundinnen und Kunden durch dick und dünn geht und von daher bin ich mir sehr sicher, dass wir auch noch in fünf oder zehn Jahren die Sparkasse Hannover haben werden. Auch, weil wir uns Gedanken machen, wie wir attraktiv bleiben können. Wir gründen zum Beispiel gerade ein Beratungscenter für Nachwuchskunden, in dem sie sich ausschließlich online von uns beraten lassen können. Wir haben eine Sparkassen-App, in der man sich digital quasi alles selbst organisieren kann, und haben dann den Mehrwert, dass, wenn man eine Finanzentscheidung treffen will, man das auch ausschließlich online machen kann. Das ist für Menschen zwischen 18 und 30 und ich bin sicher, dass wir so auch noch mindestens 300 Jahre alt werden.

Früher gab es ja gelegentlich Unmut über Online-Banking, Filialschließungen und schwindende Kontoauszugsautomaten. Hat sich das verändert?

KB – Als Sparkasse Hannover – das gilt natürlich auch in der gesamten Bankenbranche – haben wir uns beim Thema SB-Bereich so organisiert, dass die Kunden sehr vieles online erledigen können. Daneben bieten  wir tagtäglich persönliche Beratungen in der Zeit von 9 Uhr bis 19 Uhr an. Mit Blick auf die Menschen der jüngeren Generation, die mit dem Smartphone aufgewachsen ist, stellt sich  die Frage: Wie wollen sie beraten werden und wie wollen sie mit ihrem Finanzberater in Kontakt treten? Das haben wir unsere Kundinnen und Kunden gefragt – und die Rückmeldung bekommen, dass ein medialer Zugang großartig wäre, weil sie dann entscheiden können, wann und wo die Sparkasse für sie da ist. Übrigens, quer durch alle Altersgruppen. Es ist ein Trend beziehungsweise ein Kundenwunsch und denen erfüllen wir.
HS – Ich glaube auch, dass das funktioniert, weil – ich kann da nur von mir reden – ich ja schon genervt bin, wenn ich einen Beleg habe, den ich bei der Krankenkasse einreichen muss, und die App nicht funktioniert. Das wird gescannt und dann ist es weg und dann muss ich mich nicht noch um den Umschlag und die Briefmarke und das alles kümmern. Ich glaube, das ist tatsächlich ein Modell, das Zukunft hat.
KB – Es ist ja auch nicht so, dass wir dadurch Menschen ersetzen. Die Berater sind ja weiterhin da, nur der Zugang zu ihnen ist anders.

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08-2022 Der Freundeskreis im Gespräch

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08-2022 Der Freundeskreis im Gespräch


Malte Wulf, Rebecca Speitel & Meike Luedtke

In diesem Monat treffen wir die Freundeskreismitglieder Rebecca Speitel (RS) und Malte Wulf (MW), die beide auf ihre ganz eigene Weise ein Bild der Stadt zeichnen. Rebecca führt gemeinsam mit Meike Luedtke den Instagram-Account hannoverleben und beide sind zudem auch Stadtführerinnen. Zusammen stellen sie Hannovers Gastronomie, Menschen, Kultur- und Ausflugstipps vor. Malte Wulf ist Stadtzeichner, eröffnet mit seinen Zeichnungen ganz neue Perspektiven auf die Stadt und begeistert Groß und Klein.

Stellt euch doch erst einmal kurz vor!

MW: Ich bin Malte Wulf, 1967 geboren, verheiratet, habe keine Kinder, aber einen Hund. Immerhin. Einen Labrador mit dem Namen Bowski. Mit dem bin auch tatsächlich meistens unterwegs, in Hannover mit dem Lastenrad. Der sitzt dann vorne im Körbchen und passt immer mit auf, der guckt mit, was ich wohl zeichnen könnte. Ich bin eigentlich Architekt, ich habe vor vielen Jahren Architektur studiert und habe ein eigenes Büro in Hannover – N2M Architekten. Vor zehn Jahren habe ich dann so richtig losgelegt mit dem Zeichnen, ich habe nebenbei einen Lehrauftrag bekommen für Freihandzeichnen an der Fachhochschule in Bielefeld und so hat sich das entwickelt. Irgendwann bin ich in der Folge in Hannover in diese Urban-Sketcher-Szene reingerutscht, die es hier gibt. Und das hat mich nur noch mehr motiviert weiterzumachen. Momentan zeichne ich neben meinem Beruf fast jeden Tag, ich habe immer ein Skizzenbuch dabei. Außerdem habe ich noch zwei Lehraufträge an der Hochschule Hannover bei den Innenarchitekt*innen und an der Hochschule in Bielefeld, Campus Minden, dort unterrichte ich freies Zeichnen.

RS: Ich bin Rebecca Speitel, Jahrgang 1991 und bin gebürtige Hannoveranerin. Ich bin hier aufgewachsen, zur Schule gegangen usw., war dann nur fürs Studium weg, aber auch nicht weit, in Oldenburg und Osnabrück und im Anschluss als Au-Pair kurz in England. Ich bin dann aber schnell wieder zurückgekommen. Ich arbeite eigentlich im Bereich der Verwaltung, habe auch „Öffentliche Verwaltung“ studiert und bin jetzt an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Und nebenbei betreibe ich mit meiner Freundin Meike zusammen, die ist Historikerin, den Instagram-Account hannoverleben. Wir berichten darüber, was man in Hannover machen kann oder über Unternehmen aus Hannover oder oder oder … Uns interessiert eigentlich alles, was mit Hannover zu tun hat und was zeigt, dass man in Hannover viel erleben kann. Nebenbei machen wir auch noch Stadtführungen und sind somit am Wochenende oft unterwegs und zeigen entweder Gästen oder Hannoveraner*innen die Stadt.

Wie ist das Projekt hannoverleben entstanden?

RS: Tatsächlich habe ich als Studentin in der Tourist Information gearbeitet und ich finde, wenn man in der eigenen Stadt aufwächst, dann kriegt man gar nicht so viel mit bzw. nimmt das alles als selbstverständlich hin. Plötzlich entdeckt man dann aber diese ganzen Flyer hinter sich oder gibt den Gästen Tipps, was am Wochenende los ist, und merkt: „Ach, ist doch ganz schön lange her, dass ich auf dem Aussichtsturm im Neuen Rathaus oder im Historischen Museum war.“ Ich habe mich dort mit einer Kollegin sehr gut verstanden, die zu dem Zeitpunkt schon Stadtführungen gemacht und auch internationale Blogger*innen betreut hat. Und diese – wir reden jetzt von 2015 – haben ihr immer gesagt, dass sie gar nichts über Hannover in den sozialen Medien finden. Da müsste eigentlich mal etwas gemacht werden. Darum wollten wir ursprünglich einen Blog machen. Das haben wir auch, allerdings war das sehr zeitintensiv. Irgendwann hat sie dann gesagt, dass sie jemanden kenne, die ebenfalls Stadtführungen macht,und dass wir uns mal kennenlernen sollten und gut zueinander passen würden – sie meinte Meike. Also haben wir uns kennengelernt, mochten uns auf Anhieb und haben beschlossen, wir machen das jetzt zusammen und bauen das noch ein bisschen aus. So ist hannoverleben entstanden. Der Name ist übrigens ein Wortspiel aus „Leben“ und „erleben“. Wir wollen damit gegen dieses typische Hannover-Image ankämpfen und zeigen, dass man in Hannover sehr viel erleben kann.

Ihr nehmt ja beide die Stadt Hannover ganz besonders unter die Lupe und zeichnet beide, auf sehr unterschiedliche Weise, ein Bild der Stadt. Warum Hannover? Was macht Hannover so besonders?

MW: Es ist erstmal die Stadt, in der ich lebe. Im Moment zwar nicht, aber eigentlich ist Hannover meine Stadt. Ich bin gerade aufs Land umgezogen, aber ich arbeite nach wie vor in Hannover, ich habe hier mein Büro. Hannover ist eine der Großstädte, in denen ich mich am wohlsten fühle. Und tatsächlich, wenn es ein Zuhause ist, dann liegt es einfach nahe, sich um die Heimat zu kümmern. Mir kann keiner erzählen, dass Hannover hässlich ist. Das ist totaler Blödsinn. Oder dass es langweilig ist. Oder dass es wenig zu sehen oder zu erleben gibt. Vom kulturellen Leben her finde ich Hannover kaum zu schlagen. Das muss ich wirklich sagen, Hannover hat einfach die genau richtige Größe. Die großen Bands, die großen Konzerte und die großen Theaterschauspieler kommen nach Hannover. Wir haben tolle Museen und großartige Architektur in der Stadt, gute Architekt*innen und Künstler*innen. Über Linden gibt es ja diese Scherze, das sei der Prenzlauer Berg des kleinen Mannes. Das ist totaler Quatsch. Das hat einfach so seinen ganz eigenen Charme. Ich kenne den Prenzlauer Berg gut, ich finde, Linden hat mit dem Prenzlauer Berg wenig bis gar nichts zu tun. Man könnte das auch andersherum sagen: Linden gibt‘s schon ein bisschen länger.

RS: Bei mir ist das ähnlich. Ich bin hier aufgewachsen und groß geworden, Hannover ist einfach meine Heimatstadt. Und ich finde, je mehr man sich mit Hannover beschäftigt, desto mehr schlägt das Herz für Hannover, weil man wirklich immer wieder etwas Neues entdeckt. Ich finde, Hannover ist beispielsweise eine Stadt, die sehr über die Stadtteile lebt. Die Stadtteile sind ausgesprochen unterschiedlich. Ich wohne in der List und wohne da sehr gerne, aber ich mache auch gerne mal einen Abstecher in die Nordstadt oder nach Linden. Ich finde das ganz spannend, diese unterschiedlichen Facetten zu entdecken. Die Menschen identifizieren sich sehr stark mit ihrem Stadtteil. Ansonsten ist mein Hauptargument auch immer, dass Hannover die perfekte Größe hat. Wir sind groß genug, dass alle kommen, dass hier alles stattfindet, dass man alles hat. Aber trotzdem ist Hannover noch so dörflich, dass man fast immer irgendjemanden trifft oder kennt. Außerdem ist Hannover so kompakt, dass die Wege kurz sind. Der öffentliche Nahverkehr ist ebenfalls gut ausgebaut und man kann eigentlich alle Strecken mit dem Fahrrad zurücklegen. Das ist ein großer Pluspunkt dieser Stadt.

MW: Das finde ich auch. Es kann passieren, dass man morgens den Oberbürgermeister auf dem Fahrrad trifft, das ist schön. Das gefällt mir, das hat viel Charme. In Berlin würde einem das nicht passieren.

Malte, du wohnst ja jetzt schon seit 25 Jahren in Hannover. Geben deine Streifzüge mit dem Skizzenbuch überhaupt noch etwas her oder hast du schon alles gesehen?

MW: Bei weitem nicht, ich habe noch längst nicht alles gesehen. Ich find’s manchmal ganz kurios, ich habe so das Gefühl, mein Radius wird immer kleiner, aber ich sehe immer mehr. Ich entdecke immer mehr. Und manchmal – ich bin gerade fünfundfünfzig geworden – habe ich Angst, dass ich das alles gar nicht mehr schaffe.

Das ist ja oft so, dass man beim genaueren Hinschauen noch viel mehr entdeckt. Dinge, an denen man sonst vielleicht täglich vorbei geht, denen man sonst kaum Beachtung schenkt.

MW: Es gibt diese schöne Gedichtzeile von Arno Holz: Myriaden Äonen versank ich in die Wunder eines einzigen Tautröpfchens. Es erschlossen sich immer neue. So kommt mir das auch manchmal vor. Es wird immer weiter, immer kleinteiliger. Die großen Sachen habe ich wirklich schon alle gezeichnet, den Bahnhof, die Oper, das ist alles schon erledigt. Aber da ist noch viel, viel mehr. Ich glaube, das wird es Rebecca ähnlich gehen. Du entdeckst wahrscheinlich auch noch viel. Du bist auch längst nicht fertig mit der Stadt.

RS: Nein! Man wird immer wieder auf etwas aufmerksam und hat dauerhaft eine ellenlange To-Do-Liste, was man alles noch besuchen oder sich anschauen möchte. Ich glaube, das wird nie aufhören.

Was sind für euch besonderen Momente, wenn ihr unterwegs seid?

RS: Ich habe vorhin schon gedacht, was Hannover vor allem ausmacht, das sind tatsächlich die Menschen. Wenn es ums Image geht, dann werden wir ja immer als zögerlich, zurückhaltend und auch ein bisschen kühl charakterisiert. Aber ich finde, wenn man die Leute erst geknackt hat, dann sind Hannoveraner*innen einfach unglaublich herzlich. Meike und ich haben das schon total oft festgestellt, dass wir so dankbar sind für diesen Job, weil wir dadurch natürlich ganz viele Menschen kennenlernen, die man sonst so nicht oder nicht so intensiv kennenlernen würde. Und da sind ganz viele Bekanntschaften und auch Freundschaften draus entstanden. Wenn man zu einem Restaurant geht und den Inhaber kennt, dann ist das gleich etwas ganz anderes. Das kann man als Stammgast natürlich auch erreichen, aber dann bei zwei, drei Läden und nicht bei zehn Geschäften. Und das ist wirklich bei fast jeder und jedem Hannoveraner*in, dass wir das Gefühl haben, sie stecken unglaublich viel Leidenschaft und Herzblut in ihre Projekte.

MW: Das kann ich so unterschreiben. Ganz besonders sind die Begegnungen mit den Leuten. Das ist bei mir natürlich nicht der Normalfall, wenn ich unterwegs bin, dass ich jedes Mal mit jemandem spreche, aber schon ziemlich häufig. Ich bin gerne sonntagmorgens unterwegs, relativ früh, und wenn man dann so in der Stadt unterwegs ist, passiert es einem tatsächlich, dass Menschen aus ihrem Haus kommen und mir eine Tasse Kaffee hinstellen oder einen Becher Tee. Ich glaube, viele Menschen empfinden es als wertschätzend, wenn man ihr Haus zeichnet. Das macht Spaß. Großartig sind auch die Begegnungen bei Nessis-Promi-Talk, eine Veranstaltung von Nerissa Rothhardt, die macht für einen guten Zweck einen Talk im anna leine, ein kleines Inklusionscafé an der Leine. Die Leute zahlen keinen Eintritt, aber es wird gespendet, die schmeißen ordentlich was in den Hut. Ich sitze dort immer und zeichne die Gäste, das ist ganz lustig. Und das sind echt tolle Begegnungen. Wenn man jemanden zeichnet, ist das schon sehr intensiv. Ich mache an so einem Abend sechs, sieben, acht Zeichnungen. Ganz schnelle, kleine Skizzen. Und man kommt ganz schön dicht dran. Das ist ganz toll, das liebe ich sehr. Ich würde gar nicht sagen, dass ich ein großartiger Porträtzeichner bin, überhaupt nicht, aber es macht trotzdem riesengroßen Spaß.

Was sind eure Pläne und Ziele für die Zukunft. Was kommt noch auf die Hannoveraner*innen zu?

MW: Ich habe das Glück, dass ich dieses Jahr noch relativ viele Kurse in der Kunstfabrik Hannover geben darf. Das finde ich ganz schön. Diese Lust am Zeichnen grassiert momentan, habe ich den Eindruck. Es kommt mir so vor, dass immer mehr Menschen zeichnen wollen und Freude daran haben. Dazu mache ich gerade mit Matthias Brodowy ein Projekt. Er schreibt ein neues Buch mit Geschichten über Hannover und ich mache die Zeichnungen dazu. Nicole Friedrichsen will auch ein Buch schreiben und da werde ich ebenfalls ein paar Zeichnungen liefern. Das sind so die näheren Pläne.

RS: Wir wollen versuchen, den Account und die Touren noch stärker miteinander zu verknüpfen und auch noch mehr Touren neu zu entwickeln, die dann über uns direkt laufen. Meike hat ihre Touren als Historikerin bisher immer freiberuflich angeboten, ich mache sie hauptsächlich für die HMTG. Es liegt nahe, dass wir unsere Stadtführungen unter hannoverleben laufen lassen. Wir sind da immer voller Ideen, bräuchten nur einfach mehr Zeit. Und was ich noch gar nicht erwähnt habe, ist unser Gin. Wir haben zusammen mit cucumberland einen Gin entwickelt, in dem ebenfalls eine große Portion Hannover-Liebe steckt: den „Bellawuppdich“. Sowohl in der Herstellung als auch den Botanicals, der Namensgebung und dem Etikett ist ein lokaler Bezug erkennbar. Und das ist natürlich auch ein Ziel, dass wir unseren Gin noch ein bisschen mehr in Hannover bekannt machen.

Jule Merx

Mehr Infos:

hannoverleben von Rebecca und Meike

Instagram und Facebook: hannoverleben

zukünftig: www.hannoverleben.com

Malte Wulf, der Stadtzeichner

www.stadtzeichner.de

Instagram: malte_der_stadtzeichner

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