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08-2022 Der Freundeskreis im Gespräch

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08-2022 Der Freundeskreis im Gespräch


Malte Wulf, Rebecca Speitel & Meike Luedtke

In diesem Monat treffen wir die Freundeskreismitglieder Rebecca Speitel (RS) und Malte Wulf (MW), die beide auf ihre ganz eigene Weise ein Bild der Stadt zeichnen. Rebecca führt gemeinsam mit Meike Luedtke den Instagram-Account hannoverleben und beide sind zudem auch Stadtführerinnen. Zusammen stellen sie Hannovers Gastronomie, Menschen, Kultur- und Ausflugstipps vor. Malte Wulf ist Stadtzeichner, eröffnet mit seinen Zeichnungen ganz neue Perspektiven auf die Stadt und begeistert Groß und Klein.

Stellt euch doch erst einmal kurz vor!

MW: Ich bin Malte Wulf, 1967 geboren, verheiratet, habe keine Kinder, aber einen Hund. Immerhin. Einen Labrador mit dem Namen Bowski. Mit dem bin auch tatsächlich meistens unterwegs, in Hannover mit dem Lastenrad. Der sitzt dann vorne im Körbchen und passt immer mit auf, der guckt mit, was ich wohl zeichnen könnte. Ich bin eigentlich Architekt, ich habe vor vielen Jahren Architektur studiert und habe ein eigenes Büro in Hannover – N2M Architekten. Vor zehn Jahren habe ich dann so richtig losgelegt mit dem Zeichnen, ich habe nebenbei einen Lehrauftrag bekommen für Freihandzeichnen an der Fachhochschule in Bielefeld und so hat sich das entwickelt. Irgendwann bin ich in der Folge in Hannover in diese Urban-Sketcher-Szene reingerutscht, die es hier gibt. Und das hat mich nur noch mehr motiviert weiterzumachen. Momentan zeichne ich neben meinem Beruf fast jeden Tag, ich habe immer ein Skizzenbuch dabei. Außerdem habe ich noch zwei Lehraufträge an der Hochschule Hannover bei den Innenarchitekt*innen und an der Hochschule in Bielefeld, Campus Minden, dort unterrichte ich freies Zeichnen.

RS: Ich bin Rebecca Speitel, Jahrgang 1991 und bin gebürtige Hannoveranerin. Ich bin hier aufgewachsen, zur Schule gegangen usw., war dann nur fürs Studium weg, aber auch nicht weit, in Oldenburg und Osnabrück und im Anschluss als Au-Pair kurz in England. Ich bin dann aber schnell wieder zurückgekommen. Ich arbeite eigentlich im Bereich der Verwaltung, habe auch „Öffentliche Verwaltung“ studiert und bin jetzt an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Und nebenbei betreibe ich mit meiner Freundin Meike zusammen, die ist Historikerin, den Instagram-Account hannoverleben. Wir berichten darüber, was man in Hannover machen kann oder über Unternehmen aus Hannover oder oder oder … Uns interessiert eigentlich alles, was mit Hannover zu tun hat und was zeigt, dass man in Hannover viel erleben kann. Nebenbei machen wir auch noch Stadtführungen und sind somit am Wochenende oft unterwegs und zeigen entweder Gästen oder Hannoveraner*innen die Stadt.

Wie ist das Projekt hannoverleben entstanden?

RS: Tatsächlich habe ich als Studentin in der Tourist Information gearbeitet und ich finde, wenn man in der eigenen Stadt aufwächst, dann kriegt man gar nicht so viel mit bzw. nimmt das alles als selbstverständlich hin. Plötzlich entdeckt man dann aber diese ganzen Flyer hinter sich oder gibt den Gästen Tipps, was am Wochenende los ist, und merkt: „Ach, ist doch ganz schön lange her, dass ich auf dem Aussichtsturm im Neuen Rathaus oder im Historischen Museum war.“ Ich habe mich dort mit einer Kollegin sehr gut verstanden, die zu dem Zeitpunkt schon Stadtführungen gemacht und auch internationale Blogger*innen betreut hat. Und diese – wir reden jetzt von 2015 – haben ihr immer gesagt, dass sie gar nichts über Hannover in den sozialen Medien finden. Da müsste eigentlich mal etwas gemacht werden. Darum wollten wir ursprünglich einen Blog machen. Das haben wir auch, allerdings war das sehr zeitintensiv. Irgendwann hat sie dann gesagt, dass sie jemanden kenne, die ebenfalls Stadtführungen macht,und dass wir uns mal kennenlernen sollten und gut zueinander passen würden – sie meinte Meike. Also haben wir uns kennengelernt, mochten uns auf Anhieb und haben beschlossen, wir machen das jetzt zusammen und bauen das noch ein bisschen aus. So ist hannoverleben entstanden. Der Name ist übrigens ein Wortspiel aus „Leben“ und „erleben“. Wir wollen damit gegen dieses typische Hannover-Image ankämpfen und zeigen, dass man in Hannover sehr viel erleben kann.

Ihr nehmt ja beide die Stadt Hannover ganz besonders unter die Lupe und zeichnet beide, auf sehr unterschiedliche Weise, ein Bild der Stadt. Warum Hannover? Was macht Hannover so besonders?

MW: Es ist erstmal die Stadt, in der ich lebe. Im Moment zwar nicht, aber eigentlich ist Hannover meine Stadt. Ich bin gerade aufs Land umgezogen, aber ich arbeite nach wie vor in Hannover, ich habe hier mein Büro. Hannover ist eine der Großstädte, in denen ich mich am wohlsten fühle. Und tatsächlich, wenn es ein Zuhause ist, dann liegt es einfach nahe, sich um die Heimat zu kümmern. Mir kann keiner erzählen, dass Hannover hässlich ist. Das ist totaler Blödsinn. Oder dass es langweilig ist. Oder dass es wenig zu sehen oder zu erleben gibt. Vom kulturellen Leben her finde ich Hannover kaum zu schlagen. Das muss ich wirklich sagen, Hannover hat einfach die genau richtige Größe. Die großen Bands, die großen Konzerte und die großen Theaterschauspieler kommen nach Hannover. Wir haben tolle Museen und großartige Architektur in der Stadt, gute Architekt*innen und Künstler*innen. Über Linden gibt es ja diese Scherze, das sei der Prenzlauer Berg des kleinen Mannes. Das ist totaler Quatsch. Das hat einfach so seinen ganz eigenen Charme. Ich kenne den Prenzlauer Berg gut, ich finde, Linden hat mit dem Prenzlauer Berg wenig bis gar nichts zu tun. Man könnte das auch andersherum sagen: Linden gibt‘s schon ein bisschen länger.

RS: Bei mir ist das ähnlich. Ich bin hier aufgewachsen und groß geworden, Hannover ist einfach meine Heimatstadt. Und ich finde, je mehr man sich mit Hannover beschäftigt, desto mehr schlägt das Herz für Hannover, weil man wirklich immer wieder etwas Neues entdeckt. Ich finde, Hannover ist beispielsweise eine Stadt, die sehr über die Stadtteile lebt. Die Stadtteile sind ausgesprochen unterschiedlich. Ich wohne in der List und wohne da sehr gerne, aber ich mache auch gerne mal einen Abstecher in die Nordstadt oder nach Linden. Ich finde das ganz spannend, diese unterschiedlichen Facetten zu entdecken. Die Menschen identifizieren sich sehr stark mit ihrem Stadtteil. Ansonsten ist mein Hauptargument auch immer, dass Hannover die perfekte Größe hat. Wir sind groß genug, dass alle kommen, dass hier alles stattfindet, dass man alles hat. Aber trotzdem ist Hannover noch so dörflich, dass man fast immer irgendjemanden trifft oder kennt. Außerdem ist Hannover so kompakt, dass die Wege kurz sind. Der öffentliche Nahverkehr ist ebenfalls gut ausgebaut und man kann eigentlich alle Strecken mit dem Fahrrad zurücklegen. Das ist ein großer Pluspunkt dieser Stadt.

MW: Das finde ich auch. Es kann passieren, dass man morgens den Oberbürgermeister auf dem Fahrrad trifft, das ist schön. Das gefällt mir, das hat viel Charme. In Berlin würde einem das nicht passieren.

Malte, du wohnst ja jetzt schon seit 25 Jahren in Hannover. Geben deine Streifzüge mit dem Skizzenbuch überhaupt noch etwas her oder hast du schon alles gesehen?

MW: Bei weitem nicht, ich habe noch längst nicht alles gesehen. Ich find’s manchmal ganz kurios, ich habe so das Gefühl, mein Radius wird immer kleiner, aber ich sehe immer mehr. Ich entdecke immer mehr. Und manchmal – ich bin gerade fünfundfünfzig geworden – habe ich Angst, dass ich das alles gar nicht mehr schaffe.

Das ist ja oft so, dass man beim genaueren Hinschauen noch viel mehr entdeckt. Dinge, an denen man sonst vielleicht täglich vorbei geht, denen man sonst kaum Beachtung schenkt.

MW: Es gibt diese schöne Gedichtzeile von Arno Holz: Myriaden Äonen versank ich in die Wunder eines einzigen Tautröpfchens. Es erschlossen sich immer neue. So kommt mir das auch manchmal vor. Es wird immer weiter, immer kleinteiliger. Die großen Sachen habe ich wirklich schon alle gezeichnet, den Bahnhof, die Oper, das ist alles schon erledigt. Aber da ist noch viel, viel mehr. Ich glaube, das wird es Rebecca ähnlich gehen. Du entdeckst wahrscheinlich auch noch viel. Du bist auch längst nicht fertig mit der Stadt.

RS: Nein! Man wird immer wieder auf etwas aufmerksam und hat dauerhaft eine ellenlange To-Do-Liste, was man alles noch besuchen oder sich anschauen möchte. Ich glaube, das wird nie aufhören.

Was sind für euch besonderen Momente, wenn ihr unterwegs seid?

RS: Ich habe vorhin schon gedacht, was Hannover vor allem ausmacht, das sind tatsächlich die Menschen. Wenn es ums Image geht, dann werden wir ja immer als zögerlich, zurückhaltend und auch ein bisschen kühl charakterisiert. Aber ich finde, wenn man die Leute erst geknackt hat, dann sind Hannoveraner*innen einfach unglaublich herzlich. Meike und ich haben das schon total oft festgestellt, dass wir so dankbar sind für diesen Job, weil wir dadurch natürlich ganz viele Menschen kennenlernen, die man sonst so nicht oder nicht so intensiv kennenlernen würde. Und da sind ganz viele Bekanntschaften und auch Freundschaften draus entstanden. Wenn man zu einem Restaurant geht und den Inhaber kennt, dann ist das gleich etwas ganz anderes. Das kann man als Stammgast natürlich auch erreichen, aber dann bei zwei, drei Läden und nicht bei zehn Geschäften. Und das ist wirklich bei fast jeder und jedem Hannoveraner*in, dass wir das Gefühl haben, sie stecken unglaublich viel Leidenschaft und Herzblut in ihre Projekte.

MW: Das kann ich so unterschreiben. Ganz besonders sind die Begegnungen mit den Leuten. Das ist bei mir natürlich nicht der Normalfall, wenn ich unterwegs bin, dass ich jedes Mal mit jemandem spreche, aber schon ziemlich häufig. Ich bin gerne sonntagmorgens unterwegs, relativ früh, und wenn man dann so in der Stadt unterwegs ist, passiert es einem tatsächlich, dass Menschen aus ihrem Haus kommen und mir eine Tasse Kaffee hinstellen oder einen Becher Tee. Ich glaube, viele Menschen empfinden es als wertschätzend, wenn man ihr Haus zeichnet. Das macht Spaß. Großartig sind auch die Begegnungen bei Nessis-Promi-Talk, eine Veranstaltung von Nerissa Rothhardt, die macht für einen guten Zweck einen Talk im anna leine, ein kleines Inklusionscafé an der Leine. Die Leute zahlen keinen Eintritt, aber es wird gespendet, die schmeißen ordentlich was in den Hut. Ich sitze dort immer und zeichne die Gäste, das ist ganz lustig. Und das sind echt tolle Begegnungen. Wenn man jemanden zeichnet, ist das schon sehr intensiv. Ich mache an so einem Abend sechs, sieben, acht Zeichnungen. Ganz schnelle, kleine Skizzen. Und man kommt ganz schön dicht dran. Das ist ganz toll, das liebe ich sehr. Ich würde gar nicht sagen, dass ich ein großartiger Porträtzeichner bin, überhaupt nicht, aber es macht trotzdem riesengroßen Spaß.

Was sind eure Pläne und Ziele für die Zukunft. Was kommt noch auf die Hannoveraner*innen zu?

MW: Ich habe das Glück, dass ich dieses Jahr noch relativ viele Kurse in der Kunstfabrik Hannover geben darf. Das finde ich ganz schön. Diese Lust am Zeichnen grassiert momentan, habe ich den Eindruck. Es kommt mir so vor, dass immer mehr Menschen zeichnen wollen und Freude daran haben. Dazu mache ich gerade mit Matthias Brodowy ein Projekt. Er schreibt ein neues Buch mit Geschichten über Hannover und ich mache die Zeichnungen dazu. Nicole Friedrichsen will auch ein Buch schreiben und da werde ich ebenfalls ein paar Zeichnungen liefern. Das sind so die näheren Pläne.

RS: Wir wollen versuchen, den Account und die Touren noch stärker miteinander zu verknüpfen und auch noch mehr Touren neu zu entwickeln, die dann über uns direkt laufen. Meike hat ihre Touren als Historikerin bisher immer freiberuflich angeboten, ich mache sie hauptsächlich für die HMTG. Es liegt nahe, dass wir unsere Stadtführungen unter hannoverleben laufen lassen. Wir sind da immer voller Ideen, bräuchten nur einfach mehr Zeit. Und was ich noch gar nicht erwähnt habe, ist unser Gin. Wir haben zusammen mit cucumberland einen Gin entwickelt, in dem ebenfalls eine große Portion Hannover-Liebe steckt: den „Bellawuppdich“. Sowohl in der Herstellung als auch den Botanicals, der Namensgebung und dem Etikett ist ein lokaler Bezug erkennbar. Und das ist natürlich auch ein Ziel, dass wir unseren Gin noch ein bisschen mehr in Hannover bekannt machen.

Jule Merx

Mehr Infos:

hannoverleben von Rebecca und Meike

Instagram und Facebook: hannoverleben

zukünftig: www.hannoverleben.com

Malte Wulf, der Stadtzeichner

www.stadtzeichner.de

Instagram: malte_der_stadtzeichner

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