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Lipi Mahjabin Ahmed aus dem Vorstand des MiSO-Netzwerks und Leiterin der Initiative für Internationalen Kultur- austausch (IIK) e.V.

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Lipi Mahjabin Ahmed aus dem Vorstand des MiSO-Netzwerks und Leiterin der Initiative für Internationalen Kultur- austausch (IIK) e.V.


MiSO versteht sich als Netzwerk zur Organisation und Interessenvertretung von MigrantInnen in Hannover und bildet einen Dachverband für mittlerweile 45 migrantische Organisationen – vom Afghanischen Frauennetzwerk bis zum Ukrainischen Chor Kalyna. Schon bei dem ersten Gründungstreffen im Jahr 2009 war Lipi Mahjabin Ahmed dabei. „MiSO ist mein Herzensthema – genauso wie der IIK“, sagt sie.

„Engagiert beim IIK bin ich schon seit 29 Jahren“, so Ahmed. „Zunächst war ich einfach Mitglied, und seit 2011 leite ich hauptberuflich die Geschäftsstelle. Im Jahr 2009 kam bei uns und anderen Vereinen dann die Frage auf, wie wir die Selbstorganisation von MigrantInnen stärken können. Davon ausgehend kamen wir auf die
MiSO-Idee. Wir wollten ein Netzwerk bilden und haben viel zusammengesessen, mit kargah e.V., mit FAUST und weiteren Vereinen, und bald auch mit der Stadt.“
Weil sich schnell herausstellte, dass sie Mitarbeitende brauchen würden, stellten sie einen Projektantrag beim städtischen Gesellschaftsfonds „Zusammenleben“. Die Gründung eines Vereins, auch wenn das ursprünglich gar nicht geplant war, wurde unausweichlich. 2012 war es soweit, das „Migrant*innenselbstorganisationen-Netzwerk Hannover“ e.V mit damals 20 Mitgliedsvereinen war geboren.
„Wir haben damals einen riesigen Bedarf gesehen“, so Ahmed. „Vereine von MigrantInnen hatten immer Schwierigkeiten damit, Fördergelder zu bekommen. Sie konnten oft schon den ersten Schritt nicht gehen, weil es ihnen einfach an Erfahrung fehlte. Durch die langjährige Vereinsarbeit wussten wir, wie man Fördermittelanträge stellt und Projekte durchführt. Diese Erfahrung wollten wir durch MiSO teilen und an andere Vereine weitergeben, ihnen so auf die Beine helfen. Das war der Ursprungsgedanke. Und so entstand auch gleich unser erstes Projekt House of Resources, ein Programm zur Stärkung von Organisationsstrukturen – insbesondere bei migrantischen Initiativen – und zur Förderung von Teilhabe und ehrenamtlichem Engagement.“
Ein Grundsatz von MiSO ist, dass der Verein, genau wie seine Mitgliedsvereine, parteipolitisch- und religionsunabhängig ist. „Wir wollen nicht einzelne Religionen unterstützen, sondern mit allen zusammenarbeiten. Unser Schwerpunkt ist die Kultur und Partizipation, nicht Religion“, betont Ahmed. „Wir als MigrantInnen wollen in unserer Stadt nicht immer nur eine beratende Rolle haben, wir wollen mitentscheiden. Partizipation von MigrantInnen in den politischen Gremien der Stadt – das ist das vorrangige Ziel, für das wir kämpfen. Es ist schön, wenn MigrantInnen beratend in Ausschüssen sitzen, aber oft haben sie dort eher eine Alibifunktion. Wir möchten im Hinblick auf die Kommunalwahl im September 2021 mehr MigrantInnen motivieren, zu kandidieren. Das muss aber seitens der Politik auch gewollt sein und eingefordert werden.“
Im Rat der Stadt Hannover haben neun Prozent der Mitglieder eine Migrationsgeschichte. Um die tatsächlichen Verhältnisse in der Bevölkerung zu spiegeln, müssten es 38 Prozent sein. Und zu tun gäbe es genug. Es gibt in Deutschland alltäglichen Rassismus, den man als hellhäutiger, hier geborener Mensch sehr gut übersehen kann, wenn man das will.
„Ich bin seit 30 Jahren in Deutschland und habe hier mehr Zeit verbracht als in Bangladesch, wo ich ursprünglich herkomme. Wenn ich da für zwei Wochen hinfahre, habe ich Heimweh. Und trotzdem habe ich immer wieder im Alltag das Gefühl, beweisen zu müssen, dass ich hierher gehöre. Wer nicht akzentfrei Deutsch spricht, bekommt sofort den Stempel Ausländer. Es ist jetzt wirklich an der Zeit, über dieses Thema zu sprechen. Allein schon, MigrantInnen dazu zu motivieren, wählen zu gehen, ist schwierig, denn sie fühlen sich so wenig repräsentiert, dass ihnen oft kaum zu vermitteln ist, warum sie sich beteiligen sollten.“
Im Januar startet die Vorbereitung des IIK-Projekts „Wir leben in Vielfalt“, in dessen Rahmen ab April in Form von Vorträgen, Ausstellungen und Workshops zum Thema Antidiskriminierung gearbeitet wird. MiSO ist auch hier dabei und möchte ein Multiplikator sein und sich als Expertise-Instanz für Fragen zu Migration und Weiterentwicklung von Aktivierung und Beteiligung profilieren. Dazu gehört auch die Beratung öffentlicher Einrichtungen zur Interkulturellen Kompetenz, damit sie sich besser auf die Heterogenität der Menschen, die zu ihnen kommen, einstellen können.
„Wir sind nur ein kleiner Verein“, so Ahmed, „aber wir können viel dafür tun, dass die Perspektive der Minderheiten einen angemessen Raum in der Öffentlichkeit findet.“
● Annika Bachem

Mehr Infos:
http://www.miso-netzwerk.de
http://www.iik-hannover.de

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Was uns spaltet …


Schon sind wir mittendrin im neuen Jahr, immer noch nahezu kulturlos, immer noch kämpfen wir alle mit diesem verdammten Virus. Und mehr und mehr mutiert nicht nur das Virus, auch wir mutieren allmählich allesamt zu Virologen, zu echten Fachfüchsen, fast täglich höre ich neue Spekulationen über die letzte Wahrheit und den einzig richtigen Weg. Und in den Talkshows erklingt ebenfalls immer wieder dasselbe klagende Lied: Hätte, hätte Fahrradkette … Ich kann es schon nicht mehr hören.

Klar, nicht alles ist gut gelaufen, klar, wenn man mehr gewusst hätte, hätte man auch vieles anders machen können, klar, man hat sich in den Sommermonaten vielleicht ein bisschen zu sehr zurückgelehnt und klar, auch jetzt läuft noch längst nicht alles rund. Ebenfalls klar: Wenn Christian Lindner Bundeskanzler wäre, dann hätte diese Pandemie längst ausgespielt. Aber nicht alle sind so weise wie er und in Demokratien müssen selbst die größten Überflieger hin und wieder auf der Oppositionsbank Frust schieben und jenen das Feld überlassen, die es nicht ganz so gut können, den Fehlbaren.

So ist das nun mal, wir alle (außer Christian Lindner) machen Fehler, niemand kann in die Zukunft sehen, wir müssen das jetzt ertragen, die Geschichte aushalten, bis sie irgendwann (hoffentlich bald) vorbei ist. Und wir müssen dabei geduldig bleiben und dürfen jetzt nicht überdrehen, nicht irre werden. Diese Tendenz scheinen momentan allerdings manche zu haben. Ganz ehrlich, ihr Lieben, ich glaube nicht, dass der Jens Spahn der Teufel ist und uns alle umbringen will, indem er mutwillig zu wenig Impfstoff bestellt. Und ich glaube auch nicht, dass er in diesen Impfstoff heimlich irgendwas reinmischt, was da nicht reingehört. Oder dass das die Hersteller übernehmen. Ich glaube ebenfalls nicht, dass uns mit dem Impfstoff irgendwelche 5G-Chips gespritzt werden.

Aber ich will nicht spotten. Spott und Häme spalten nur. Womit wir beim Thema dieser Ausgabe sind. „Was uns spaltet und was uns verbinden sollte“, so haben wir unseren Titel überschrieben. Anlass, sich darüber ein paar Gedanken zu machen, war natürlich auch die Erstürmung des Kapitols in den USA und die dort sehr offensichtliche und krasse Spaltung einer ganzen Gesellschaft in zwei sich sehr unversöhnlich und teilweise hasserfüllt gegenüberstehende Lager. Ist bei uns Ähnliches denkbar? Oder ist unsere Gesellschaft sogar schon gespalten?

Es lohnt sich, ein bisschen darüber zu grübeln, was uns spaltet und was wir dieser Spaltung entgegensetzen können. Mehr dazu im neuen Stadtkind.

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Unter Freunden – Wolfram Kössler  und Andreas Felber

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Unter Freunden – Wolfram Kössler und Andreas Felber


Wir treffen heute zwei Mitglieder des Freundeskreises Hannover, beide sind ehemalige Chorknaben: Zum einen Wolfram Kössler (WK) vom Knabenchor Hannover, zuständig für Chor- und Konzertmanagement. Sein Gesprächs- partner ist Professor Andreas Felber (AF), künstlerischer Leiter des Mädchenchors Hannover. Was wird das? Jungs gegen Mädchen? Im Gegenteil, man ist bestens vernetzt, nicht nur über den Freundeskreis. Und zeigt keinerlei Konkurrenzgebaren.

Wir steigen wie üblich ein mit der Vorstellungsrunde …     
AF — Ich war schon seit meinem achten Lebensjahr im Knabenchor in Luzern und habe dort meine musikalische Grundausbildung erhalten. Ich wollte Sänger werden und habe später auch ein Gesangsstudium absolviert. Noch als Schüler habe ich beim Knabenchor Stimmbildung unterrichtet und Ensembles geleitet, ohne dass ich eine Ahnung vom Dirigieren hatte. Der Chorleiter hat mich damals einfach ins kalte Wasser geworfen. Ich hatte schon vor meinem Studium einen eigenen Chor, einen Jugendchor, und plante Chorleitung als zweites Standbein neben dem Singen. Mein Jugendchor war eine junge, sehr energievolle Truppe. Wir haben sehr viel nachts geprobt, weil wir tagsüber keine Zeit hatten und haben uns so einmal innerhalb von nur drei Monaten auf einen Wettbewerb vorbereitet, wofür man eigentlich sehr viel mehr Zeit braucht. Dort waren wir so erfolgreich, dass wir quasi über Nacht in der Schweiz sehr bekannt waren und überall hin eingeladen wurden. Mir wurde dann die Leitung des Schweizer Jugendchors angetragen. Ich habe zwar mein Gesangsstudium abgeschlossen, aber mein Schwerpunkt hat sich damals total in Richtung Chorleitung verschoben. Mittlerweile singe ich nur noch recht selten als Solist im Konzert, manchmal noch zu Hause in Luzern, zum Beispiel zu Weihnachten.
WK – Ich kann deine Stimmlage gar nicht einschätzen, ich vermute Tenor?
AF — Ich bin ein fauler Tenor (lacht), ich habe im Studium als Bass angefangen und habe als Bariton abgeschlossen. Ich glaube, wenn ich mehr tun würde, hätte sich das in Richtung Tenor verschoben.

Durch Training wird die Stimme höher?
WK — Es gibt diese Bezeichnung „fauler Tenor“, wenn man die Höhe eigentlich hätte, das aber ein bisschen ruhen lässt.
AF — Die Höhe muss man sich technisch erarbeiten, das Prinzip ist schon so, je größer die muskuläre Spannung, desto höher der Ton. Aber ich war gerade an dem Punkt, als ich Wolfram kennengelernt habe. Wir waren damals mit dem Schweizer Jugendchor auf einer Deutschland-Tournee, die Wolfram organisiert hatte …
WK — Ich war damals bei einer Münchner Konzertagentur tätig. Ich habe mich später total gefreut, dass Andreas die Leitung des Mädchenchors übernommen hat, ein Gewinn für Hannover!

Aber jetzt müssen wir noch mal ausholen und zurückgehen zu deiner Zeit im Knabenchor, Wolfram.
WK — (Lacht) Ja, ich habe früher im Hannoverschen Knabenchor gesungen, heute bin ich nicht nur sein Manager, sondern auch Vater von zwei aktiven Sängern. Ich bin in Hannover geboren und bis zum Zivildienst hier geblieben. Beim Musikverlag Schott in Mainz habe ich dann eine Verlagsausbildung gemacht, und im Anschluss in Leipzig Verlagswirtschaft studiert. In meinen vier Jahren dort habe ich vor allem sehr viel gemuckt (lacht), ich habe in vielen sehr guten Chören gesungen, Konzertreisen gemacht und tolle Bühnen kennengelernt. Dann hatte ich berufliche Stationen in Wolfenbüttel und war in München bei der bereits erwähnten Konzertagentur. Und irgendwann bekam ich einen Anruf von Jörg Breiding, dem Chorleiter des Knabenchores. Er hätte gehört, ich wolle gern nach Hannover zurückkehren. Er hatte insofern Recht, als meine Frau als Lehrerin in Niedersachsen verbeamtet war, wir mittlerweile drei Kinder hatten und es eh eng wurde mit einem Gehalt in München, und das auch noch in der Kulturbranche (lacht).

Inwieweit sind Mädchen- und Knabenchor eigentlich vergleichbar? Abgesehen davon, dass Jungs in den Stimmbruch kommen …       
AF — Mädchen auch, das ist nur nicht so deutlich hörbar. Eine Mädchenstimme klingt ja anders als eine Frauenstimme. Mädchen im Stimmbruch klingen ein wenig hauchig, bevor ihre Stimmen ein neues Register entwickeln. Aber sie können in dieser Zeit weiter im Chor singen.
WK — … während es bei den Jungs eine Zeit gibt, in der die Stimme einfach nicht anspricht und kein kontrolliertes Singen möglich ist. Das kann bis zu drei Jahre dauern und kann mit elf Jahren einsetzen, oder auch erst wesentlich später. Gerade jetzt, ich komme zum bösen Thema Covid-19, ist das ein großes Problem für alle Knabenchöre, weil uns eine ganze Generation gerade völlig wegbricht.

Hinter beiden Chören steckt ja ein mehrstufiges Ausbildungssystem. Wie läuft das anfangs eigentlich ab?     
AF — Es gibt zu Anfang immer ein kleines Vorsingen. Bei euch wird das ähnlich sein (zu WK, dieser nickt). Die Mädchen kommen mit sechs, sieben Jahren zu dritt in den Raum und singen dann einzeln etwas vor. Das kann ein Kinderlied sein, ein Weihnachtslied, wir machen da keine Vorgaben und erwarten auch keinerlei Vorbildung. Wir sehen schnell, ob das Kind schon so weit ist. Leider wird heute zu Hause in den Familien nicht mehr so viel gesungen, denn genau das wäre die perfekte „Vorbildung“ für uns. Wenn Eltern mit ihren Kindern von klein auf singen und Musik hören, dann wird dieses Kind keine Probleme haben, bei uns anzufangen.

Ich hätte gedacht, dass das Kind schon ein besonders Talent mitbringen muss.        
AF — Es ist natürlich schön, wenn das da ist. Aber vieles entwickelt sich ja auch erst mit der Zeit. Eine gewisse Musikalität muss da sein, aber nicht im Sinne von „die Stimme muss schön klingen“. Aber wir hatten auch schon die Situation, dass Mädchen keinen Ton herausgebracht haben, trotz Nervositätsabbau … Dann gibt es ja auch viele andere Chöre ohne Aufnahmeprüfung, wo es Spaß macht zu singen und wo man sehr viel lernen kann.

Beide Chöre haben einen exzellenten Ruf und sind preisgekrönt.    
WK — Beide Klangkörper müssen natürlich hart dafür arbeiten, von allein kommt so eine Qualität nicht. Wir suchen jetzt schon Fünfjährige. Wir schicken unsere Musikpädagogen in die Kindergärten und bieten auch ein Ausbildungsprojekt für die Erzieher an, in deren Ausbildung Musik einen viel zu geringen Stellenwert hat. Bei mir war es zum Beispiel meine Musiklehrerin in der Grundschule, die meine Eltern angesprochen hat: „Der Wolfram, der singt immer so laut“, (alle lachen) und ob der Knabenchor nicht etwas für mich wäre. Ich habe dann „Schneeflöckchen Weißröckchen“ vorgesungen und war natürlich sehr nervös. Das ist schon eine sensible Stimmung … Aber das wurde schon damals gut aufgefangen. Man begleitet das Kind dann am Klavier und ändert mal die Tonfolge, um zu gucken, ob das Kind dem folgen kann. Auf unsere Bildungsarbeit müssen wir immer wieder aufmerksam machen. Und es ist eine Besonderheit für eine Stadt, sich mit einem renommierten Chor sowohl im Knaben- als auch im Mädchenbereich schmücken zu können.
Wie läuft denn die Ausbildungsarbeit jetzt gerade weiter?
AF — Jetzt sind wir ja gerade in etwa am gleichen Punkt wie im letzten April, was sehr frustrierend ist. Wir haben damals angefangen mit digitalen Proben und digitalem Unterricht. Sobald es erlaubt war, gab es wieder Präsenz-Einzelunterricht. Zusätzlich wurde der ganze Chor in Quartette aufgeteilt, die dann wenige Proben hatten, aber immerhin trotzdem singen durften. Als es im Sommer dann erlaubt war, haben wir mit dem ganzen Chor draußen geprobt und hatten sogar eine Chorwoche in der Christuskirche, in der wir in Kleingruppen geprobt haben. Seit den Herbstferien haben wir dann die Möglichkeit genutzt, in der „Münchner Halle“ auf dem Messegelände zu proben.

Ein irres Szenario, in diesem Oktoberfest-Ambiente.
AF — Total skurril. Aber es war super für uns, trotz einiger Hindernisse: viel Abstand und eine laute Lüftung, ich war ständig angeschlagen, weil ich so laut sprechen musste. Selbst dort konnten wir immerhin mit dem halben Chor proben, dafür zweimal plus Einzelproben. Das ging bis in den November hinein, weil wir als Bildungsinstitution die Erlaubnis dafür hatten. Im Dezember war dann wenigstens noch Einzelunterricht erlaubt, und jetzt geht wieder nur noch Online-Unterricht. Das ist wirklich schade, wenn der Einzelunterricht nicht mehr live stattfinden kann, wenn wir nicht mehr stimmlich arbeiten können. Die Qualität leidet dann unheimlich. Gerade für die Kleinsten waren diese Proben mit Abstand unheimlich schwierig, mit der lauten Lüftung, der Chorleiter ist 30 Meter weit weg, die Kolleginnen zwei Meter, und von denen müssten sie eigentlich lernen. Die sind dann in dem Raum ganz für sich. Und die Älteren kommen ja nicht nur für die Musik in den Chor, sondern auch für die Freunde. Das fehlt, und da mache ich mir große Sorgen für die Zukunft.

Weil jetzt etwas wegbricht, was sich nicht so schnell wieder aufbauen lässt?
AF — Das wird lange dauern und wirft uns weit zurück. Von der Erfahrung, die die Älteren den Jüngeren mitgeben, fehlt jetzt einfach ein Stück, und das wird größer, je länger der Lockdown dauert. Wir werden das von Grund auf neu aufbauen müssen. Ein Erwachsenenchor macht in so einer Situation eine Pause und fängt dann wieder an, wenn vielleicht auch nicht genau auf dem gleichen Level. Bei Kindern oder Jugendlichen passiert in einem Jahr aber so wahnsinnig viel! Und gerade die Jüngsten konnten kaum proben. Wir verlieren da womöglich eine Generation.
WK — Und weiter gedacht: Jetzt Konzerte zu planen für die Zukunft, wo sämtliche Veranstalter sagen: „Ausgerechnet Chormusik?“, das ist ebenfalls schwer.
AF — Und das ist ja auch finanziell eine wichtige Säule für uns. Ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch und denke, wenn wir wieder anfangen können, dann sicher mit einem großen Energieschub. Aber damit ist es nicht getan.
WK — Anfang März hatten wir noch ein Vorsingen, direkt danach kam der Lockdown. Das heißt, die neuen Sänger haben einen Brief bekommen, dass sie dabei sind, und seitdem ging fast nichts. Ein bisschen Unterricht draußen auf dem Schulhof, Proben in Kleingruppen über längere Zeit nur online. Wir hatten lange die große Hoffnung, unsere Adventskonzerte singen zu können und haben relativ frühzeitig entschieden, den Chor dafür zu dritteln. In der Marktkirche durften zum Beispiel nur 40 Leute gleichzeitig im Chorraum stehen. Aber natürlich möchte jeder auch gern mit seinem Kumpel singen! Die musikalische Qualität ist ja das eine, aber auch die Gemeinschaft ist ganz zentral bei so einem Chor. Die Sozialkompetenz, die man erwirbt, durch gemeinsames Reisen, Fußball spielen in der Pause, Erleben von Konzerten. Das alles liegt ja komplett brach. Wie soll ich denn meinen Sohn dazu motivieren, allein zu Hause vorm Rechner zwei Stunden lang „Der Geist hilft unserer Schwachheit“ einzustudieren?

Ist es nicht auch gerade das Schöne am Chorsingen, dass man aufgeht in einem Klangkörper? Hat man so ein Gefühl überhaupt mit halben Chören und drei Metern Abstand?
AF — Anders. Je nachdem, wo man singt, ist das schon noch möglich, aber es ist natürlich nicht das gleiche.

Wie funktioniert überhaupt eine Online-Chorprobe?        
AF — Das Problem ist, dass ich dabei nicht wirklich etwas höre. Es ist also eher ein gestütztes Einstudieren. Ich kann durch meine Erfahrung ungefähr abschätzen, wo die Schwierigkeiten sind. Ich kann über das Musikstück sprechen oder eine Aufnahme abspielen, kann aber nicht wirklich reagieren auf das, was die Sängerinnen machen. Und das ist wichtig, darin besteht die Qualität unserer Arbeit: Zu reagieren auf das, was kommt, und das zu formen. Was wir jetzt machen, ist im Grunde Unterricht nach Lehrbuch oder nach Erfahrung. Ich weiß ziemlich genau, an welchen Stellen etwas schiefgehen wird. Aber ich kann einfach keine detaillierten Rückmeldungen geben.
WK — Ein Chorleiter braucht ja Resonanz und will etwas widergespiegelt bekommen. Ich ziehe meinen Hut vor euch Musikpädagogen. Die Situation ist gerade so ermüdend! Am Anfang war das natürlich für die Jungs noch total spannend am Bildschirm. Dann kam die Phase, in der alle ihre Hintergründe geändert haben, der eine saß im Weltraum, der nächste auf der Golden Gate Bridge … Dabei die Konzentration zu halten, verdient wirklich Respekt.

Wie ist die Perspektive? Wird es im Sommer Open-Air-Konzerte geben?     
WK — Da muss ich noch etwas ergänzen zum Singen mit Abstand: Beim Chorsingen ist nur etwa 50 Prozent das Singen, der Rest ist das Hören. Im Ensemble ist es enorm wichtig zu hören, was der Nachbar macht. Draußen ist das einfach schwierig mit den ganzen Nebengeräuschen. Viele hochprofessionelle Chöre probieren das und haben große Schwierigkeiten, selbst in Sakralbauten, einfach wegen des großen Abstands. Und wie klingt es für das Publikum, wenn sich die Sänger gegenseitig nicht hören?
AF — Und es gibt den großen Nachteil, dass man wetterabhängig ist und man immer mitplanen müsste, dass das Konzert eventuell doch ausfällt. Wo hat man schon einen Ort, der regengeschützt ist, akustisch sinnvoll und mit Platz für ein Publikum? Bei unserer Chorgröße ist das ein riesiger Organisationsaufwand. Wir müssen eine Bühne aufbauen, da entstehen Kosten, die wir in der derzeitigen Lage nicht bewältigen können. Uns fehlen die Einnahmen durch Konzerte, wir werden in Zukunft weniger Mitgliedsbeiträge haben, da wir befürchten, dass weniger Eltern ihre Kinder in einen Chor schicken, nachdem man jetzt ein Jahr lang gehört hat, wie gefährlich das ist. Wir arbeiten unheimlich verantwortungsbewusst, halten alles ein, was irgendwie möglich ist und versuchen trotzdem ein Angebot zu machen. Aber finanziell haben wir wirklich gerade zu kämpfen.
WK — Das Gute in der Situation ist wirklich, dass die Eltern weiterhin bereitwillig die Beiträge zahlen und keiner sagt: „Aber ihr unterrichtet doch nur online.“ Im letzten Jahr hätten wir unseren siebzigsten Geburtstag gefeiert, da sind einfach mal über 20 Konzerte weggefallen. Das tut nicht nur weh, das ist existenzbedrohend. Und wir wissen nicht, wann diese Durststrecke zu Ende ist. Alle halten sich jetzt bedeckt. Ich hätte gerne mehr Perspektive. Ich habe vollstes Verständnis für alle Maßnahmen, aber wie viele Verlängerungen wollen wir uns allen denn noch zumuten?

Die Chöre sind gute Beispiele dafür, dass man in dieser Krise auch nicht alles mit Geld lösen kann.
AF — Ja, die finanziellen Probleme wird man sicherlich irgendwie lösen können, da ist die Perspektivlosigkeit ein größeres Problem. Wir müssen den Mädchen Perspektiven bieten und können nicht einfach mal ein Jahr lang nichts machen.
WK — Wir wollten eigentlich in der Adventszeit  zusammen mit zehn Londoner Blechbläsern durch Deutschland touren (lacht). Solche Programme haben einen riesigen Vorlauf und es ist sehr demotivierend, sie immer wieder umzuwerfen. Wir planen jetzt erst einmal kleinere Programme und hoffen, dass wir sie bald zeigen können.

● Annika Bachem

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El Kurdis Kolumne – Verwöhnte Arschgeigen

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El Kurdis Kolumne – Verwöhnte Arschgeigen


Schwupps ist es Februar 2021 und ich sitze immer noch in meiner Eremitage und betreibe Introspektive. Und Retrospektive: Ich blicke zurück auf elf Monate, die geprägt waren von unterbezahlter Indoor-Kontaktvermeidung, Outdoor-Plauderspaziergängen, abgesagten Live-Auftritten und Zoom-Konferenzen. Und von unendlich peinlichem Gejammer eines Teils der wohlhabenderen und gebildeteren Schichten.
Unzweifelhaft ging es – und geht es immer noch – vielen in dieser Pandemie schlecht. Sogar sehr schlecht. Allen voran den an COVID-19-Erkrankten und -Verstorbenen und deren Angehörigen. Und den psychisch Kranken. Und Frauen und Kindern, die im Shutdown ihren gewalttätigen Männern und Vätern ausgeliefert sind. Mit Sicherheit geht es dem überarbeiteten und unterbezahlten Pflegepersonal in den Krankenhäusern und Altenheimen schlecht. Aber auch den Selbständigen aus den unterschiedlichsten Branchen, die plötzlich gar nichts mehr verdienen und bei denen aus verschiedenen Gründen die staatlichen Hilfen nicht greifen. Freiberufliche Schauspieler*innen gehören zum Beispiel zu dieser Gruppe. Nicht schlecht ging und geht es hingegen: Den meisten Leuten, die im vergangenen Jahr auf „Hygiene“- und „Querdenker“-Demos in Stuttgart, Berlin und leider auch in Hannover erfolgreich zu beweisen suchten, dass Egoismus, Paranoia und Abitur/Hochschulstudium sich nicht nur nicht ausschließen müssen, sondern anscheinend sehr gut zusammenpassen.
Immer wenn ich solche Bildungsbürger, Eso-Hippies und Querfront-Linke gemeinsam mit Rechtsradikalen, Reichsbürgern, QAnon-Anhängern und anderen Dumpfbacken gegen die vermeintlichen Einschränkungen ihrer Freiheit protestieren sehe – gerne auch mal mit gelbem Stern und anmaßendem und geschmacklosem „Ich bin Sopie Scholl/Anne Frank“-Geschrei –, denke ich an den zärtlichen, regelmäßig bei Familienfeiern geäußertem Spruch meines Onkels Kalle: „Euch Arschgeigen geht es einfach zu gut!“ Und ich füge hinzu: Es ging euch immer schon zu gut! Und zwar stets auf Kosten Schwächerer.
Was soll man da in dieser Situation auch groß anderes erwarten als eine Weiterführung dieser Leckt-mich-doch-Hauptsache-ich-ich-ich-Haltung? Schon als Kind musstet ihr zu Weihnachten nur eine Liste hinkrakeln – und zack lagen die Geschenke unterm Baum. Ihr konntet immer alles machen, was ihr machen wolltet, reisen, wohin ihr reisen wolltet, studieren, was ihr studieren wolltet, wohnen, wo ihr wohnen wolltet. Jetzt ist mal ganz kurz Pause mit eurer Personality-Show, und wie es sich für dreijährige Ego-Monster gehört, werft ihr euch schreiend auf den Boden und strampelt mit den Armen und Beinen. Und ihr seid voll sauer, weil euch – glücklicherweise – viele nicht ernst nehmen wollen. Nur dieser fiese Nazi-Junge aus dem Nazi-Viertel, dem ihr sonst wohlweißlich nicht begegnen mögt, der sagt: „Ihr habt Recht. Das ist eine Diktatur! Und die neuen Hitlers heißen Angela, Karl, Jens und Bill! Denen hauen wir jetzt aufs Maul. Wir leisten Widerstand! Ausgedacht hat sich diese Diktatur übrigens der George und der ist Jude. Den knüpfen wir an die Laterne!“ Letzteres überhört ihr selbstverständlich. Und wenn man euch drauf hinweist, überhört ihr es wieder. Das wäre ja auch zu eklig. Antisemitismus. Nee, ihr doch nicht. Ihr wollte doch nur Liebe und Freiheit. Und das keift ihr den „Lügenpresse“-Journalisten auch liebevoll ins Gesicht. Bevor ihr sie anspuckt.
Kleiner Tipp: Falls ihr jemals wieder ernst genommen werden wollt, hier eine unvollständige Liste von seit Jahren real nicht-existierenden oder eingeschränkten Freiheiten, für deren Durchsetzung ihr euch 2021 zur Abwechslung mal engagieren könntet: Die Freiheit, sich als orientalisch aussehender Mensch überall in Deutschland angstfrei bewegen zu können, auch in sächsischen Nahverkehrszügen. Die Freiheit, als Kind von armen und/oder „bildungsfernen“ Eltern problemlos eine höhere Schulbildung zu erlangen. Die Freiheit, selbstbestimmt sterben zu dürfen und die Freiheit, seine letzten Jahre in einem Pflegeheim in Würde verbringen zu können. Die Freiheit, als Frau nicht sexuell belästigt und die Freiheit, als Schwarze*r nicht ständig von der Polizei kontrolliert zu werden. Und am drängendsten: Die Freiheit, als Kind nicht in einem Flüchtlingslager zwischen Müllbergen, ohne Toilette und fließendes Wasser leben zu müssen, und die Freiheit dort nachts nicht auch noch von Ratten gebissen oder sexuell missbraucht zu werden. Wenn ihr euch in nächster Zeit mal um diese Freiheiten kümmern könntet, wäre das ein schöner Anfang für eure Rehabilitation.

● Hartmut El Kurdi

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MarktCafé

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La dolce vita – das süße Leben – kann man normalerweise nicht besser genießen als mit einem starken Espresso am frühen Morgen, frisch zubereiteten Suppen- und Pasta-Köstlichkeiten in der Mittagspause, leckeren Törtchen zum Nachmittagskaffee oder bei einem Plausch mit Freunden und einem Cappuccino im oder vor dem MarktCafé, das einen Hauch aria italiana über den Lindener Marktplatz wehen lässt. Hier treffen sich schicke Junge und Alte leger zur Feier italienischer Lebensart und deutscher Zwanglosigkeit an einem Ort zum Wohlfühlen – zur Zeit kann man Kaffee und Küche italiana zwar nicht dort verkosten, aber es gibt süßes Gebäck, heiße Getränke und Mittagstisch zum Abholen!

Natürlich sehnen die MarktCafé-Stammgäste den Tag herbei, an dem sie endlich wieder auf den Barhockern hinter der Fensterfront Platz nehmen und bei ihrem Morgencappu das Erwachen des Stadtteils oder das emsige Marktgeschehen beobachten können. Genauso sehnsüchtig erwartet wird die Möglichkeit, vor dem Laden auf dem Liegestuhl mit dem Beistelltischchen samt Oranginafläschchen oder Proseccoglas in Reichweite entspannen oder sich zum Pastaessen an einem der begehrten Tische niederlassen zu können.
Die italienischen Kaffeevariationen, frisch belegten Ciabattas oder himmlischen Cornetti mit der vanilligen Creme Pasticcera kann man, solange es noch nicht wieder soweit ist, aber auch voller Vorfreude im Vorbeigehen mitnehmen. Jede Woche wird darüber hinaus ein wechselndes Menü mit vier bis sechs frisch zubereiteten Suppen- und Pasta-Kreationen all’Italia angeboten. Aber Attenzione: Der Mittagstisch ist heiß begehrt und nur von 12 bis 14 Uhr zu haben, solange der Vorrat reicht!
In nachhaltigen Leih-Transportbehältern samt Papiertüte für den Fahrradlenker bekomme ich zwei Suppen (für je 4,80 Euro) und zwei Nudelgerichte (für je 8,80 Euro) ausgehändigt, die ich schnell die wenigen Straßen weiter ins Warme und auf den Tisch meiner unweit wohnenden Freundin bringe, die zum Testessen eingeladen ist. Mit ihr trifft es heute echt die Richtige, denn sie gerät bei der Zuppa di Pesce Galiziana direkt ins Schwärmen. Der galizische Fisch-Eintopf besticht durch seine tierisch geschmackvolle Hauptzutat und wird mit Kartoffeln, Möhrchen, Stangensellerie und einer feinen Safrannote abgerundet. Die Dame des Hauses spricht hier eine klare Empfehlung aus!
Meine Vellutata die Zuchhine e Mele, eine Zucchini-Apfel-Cremesuppe, besitzt eine ausgewogene Säure und ist nett gewürzt, der beigegebene Curry entwickelt seine schöne Schärfe erst im Abgang. Auch lecker, und der Preis ist für die großen Suppenschüsseln absolut vernünftig! Ebenso gut kommen die beiden Nudelgerichte an, die Penne mit sehr bissfesten Miesmuscheln, weißen Bohnen und Karotten bietet was zum Kauen und ist weder zu trocken noch so brühig, wie es oft bei Pasta mit Muscheln der Fall ist, Majoran und guter Parmesan veredeln ergänzend. Auch die Linguine Perdifumo mit ihren Zucchini sind ungewöhnlich saftig, durch Limetten-Parmesan erhält das Gericht zusätzliche fruchtige Frische. Wieder steuert ein leichter Chiligruß im Nachhinein eine dezente Schärfe bei, die angenehm nachklingt.
Dazu hätten wir gerne noch aus dem ausgewählten Sortiment an italienischen Weinen geschöpft, das zur Mitnahme bereitsteht, doch die Schreibtischarbeit ruft und das italienische dolce fare niente – süße Nichtstun – muss leider bis zum Feierabend warten. Dafür fahre ich nach dem Essen noch einmal am MarktCafé vorbei, bringe die leergeputzten Behälter zurück und gönne mir auf dem Weg zur Redaktion einen erstklassigen Espresso, der mir den entscheidenden Energiekick verschafft, um nach der kulinarisch so schön verbrachten Mittagspause weiter den Bürostuhl und die aussagekräftigsten Tasten zu drücken. Ciao MarktCafé – a dopo, wir kommen wieder!
● Anke Wittkopp

MarktCafé
Lindener Marktplatz 5
30449 Hannover
www.marktcafe-hannover.de
ÖFFNUNGSZEITEN
Montag–Freitag 8–15 Uhr
Samstag 8–13 Uhr

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