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Musimiet  Musikinstrumente

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Musimiet Musikinstrumente


Bei diesem Laden ist der zusammengesetzte Name Programm: Hier kann man Musikinstrumente nämlich nicht nur schlicht kaufen, sondern auch mieten. So wird der Einstieg in ein neues Hobby oder die Reaktivierung schlummernder Talente noch einfacher gemacht, denn es kann nach Lust und Laune ausprobiert werden, für welches musikalische Equipment das Herz schlägt. Inhaber Hajo Lehmann hilft aber auch, wenn das eigene Instrument repariert werden muss, und bietet sinnvolles Zubehör sowie kurzfristigen Ersatz, wenn etwa ein Profi-Instrument mal während eines Auftritts schwächelt.
Hajo Lehmann, der selbst mehrere Instrumente beherrscht, ist gerne bereit, jedes Instrument in der hauseigenen Werkstatt zu optimieren und unterstützt ebenso motiviert bei der Suche nach kompetenten LehrerInnen. 1989 fiel dem Schlagzeuger und Klarinettisten auf, dass es viele Leute gibt, die gerne einmal unterschiedliche Musikinstrumente ausprobieren würden, aber weniger Menschen, die sich die Anschaffung von Geige, Saxophon und Gitarre etwa zusätzlich zum Klavier oder Schlagzeug leisten können. Lehmann begann aus dieser Erkenntnis heraus, Musikinstrumente zu verleihen – und hilft heute noch besonders gern bei der Entscheidung, welches Instrument am besten zu einem passt. Darüber hinaus liefert er praktische Tipps zu Spielweisen sowie Pflege und kann, da er mit Musikschulen und LehrerInnen von Musikklassen zusammenarbeitet, gut gewartete, hochqualitative Instrumente ausleihen, mit denen der (Neu-)Einstieg einfach Spaß macht.
An Blasinstrumenten stehen Klarinetten, Querflöten, Fagotte, Trompeten, Flügel- und Waldhörner neben Posaunen ebenso wie ausgefallenere Instrumente, beispielsweise das trompetenähnliche Kornett, das Euphonium oder das Mellophon zur Wahl, das vor allem in US-amerikanischen Marching Bands eine große Tradition hat. Ein perfektes Tenorsaxophon ist laut Musimiet-Experte Lehmann das „Experience”, Nachfolgemodell des legendären „Ergo Sound”, das seit über 12 Jahren mit großem Erfolg in der Vermietung eingesetzt wurde. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis auf dem Markt schlägt sich im Mietset für monatlich 35 Euro nieder, in dem ein König & Meyer Saxophonstativ und auf Wunsch ein Korg-Stimmgerät sowie ein Notenpult enthalten sind. Das Kinder-Waldhorn von Roy Benson mit verstellbaren Fingerhaken und Handstütze (Flipper) sowie leichtem Formetui mit Rucksackgarnitur und einem Gewicht von nur 1,9 kg gibt es zum Beispiel für eine Monatsmiete ab 24 Euro.

Für die Neu- oder Wiedergitarristen hat Musimiet Klassikgitarren, Akustikgitarren und E-Gitarren-Sets parat, zum Beispiel die V-ST21 von Vineyard mit dem 15 Watt Amp von Nux. Bei der E-Gitarren-Frage hat sich Hajo für eine klassische Strat-Variante mit ausgesuchtem Erlen-Korpus entschieden. Sie wird vom Werk mit einem 9er-Saitensatz bestückt, sodass auch Einsteiger mit wenig Kraftaufwand arbeiten können. Die Kombination wird mit einem Gitarrengurt, einem Korg-Stimmgerät, einem Gigbag sowie dem genialen MW Gitarrenstativ vermietet (ab 22 Euro monatlich).
Streichinstrumente wie Violine und Kontrabass stehen zur Probe bereit, ebenso wie ein Cello der Traditionsfirma Stentor im Komplett-Set mit Koffer, Bogen, Cellostativ zum Abstellen des Instrumentes sowie Kolophonium. Das Drum-Set für den soundbewussten Einsteiger ist 6- teilig mit Ständern für Ride und Crash-Becken, gutem Sonor Beckensatz und Beckentasche, vorgestimmten Fellen und optimierter Snare sowie einem sehr stabilen Drum-Hocker.
Digitalpianos gibt es inklusive authentischer vintage E-Pianosounds und 30 weiterer ausgesuchter Klänge aus vielen Bereichen, verkleidet im stilvollen, eleganten und schlanken Design in Schwarz oder Weiß (Monatsmiete ab 30 Euro). Auch Schüler- und Einsteigerakkordeons aus der Bravo-Serie von Hohner werden bereitgehalten, wobei die robusten und musikalisch vielseitigen Instrumente Leistungsmerkmale bieten, die bisher nur in wesentlich teureren Instrumenten zu finden waren. So ist hier schon die T-Tastatur im Einsatz, die ein hervorragendes Spielgefühl bietet und dabei äußerst servicefreundlich konzipiert ist (Monatsmiete ab 26 Euro).
Wer loslegen möchte, ruft einfach an und lässt sich ein Instrument reservieren, abholen kann man es im Ladengeschäft in Vahrenwald. Das gespielte Wunschinstrument mietet man monatsweise (auch einzelne Monate sind machbar), Neuinstrumente haben eine Mindestmietzeit von 6 bis 12 Monaten. Natürlich kann man bei Gefallen das zunächst gemietete Instrument im Anschluss übernehmen und behalten, wofür es mehrere Varianten der Anrechnung von Monatsmieten auf den Kaufpreis und auch die Möglichkeit des Mietkaufs gibt.● Anke Wittkopp

Dörnbergstraße 6
30161 Hannover
Tel. (0511) 31 22 96
www.musimiet.de

Öffnungszeiten:
Mo, Di, Do, Fr
8:30 – 13 Uhr und 15 – 18 Uhr

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QuizCo   – spielerisch lernen

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QuizCo – spielerisch lernen


Foto: QuizCoAls Wiebke Barth, Jacob Cordts und Max Friedrich im September 2019 ihr Unternehmen „QuizCo“ gründeten, hatten sie eigentlich noch ganz andere Ziele. Ihre Lernplattform „knowlab“ sollte in erster Linie Bildung für Schulen digitalisieren und eine neue Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden möglich machen. Aus dieser Idee sind dann schnell Produkte für Unternehmen entstanden, mit denen das Lernen Spaß macht. Das schafft das mittlerweile sechsköpfige Team aus der VentureVilla mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI): Mit der knowlab-Anwendung werden Lerninhalte personalisiert und so auf jeden Lerntyp individuell zugeschnitten. Die QuizCo-App fragt Lerninhalte spielerisch ab und der QuizCo-Content-Processor sorgt für die automatisierte Erstellung von Inhalten.

Die GrünerInnen erklären ihre Idee: „In vielen Unternehmen fehlen qualifizierte Unterlagen für Schulungen aller Art. Wir können mit unseren Produkten sehr schnell Handbücher, Arbeitsanweisungen und andere Lernmaterialien digital so aufbereiten, dass Schulungen einfacher und auch nachhaltiger werden. Unsere KI bringt die Inhalte auf den Punkt, und Lerninhalte können jederzeit etwa per Quiz abgefragt werden. Die KI entwickelt bei Bedarf auch Karteikarten zum Lernen von Fachbegriffen. Dafür stellen uns die AuftraggeberInnen Material zur Verfügung und definieren, was wichtig ist. Unsere KI erarbeitet dann innerhalb von wenigen Stunden das Ergebnis. Natürlich schauen wir noch mal drüber, um auch die letzten grammatikalischen Schwächen auszumerzen, 95 Prozent sind aber schon perfekt. Die Algorithmen sind so trainiert, dass sie vielseitig einsetzbar sind und auch Kurzberichte für Newsletter oder Blogbeiträge erstellen können.“
Die Drei zählen sich zu den GewinnerInnen der Corona-Krise und der damit gesteigerten Digitalisierung, wie sie einräumen: „Sicherlich hat uns Corona einen Schub gegeben, die Nachfrage ist immens gestiegen. Dazu sind die Kosten für den Aufwand überschaubar. Wir haben ein einfaches Preismodell entwickelt, was bei 20 Euro für einen Kurztext anfängt. Wer etwa 50 Seiten einzeln zusammengefasst haben möchte, zahlt rund 400 Euro. Zu unseren Auftraggebern gehören neben Konzernen und mittelständischen Unternehmen auch viele kleine Firmen, die ihre Handbücher automatisiert verarbeitet haben möchten. Das hilft dann bei Schulungen der Teams im Homeoffice.“
Derzeit arbeitet das Team daran, Schnittstellen für Lernmanagementsysteme zu entwerfen, die eine Integration seiner Produkte in bestehende Systeme ermöglicht. Es will die KI noch weiter verbessern und mehr Funktionen ermöglichen: Sie soll eigene Videos erzeugen und auch ausführliche Texte erstellen können. Dabei ersetze die KI keineswegs die Recherchearbeit von JournalistInnen oder kreativen SchreiberInnen, wird betont, im Gegenteil – sie solle dabei helfen, aus den eigenen Inhalten weiteren Content zu produzieren.
Anderen GründerInnen raten Wiebke, Jacob und Max zur Reflexion: „So früh wie möglich mit einer Idee rausgehen und kritisch hinterfragen! Sprecht mit potenziellen Kunden und lasst sie ausprobieren. Es bringt nichts, detailverliebt zu sein, um dann festzustellen, dass man am Bedarf vorbei entwickelt hat. Was will der Markt? Und kommt die Idee auch so an, wie ihr euch das vorgestellt habt?“ Das QuizCo-Team sagt über die Zusammenarbeit mit hannoverimpuls: „Wir haben an zahlreichen Workshops und Events teilgenommen und jede Menge Beratungen in Anspruch genommen. Von der Gründungsvorbereitung bis zur Finanzierung, von der Unterstützung bei Investorengesprächen bis hin zum Netzwerk, bei dem wir gute Kontakte machen konnten. Das alles hat uns in verschiedensten Bereichen nach vorne gebracht. Wir sind nach wie vor eng mit der Wirtschaftsförderung verbunden – und haben nach unserer Teilnahme am „Batch#5“ der Venture Villa unser Büro auch dort.“
QuizCo wird von „starting business“, dem gemeinsamen Gründungsservice von Leibniz Universität Hannover und der hannoverimpuls GmbH, betreut und hat bereits ein EXIST-Gründerstipendium erhalten, denn: Digitalisierung und Lernen, das sind die beiden großen Themen der Zukunft, und QuizCo ist da richtig gut aufgestellt. “

QuizCo GmbH
Walderseestr. 7
30163 Hannover
Tel: (0511) 85939905
www.quizco.de
info@quizco.de

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Bergith Franke und Erika Gundlach-Schröter von der gEMiDe Kleiderkammer

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Bergith Franke und Erika Gundlach-Schröter von der gEMiDe Kleiderkammer


 Nancy Heusel gEMiDe e.V.Gesellschaftliches Engagement von MigrantInnen und Deutschen, kurz gEMiDe ist ein Netzwerk von 400 Ehrenamtlichen aus 26 Nationen, die in den verschiedensten Bereichen tätig sind. Eine Facette davon ist die Kleiderkammer im Roderbruch, wo ein kleiner Kreis Engagierter mit der Kleiderkammer ein beeindruckendes Projekt auf die Beine gestellt hat. Liebevoll zusammengestellt und ausgesucht werden hier Kleidung und Haushaltsgegenstände präsentiert. Und BesucherInnen können sich fühlen, wie in einem gut geführten Secondhandshop.

Mit der großen Zahl Geflüchteter 2015 begann das Engagement von Bergith Franke. Sie folgte dem Aufruf des Oststadtkrankenhauses, das damals als Unterkunft für über 800 AsylbewerberInnen diente. „Ich fand es sinnvoll und wichtig, dort zu helfen, aber es hat mich auch einfach interessiert“, erinnert sie sich. „Ich fand die Kleiderkammer gut und mochte den direkten Kontakt mit den Geflüchteten. Wir hatten sagenhaft viele Kleiderspenden damals, und als die Unterkunft 2017 geschlossen wurde, hatten mehrere Ehrenamtliche die Idee, das an anderer Stelle weiterzuführen.“
Erika Gundlach-Schröter kam, als sie in den Ruhestand ging, über den Präventionsrat des Stadtbezirks Kleefeld-Buchholz dazu, sich in der Geflüchteten-Unterkunft am Annateich zu engagieren. Dort betrieb der Präventionsrat den sogenannten „Bäckerdienst“, der von Bäckereien nicht verkaufte Backwaren sonntags an Geflüchtete verteilte. „Aber dieser eine Sonntag erschien mir zu wenig“, erzählt Gundlach-Schröter. „So kam ich auch zum Oststadtkrankenhaus. Mich interessierte die Kleiderkammer, denn so eine Idee hatte ich schon für die Unterkunft am Annateich, aber da hatten wir keinen Platz.“ Die Kleiderkammer im Oststadtkrankenhaus hatte zweimal wöchentlich geöffnet, etwa 20 ehrenamtlich Mitarbeitende waren damals dabei. „Als das dann geschlossen wurde, konnten ein paar von uns nicht einfach aufhören. Wir hatten noch so viele Spenden und wir wussten einfach, dass ein großer Bedarf besteht. Wir haben hier im Roderbruch in der fußläufigen Umgebung allein fünf Unterkünfte mit jeweils 80 bis 150 Menschen. Wir haben dann echt gekämpft dafür“, so Gundlach-Schröter.
Der damalige Bezirksbürgermeister von Buchholz-Kleefeld, Henning Hofmann, setzte sich für das Projekt ein, und es entstand ein Kontakt zu der Firma Gundlach Bau und Immobilien GmbH & Co. KG, die die heutigen Räumlichkeiten im Roderbruch kostenlos zur Verfügung stellt. Seitens der Stadt Hannover wurde Hülya Feise angesprochen, ob sie mit ihrem gEMiDe e.V. nicht die Trägerschaft der Kleiderkammer übernehmen könnte.
„Wir haben uns zusammengesetzt, waren uns schnell sympathisch und hatten gemeinsame Ziele. So kann man gut zusammenarbeiten“, erinnert sich Feise. Schon im Dezember 2017 konnte dann die Kleiderkammer in der Buchnerstraße 13b eröffnet werden. Und es läuft! Die „Kunden“ zahlen symbolisch einen Euro, wenn sie kommen und sich kostenlos Kleidung und Haushaltswaren aussuchen dürfen. Bergith Franke und Erika Gundlach-Schröter sind meistens in der Ausgabe der Spenden beschäftigt. Die vier- bis sechsmal wöchentlich eintreffenden Spenden müssen angenommen, sortiert und eingeräumt werden. Und nach dem Ende eines Kleiderausgabe-Nachmittags ist so mancher Kleiderständer wie leergefegt.
Mit dem März-Lockdown war auch hier ganz plötzlich Schluss. Nach der Erarbeitung eines Hygienekonzepts konnte es am 25. Mai weitergehen. Nun dürfen die BesucherInnen allerdings nur noch allein und nach Erfassung der Kontaktdaten kommen. Auch die Spenden müssen jetzt einzeln und nach Terminvergabe übergeben werden und die Personalien der Spendenden werden ebenfalls aufgenommen. „Wir suchen dann die Sachen gleich aus, wir wissen genau, was die Leute brauchen und was uns hier nur einstauben würde“, so Gundlach-Schröter.
Die Kleiderkammer ist offen für alle, nicht nur für Geflüchtete. Schon drei Stunden vor Öffnung stehen manche in der Schlange, um möglichst als erste eine gute Auswahl zu haben. „Wir sind aber auch einfach ein guter Kontaktpunkt“, wir sehen die Leute ja draußen, wie sie sich unterhalten und zum Teil gleich Dinge tauschen“, lacht Gundlach-Schröter. Und Franke berichtet, dass viele, die aus der Unterkunft in eine eigene Wohnung umziehen, auch dann noch wiederkommen, selbst wenn sie dafür durch die halbe Stadt fahren müssen. Einge kommen sogar aus der Region.
„Was uns an dem Projekt außerdem total begeistert, ist der Gedanke der Nachhaltigkeit“, so Franke. „Wenn man sich die ganze Kleidung, die wir schon weitergegeben haben, auf einem Haufen vorstellt, wäre der gigantisch!“ Das Wichtigste aber bleibt für sie der direkte Kontakt mit den Menschen, die zu uns kommen. „Nach der großen Hilfsbereitschaft von 2015 sind die für viele total aus dem Fokus geraten. Es macht mir dazu große Sorgen, wie viel Hass ihnen heute von mancher Seite entgegenschlägt.“
Das Team der Kleiderkammer im Roderbruch ist gut eingespielt und im Moment vollständig. Wer Interesse an einer solchen ehrenamtlichen Tätigkeit hat, meldet sich aber gerne bei gEMiDe, da Kleiderkammern in weiteren Stadtteilen geplant werden.

Annika Bachem

Foto:  Nancy Heusel  gEMiDe e.V. – Das Team (v.l.n.r.): Bergith Franke, Erika Gundlach-Schröter, Renate Schnatter, Hülya Feise, Monika Lucas und Renate Nönnig. Nicht im Bild: Inge Sewing, Monika Gehle und Marga K.

Kleiderausgabe ist aktuell jeden Dienstag von 14 bis 17 Uhr.
Info über dieses und andere Projekte unter http://gemide.org/
oder telefonisch 0178 826 3032 (Hülya Feise, Leiterin gEMiDe e.V.)

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Bernhard Weiland: Alter Mann im Bus

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Bernhard Weiland: Alter Mann im Bus


Foto: P- ManskeBernhard Weiland liebt die Herausforderung der autofreien Mobilität. Nachdem der passionierte Hobbyfotograf bereits mit dem Liegerad eine Tour von Hannover bis zur marokkanischen Sahara absolviert und auf dem Weg nach Bad Muskau zu Fuß die östliche Bundesrepublik durchquert hat, nimmt er sich auch für den letzten Teil seiner persönlichen Reise-Trilogie vor, nur klimaschonende Fortbewegungsmittel zu nutzen – und zwar den Öffentlichen Personennahverkehr. Auf dessen Beförderungsmittel beschränkt hat er über einen Zeitraum von vier Jahren ungewöhnliche Reiserouten in ganz Deutschland ausprobiert. Welche Orte er besuchte und was für kuriose Erlebnisse ihm bei seinen Fahrten mit Bussen, Sammeltaxis, Stadt- und S-Bahnen beschieden waren, verrät er in seinen gesammelten Reisegeschichten, die im November bei tredition erschienen sind.

„Nicht nur im Traum zeigt sich eine Wirkung von Landschaften und ihren von Menschen produzierten Überformungen auf den Menschen. […] Gibt es eigentlich eine Wissenschaft, die das untersucht, untersuchen kann? Eine ‚Kulturlandschaftspsychologie‘ oder ‚-soziologie‘? Auf welche Weise mögen heutige industrielle Landschaften, dicht bebaute Städte, gestaltete Natur unser Wesen wohl beeinflussen?“
Die mystische, rätselhafte Aura unterschiedlicher Landschaftsbilder beschäftigt Bernhard Weiland schon seit vielen Jahren – und das nicht nur tagsüber. Nachts träumt er von geheimnisvollen Orten, merkwürdigen Bus- und Bahnfahrten in die Vergangenheit oder ins Land der Fantasie. Ausgehend von solchen Traumreisen, die Weiland stets gleich nach dem Aufstehen als Sprachmemos auf seinem Smartphone sichert, plant der gebürtige Hannoveraner ab 2016 ein sehr reales Reiseprojekt: Mit den Transportmitteln des ÖPNV will er ganz Deutschland bereisen. Ideen für mögliche Ziele sammelt er bei Freund*innen, Bekannten und Nachbar*innen und kommt auf diese Weise auf viele Orte abseits der großen Tourismushochburgen, darunter zum Beispiel der Teufelsberg in Berlin, der Funtensee im Nationalpark Berchtesgaden, der Döbelner Ortsteil Nöthschütz und die Zickerschen Alpen. Insgesamt 15 Etappen kamen so zustande, die Weiland abseits der ausgetretenen Pfade bereiste und dabei immer wieder seinen Einfallsreichtum in Sachen Routenplanung beweisen durfte. Unterwegs verließ er sich dann aber größtenteils auf persönliche Wegweisungen durch Einheimische und verzichtete auf das Mitführen von Landkarten, egal ob analog oder digital. Belohnt wurde er für seinen Ansatz, die Dinge auf sich zukommen zu lassen, mit vielen kuriosen Begegnungen und ungewöhnlichen Erlebnissen, die er in seinen Reiseberichten wiedergibt.
So trifft er auf Fliegenfischer*innen, Wellenreiter*innen, Bratwurstbrater*innen und Fischverkäufer*innen und schließt Bekanntschaft mit einer ganzen Reihe von Busfahrer*innen, die unterschiedlicher kaum sein könnten – denn von der freundlichen Servicekraft über die launige Kartenabreißerin bis hin zum eifrigen Geschichtenerzähler am Lenkrad ist alles vertreten. Neben der Schilderung solcher Begegnungen in witzigen Dialogen und Szenen beschreibt Weiland auch immer wieder seine Eindrücke und Assoziationen vor Ort, erläutert seine Erfahrungen mit dem ÖPNV oder die Geschichte des Reiseziels. Anders als ursprünglich vorgesehen endet seine letzte Etappe am Königssee Mitte September 2020, also inmitten der Corona-Krise. Wie die seine Planung beeinflusst und ihm immer wieder den hohen Wert des Reisens bewusst macht, ist besonders interessant zu lesen. Am Ende hat Weiland um die 2900 Kilometer zurückgelegt, viele Stunden an Haltestellen gewartet, auf pünktliche Verbindungen gehofft – und dieses Land neu für sich entdeckt.
1951 in Hannover-Linden geboren lebt Bernhard Weiland heute mit seiner Frau in der Calenberger Neustadt von Hannover und in Buchholz in der Nordheide. Er war bis 2011 bei der Landeshauptstadt Hannover beschäftigt. Nach einigen Jahrzehnten als Hobbymusiker an Kontrabass, Gitarre und E-Bass entdeckte er Ende der 90er Jahre die analoge und digitale Fotografie für sich. Er ist passionierter Radfahrer, seit über zwanzig Jahren ohne eigenes Auto. Am Rentnerdasein schätzt er vor allem eins: die viele Zeit zum Reisen.● Anja Dolatta, Foto: P. Manske

 

 

 

„Alter Mann im Bus
Eine Deutschlandreise im Öffentlichen Nahverkehr“
von Bernhard Weiland
tredition Verlag
ISBN: 978-3-347-11526-2
296 Seiten
12,99 Euro

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Tonträger im Januar

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Tonträger im Januar


Grandbrothers: All The Unknown
Das in Düsseldorf ansässige Duo aus dem Pianisten Erol Sarp und dem Produzenten und Audio-Softwareentwickler Lukas Vogel fusioniert Klaviermusik mit Electronica. Mit Hilfe einer von Vogel gebauten Mechanik werden Klänge eines Konzertflügels umgeformt und mit verfremdenden Bleeps und Beats verschmolzen. Es entsteht ein fließender Kosmos von clubtauglicher Klaviermusik.

 

 

 

 

tomeque: hallo welt
Der selbsternannte Synther-Songwriter aus St. Pauli verbindet auf seinem Debütalbum seinen in diversen Rockbands verbrachten Lebensweg mit zunehmend elektronischen Einflüssen und einer neuen Leidenschaft für Discobeats und Remixe, was einen reizvollen Kontrast ergibt. Melancholischer Höhepunkt ist das mit schwerer Zunge leidenschaftlich vorgetragene „Gute Nacht St. Pauli“.

 

 

 

 

Louis Philippe & The Night Mail: Thunderclouds
Der in London lebende Franzose Philippe Auclair scheint ein Doppelleben zu führen: Hauptberuflich Sportjournalist für BBC World Service und France Sport, bereichert er im Nebenerwerb die Musikwelt unter dem Alias Louis Philippe mit exaltierten Popsongs. Zusammen mit der Band The Night Mail entstanden nun 13 leicht verschrobene Pop-Songperlen mit Elementen aus Jazz und Chanson.

 

 

 

 

Blackbird Mantra: High And Dry
Vielleicht ist es das Geklingel ihrer Gitarren, was an den hypnotisch-repetitiven Gesang einer Amsel erinnert. Fesselnd ist der Sound der Hamburger Psych-Rock-Band allemal, auch wenn sie ihn locker aus dem Ärmel zu schütteln scheinen. Nach ihrer EP „Riverside Bar“ ein sehr gelungenes Debütalbum für FreundInnen von hoch komplexer, tief entspannter Gitarrenmusik.

 

 

 

 

 

Son Lux: Tomorrows II
Der zweite von insgesamt drei Teilen, die erst nach Erscheinen des letzten Albums im Frühjahr physisch erhältlich sein werden. Ursprünglich das Soloprojekt des amerikanischen Musikers und Komponisten Ryan Lott, bewegt sich der Sound der Band zwischen sehr entspanntem Electronica und verkopftem Hiphop mit gehauchtem Falsettgesang à la Portishead. Phasenweise herzzerreißend schön.

 

 

 

 

Make Boys Cry: Glass Cannon
Make Boys Cry ist eine Pianistin, Komponistin und Produzentin, die in Leipzig und Berlin lebt und arbeitet. Ihr erstes Album erkundet verschiedene Spielarten der Neo-Klassik. Mal verbinden die Produktionen im Stile eines Nils Frahm minimalistisches Klavierspiel mit elektronischen Flächen, mal entwickeln die Stücke eine filmische Opulenz, die an Yann Tiersen erinnert.

 

 

 

 

 

Sigur Rós: Odin’s Raven Magic
Die treue Fangemeinde der einordnungs-resistenten isländischen Band hat lange darauf gewartet: „Odin’s Raven Magic“, eine Zusammenarbeit zwischen Sigur Rós, der isländischen Musiklegende Hilmar Örn Hilmarsson, Steindór Andersen (Fischer und einer der angesehensten Interpreten von traditionellen epischen Überlieferungen), und Maria Huld Markan Sigfúsdóttir von der Band amiina, gibt es nun auch als Aufnahme, fast zwanzig Jahre nach der Uraufführung im Londoner Barbican Centre. Der Bildhauer Páll Guðmundsson hatte eigens für die Aufführung eine einzigartige, fünf Oktaven umfassende steinerne Marimba gebaut, die den Sound des Albums entscheidend prägt. Das orchestrale Werk geht zurück auf ein recht apokalyptisches Kapitel der „Edda“, einem in altisländischer Sprache verfassten literarischen Kanon mit Götter- und Heldensagen des 13. Jahrhunderts.

 

 

Doug Carn, Adrian Younge, Ali Shaheed Muhammad: Jazz Is Dead 005
Ursprünglich als eine Konzertreihe geplant, haben der Produzent und Multiinstrumentalist Adrian Younge und Ali Shaheed Muhammad, Gründer und Mastermind der Alternative Hiphop-Band A Tribe Called Quest, „Jazz Is Dead“ zu einem Label ausgebaut. Und natürlich geht hier es nicht darum, den Jazz zu Grabe zu tragen, sondern ihn in einem neuen Kontext zu präsentieren. Das fünfte Album ist eine Zusammenarbeit mit dem heute 72-jährigen Meister der Hammond-Orgel und Multiinstrumentalisten Doug Carn, der vor allem für seine bei dem legendären 70er-Jahre-Label „Black Jazz Records“ erschienenen Alben bekannt ist. Als brillanter und kreativ unruhiger Spiritual-Jazzer ist Doug Carn dennoch unter den Helden des 70er Progressive-Funk-Jazz immer ein bisschen unter dem Radar geflogen, umso dankenswerter erscheint jetzt das JID-Spotlight.     ● Annika Bachem

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Reinhold Fahlbusch und Andrea Weinhold-Klotzbach von  StiDU – Stimme der UngeHÖRTen e.V.

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Reinhold Fahlbusch und Andrea Weinhold-Klotzbach von StiDU – Stimme der UngeHÖRTen e.V.


Im März 2020 gegründet, war der Ansatz von StiDU ursprünglich, von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen Gehör und Sichtbarkeit zu verschaffen. Als eine Ombudsstelle sollte sie Ohr und Stimme der Obdachlosen sein und so erste Schritte zur Teilhabe am gesellschaftlichen Miteinander ermöglichen. Mit einer Pandemie hatte damals noch niemand gerechnet. Initiator ist der ehemalige Bankmanager Reinhold Fahlbusch, der sich schon seit über 15 Jahren in verschiedensten Organisation für Obdachlose engagiert, zum Beispiel als Vorstandsvorsitzender bei „fairkauf“ oder im Aufsichtsrat des Diakonischen Werks Stadtverband Hannover. „Ich bin christlich-katholisch sozialisiert“, erklärt Fahlbusch, „und zu Hause war es selbstverständlich, dass man sich für andere einsetzt. Ich setze mich mit dem, was ich kann, da ein, wo es gebraucht wird. Und ich kann mit Geld umgehen und Prozesse managen.“ Zusammen mit der zweiten Vorsitzenden von StiDU, der Juristin Andrea Weinhold-Klotzbach, ist Fahlbusch heute beim Stadtkind zu Gast.

Eigentlich wollten die StiDU-Gründungsmitglieder ihren Verein „Stimme der Schwachen“ nennen. „Aber wir merkten schnell, dass es nicht fair ist, Menschen schwach zu nennen, denen nur niemand zuhört“, so Fahlbusch. „Außerdem verlagert der Name StiDU – Stimme der UngeHÖRTen das Problem zu den anderen: Hört zu! Daher auch die Schreibweise. DU und HÖRT sind groß geschrieben.“
Von einer früheren Sozialdezernentin der Stadt Hannover hörte Fahlbusch irgendwann die Bemerkung, die Obdachlosen hätten ja gar keine legitimen Vertreter. Dieser Satz, so lebensfremd er war, denn wie sollten Obdachlose einen Vorstand wählen, setzte sich fest bei Fahlbusch. Natürlich war auch eines daran richtig: Obdachlose haben keine Lobby. Fahlbusch wurde vorstellig beim hannoverschen „Gesellschaftsfonds Zusammenleben“, der Gelder für Integrationsprojekte vergibt, und hatte kurze Zeit später Projektmittel für zwei Jahre, um genau so eine Ombudsstelle aufzubauen. „Nur bin ich 75 Jahre alt. Und weil ich nicht weiß, wie lange ich noch da bin, wollte ich das Ganze von meiner Person lösen.“
Er suchte Gleichgesinnte, und fand als eine der ersten Andrea Weinhold-Klotzbach, die in ihrer Kirchengemeinde einen Kreis für Obdachlosenhilfe leitete. Weitere Engagierte fanden sich, unter ihnen viele unabhängige Organisationen, aber auch Obdachlose selbst, und gemeinsam gründete man den Verein. Ganz wichtig ist ihnen hierbei die Unabhängigkeit von staatlichen Zuwendungen. „Wir müssen – und das machen wir im Moment ganz massiv – Finger in die Wunden legen“, betont Fahlbusch. „Und ich kann nicht mit der rechten Faust dem Baudezernenten auf den Tisch schlagen und sagen mach deine Häuser auf, und anschließend im Sozialdezernat die Hand aufhalten.“
„Eine Woche nach unserer Gründung kam dann Lockdown Nr. 1“, so Andrea Weinhold-Klotzbach. „Eigentlich wollten wir Leute gewinnen, die durch eine Art Abzeichen an der Jacke zu erkennen geben: Ich bin bereit, mich mit dir zu unterhalten, dir zuzuhören, wenn du ein Problem hast. So wollten wir das Thema in die Stadtgesellschaft tragen. Aber das war dann absolut nicht mehr vordringlich, den für die Obdachlosen brachen sämtliche Strukturen zusammen. Die Tafeln waren zu, mit Ausnahme der Caritas haben die freien Träger ihre Tagestreffs geschlossen. Eine Mitarbeiterin von StiDU, die provisorisch in einer Gartenlaube lebt, erzählte zum Beispiel, sie käme nicht mehr an ihre Klamotten, die sie in einem Tagestreff aufbewahrt hatte. Das war ja keine böse Absicht, sondern zeigt einfach, wie verrückt die Situation war, auf die keiner vorbereitet war,“ erinnert sich Fahlbusch.
Er trug dann seine Kontakte aus bisherigen Engagements zusammen, und StiDU schrieb einen ersten Rundbrief an EntscheiderInnen der Stadt, unter ihnen der Regionspräsident, der Oberbürgermeister und Fraktionsvorsitzende von Stadtrat und Regionsversammlung. Im Rundbrief wurden die vier ganz akuten Probleme benannt: Woher bekommen die Obdachlosen etwas zu essen, ohne Tafeln und Tagestreffs? Wo bleiben sie, wenn die Ansage ist: Stay at home? Wo können sie sich waschen? Wie können sie medizinisch versorgt werden?
„Die Stadtverwaltung hat in dieser Situation wirklich gut reagiert“, so Fahlbusch. „Sie haben einen interfraktionellen Krisenstab zusammengestellt, der sich den Problemen stellen sollte und der mit uns in ständigem Kontakt stand. Sandra Lüke vom Bollerwagen-Café und Mario Cordes von der Obdachlosenhilfe sind sofort eingesprungen, um eine Essensausgabe am Pavillon und in der Not-Schlafstelle Alter Flughafen zu organisieren. Er hat es auch sehr schnell geschafft, nicht nur warmes Essen, sondern auch Tafelware wie Gemüse und Obst mit auszugeben. Das war von etwa Mitte März bis Ende April, und die Zusammenarbeit mit der Stadt war, wie man sie sich eigentlich nur wünschen konnte. Die Stadt hat täglich 500 kostenlose warme Mahlzeiten im Congress Centrum kochen lassen, und die Caritas hatte auch nicht geschlossen. Die Heilsarmee hat Essen ausgegeben, das Stellwerk, Neues Land e.V. … Da kamen nicht nur Obdachlose, sondern auch die sogenannte Armutsbevölkerung. Super lief es dann auch erst einmal mit dem Thema Unterbringung. Es wurde möglich gemacht, 100 wohnungslose Menschen in der temporär geschlossenen Jugendherberge unterzubringen. Es war toll zu sehen, was das mit den Leuten gemacht hat und wie die ihre Zimmer gepflegt und dekoriert haben“, berichtet Fahlbusch.
Als dieses Angebot auslief, konnten immerhin 60 von ihnen einem zentral gelegenen Hotel untergebracht werden. Im Anschluss fand man die Möglichkeit im Naturfreundehaus am Rand der Eilenriede.
Als Juristin kann Weinhold-Klotzbach problemlos darlegen, welche rechtlichen Ansprüche Obdachlose haben. „Es gibt Rechtsprechungen von Oberverwaltungsgerichten, dass den Obdachlosen Tag und Nacht Schutz vor der Witterung geboten werden muss, und auch ein Platz für die persönliche Lebensgestaltung, ein Rückzugsort. Alle haben einen Anspruch darauf, dass ihre Grundrechte geschützt werden. Und das sind ganz konkret, das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und auf Menschenwürde. Eigentlich müsste die Stadt also die Notschlafstätten auch tagsüber öffnen, oder sie müsste Tagesaufenthalte anbieten, die in zumutbarer Entfernung liegen. Und da gibt es Urteile, die besagen, dass dazwischen höchstens 30 Minuten zu Fuß liegen dürfen, und dass es eine Möglichkeit zur sicheren Unterbringung persönlicher Sachen geben muss.“
Auf die Frage, von welcher Zahl wohnungsloser Menschen wir in Hannover überhaupt sprechen, bemerkt Fahlbusch: „Es steht immer eine 400 im Raum, aber ich denke, es sind mindestens 800, und für alle müsste ein Tagestreff zur Verfügung stehen. Langsam setzt sich bei der Stadtverwaltung nun die Erkenntnis fest, dass hier etwas getan werden muss, und ebenso die Erkenntnis, dass es zu enormen Veränderungen führt, wenn wir die Menschen sozialpädagogisch begleiten.“
Es kommt also Bewegung in die Sache, was nun in der kalten Jahreszeit auch dringend geboten ist. „Seit letzter Woche gibt es ein zartes Hoffnungspflänzchen: Das Modellprojekt Plan B – OK, das die Unterbringung der Menschen mit sozialer Beratung kombiniert. So sollen sie darin bestärkt werden, ihre Wohn- und Lebenssituation dauerhaft zu verbessern. 21 Leute bewohnen schon ein Haus in Döhren mit sieben Wohneinheiten und es wird nach weiteren Immobilien gesucht. Wir weisen allerdings schon seit Monaten auf drei leerstehende Objekte hin, die sofort bezogen werden könnten, auch wenn da vielleicht noch irgendwas am Dach repariert werden muss (letztere Bemerkung ist bezogen auf die Schulenburger Landstraße 158, die am 05.12. von Aktivisten besetzt und im Anschluss von der Polizei geräumt wurde. Anm. d. Red.). Angeblich werden für diese Immobilie gerade Wirtschaftlichkeitsberechnungen angestellt, die Mieter sind aber seit anderthalb Jahren raus. Meines Erachtens kann man so eine Prüfung innerhalb von ein paar Stunden durchführen,“, so der ehemalige Bänker, bei dem durchaus Wut und Unverständnis durchklingt. „Das Haus steht leer, bringt keine Miete und verkommt. Das ist für mich eine ganz einfache Rechnung. Wir machen jetzt Druck, dass diese freien Immobilien so schnell wie möglich im Rahmen von Plan B – OK genutzt werden. Die sind teils aus den Siebzigerjahren und sicher nicht mehr in einem Top-Zustand. Aber was ist denn die Alternative? Straßenpflaster! Und man kann, zum Beispiel mit der Unterbringung in der Schulenburger Landstraße gleich auch noch ein Arbeitsmarktprojekt draus machen, indem man das große, verkommene Grundstück dort von den Bewohnern herrichten lässt. Die könnten da Gemüse ziehen. Es gibt dort sogar einen kleinen Laden, über den die Erträge verkauft werden könnten. Es gibt eine städtische Beschäftigungsgesellschaft, die zusammen mit Obdachlosen Wohnungen instandsetzen könnte. Das Mitmachen gibt ihnen dabei eine ganz wichtige Erfahrung eigener Stärke: Ich kann ja noch was.“
Konzepte und Ideen sind also reichlich vorhanden, jetzt wäre es an der Zeit, bürokratische Hemmschuhe abzustreifen. Hausbesetzungen, wie am vergangenen Wochenende geschehen, lehnt StiDU allerdings strikt ab.
„Wir sind angetreten, als Ombudsstelle, um die Rechte Obdachloser zu wahren und dürfen nicht gutheißen, die Rechte anderer zu verletzen. Es gibt ein verfassungsmäßig garantiertes Eigentumsrecht. Es reicht nicht, wenn Maßnahmen legitim sind – sie müssen auch legal sein. Natürlich ist so eine Besetzung ein Hinweis darauf, dass hier etwas im Argen liegt, aber das war auch vorher schon bekannt und ging auch schon in sehr vernünftiger Form durch die Presse“, so Fahlbusch.
Das vierte Problemfeld ist die medizinische Versorgung. Die Regelsysteme der Medizin und Obdachlosigkeit vertragen sich nicht. Die meisten Obdachlosen setzen sich aus vielen und auch verständlichen Gründen nicht einfach in ein Wartezimmer. Hierzu wurde Fahlbusch von der Vorsitzenden des Sozialausschusses der Regionsversammlung, Jutta Barth angesprochen. „Wir haben ein Konzept für ein medizinisches Versorgungszentrum entwickelt, eng verzahnt mit zielgerichteter Sozialarbeit. Im Juli haben wir es einem größeren interessierten Kreis, einschließlich der Ärztekammer vorgestellt. Hier bewegt sich jetzt auch ein bisschen was. Für mich ist das ein Rückgriff auf meine berufliche Vergangenheit. Ich war als Bänker bei der Apotheker- und Ärztebank tätig und bin gut im Thema.“
Fahlbusch und Weinhold-Klotzbach sehen es sehr positiv, dass das Thema Obdachlosigkeit im Moment relativ große mediale Aufmerksamkeit bekommt. So entsteht ein gesellschaftlicher Druck auf die Verwaltung, etwas zu unternehmen.
Bei aller akuten Not ist es den bei StiDU engagierten Menschen wichtig, Obdachlose in der Stadtgesellschaft sichtbarer zu machen. Viele denken, wenn sie das Wort hören, an Betrunkene im Hauptbahnhof. „Ich zähle immer durch, wenn ich da bin, und komme etwa auf 15“, so Fahlbusch. „Die allermeisten aber sind für uns unsichtbar. Sie verstecken sich, schämen sich und versuchen, nicht aufzufallen. Aber die Leute sind hier in der Stadt, sie gehören zu uns. Und auf sie zu schauen, auf ihre Sorgen und Nöte, das tut einer Stadtgesellschaft gut.“                        ● Annika Bachem

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