Uwe Berger ist u.a. geschäftsführender Gesellschafter der B&B Markenagentur GmbH – und dieses „u.a.“ hat bei ihm eine besondere Bedeutung, denn er ist darüber hinaus noch in einigen weiteren Funktionen unterwegs, zum Beispiel als Präsident des Marketing-Clubs Hannover e.V. oder als Gründungs- und Vorstandsmitglied von Digitales Hannover e.V. oder als Mentor bei der VentureVilla Accelerator GmbH oder als Präsident der LIGA-H, ein Zusammenschluss einiger in Hannover ansässiger Agenturen. Uwe Berger ist außerdem Gründungsmitglied des [kre|H|tiv] Netzwerk Hannover e.V. und neuerdings wieder Gründer. Mit dem „überwegs“ bietet er einen kreativen Raum in der Georgstraße. Denken, lernen und erfinden – eine neue, kreative Oase im Herzen der Stadt. Und weil das immer noch nicht genug ist, darf natürlich auch eine Video-Podcast-Serie im Netz und bei h1 (Vinyltalk.de) nicht fehlen. Wie geht eigentlich Werbung und Marketing heute – und morgen? Wir haben mal nachgefragt …
Wenn man sich mit Uwe Berger unterhält, dann sollte man gut ausgeschlafen sein, denn er denkt und schießt ausgesprochen schnell. Und er nutzt dabei sehr gerne diese typische Werber-Sprache, die bereits in diversen Sketchen aufs Korn genommen wurde, allerdings gibt es bei Uwe Berger einen sehr klaren Unterschied, wenn er seine meist englischen Begriffe in die Unterhaltung streut – er kann sie alle mit Inhalt füllen, er weiß tatsächlich sehr genau, wovon er spricht. Man muss sich konzentrieren, damit man mitkommt, so ein bisschen erinnert die Unterhaltung an ein Spiel am Flipperautomaten (Anmerkung für die jüngere Generation: Das war früher mal ein beliebtes Spiel zum Zeitvertreib in Kneipen). Feuert man eine Kugel, beziehungsweise ein Stichwort ab, dann blitzt und blinkt und knallt es kurz darauf fulminant. Das ist sehr anregend und macht großen Spaß. Der 53-Jährige kann aber auch sehr gut zuhören. Eine Qualität, die absolut keine Selbstverständlichkeit ist in seiner Branche, in der es ein Stück weit immer auch um die gelungene Selbstdarstellung geht, um die Eigeninszenierung. Es stimmt, Uwe Berger geht gerne nach vorne, er strebt in die erste Reihe. Sein Talent ist aber, die anderen dabei mitzunehmen.
Geboren wurde er in Stuttgart, aufgewachsen ist er in Wolfenbüttel, er lebt seit 1982 in Hannover und ist hier inzwischen wahrscheinlich verwurzelter als so mancher gebürtige Hannoveraner, er hat eine Frau, zwei Kinder und ein Adressbuch, das man aus Gründen der Ressourcenschonung besser nicht ausdrucken sollte. Berger ist sozusagen ein Kind seiner inzwischen eigenen Agentur. 1990 hat er bei B&B seine Ausbildung zum Werbekaufmann begonnen und erfolgreich abgeschlossen, im Anschluss folgte eine weitere Ausbildung zum Kommunikationswirt, dann ein dreijähriges Abendstudium zum Betriebswirt – und er hat das Lernen auch danach nie eingestellt. Er hat innerhalb der Agentur Karriere gemacht, er hat sich im wahrsten Sinne des Wortes hochgearbeitet, eine fast 30-jährige Erfolgsgeschichte bis zum alleinigen geschäftsführenden Gesellschafter, was einerseits natürlich sehr viel Verantwortung mit sich bringt, andererseits aber auch die Möglichkeit beinhaltet, der Agentur seinen eigenen, ganz persönlichen Stempel aufzudrücken, sie nach den eigenen Vorstellungen auszurichten und zu gestalten. Und mit diesem Transformationsprozess beschäftigt sich Berger gemeinsam mit seinen momentan 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr intensiv seit nunmehr fünf Jahren
Ein Prozess, der natürlich auf handfesten Erkenntnissen und Überlegungen basiert. Die Gesellschaft ist in einer ständigen Entwicklung, bei der Energie, der Mobilität, der Kommunikation, wir erleben dazu einen andauernden soziodemografischen Wandel – und eine Agentur muss sich darauf einstellen, ebenfalls wandlungsfähig sein. Berger hat daraus ein Leitbild für seine Agentur entwickelt: Gestalten verändern – Verändern gestalten. „Das ist so ein ewiges Pingpong“, sagt Berger. „Alles entsteht immer neu und ist im Werden. Die Konsequenz aus dieser Überlegung ist, dass ich nun auch noch mal unter die Gründer gegangen bin mit dem überwegs, unserem Kollaborationslabor. Womit wir natürlich nicht so ganz noch mal von vorne anfangen. Unser großer Vorteil ist, dass die Agentur bereits seit fünf Jahren als ausgewiesene Markenagentur arbeitet und wir darum eine Marke relativ schnell aufbauen können. Entsprechend haben wir das überwegs schon jetzt relativ stark im Markt platziert. Ich bin mit dem überwegs sozusagen Kunde der B&B Markenagentur geworden. Sehr spannend. Man kann so auch die eigenen Prozesse und Strategien noch einmal hinterfragen. Es geht ja heute sehr stark um Kommunikation, um Beratung, auch um die wissenschaftliche Betrachtung von kommunikativen Prozessen. Es geht nicht mehr um die eine, spezielle Idee, den heißesten Slogan oder das Hammer-Plakat. Es geht tatsächlich eher um sehr langfristige und auch nachhaltige Prozesse. Marke ist Marathon, niemals Sprint.“
Und dann erzählt Uwe Berger vom Wandel in seiner Branche und man erfasst schnell, wie fundamental und radikal die neuen Medien auch den Bereich Werbung umgebaut haben. Bergers Ziehvater und Mentor Albrecht Bodo von Blücher war in Hannover bekannt für seinen Intellekt und Ideenreichtum. „Als ich 1990 in die Agentur gekommen bin, da ging es noch um die gestalterisch oder textlich beste Idee, da haben der Werbetexter oder der Werbegrafiker die ganz großen Tore geschossen. Albrecht von Blücher ist ein höchst kreativer Mensch, der damals mit einem witzigen Spruch oder einer witzigen Bildidee am Ende des Tages sein Geld verdienen konnte. Das ist heute in unserer Welt digitaler Transparenz, in der Wissen in Sekundenschnelle überall verfügbar ist, längst nicht mehr der Target-Punkt.“
Mittlerweile sei in der Agentur eher der Redakteur gefragt und nicht mehr so sehr der Werbetexter. Und es stimmt, früher sollte Werbung Aufmerksamkeit und Interesse wecken, Wünsche erzeugen. Zu verkaufen, das war das Ziel guter Werbung. Heute geht es vielmehr darum, Marken durch Content zu unterstützen, also Reportage statt Plakat. Werbung erzählt Geschichten, ein Magazin zum Produkt repräsentiert eher die Züge der Marke. Wenn man beispielsweise für ein Abfallunternehmen arbeite, so Berger, sei das ganz schnell sehr einleuchtend. Da gehe es dann eben nicht um die knallige, „eyecatchende“ Werbeheadline, sondern um die ganze Geschichte der Dienstleistung. „Ein Produkt, das im Internet von 300 Käufern eine positive Bewertung bekommt, braucht uns nicht, das verkauft sich von allein, so ein Produkt braucht keine Kampagne. Was wir für unsere Kunden vor allem erzeugen müssen, das sind Loyalitäten. Die Marke, das Angebot muss für den Kunden relevant sein, einen hohen Stellenwert genießen. Wenn das gelingt, wird der Marke sogar mal eine schlechte Leistung vergeben. Es geht also um Kundentreue, wir sprechen in dem Zusammenhang sogar von Love-Brands. Da spielen Gefühle eine Rolle. Schon Aristoteles wusste, dass nichts im Verstand ist, was nicht vorher in den Sinnen war.“
Wenn Uwe Berger von der alltäglichen Arbeit in der Agentur berichtet, klingt es sehr nach Wissenschaft. Bevor überhaupt über Kampagnen nachgedacht wird, steht zunächst die Analyse auf dem Plan, der Kunde wird intensiv befragt. „Wer bist du, was ist dein genetischer Code, ist deine Marke nachhaltig aufgestellt, wissen deine MitarbeiterInnen das alles, sind die schon Markenbotschafter“, zählt Berger einige Fragen auf. Recht schnell würden sich so die Defizite zeigen Und dann gehe es in der Folge darum, eine inhaltlich substanzielle aber trotzdem möglichst kreative Kommunikation zu entwickeln, über Filme, Magazine, Broschüren, Maßnahmen im identitätsstiftenden Bereich. Es gehe um das herausarbeiten der „Corporate Identity“, was sich erst danach anschließen kann, ist die Erarbeitung des „Corporate Designs“, damit bekomme die Marke ein Gesicht, eine Markenpersönlichkeit.
Es ist klar, dass wir mit Uwe Berger auch über Hannover und die Bewerbung zur Kulturhauptstadt sprechen. Man hat es jetzt in die zweite Runde geschafft. Für die Leitidee hat B&B die richtigen Worte gefunden, „HIER JETZT ALLE für Europa“. Und die Idee zum Slogan ist eigentlich schnell zusammengefasst: „Hannover hat keinen Hafen, so wie Hamburg, oder ein Hofbräuhaus, so wie München, Hannover hat nicht den herausragenden Leuchtturm. Daraus hat das Team rund um die Bewerbung zur Kulturhauptstadt einen sehr smarten Gedanken abgeleitet: Das Ganze ist mehr ist als die Summe seiner Teile. Soll heißen, Hannover hat so viel, eine so diverse und spannende Kultur, die gemacht ist von den Menschen, also sind eigentlich die Menschen unser Leuchtturm. Genau aus dieser Überlegung ist die Idee geboren, dass die ganze Stadt ein Leuchtturm sein kann, ein Leuchtturm für Europa. Das ist wirklich klug, finde ich. Genau aus diesem Grund ist Hannover ja auch so attraktiv für viele Menschen, man kann hier sehr gut leben, Hannover bietet alles, das Gesamtpaket passt einfach. Bei uns in der Agentur bewerben sich inzwischen Hannoveraner, die momentan in Hamburg wohnen, aber zurückkommen möchten. Dazu passt auch dieser ganz sympathische Lokalpatriotismus in den Stadtteilen. Die Menschen stellen dort gemeinsam ganz viel auf die Beine, auch in Sachen Kultur. Man kollaboriert gerne in Hannover.“
Womit wir am Ende unseres Gesprächs wieder beim „überwegs“ sind, Uwe Bergers Kollaborationslabor in der fünften Etage über seiner Agentur, mit einem vollverglasten Ausblick auf das Rathaus, den Funkturm und die drei warmen Brüder, und mit Platz für rund 100 Leute. Alles ist hier mit Rollen ausgestattet, der Raum kann individuell angepasst werden, man findet jede Menge „Spielzeug“, um der Kreativität auf die Sprünge zu helfen. Es ist ein Raum für Teams aus Unternehmen, auch interdisziplinäre Teams, die miteinander denken, Dinge entwickeln, auch mal spinnen wollen, die miteinander kollaborieren wollen. Das „überwegs“ wird vielfältig genutzt, gerne als Think-Tank oder für Breakout-Sessions, aber zwischendurch auch mal ganz klassisch als Konferenzraum, wobei allein die Sprüche an den Wänden für eine gewisse Grundstimmung sorgen, denn man findet hier die Regeln des Design-Thinking. „Leave titles at the door, build on ideas of others, fail early and often …“, Uwe Berger kann sie natürlich alle aufzählen. „Und dazu geht es natürlich immer ums Lernen“, ergänzt er. „Wir haben jetzt gerade eine größere Workshop-Reihe aufgebaut mit sehr guten Trainern, unser Kollaborationsraum wird so auch mal zur Akademie, wer mag, kann sich nun einen Coach beispielsweise zur Führungskultur dazu holen. Also, kollaborieren und lernen. Letzteres finde ich übrigens für mich ganz essenziell. Ich bin immer sehr an neuen technischen Entwicklungen interessiert. Ich gehöre ja zu einer Generation, die sich noch gut daran erinnern kann, wie aufregend es war, als das erste Fax in die Agentur kam. Ich bin sozusagen geboren in der analogen Welt und habe mich mit großem Interesse aufgemacht in die digitale Welt. Da möchte ich immer ganz vorne dabei sein. Ich bin zum Beispiel schon zweimal in China gewesen, um mir VR- und AR-Technologie anzusehen, weil sie uns dort einfach drei Jahre voraus sind. Und gleichzeitig weiß ich noch die Qualität des Analogen sehr zu schätzen, ich mag es, wenn in den digitalen Medien die Groß- und Kleinschreibung perfekt ist. Ich gehöre wahrscheinlich zu so einer Brückengeneration, die Kommunikation mit einem bestimmten Stil betreiben möchte, mit der Qualität und dem Anspruch des vielleicht Vergangenen, aber mit den Möglichkeiten von heute und gerne auch schon mit den Möglichkeiten von morgen oder übermorgen.“ Lak
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