Tag Archive | "2018-09"

Ein letztes Wort im September …

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Ein letztes Wort im September …


Herr Weil, bei unserem letzten Gespräch haben wir zuletzt kurz über den Prozess der Meinungsbildung gesprochen. Haben Sie eigentlich noch Freunde, die Ihnen ab und zu auch mal richtig die Meinung sagen?
Aber ja, klar. Das fängt schon zu Hause an mit meiner Frau…

Kritiker in den eigenen Reihen?
Ja. Ich glaube, in meinem Freundeskreis gibt es niemanden, der mir nach dem Munde redet.

Das ist ja manchmal schon ein Problem bei höheren Ämtern, dass sich die Leute im Umfeld nicht mehr trauen.
Hofschranzen nannte man die früher. Das gibt es bei mir hoffentlich nicht. Es gibt allerdings schon das Phänomen, dass manche von der Autorität des Amtes offenbar so beeindruckt sind, dass sie sich mir gegenüber sehr zurückhaltend geben, gelegentlich sogar schüchtern.

Man kann dann wahrscheinlich nur mit sehr viel Offenheit und Herzlichkeit reagieren, um das zu vermeiden oder abzuschwächen.
In jedem Fall braucht es wohl auch ein wenig Zeit. Viele Menschen, die anfangs manchmal sehr zurückhaltend sind, tauen im Verlauf eines Gesprächs schnell auf und sagen mir dann mitunter, ich sei ja doch ganz normal. (Lacht) Dahinter verbirgt sich aber ein handfestes Problem: Viele Leute sehen Politiker als Aliens von einer fernen Galaxie. Wir müssen alle daran arbeiten, dass sich das wieder ändert.

Lassen Sie uns an dieser Stelle mal zur gerade vergangenen großen Debatte um den sogenannten Asylstreit kommen. Wenn die Diskussionen so geführt werden, bilde ich mir keine Meinung, sondern wende mich eher ab. Aus meiner Sicht war das alles eine ziemliche Luftnummer.
Das sehe ich ganz ähnlich. Es war Wahlkampfgetöse, aber gefährlich für die Stimmung im Land und deshalb unverantwortlich. Man kann über alles vernünftig reden, aber das war nicht gewollt. Es sollte erkennbar ein Großkonflikt ausgelöst werden, um Wählerstimmen in Bayern zu sichern, da fehlen mir die Worte. Ich bin mir allerdings auch ziemlich sicher, dass so etwas nicht verfängt. Die Leute sind mit Recht durchaus kritisch und dass sie ein solches Schauspiel beeindruckt, das glaube ich eher nicht. Die jüngsten Umfragen bestätigen das.

Wobei in der Sache viele Bürger Seehofer, Söder und Co. ja durchaus Recht geben, die scheinen da durchaus einen Nerv zu treffen bei der Bevölkerung.
Es gibt in Sachen Zuwanderung und Migration viele schwierige Fragen und man sollte niemanden kritisieren, der tatsächliche Probleme auch in angemessener Form benennt. Wir haben bei der Debatte in den letzten Wochen nur leider etwas völlig anderes erlebt: Wir haben einen Bundesinnenminister, der von einem Masterplan redet, den dann lange niemand zu Gesicht bekommt. Und wir haben eine Bundeskanzlerin, die erklärt, nur ein Punkt des Masterplans sei strittig. Die SPD kannte den Masterplan lange nicht und hatte zunächst keine Möglichkeit, sich konstruktiv einzubringen. Und an einer einzigen Fragestellung mit zahlenmäßig geringer Bedeutung entfacht sich dann eine Regierungskrise – das ist einfach nur gaga.

Aus meiner Sicht ist das, was die CSU momentan treibt, Populismus pur. Es wird versucht, AfD-Wähler einzufangen.
Ja, sie versuchen, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Sie versuchen, die AfD dadurch überflüssig zu machen, dass sie sie kopieren. Das funktioniert nicht. Nach allen Erfahrungen ist es so, dass viele Leute dann am Ende doch lieber das Original wählen als die Kopie.

Und so wird es dann vielleicht auch kommen im Oktober.
Worüber man sich auch nicht unbedingt freuen könnte, denn wenn die CSU die Quittung bekommt, heißt das möglicherweise mehr Stimmen für die AfD. Ich habe tatsächlich die Befürchtung, dass das Verhalten der CSU am Ende nur der AfD nutzt. Die müssen ja im Grunde gar nichts mehr machen, die können sich zurücklehnen und ganz gelassen in den Urlaub fahren.

Wobei so ein Vorgang vielleicht auch einen heilsamen Effekt hätte, denn wenn eine etablierte Partei schmerzhaft erfährt, dass so ein Weg in die Irre führt und nicht erfolgreich ist, dann könnte das auch eine Mahnung sein an alle anderen etablierten Parteien, sich jetzt mal wieder am Riemen zu reißen.
Auf diesen pädagogischen Effekt würde ich hier gerne verzichten.

Für mich ist in den aktuellen Diskussionen immer sehr viel Stimmung, sehr viel Bauchgefühl im Spiel. Ist das nicht gefährlich? Muss man nicht gerade bei solchen Diskussionen unbedingt den Verstand einschalten?
Ja. Aber das eine darf das andere nicht ausschließen. Man darf Leuten nicht den Eindruck vermitteln, sie würden falsch fühlen. Da gibt es zunächst mal nicht richtig oder falsch. Man muss zuhören, Sorgen und Gefühle ernst nehmen und dann versuchen, die eigenen Argumente so einzubringen, dass sie überzeugen. Aber jemandem zuerst zu sagen „du fühlst falsch“, das sorgt einfach nur dafür, dass ein Gespräch gar nicht erst zustande kommt. Wenn mir jemand sagt, du hast keinen Grund ärgerlich zu sein, obwohl ich stinksauer bin, dann ist das kein guter Gesprächsauftakt.

Sondern das Gesprächsende.
Generell wird aus meiner Sicht die emotionale Seite der Politik total unterschätzt. Wir sind alle immer sehr auf der rationalen Ebene unterwegs. Was zunächst natürlich auch seine volle Berechtigung hat. Aber wenn man die emotionale Seite zu sehr ausblendet, gibt es oft keine gemeinsame Gesprächsbasis.

Die Kunst ist, das zusammenzubringen?
Es ist tatsächlich die Kunst, neben einer rational überzeugenden Politik auch eine Ebene zu schaffen, die bei den Menschen Vertrauen schafft.

Was wir momentan aber sehr oft erleben, ist genau das: Nur das eine oder nur das andere. Populismus ohne Sinn und Verstand, und auf der anderen Seite rationale Antworten auf teils sehr emotionale Fragen. Der Mittelweg ist eher selten.
Leider. Wobei ich persönlich schon versuche, diesen Mittelweg zu gehen. In Sachen Migration sage ich seit September 2015 im Kern immer dasselbe: Erstens, wir stehen zum Grundgesetz und zur Genfer Flüchtlingskonvention. Zweitens, wir versuchen, bei der Sicherheit nichts anbrennen zu lassen. Und drittens, wir setzen uns maximal für Integration ein. Damit ist auch das berechtigte Schutzbedürfnis angesprochen. Man muss sich anstrengen, das zusammenzubringen. Man darf nicht versuchen, das eine gegen das andere auszuspielen. Es geht da um Haltung, um Authentizität.

Ich bemerke, angesichts der teils hysterischen Debatten, die geführt werden, dass mir die aus meiner Sicht richtige Haltung viel zu kurz kommt. Bei der Asylfrage geht es doch beispielsweise zunächst mal um Menschen, die oft unfassbares Leid erfahren haben. Die kommen hierher und brauchen Schutz, das ist die Ausgangslage. Und sie bekommen Asyl aus Mitmenschlichkeit. Es geht zuerst darum, zu helfen. Es geht nicht von vornherein darum, diese Menschen abzuweisen. Nachgelagert kann man dann gerne darüber diskutieren, wie wir mit den Problemen umgehen. Und natürlich müssen wir prüfen, wer ein Recht auf Schutz hat. Aber die Basis sollte doch immer die Mitmenschlichkeit bleiben.
Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Und was mir momentan tatsächlich auch Sorgen bereitet, das ist die erkennbare Gefühllosigkeit und auch teilweise Herzlosigkeit. Ich räume immer sofort ein, dass wir gar nicht in der Lage sind, alle Menschen aufzunehmen, die gerne nach Deutschland kommen würden. Und ich stehe auch dazu, dass man den Zuzug begrenzen muss auf diejenigen, die wirklich schutzbedürftig sind. Aber diesen Menschen gegenüber muss man dann auch echtes Mitgefühl zeigen. Und auch allen anderen gegenüber darf niemals der Respekt fehlen. Niemand verlässt seine Heimat aus Jux und Dollerei. Es sind teils wirtschaftliche Gründe, klar, aber wer von uns kann sich ein Leben für sich und seine Kinder ohne jede Perspektive vorstellen. Ohne Perspektive macht man sich auf den Weg. Das war übrigens schon immer so.

In der Diskussion klebt man nun gerne Etiketten auf Menschen. Wirtschaftsflüchtling. Was es einfacher macht, sich auf die Abwehr zu beschränken.
Das ist nicht allein ein deutsches Problem, das zieht sich durch ganz Europa. Das Thema Zuwanderung ist überall ein echter Sprengsatz. Weil dieses Thema ganz viele Ängste auslöst. Ängste, die wir ernst nehmen müssen.

Aber man sollte beizeiten auch den Verstand einschalten. Die Ängste können ja nicht das politische Programm bestimmen.
Natürlich nicht. Politik muss am Ende rational abwägen. Aber sie muss auch vermitteln, dass die Ängste nicht einfach ignoriert werden. Ich glaube, dass sehr viele Bürgerinnen und Bürger in den letzten Jahren immer wieder den Eindruck hatten, ihre Sorgen würden ignoriert. Man muss diese Sorgen aber aufgreifen, sie ernst nehmen, Hintergründe erklären und Lösungen vorschlagen. Vernünftige und verständliche Lösungen. Keine irrationalen Dummheiten oder Scheinlösungen. Es geht einfach darum, ehrliche Politik zu machen.

Interview: Lars Kompa
Foto: Carolin Janocha

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Small Talk

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Small Talk


Neu im Stadtkind: Anne Andersch

Gestern waren mein Freund Michi und ich wieder einmal auf einer Sexparty zu Gast. Wie immer trugen die übrigen Anwesenden seltsame Kostümierungen, aber darüber zu rätseln habe ich schon längst aufgegeben. Meiner Ansicht nach ist Kleidung bei solchen Anlässen einfach deplatziert und ich komme dementsprechend ohne sie, mit vollster Unterstützung von Michi.

Der Trend des Abends lag eindeutig bei Latex und Leder – was mich angesichts der aktuellen Temperaturen schaudern ließ – und ziemlich schnell hatten wir ein Pärchen gefunden, das unseren jeweiligen Präferenzen vollends entsprach. Sie hießen Morpheus und Trinity (was ich im Übrigen für eine ausgesprochen gelungene Paarung antiker Mythologie und christlicher Dreifaltigkeitslehre halte) und waren dazu bereit, in einem der abgedunkelten Mehrbett-Separés, die von schwarzer Gaze mit lauter willkürlichen Zahlenreihen verhangen waren, einen kleinen Partnertausch zu machen.
Michi musste sich allerdings noch ein wenig gedulden, bis die kleinen blauen Pillen bei Morpheus anschlugen, und aus gebotener Höflichkeit warteten auch Trinity und ich.

Während wir so dasaßen und nichts zu tun war, versuchte ich, ein Gespräch anzuregen. Das ging eine Weile ganz gut, dann fragte mich Trinity plötzlich, ob ich lieber schlucke oder spucke. Die Frage kam aus völlig heiterem Himmel, und ich sah sie fragend an. „Na, schlucken oder spucken? Also ich schluck‘ es ja am liebsten – aber manchmal kau‘ ich auch vorher noch drauf rum.“ Was denn, gib mir ein Akkusativobjekt! – versuchte ich ihr mit den Augen zu bedeuten. Stattdessen zeigte sie erst auf ihren Mund, dann auf das Bett unserer Männer, wo sich langsam die Macht der Arzneimittelindustrie abzuzeichnen begann. Da ich weiterhin nicht verstand, warf sie mir einen enttäuschten Blick zu, murmelte etwas, das wie „Newb“ klang, und wandte sich seufzend ab.

Es war der Beginn einer peinlichen und überaus quälenden Stille, die ich bei Bettgenossen für unangemessen halte und daher so rasch wie möglich zu beenden suchte. Und da sie das Thema „Schlucken“ zu interessieren schien, fing ich an Dinge aufzuzählen, die ich in meinem Leben schon geschluckt hatte. Das war eine ganze Menge und ich kam sogar ziemlich gut voran, doch als ich die Bandwurmeier erwähnte, die ich kurz nach Ostern heruntergeschluckt hatte und um Weihnachten herum auszuscheiden plante, damit ich mir den Silvesterabend mit einer kurzweiligen Sektion versüßen könne, stießen Morpheus und Trinity, beide für sich, einen spitzen Schrei aus. Sie waren ganz schön aus dem Häuschen, was ich in dem Moment als ein positives Zeichen dafür deutete, dass das Eis gebrochen war. Aber bevor ich mit meiner Auflistung fortfahren konnte, mischte sich Michi ungefragt ein, behauptete, ich würde nur Spaß machen.
Wenn es eines gibt, das ich nicht ertragen kann, dann das. Ich verabscheue Unaufrichtigkeit! Deshalb habe ich ihm auch gleich vehement widersprochen und noch oben draufgesetzt, dass ich ein mindestens 60 Zentimeter langes Exemplar erwarte. Daraufhin stieß mich Trinity von der Bettkante und Morpheus scheuchte uns aus dem Separé.

Ich hatte schon begriffen, dass da etwas, irgendetwas, schief gelaufen war, aber dass Michi mich deswegen so wütend anfunkelte, fand ich absolut übertrieben. Der Abend war noch jung, die Halle voller Menschen. Ich bot mich an, uns flugs ein paar neue GespielInnen aufzutreiben, aber Michi wollte nichts davon hören. Er würde das übernehmen, ich solle an der Bar sitzen und mit niemandem sprechen.

Das ist leichter gesagt als getan. Denn es dauerte gar nicht lange, und ein Typ, selbstverständlich in Latex und Leder, lehnte sich zu mir herüber und redete auf mich ein. Lustigerweise hieß auch er Morpheus, nur hatte dieser eine Zahnlücke. Er behauptete höchst beunruhigende Dinge, nämlich, dass wir alle in einer Scheinwelt leben würden, dass uns eine allgegenwärtige Matrix umgibt und dass immer dann, wenn wir zu sehen, schmecken, hören, riechen und tasten glauben, eigentlich bloß elektrische Impulse unser Gehirn stimulieren. Er sagte: „Nehmen wir zum Beispiel diesen Löffel hier. Spürst du diesen Löffel? Dann täuschst du dich. Die Wahrheit ist: Es gibt überhaupt gar keinen Löffel.“ Und er legte mir etwas in die Hand, das ich noch vor einer Minute mit vollkommener Sicherheit als Penis identifiziert hätte. „Du meinst, der ist gar nicht real?“, fragte ich bestürzt. „Das heißt, es würde überhaupt nichts geschehen, wenn ich meine Finger schließen und dann meine Hand ganz schnell …“

… Michi war stinkwütend, als man uns auf Wunsch von Morpheus – allen beiden – des Geländes verwies. Für mich aber war es eine heilsame Erfahrung, da es mich von einem schwerwiegenden Irrtum kurierte. Jetzt weiß ich: Reden nach dem Sex ist okay. Davor ist es einfach zu riskant.

Anne Andersch

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Über Freundschaft …

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Über Freundschaft …


Liebe Stadtkinder,

das Titelthema des September-Stadtkinds beschäftigt sich mit der Freundschaft. Dass dieser Begriff nicht gleichfalls die Beziehung verwandter Menschen bezeichnet, ist noch gar nicht so lange her. Bis ins 16. und 17. Jahrhundert hat man in Deutschland nicht zwischen „erworbener“ und „angeborener“ Freundschaft unterschieden. Das hat sich sehr verändert. Was für ein Glück! Da gäbe es doch ein paar Verwandte, mit denen man auf gar keinen Fall befreundet sein möchte … Mehr zu dem Thema im neuen Stadtkind!

Ansonsten, wie immer, tiefgründige Beiträge!

Und natürlich, in gewohnter Qualität, Termine, Kulturtipps und einen dicken, fetten Veranstaltungskalender!

Also, ab zum Kiosk!

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Ventura

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Ventura


Martin hat sich eine neue Gitarre gekauft – Ende der Geschichte. Keine filmreife Gründungsgeschichte, kein whiskeygeschwängerter Beschluss in einer lauen Sommernacht. Die Kinder werden größer, haben andere Hobbys, als mit Papa Fahrradfahren, man hat wieder mehr Zeit und Bock, zusammen Musik zu machen. Weder Kai Schiering, noch Martin Wichary oder Tommy Krammling sind unbeschriebene Blätter in Sachen Musik. Und egal ob Portless, Shimmer oder Terry Hoax – die Quintessenz ist Rock. Gar nicht weiter verwunderlich, aber umso schöner, dass die drei Herren sich nun zu „Ventura“ zusammenge­schlossen haben. Zwei Gitarren und ein Schlagzeug, sowohl beim Singen als auch beim Einstreuen der Basseffekte wechselt man sich ab.

Ist das nicht ein bisschen stressig? „Nein, wir finden das gut, zu dritt zu sein. Das wollen wir auch bleiben“, sagt Kai. Und Matze ergänzt: „Es ist recht angenehm – das mit der Entscheidungsfindung geht viel schneller, genau wie die Einigung über Termine zum Proben.“

Und wie klingt Ventura? Der Einfluss der ge­liebten und geschätzten The Who ist unüberhörbar, genau wie „der gute Teil der Achtziger, der ohne Schulterpolster“. Soll heißen, The Cure, The Jam, bzw. Paul Weller. Aber auch ganz anders. Da trifft dann Tool auf King Crimson und Alice in Chains. Und: „Wir kommen jetzt in ein Alter, in dem man auch mal Blues-Rock spielt!“, scherzen Wichary und Schiering. Aber nicht so Tieftraurigen. Frei nach Mel McDaniel – You can‘t play the blues in an air conditioned room – ist da zu viel Spielfreude dabei.

Ventura sind es realistisch angegangen: Wenn man sich ein, zwei Mal im Monat trifft, ist es dann machbar, ein Set auf die Beine zu stellen, mit dem man eine Stunde das Publikum unterhalten kann? Durchaus. „Es ist ja ganz erstaunlich, was – muss man so sagen – ‚heutzutage‘ technisch alles möglich ist. Wenn man jemanden hat, der sich ein bisschen auskennt, wie Stephan Schillkowski zum Beispiel, dann kann man relativ schnell etwas aufnehmen, das man auch mal jemandem vorspielen kann, ohne sich dafür schämen zu müssen“, sagt Matze Wichary. „Großartig was zusammengeschnitten haben wir da nicht“, erzählt Kai Schiering. „Das meiste waren One-Take-Aufnahmen. Und, klar, die sind recht hilfreich, wenn man sie sich noch mal anhört, um sich zu verbessern.“

Am 25. September spielen die drei Hannoveraner beim Ruby Tuesday im Café Glocksee. Der erste Auftritt und dann gleich vor heimischer Kulisse? Ist die Gefahr da nicht groß, dass die Musik weniger Beachtung findet als die eigene Person, immerhin bewegt man sich seit Jahrzehnten in dieser Szene? Andererseits: Schämen müssen sich die Drei für Ventura wirklich nicht, kein Grund also, die Wirkung erst mal auswärts anzutesten.

Ventura haben sowohl eine Facebook-, Instagram- und YouTube-Seite, wo der geneigte Interessent vorab schon ein bisschen spicken kann. „Die Weichen sind gestellt. Wir haben sogar schöne Fotos – da steht einer BRAVO-Karriere nichts mehr im Weg!“ Bevor es aber zum Star-Schnitt kommt, rocken sie zunächst mal das Café Glocksee. Also vormerken: 25. September, Ruby Tuesday! Hannover hat mit Ventura endlich wieder eine starke Rockband – hingehen und anhören!

Text: UM, Foto: Sabine Mai

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Das stille Leben des Karl Rosenbaum

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Das stille Leben des Karl Rosenbaum


Ein Romandebüt

Zugegeben, ein Debüt ist es nicht so ganz – bereits einige Zeit vor „Das stille Leben des Karl Rosenbaum“ hat der Autor Frank Domnick seinen hannoverschen Regionalkrimi „Schattenspiel“ im eher privaten Kreis unter die Leute gebracht. Zum Vortasten, zum Einsammeln konstruktiver Kritik. In seiner ersten Romanveröffentlichung geht es nun um die Begegnung zweier sehr unterschiedlicher Menschen: Karl Rosenbaum ist ein mürrischer, abweisender Mann am Ende seines Lebens, Stefan Koczinski ein aufgeschlossener Jüngling, der den älteren Mann gegen seinen Willen immer wieder in Gespräche verwickelt. Beide Figuren verbindet ein Geheimnis – das aber erst gegen Ende gelüftet wird.

Foto: Thomas Huppertz„Man schreibt gerne über das, was man kennt und was man weiß“, sagt der hannoversche Autor Frank Domnick über sein in Hannover angesiedeltes Romandebüt – und fügt hinzu: „Es ist aber nicht vordergründig ein Hannover-Roman.“ Entstanden ist das Resümee eines stillen Lebens. Ermuntert und unterstützt hat ihn dabei der Schreibcoach Rainer Wekwerth.
Die Freude an der Literatur treibt Frank Domnick zwar schon seit Studentenzeiten um, aber es blieb zunächst bei Gedichtkalendern für den Bekanntenkreis sowie bei fingierten Geschäftsbriefen und Kurzgeschichten während seiner „ersten“ Karriere als Speditionskaufmann. Wirklich gebrannt hat Domnick, der immer schon Opernsänger werden wollte und auch begeistert im Schulchor gesungen hatte, aber für die Musik: Bereits neben der Ausbildung zum Speditionskaufmann hat er als Laiensänger im Chor am Bielefelder Theater mitgesungen, in den späten 80er-Jahren einen Operngesangsstudienplatz ergattert und es tatsächlich bis zum diplomierten Opernsänger gebracht. Seitdem steht er als Sänger und Darsteller für den Staatsopernchor Hannover auf der Bühne, leitet aber auch Opernhausführungen. Seine Bühnenerfahrung dürfte ihm nun auch bei seinen Autorenlesungen zugute kommen. Und letztlich hat ihn die Bühnenkunst wohl auch zur ernsthaften Schreiberei gebracht. Denn der Auftritt auf der Bühne produziert doch eher recht flüchtige Erfahrungen, die lediglich in der Erinnerung weiterleben. So reifte der Wunsch, ein vergleichsweise beständiges Werk zu produzieren: ein eigenes Buch.

Domnicks Figur Karl Rosenbaum braucht die Oper und das Theater, um in ihrem einsamen Leben wahrhaftige Gefühle ausleben zu können. Rosenbaum arbeitete aber bis zu seiner Pension in einem vergleichsweise bodenständigen Beruf als Goldschmied und Uhrmacher. Es ist der Besuch einer Luigi-Nono-Oper, die bei der Hauptfigur ein ungeahntes Aufgewühlt­sein auslöst und zu einem Zusammenbruch führt. Was folgt, ist die Rekapitulation des eigenen Lebenswegs zurück bis in die Kriegs­zeiten. Je stärker sich auch der junge Stefan Koczinski in Rosenbaums Leben drängt, desto mehr entfaltet sich vor den LeserInnen die Gedankenwelt des abgekapselten Sonderlings Rosenbaum – und seine von Entbehrungen durchzogene Vergangenheit. Diese Lebensgeschichte mit einem optimis­tischen Schluss zu beenden, der aber nicht in simplen Kitsch verfällt, war Domnick ein wichtiges Anliegen. „Das stille Leben des Karl Rosenbaum“ strebt keinem Heile-Welt-Szenario entgegen, trifft aber einen versöhnlichen Tonfall, der sich durch den gesamten Roman zieht, trotz aller Widrigkeiten des Lebens: die Kriege, die Krankheiten, die Verluste… und die Frage, für welche Dinge man zu kämpfen bereit ist. Auch Rosenbaum, der wie jedermann ein Produkt seiner Biografie ist, wird schließlich lernen, für seine Wünsche zu kämpfen.

Text: CK, Foto: Thomas Huppertz

Das stille Leben des Karl Rosenbaum
von Frank Domnick
BoD-Books on Demand, Norderstedt
316 Seiten
Taschenbuch
11,99 Euro

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Mashsee Brauerei

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Mashsee Brauerei


Bier mit mehr Geschmack brauen, und das in Eigenregie, das war schon immer der Traum von Braumeister Kolja Gigla. Im Jahr 2014 fiel der Startschuss zur Planerfüllung: Mit Biersommelier Alexander Herold eröffnete der Bierverliebte die eigene Mashsee Brauerei und das Craft Beer Kontor in Hannovers Südstadt. (Der Brauerei-Name wird denglisch ausgesprochen und kombiniert „Mash“, aus dem Englischen für „Maische“ stammend, und das Wörtchen „See“.)

Im April 2016 gaben die beiden das Craft Beer Kontor an Janina Crowder ab und zogen mit ihrer Kreativ-Bier-Küche in eine größere Location um. Dort widmet sich Kolja nach der kürzlichen Trennung von Geschäftspartner Alexander verstärkt seinen Neu-Kreationen aus der Mikrobrauanlage. Mit Gregor Jordan, einem zweiten Brauer, an der Seite, kombiniert er hier in Handarbeit auf einer selbstkonstruierten Mikrobrauanlage, mit der etwa 120 Liter Bier pro Sud hergestellt werden können, etablierte Bierstile mit aktuellen Geschmacksrichtungen, interpretiert alte Bierstile neu, oder experimentiert einfach mal völlig frei drauflos. Erst wenn die beiden ein Bier richtig überzeugt, brauen sie es auf einer großen Anlage im befreundeten Wiesener Brauhaus in Unterfranken. Dort fahren sie alle zehn Tage hin und produzieren ihre Biere selbst – während sie von der eigenen Brauerei in Hannover träumen. „Damit dieser Wunsch in Erfüllung geht, müssten die Hannoveraner aber noch sehr viel mehr Mashsee-Bier trinken,“ lacht Kolja, als wir bei einem „Beverly Pils“ zusammensitzen. Diese Kreation ist ein kalt gehopftes und unfiltriertes Pils mit der Hopfenfrucht­komponente Holunder/ Litschi, das sich am besten schluckweise genießen lässt (es unbedacht hinunter­zustürzen, wäre wahrer Frevel). „Anstatt Craft Beer kann man auch gut Kreativ-Bier sagen“, erzählt Kolja, denn aus Kombis von hunderten von Hopfen- und Malzsorten ergeben sich unendliche Möglichkeiten, die sich auf dem Craft-Beer-Sektor ausleben lassen.

„Alle kommerziellen Biere aus der Mashsee Brauerei sind trotzdem nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut, sie schmecken nur anders – das ist dem Hopfen geschuldet,“ erklärt der Diplombraumeister weiter. Er hat nicht nur an der VLB in Berlin studiert, sondern im Anschluss daran auch drei Jahre in deren Versuchsbrauerei gearbeitet und festgestellt, dass er sich keineswegs auf die Einseitigkeit von Industrie­bieren festlegen lassen will. In der eigenen Kreativ-Bier-Küche entstanden dann auch Biere wie das „TrainingsLager“, mit dem 2014 alles begann: Nach Malzauswahl (das Lager ist recht dunkelorange) und Maischprozess (da bleiben bewusst ein paar mehr unvergärbare Zucker drin) wird das Ganze kaltgehopft. Mit Crystal. Nie gehört? „Crystal wird selten ver­wendet, mit fällt spontan kein anderes Bier aus Deutschland ein. Ich finde den Hopfen super, der bringt eine klare Mangonote mit – eigentlich“, sagt Kolja und grinst. Mit dem „Triple 20“ geht‘s in die nächste Runde: Hier steuern die drei Hopfensorten Crystal, Mosaic und Taurus jeweils 20 Bittereinheiten bei und rücken die Hopfencharakteristik in den Vordergrund. Aktuell arbeiten Kolja und Gregor schon an etwas Weihnachtlichem…

Probieren kann man die Eigenkreationen weiterhin im Craft Beer Kontor, auch im The Harp, Jo‘s Food & Craft, Soulkitchen, Locorito und in der Craft Beer Bar gibt es die Mashsee-Biere (vom Fass), über 70 Bezugsquellen (für die Flaschenbiere) lassen sich mit dem praktischen Finder auf der Seite www.mashsee.de aufspüren. Wer an den Fassbieren interessiert ist, kann sich außerdem gerne direkt an die Mashsee Brauer wenden. In naher Zukunft will sich die Mashsee Brauerei ohnehin stärker öffnen: Lagerverkäufe mit speziellen Bieren zu speziellen Preisen und Brauer-Kurse sollen stattfinden – die Termine werden im Vorfeld auf den Social-Media-Seiten und im STADTKIND-Kalender angekündigt. Und wer noch mehr über die Story hinter Hannovers eigenem Bier erfahren möchte, der kann sich einen ausführlichen Podcast unter https://soundcloud.com/hhopcast/hhopcast-podcast-11-mashsee-kolja-gigla anhören. Sinnigerweise mit einem sommerlichen Baltic Porter „Captain Blaubeer“ mit blaubeeriger Note oder einem karamellig-malzbetonten „Hafensänger“ in der Hand …

Anke Wittkopp 

Mashsee Brauerei GmbH & Co. KG
Am Eisenwerk 17
30519 Hannover  
Tel. (0511) 37 02 29 74
info@mashsee.de

www.mashsee.de

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