Tag Archive | "2017-06"

undpaul – Lösungsorientiert und menschlich

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undpaul – Lösungsorientiert und menschlich


Nach ihrer Ausbildung zur Europasekretärin verließ Anja Schirwinski, damals gerade 19 Jahre alt, ihre Heimatstadt Erfurt und ging für drei Jahre nach Guatemala. Zurück in Deutschland suchte sie vergeblich einen Job, der ihrer Ausbildung entsprach. Schließlich arbeitete sie nachts für ein Online-Reisebüro, für das sie Anrufe entgegennahm. Und da nachts kaum jemand anrief, hatte sie Zeit, die Grundlagen der Webentwicklung zu lernen …

Anja meldete ein kleines Gewerbe an und baute ihre erste Webseite für einen Kunden, der Hubschrauber-Rundreisen anbot. 2006 ging sie als Assistentin der Geschäftsführung zu einer kleinen Unternehmensberatung nach Hannover und befasste sich bald mit der Webentwicklung der Firma. Für ihren Arbeitgeber konnte sie mehrere Webseiten mit dem Content-Management-System Drupal bauen, darunter die Unternehmenswebseite, ein E-Learning- und ein Networking-Portal.

2009 ergriff Anja die Chance und machte sich als Freiberuflerin selbständig. Innerhalb eines Jahres schloss sie sich mit Freunden zusammen und gründete die auf Drupal spezialisierte Internetagentur undpaul in Hannover. Heute bietet sie mit ihrem inzwischen 14-köpfigen Team maßgeschneiderte Dienstleistungen für High-End-Kunden wie Hubert Burda Media oder Warner Music Germany an. Das Projekt mein-schoener-garten.de, für Burda umgesetzt, wurde jetzt sogar mit dem Splash Award ausgezeichnet. Ganz schön erfolgreich, wenn man bedenkt, dass Anjas Plan eigentlich ein anderer war: „Ursprünglich wollte ich noch studieren und hatte einen Studiengang an einer Fachhochschule gefunden, in dem ich das richtig lernen wollte, was ich mir zuvor nur selbst beigebracht hatte. Glücklicherweise wurde ich nicht zugelassen, da ein Realschulabschluss mit Ausbildung und Berufserfahrung in einem ausbildungsfremden (aber studiumsnahen) Beruf nicht zur sofortigen Zulassung ausreichte. Im Nachhinein betrachtet bin ich froh, mir das Studium erspart zu haben.“

Trotzdem: Sich selbstständig zu machen, ist noch einmal eine ganz andere Nummer. Dafür braucht man nicht nur starke Nerven, sondern auch starke Partner. Wie zum Beispiel…: „Johannes Haseitl, der die Idee zur Gründung hatte. Mit ihm, Stefan Borchert und Mirko Haaser habe ich mich 2010 zusammengeschlossen und die undpaul GmbH gegründet. Noch heute sind alle Teil des Teams.“

Und was genau macht dieses Team? „undpaul ist eine Digital-Agentur mit dem Schwerpunkt auf der lösungsorientierten Entwicklung von komplexen Enterprise-Webanwendungen mithilfe von Drupal. Ich berate unsere Kunden bezüglich ihrer Webseite, stelle Entwicklerteams zusammen oder sichere das Qualitätsmanagement vor der Endabnahme des Projekts. Wir waren damals eine der ersten Agenturen Deutschlands, die diese Dienstleistung ausschließlich mithilfe von Drupal angeboten haben.“

Im Grunde war Anja also zur rechten Zeit am rechten Ort. Aber was genau ist Drupal eigentlich? „Drupal ist eines der innovativsten Content-Management-Systeme für den Internetsektor. Es ist ein mächtiges Framework, das in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen zum Einsatz kommt und der Kreativität kaum Grenzen setzt. Sowohl kleine Webpräsenzen als auch komplexe Community-Plattformen lassen sich damit schnell und hochwertig umsetzen. Drupal ist eine Open-Source-Software, die durch eine große Community entwickelt wird. Es fallen keine Kosten für die generelle Nutzung der Software an. Und die Webseiteneigentümer können ihre Seiten einfach und kostenfrei selber warten, was auch Geld spart.“

undpaul agiert aber nicht nur kunden-, sondern auch mitarbeiterfreundlich. Gerade arbeiten sie an ihrem Qualitätsmanagement. Trotz steigendem Erfolg: „Alle Mitarbeiter sollen auch weiterhin von zu Hause aus arbeiten dürfen. Wir wollen eine Agentur bleiben, die ihren Mitarbeitern flexible und familienfreundliche Arbeitszeiten bietet.” Mutig und beispielhaft!

AW/UM

Foto: © Hans und Jung

undpaul GmbH
Eleonorenstraße 18
30449 Hannover
Tel. (0511) 99978560
info@undpaul.de
www.undpaul.de

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Vegan & Raw

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Vegan & Raw


Seit November letzten Jahres kredenzt Simona Schmid gemeinsam mit ihrem Partner Björn Reißmann in ihrem kleinen Restaurant „Vegan & Raw“ unweit der nordstädtischen Lutherkirche vegane Burger und andere pflanzliche Schmackhaftigkeiten. Unter dem Motto „handmade food“ gibt es immer ein Gericht des Tages, veganes Gyros, Gulasch oder zwei pfiffige Burger-Kombinationen. Und alle, die vegan in den Tag starten wollen, können zwischen zwei Frühstücksvarianten wählen, vegan oder raw-vegan für jeweils 9 Euro.

Glücklicherweise haben wir einen Tisch reserviert, denn der kleine Laden mit der offenen Küche ist gegen Abend gut besucht. Die Holzbänke an den Wänden bieten nur 15 Sitzplätze, es wird also schnell gesellig. Und weil zusätzlich noch der wartende Bringdienst versorgt werden muss, ist es nicht nur gesellig, sondern reichlich laut und wuselig.

Wir entscheiden uns für das klassische Burger-Menü (mit Getränk 9 Euro, ohne Getränk 7,50 Euro). Die Burger, bestehend aus Bio-Vollkorn-Brötchen sowie Linsen- bzw. Buchweizenpatty, werden mit klassischen, fein gewürzten Kartoffelecken und Coleslaw rustikal auf Holzbrettchen serviert. Zum Menü gehört wahlweise noch eine Limonade. Überraschend groß ist hier die Auswahl in den verschiedensten Geschmacksrichtungen, auch in Bio-Qualität. Leider ist die klassische Cola, die zu einem Burger-Menü eigentlich dazugehört, gerade aus. Erwähnenswert ist auch die Auswahl an Dips, die man zu den leckeren, mit Rosmarin gewürzten Kartoffelspalten bestellen kann – Burgersoße, Paprika-Humus, Aioli, Cranberry und noch einige weitere leckere Varianten. Die Cranberry-Soße ist zwar etwas dünnflüssig, aber geschmacklich herausragend und eine tolle und interessante Alternative zu den üblichen Sour-Creme-Dips. Wir sind einer Meinung mit den Gästen an den Nachbartischen, das Wort „lecker“ hören wir an diesem Abend sehr oft.

Leider gut gesättigt müssen wir die roh-veganen Desserts auslassen und auch für die große Auswahl an Smoothies, die sich wirklich ansprechend anhören, reicht der Platz im Magen einfach nicht mehr aus. Wir entscheiden uns stattdessen noch für einen Cappuccino und einen Latte Macciato. Neben den verschiedenen Kaffee-Kreationen, die man mit Hafer- oder Sojamilch bestellen kann, gibt es im Vegan & Raw außerdem eine reichliche Auswahl an Tees in Bio-Qualität. Überraschend lecker schmeckt die Kaffee-Variante mit Hafermilch, die auch optisch gut ankommt.

Fazit unseres Ausflugs in die vegane Küchenwelt: Das Essen ist top, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Kleine Abzüge gibt es in nur der B-Note für die teilweise doch extreme Lautstärke, die automatisch entsteht bei relativ kleinen Räumlichkeiten und gleichzeitig viel Betrieb. Aber das wird sich nun zum Sommer wohl ändern, denn momentan baut man an der Außenterrasse. Im verkehrsberuhigten Bereich um die Lutherkirche wird man dann bei wärmeren Temperaturen sehr nett draußen sitzen können. Geöffnet hat das Vegan & Raw von Dienstag bis Freitag von 10 bis 20 Uhr und Samstag von 11.30 bis 20 Uhr. Eine neue, leckere Adresse für Frühstück, Mittagspause und Feierabendsnack. Wir kommen wieder! Und die Smoothies, Rohkostkuchen und anderen Leckereien werden wir uns beim nächsten Mal ganz sicher nicht entgehen lassen.

Andrea Hausmann-Kunkel

Hahnenstraße 1, 30167 Hannover
Tel.: 215 76 207
Di bis Fr 10 – 20 Uhr, Sa 11.30 – 20 Uhr
Mehr Infos auch zum Catering-Angebot unter: www.vegan-raw.de

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Ein letztes Wort im Juni …

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Ein letztes Wort im Juni …


Herr Weil, Sie haben in unserem letzten Gespräch gesagt, dass die politische Gesprächskultur in Deutschland kein gutes Beispiel abgibt.
Woanders mag sie schlechter sein, aber in Deutschland ist die Gesprächskultur definitiv verbesserungswürdig.

Was kritisieren Sie an der Auseinandersetzung?
Es wird – jedenfalls dann, wenn die Mikrofone offen sind – viel leeres Stroh gedroschen. Nichtigkeiten werden zu Sensationen aufgepumpt, und gleichzeitig werden die echten Probleme häufig bagatellisiert. Es ist relativ selten so, dass ein Gesprächspartner völlig daneben liegt und der andere völlig richtig. Dieser Eindruck wird jedoch gerne vermittelt in öffentlichen Debatten. Dass man sich wirklich ernsthaft miteinander austauscht und gemeinsam abwägt, geschieht zu selten. Dabei sollte das der Sinn eines guten Gesprächs sein.

Also zu viel Show.
Vor laufender Kamera findet schon auch Show statt. Mitunter ändert sich das, nachdem die Mikrofone ausgeschaltet worden sind. Dann unterhalten sich diejenigen, die vorher so taten, als wollten sie sich am liebsten die Augen auskratzen, ganz vernünftig miteinander. Und manchmal stellt man sogar fest, dass man gar nicht so weit voneinander entfernt ist.

Wie steht es um die Gesprächskultur im Landtag?
Mir ist es, das ist kein Geheimnis, zu Beginn meiner Amtszeit nicht leicht gefallen, mich auf die Diskussionskultur im Landtag einzustellen. Ich kannte das aus dem hannoverschen Rathaus, dass man nicht unbedingt mit Wattebäuschen wirft und sich auch gut streiten konnte. Im Landtag ist die Auseinandersetzung sehr viel heftiger und nicht immer konstruktiv. Und ehrlich gesagt habe ich mich bis heute nicht wirklich daran gewöhnt.

Wenn es um die Sache geht, ist es ja in Ordnung, aber wenn es persönlich wird, hat das schon eine andere Ebene.
Der Ton macht die Musik. Man sollte in der Lage sein, bei allen Themen seine Meinung sachlich darzustellen, ohne dass das Gegenüber sich angefasst fühlen muss.

Wechseln wir mal von der Politik in die Gesellschaft. Ich habe den Eindruck, dass sehr viele Menschen politische Auseinandersetzung und Diskussion gar nicht mehr so richtig können oder wollen.
Das sehe ich anders. Ich erlebe durchaus auch immer wieder sehr ernsthafte und ergiebige politische Diskussionen in Veranstaltungen oder auch im privaten Bereich.

Für mich gehört zur Gesprächskultur, den Gegenüber ausreden zu lassen, ihm zuzuhören, zu versuchen, seine Argumente zu verstehen. Wenn das erledigt ist, fängt die Diskussion um die besseren Ideen und Argumente ja eigentlich erst an, oder?
Wichtig ist vor allem, auf die Argumente des anderen einzugehen. Wenn ein Gespräch dazu auch noch unterhaltsam ist, wenn es interessant ist, gerne humorvoll, ohne dass man dem anderen persönlich zu sehr aufs Fell rückt, dann freut mich das.

In der Gesellschaft beobachte ich momentan, dass Diskussionen sehr oft eskalieren, dass einfach ein Standpunkt gegen einen anderen gestellt wird und man sich dann schweigend und unversöhnlich gegenübersteht. Und sich im Zweifel sogar voneinander abwendet und sich anfeindet. Facebook ist da nur ein Beispiel. Wir erleben das Gegenteil von Gesprächskultur.
Im Internet eine gute Diskussionskultur zu entwickeln ist nicht einfach. Denn die Situation ist eine ganz andere als bei einem Gespräch, bei dem sich Menschen direkt gegenübersitzen. Dazu kommt: Was man schriftlich sagt, das bleibt. Das kann man nicht so einfach wieder aus der Welt schaffen. Was in einem Gespräch gesagt wird, kann man dagegen weitaus besser reparieren.

Ich wundere mich immer über die Abwesenheit von Gelassenheit. Nehmen wir einmal an, wir hätten einen handfesten Streitpunkt, dann wären wir geteilter Meinung, Sie würden versuchen, mich zu überzeugen und das nicht schaffen, umgekehrt genauso. Wären Sie sauer auf mich, wenn ich mich nicht eines Besseren belehren lasse?
Ich will das gar nicht ausschließen, dass ich dann nach dem Gespräch sage: ‚Also, der Herr Kompa begreift es einfach nicht. Dass der meine guten Argumente nicht versteht, ist mir unerklärlich.‘ Es bleibt dann aber höchstens das Bedauern, dass ein auf den ersten Blick intelligenter und verständiger Mensch irgendwie fehlgeleitet zu sein scheint. Aber wir Sozialdemokraten geben ja keine Seele verloren. Nein, Spaß beiseite, natürlich kann man auch mal gelassen geteilter Meinung sein und sich trotzdem weiter gut verstehen.

Interview: Lars Kompa

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keramikFORM

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keramikFORM


In Zeiten industrieller Serienproduktion spüren immer mehr Leute den Wunsch nach echter Handarbeit, einem Zeugnis handwerklicher Kunstfertigkeit – einem Unikat. Dabei muss es nicht immer schillernd und pompös zugehen, wie Kerstin Kloses Keramikarbeiten in der japanischen „Raku“-Technik zeigen: Klare Muster, eine schlichte Farbgebung und Formen, die auf ihr Wesentliches reduziert sind, definieren den Gestaltungsstil ihrer Stücke. Seit Sommer letzten Jahres betreibt sie ein Keramikatelier in einem Hinterhof von Hannovers Nordstadt.

Das Wort „Raku“ lässt sich mit „Wohlgefühl“, „Freude“, „Glück“ oder „Ungezwungenheit“ übersetzen. All das empfindet Klose bei der Herstellung ihrer einzigartigen Keramikstücke. Die etwa 400 Jahre alte Niedrigbrandtechnik entstammt ursprünglich dem Kontext der japanischen Teezeremonie. Besonders charakteristisch ist die Brennmethode: Die vorgebrannten, glasierten Keramikstücke werden noch einmal auf ca. 1000° C erhitzt und im noch glühenden Zustand zusammen mit Sägespänen in separate Behältnisse zum Räuchern eingeschlossen. Durch diesen plötzlichen Abkühlungsprozess entstehen feine Haarrisse innerhalb der Glasur, sogenannte „Krakelees“, die sich durch das Räuchern dunkel färben und der Keramik ihre typische Optik verleihen.

Seit 2011 beschäftigt sich Klose mit Keramik. Während ihres Studiums der Architektur hat sie bei sich eine hohe Affinität zum Handgemachten bemerkt – etwa beim Modellbau – sowie den Wunsch, ihre Kreativität künstlerisch auszuprobieren. Bei der Arbeit mit Keramik fing sie gleich Feuer und experimentierte mit verschiedenen Techniken. Besonders die puristische Ästhetik der Raku-Keramik weckte ihr Interesse: „Die archaische Brennweise bildet für mich eine große Faszination. Zum einen spielt bei den Ergebnissen immer ein Moment des Zufalls, der Unvorhersehbarkeit mit. Die versprengten, zierlichen Risse in der Glasur der Gefäßoberfläche sind jedes Mal einzigartig. So bekommt jede Keramik ihr eigenes Gesicht und ist das tatsächliche Gegenteil von Fließbandproduktion.“

Zu ihrem Repertoire zählen unter anderem Gefäße, Schalen, Vasen, Flaschenkorken und Dosen. Die meisten Stücke gehören künstlerischen Serien an, aber auch Einzelobjekte auf Kundenwunsch werden realisiert. Die Herstellungszeit für ein Stück variiert je nachdem, wie aufwendig es gearbeitet werden muss. „Der reine Ausformungsprozess auf der Töpferscheibe oder mithilfe der Plattentechnik kann sogar um die zwei Stunden dauern. Für den Raku-Brand muss ich aufs Land hinausfahren, weil sich so ein offenes Feuer in der Stadt natürlich nicht machen lässt. Mit dem Brennen zusammengerechnet braucht es mitunter vier Stunden, um ein Stück fertigzustellen. Und auch danach sind es immer noch recht empfindliche Objekte.“

Kloses Keramiken sind kein Gebrauchsgeschirr im eigentlichen Sinne. Durch die Niedrigbrandtechnik wird das Material nicht so bruchfest wie etwa Porzellan. Außerdem können die Salze aggressiver Spülmittel die rauchig schwarze Färbung wieder lösen. „Allerdings lassen sich die Schalen und Gefäße gut zum Anrichten von Obst, Antipasti und Snacks oder eben als Teeschalen verwenden. Und auch als reine Deko sind sie ein absoluter Hingucker.“

Wie für so viele Vertreiber von Handarbeitswaren läuft für Klose das Hauptgeschäft über Online-Shops: Auf DaWanda, Etsy und Frau Zimmer erreicht sie Kunden deutschlandweit, aber auch international. Trotzdem ist ihr der direkte Kontakt und das Gespräch vor Ort in ihrem sonnigen Atelier sehr wichtig: „Ich freue mich immer über Besucher und möchte mir in Zukunft auch lokal eine kleine Kundschaft aufbauen.“.

Anja Dolatta

Oberstraße 13A , 30167 Hannover, info@keramikform.de
Weitere Infos unter www.keramikform.de
Öffnungszeiten: Di & Do 15–18 Uhr; Mi 12–15 Uhr und nach Vereinbarung

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Verkackte Tage wie diese

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Verkackte Tage wie diese


Neulich habe ich mich mit einem Kollegen über feine Unterschiede gestritten. Es ging um das Ohnsorg-Theater mit Heidi Kabel. A verglich es mit einem x-beliebigen Dorftheater, was ich so nicht stehen lassen konnte. „Du kannst doch Ohnsorg nicht mit Klamauk gleichsetzen! Das ist ja so, als ob du Udo Jürgens und Helene Fischer in einen Topf wirfst.“ A sagte: „Ja, genau.“ Jürgens und Fischer würden auch ein und dasselbe machen, nämlich Schlager. „Nein, du vergleichst Äpfel mit Birnen“, brüllte ich. „Du kannst doch nicht einfach Alf mit den Fraggles über einen Kamm scheren.“ So ging das noch eine Weile weiter. Und an dieses Gespräch musste ich nun denken, als es um den Beef zwischen Campino und Jan Böhmermann ging.

Heikle Causa: Böhmi hat im April als Jim Pandzko „Menschen Leben Tanzen Welt“ eingespielt. Mit diesem parodistischen Song nimmt er Größen wie Tim Bendzko und Max Giesinger aufs Korn. Es sei ein Leichtes, mit „seelenloser Kommerzkacke“ Geld zu machen, behauptete der Satiriker und präsentierte ein Lied, das auf Versen basiert, die wahllos von Affen aus dem Zoo zusammengetragen wurden. Seine Kritik: Sänger wie Giesinger geistern mit nichtssagender Allerweltsmusik und Wohlfühlvideos im Stil einer Dauerwerbesendung durchs deutsche Pop-Biz. Für ihre schwachen Leistungen werden sie regelmäßig mit Echo-Preisen überhäuft. Sie gelten als sensible Poeten, die vom echten Leben erzählen, dabei sondern sie nur schlechten Schlager ab, der auf die hohle Formel „Menschen Leben Tanzen Welt“ gebracht werden kann.

Nun ist gegen schlechten Schlager nichts einzuwenden, sagt Böhmermann. Aber dann sollten die Plattenfirmen nicht Tiefe vorgaukeln, wo nur Oberfläche ist. Sie sollten zugeben, dass einer wie Giesinger eben kein eigenständiger Liedermacher ist, sondern Songs runterspult, die von Produktionsteams im Fließbandverfahren erarbeitet werden, gespeist von Sponsoren und geleitet von Managern, die sich für Menschen und Leben nur interessieren, weil diese Wörter Geld einbringen, was Böhmi mit der Platzierung seiner Parodie in den Charts bewiesen hat.

Der TV-Moderator prangert das „Heile-Welt-Getue“ an. Ein Punk-Urgestein wie Campino, der in jedem Interview über die Lage der Welt labert, müsste diese Kritik eigentlich unterschreiben. Aber Pustekuchen! Auf der Echo-Verleihung reagierte der Düsseldorfer beleidigt. Campino geißelte in seiner Rede das „böhmermannsche Zeitgeistgeplapper“, lobte die Initiative Viva con Agua und sagte: „Lieber uncool sein als ein cooles Arschloch, das sich nicht konstruktiv einbringen kann.“ An Böhmermann habe er dabei gar nicht gedacht, ruderte Campino später zurück. Andererseits disst er den Satiriker, seit dieser sich 2014 über das „Band Aid“-Projekt des Musikers lus­tig gemacht hat. „Auf dem Niveau eines Furzkissens“ lautete etwa Campinos Kommentar zu Böhmis Erdogan-Gedicht.

Wer ist diese beleidigte Leberwurst? Dazu ein paar Worte: Campino ist der Typ, der gerade die Charts anführt. „Unter den Wolken“ ist nicht von Helene Fischer, sondern von seiner Band, den Toten Hosen. Seit die CDU-Spitze 2013 bei ihrem Wahlsieg geschlossen zum Hosen-Song „Tage wie diese“ Pogo tanzte, haben die Düsseldorfer zwar ein wenig Street Cred eingebüßt, sind dafür aber verdientermaßen in der Mitte der Gesellschaft angekommen und haben sich dort festgesetzt wie Birne im Ohrensessel der „Gechichte“. Schocken tut das keinen mehr, höchstens jene, die Campino nicht mögen. Und schocken will ja auch niemand mehr, von Protestkultur spricht kaum noch einer. Dabei war die Frage „Wie können wir maximal schocken?“ seit den 60er-Jahren das Kardinalthema junger Rock-Stars. Jede Generation erfand sich neu und kramte dafür ein ganzes Arsenal an Waffen hervor. Entblößte Leiber. Indizierte Tonträger. Abgebissene Fledermausköpfe. Nenas Achselhaare. Skandal im Sperrbezirk. Stress ohne Grund?

Diese Ära ist vorbei. Giesinger und Co bewahren uns heute vor kollektiver Schnappatmung. Stattdessen faulen einem vor Langeweile die Fußnägel ab: Kuschelrock – zum 189. Mal. Menschen, Leben, Tanzen – und zwar in skandalfreier Wohlfühl-Baywatch-Gegend. Mit dem Lied der Schlümpfe in den wohlverdienten Sonnenuntergang … Keine Frage, nicht nur Miley Cyrus inszeniert sich in ihren Videos. Bereits Sid Vicious war ein großer Performer. Aber seine Freakshow war nicht berechnend. Vicious hatte keinen Verhaltenscoach. Giesinger hingegen stimmt sich wahrscheinlich vor Interviews mit seinem Management ab. Seine smarte PR-Masche kommt an, was wohl da­ran liegt, dass der Sänger ein Kind seiner Zeit ist. Einer Zeit, in der es keine werbefreien Zonen mehr gibt, erst recht nicht im Pop-Biz, in dem nicht die Kunst, sondern die Kunst der Selbstvermarktung regiert. Giesingers fluffiger Luschen-Pop ist vermutlich der beste Ausdruck der jungen Me-Me-Me-Generation, die mit dem nächsten Selfie Promotion in eigener Sache macht und für die das Leben eine Inszenierung ist: mein Urlaub, mein Sofa, mein Tier. Alles einerlei, selbst­re­fe­ren­zi­ell und ohne Belang. Aber so schön!

Campino ergreift beim Echo Partei für diese bräsige Klientel, die Musikindustrie und die Gutverdiener, mit denen er auf der Aftershowparty Schampus schlürft. Wäre er souveräner, hätte er sagen können: Hey, wir sind alle Nutten des Kapitals! Doch dann müsste er sich eingestehen: Die Hosen werden beim Echo neben Andrea Berg hoch gehandelt, das kann keine Auszeichnung sein! Verkackte Tage wie diese! Mit Punk hat das wenig zu tun, auch nicht mit Haltung. Wenn er nun bald wieder für Viva con Aqua wirbt, dann läuft die PR-Maschine gut für ihn, diesen geilen Künstler, der sich so doll sozial engagiert. Dann verkauft sich die abgekartete Musik der Hosen noch besser. Das kann Campino sich neben dem Wasser glatt auf die Rechnung schreiben. Gruß an Bono und Bob Geldof!

Und was ist mit den feinen Unterschieden? Hat das Gefühlsgulasch, das die Hosen produzieren, mehr Gehalt als Giesingers Magerquark? Fest steht, dass Böhmi, der auch in der Marketingblase lebt, diese ein ums andere Mal platzen lässt und dabei so rabiat agiert wie ein Punk. Campino hingegen bläht sich mit der Blase auf. Für mich gilt folgende Gleichung: Er und Andrea Berg gehören zusammen wie Waldorf und Statler. Denn beide machen ein und dasselbe – nämlich Schlager, also Opium fürs Volk.

Simone Niemann

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Nachtbeben von Jenna Strack

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Nachtbeben von Jenna Strack


Hannover, 31. Oktober 2016 – Emma Collard lebt nicht das typische Studentenleben, in dem sie sorglos von einer Party zur nächsten stolpern oder fröhlich tratschend in einer Vorlesung sitzen könnte. Denn sie hat Angst. Verfolgt von den Erinnerungen an einen Übergriff durch ihren Ex-Schwarm, nach dem sie schwer verletzt im Krankenhaus landete, quält sie sich durch ihren Alltag. Dank der Unterstützung ihrer Freunde schafft sie es irgendwie jeden Tag aufs Neue mit ihrem Trauma hinaus in die Welt. Sie weiß nicht, dass ihr Peiniger sich vor sechs Monaten nicht nur zufällig ausgerechnet sie ausgesucht hatte und dass auch ihre merkwürdigen Träume eine Bedeutung haben…

Emma steckt mitten im turbulenten englischen Studentenleben, als sich ihr vermeintlicher Freund eines Nachts an ihr vergreift. Plötzlich ist alles anders. Nach außen hin gibt sie sich beherrscht, doch in ihrem Inneren wüten die Folgen dieser traumatischen Erfahrung. Albträume, Flashbacks und panische Angst machen ihren Alltag in der Uni zur Qual. Nicht nur ihr Studium und ihre Zukunft sind gefährdet, auch ihre geistige Gesundheit leidet unter der ständigen Erinnerung an das Geschehene. Als dann auch noch ein neuer Student namens Kieran auftaucht, scheint das Chaos in Emmas Kopf perfekt. Sie kann nicht mehr aufhören, an ihn zu denken. Dabei ahnt sie nicht, in welcher Gefahr sie tatsächlich schwebt.

„Nachtbeben“ ist kein typischer Fantasyroman. Die Schilderung von Emmas Erfahrungen spricht auch erschreckend reale Probleme an. Statt einer klaren Schwarz-Weiß-Zeichnung oder der Konstruktion eines „perfekten“ Helden will die Autorin authentische Biografien zeigen und fokussiert das Leben, das durch Krankheit oder schreckliche Erlebnisse, die verarbeitet werden müssen, gezeichnet ist. Unerwartete Wendungen, eine Prise Liebe und eine große Portion Spannung konnten mehr als tausend Leser der Indie-Autorin überzeugen, sodass das Buch 2016 auf die Shortlist von Lovelybooks gewählt wurde – und zwar in den Kategorien „Bestes Buchcover“ und „Fantasy & Science Ficton“.

Jenna Strack wurde 1985 in Hannover geboren, wo sie seitdem lebt und schreibt. Sie arbeitete bereits in der Verlags- und Agenturwelt und ist freiberufliche Bloggerin. „Ich schreibe, also bin ich – dieser Spruch trifft zu 100% auf mich zu!“, schreibt die Zweiunddreißigjährige auf ihrer Autorenhomepage.

Denn ihr Ausgleich zum Alltag ist das Schreiben – und da das Leben zu kurz ist, um nur vom Dasein als publizierende Autorin zu träumen, übernahm sie die Veröffentlichung ihrer Werke einfach selbst. Dabei kümmert sie sich in Eigenregie auch um Lektorat, Layout, Satz und Marketing.

Bereits erschienen sind die romantische Liebeskomödie „The Social Netlove – Liebe ist niemals offline“ und aktuell im März der Young Adult Roman „Splitterleben“, in dem Strack den Kampf der siebzehnjährigen Sportlerin Mia gegen eine unheilbare Krankheit schildert, die urplötzlich bei ihr diagnostiziert wurde.

„Nachtbeben“ bildet den ersten Band einer geplanten Nacht-Trilogie. Die Fortsetzung ist bereits in Arbeit.

Anja Dolatta

Nachtbeben von Jenna Strack
480 Seiten
CreateSpace Independent
Publishing Platform, 2016
ISBN: 978-1533450562
Infos unter www.nachtbeben-roman.de und www.jennastrack.de

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