Wenn am kommenden Sonntag Landtagswahl in Thüringen wäre, würde die AfD abräumen und stärkste politische Kraft werden. Umfragen sehen die Höcke-AfD aktuell bei fast 30 Prozent. Und in Sachsen und Brandenburg ist es kaum besser, die AfD dürfte sich dort über rund ein Viertel der Stimmen freuen. Manche winken nun ab. Nur eine Momentaufnahme, so heißt es, bis zum Sommer und Herbst 2024 sei ja noch Zeit, und wenn man demnächst ein paar gute Antworten auf die drängenden Fragen finden würde, dürfte sich der Höhenflug der AfD in den drei Bundesländern auch wieder erledigen. Ist das so?
Man darf daran zweifeln. Erstens scheint sich der Trend im Osten Deutschlands eher zu verfestigen. Zweitens müsste man in Deutschland für die guten Antworten schleunigst zurückkehren zu einer möglichst ideologiefreien und nicht populistischen Diskussion. Und drittens gefällt sich momentan vor allem die CDU/CSU genau darin, das Gegenteil zu tun und Ängste zu schüren, während mit der FDP eine ähnlich destruktiv tickende Opposition paradoxerweise auf der Regierungsbank sitzt. Und so verliert sich Deutschland bei den drängenden Fragen in endlosen, quälenden Debatten und ganz am Ende steht dann gerne auf dem Zettel, was die AfD irgendwann so ähnlich auch schon mal aufgeschrieben hat. Um „den Menschen da draußen“ zu signalisieren, dass man eben auch „hart“ und „entschlossen“ und „konsequent“ und „pragmatisch“ handeln kann.
Was das unterm Strich heißt, also wie das in den Köpfen vieler Wählerinnen und Wähler übersetzt wird, ist nicht schwer festzustellen. Man hat es, so wird geschlussfolgert, mit der Konsequenz in den vergangenen Jahren ein bisschen sehr schleifen lassen, man war nicht pragmatisch, man war nicht entschlossen genug. Dazu war jetzt anscheinend erst eine AfD nötig, die den Finger in die Wunde legt. Und wenn die Vorschläge, die jetzt gemacht werden, Ähnlichkeit mit den Vorschlägen der AfD haben, dann ist die AfD am Ende vielleicht gar nicht der rechtspopulistische Haufen, von dem immer die Rede ist. Dann ist die AfD vielmehr womöglich das durchaus wählbare Original. Logisch … Wer so schlussfolgert, wählt blau. Addiert man zu diesen Logik-Füchsen nun noch jene hinzu, die im Osten Deutschlands ohnehin rechts- und/oder rechtsradikal sind, die für die Demokratie Verlorenen, dann summiert sich das zu einer ziemlich beunruhigenden braunen Suppe.
Alle demokratischen Parteien sollten angesichts der Zahlen im Osten Deutschlands nicht nur so tun, als ob, sie sollten tatsächlich alarmiert sein. Bei der CDU/CSU und auch bei der FDP scheint der Ernst der Lage allerdings noch nicht so ganz angekommen zu sein. Man hat wahlweise lieber Probleme mit der schnelleren Einbürgerung oder sammelt Unterschriften – nein, nicht gegen die Ausländer, so wie damals. Jetzt soll gegen den „Heizungs-Hammer“ unterschrieben werden. Da wird momentan in den diversen Polemiken so ziemlich alles in einen Topf geworfen, was irgendwie nach „woke“ riecht, alles, was grün ist, ist schlecht und korrupt, in Deutschland regieren neuerdings Clans, und die Klimaaktivisten müssen sich plötzlich dafür rechtfertigen, die Welt retten zu wollen. Das Schauspiel ist wirklich ganz erbärmlich, es geht allein darum, den politischen Gegner zu beschädigen, Mario Czaja beispielsweise scheint da jedes Mittel recht, man darf wahlweise verleumden, verkürzen, auslassen, und dazu darf man dann auch mal die Fakten „interpretieren“. Ja, was die Ampel produziert, sind viele faule Kompromisse und was dann letztlich herauskommt, ist zu oft richtig schlecht gemacht. Reicht das nicht? Muss man noch mehr heiße Luft produzieren? Schon wieder wenden sich viele Menschen angewidert ab vom aktuellen politischen Schauspiel. Und entsprechend wird unsere Demokratie gleich zweifach in die Mangel genommen. Unionspopulismus und FDP-Profilneurose stärken den rechten Rand, während eine ratlose Mitte zunehmend keine Lust mehr hat auf diesen ganzen erbärmlichen Haufen.
Es ist wirklich ein gefährliches Spiel, das die Parteien Deutschlands momentan miteinander spielen. Vor allem die CDU/CSU sollte sich fragen, wie weit man eigentlich noch gehen will. Was ist den Konservativen die Macht in Deutschland wert? Eine AfD, die den nächsten Ministerpräsidenten in Thüringen stellt? Man darf gespannt sein. Oder gehen die Pläne in eine ganz andere Richtung? Die Abgrenzung der CDU zur AfD, die oft beschworene Brandmauer, sie bröckelt jedenfalls in den Kommunen längst, es gibt etliche dokumentierte Fälle des einvernehmlichen Miteinanders, insbesondere in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Zeichnet sich da bereits ab, was in Zukunft droht? Eine CDU, die im Zweifel auch mal mit der AfD kann? Manche CDU-Mitglieder, insbesondere im Osten, heben dazu nur gelangweilt die Schultern. Klar, warum denn nicht? Die Schnittmengen sind groß. Am Stammtisch ist man sich gerne mal einig. Es vermischt sich, man kumpelt. Von außen schwer zu durchschauen. Was ist da noch schwarz, was schon braun? Und was einfach völlig irre? Der Eindruck drängt sich ja ebenfalls gelegentlich auf. Ein Michael Kretschmer würde zum Beispiel auch schwurbelnd auf jede Querdenker-Demo passen.
POL