Mit dieser Spezies zusammenleben oder arbeiten zu müssen, ist neben dem Klimawandel zweifellos eine der größten Herausforderungen der Gegenwart. Sie begegnen uns einfach überall, sie sitzen in der Klasse neben uns oder im Seminar zwei Plätze weiter, sie hocken im Büro direkt gegenüber, sie sind schlimmstenfalls Teil unserer Familie oder unseres Bekanntenkreises.
Sobald es darum geht, für irgendetwas Verantwortung zu übernehmen oder sich die Chance bietet, mal so richtig auf dicke Hose zu machen, kriechen sie aus ihren Löchern und greifen zu. Selbstverliebt, arrogant und natürlich mit dieser widerlichen „Ich-werde-dir-helfen.du-armer-Wicht-Attitüde“. „Hier, ich kann das, ich mache das, ich übernehme das, niemand ist besser geeignet für diese Aufgabe als ich!“, schreien sie und drängeln sich nach vorne. Immer aufs Neue.
Alleswollende Nichtskönner*innen sammeln Herausforderungen wie andere Leute Briefmarken. Weil sie scharf sind auf die Lorbeeren, die sie allen anderen Menschen grundsätzlich missgönnen. Aber das ist nicht der einzige Grund. Sie sind tatsächlich überzeugt, dass sie alles, ja, wirklich ALLES können. Und sie sind gleichermaßen überzeugt, dass alle, ja, wirklich alle Mitmenschen vollkommen unfähige Idiot*innen sind. Darum würden sie auch niemals jemanden um Hilfe bitten, das wäre absolut unter ihrer Würde.
Alleswollende Nichtskönner*innen gehen aber leider noch einen Schritt weiter, sie reißen nicht allein alle Verantwortung an sich, sie verteilen auch gänzlich ungefragt Tipps und Ratschläge, sie mischen sich in deine persönlichen Angelegenheiten ein, sie wissen, wie man richtig mit dem Freund oder der Freundin umgeht und auch in Erziehungsfragen haben sie ihre Expertise und erzählen dir ganz genau, was du bei der Hege und Pflege der lieben Kleinen so alles falsch machst. Sie helfen dir bei der Planung deiner Karriere, deines Urlaubs, deines Friseurbesuchs, sie überschreiten alle Grenzen. Alleswollende Nichtskönner*innen sind tatsächlich die Pest.
Ganz fies ist, dass manche sich zunächst als normale Menschen tarnen – zack, liegen sie neben dir im Bett. Und können NICHTS! Dabei haben sie vorher durchblicken lassen, dass sie ALLES können, dass sie Weltmeisterschaften gewinnen könnten. In was für einem Spiel? Gibt es Spiele, die nur zwei Minuten dauern? Bemerkenswert an Alleswollenden Nichtskönner*innen ist eigentlich nur, dass sie unfassbar viel (nicht) können aber eines darüber hinaus noch einmal extra ganz und gar nicht: dazulernen. Sie sind immun gegen Kritik, sie hören sie gar nicht. Weil die eigene, die eigenen Höchstleistungen preisende Stimme, deine leise, skeptische Stimme übertönt. Subtile Hinweise wie „An eine langweiligere Nacht kann ich mich echt nicht erinnern“ oder „Ein Koala wäre beim Sex wahrscheinlich agiler als du“ werden einfach überhört. Man könnte fast darüber lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Keine Lorbeeren weit und breit, aber die Alleswollenden Nichtskönner*innen setzen sich trotzdem einen Lorbeerkranz aufs Haupt und loben sich selbst über den grünen Klee. Und falls doch mal ein skeptisches Wort zu ihnen durchdringt, waren es halt die anderen oder die Umstände oder was auch immer.
Was kann man tun? Sie hassen? Weil sie ständig gar nichts hinbekommen, Chaos stiften und sich in Dinge einmischen, die sie einen feuchten Dreck angehen? Was nützt der schönste Hass, wenn der oder die Gehasste das gar nicht mitschneidet? Wenn er oder sie nicht hört, dass er oder sie sich um seinen oder ihren eigenen Scheiß kümmern soll? Das ist also keine Lösung.
Die Alleswollenden Nichtskönner*innen können Geräusche, die normale Menschen von sich geben, wie gesagt nicht oder kaum wahrnehmen. Und selbst wenn man durchdringen würde, hätten sie gar ja keine Zeit, das Gesagte zu verstehen – weil sie ungeheure Verantwortung tragen und schon wieder zur nächsten Weltrettung eilen. Welten, die dann untergehen, weil es die Alleswollenden Nichtskönner*innen natürlich versauen. Wobei, es gibt Vollidiot*innen, die fallen tatsächlich regelmäßig auf Alleswollende Nichtskönner*innen rein, so etwa alle vier Jahre. Aber okay, lassen wir die FDP diesmal raus …
Laura Druselmann