Mein Elba: Auftakt
Seit zwanzig Jahren steht Carsten Schlegel mit seiner Coverband Horizont auf der Bühne, jetzt bedient er das etwas schwierige Deutschpoprock-Genre mit eigenen Songs unter dem Titel „Auftakt“. Fettnäpfchen wie Schlagerverdacht, Revolverheld-Nähe oder textliche Bräsigkeit lauern hier überall – aber Schlegel, ganz Vollblutmusiker, versteht es meisterhaft, sie alle locker zu umschiffen.
Karin Park: Church Of Imagination
Das fünfte Studioalbum der aus Schweden stammenden Musikerin und Hälfte des Duos Årabrot, deren noisig-düsterem Werk man nicht unbedingt anhört, dass sie auch erfolgreiche ESC-Songs schreiben kann. „Apocalypse Pop“ beschreibt nicht schlecht die getragenen, zuweilen leicht überspannten Songs mit dramatischen Streicher- und Chorpassagen, über denen Parks eindringliche Stimme thront.
SpVgg Linden-Nord: Führerschein der Liebe
Man hat sich dem deutschen Independent-Schlager der 50er- bis 70er-Jahre verschrieben und bewegt sich musikalisch zwischen Paul Kuhn, Cole Porter und Mary Roos bis hin zu 70er-Jahre-Funk. Hier hat sich ein Ensemble gefunden, das weiß, was es tut. Mit mehrstimmigen Bläsern und Chören nicht nur technisch auf hohem Niveau, sondern auch ausgesprochen witzig.
Daily Thompson: God Of Spinoza
Trotz Spinoza im Albumtitel – man ist gut beraten, das Werk des Düsseldorfer Stoner-Rock-Trios nicht intellektuell zu überfrachten, denn sie wollen doch nur spielen. Das aber tun Gitarrist Dany Zaremba, Bassistin Mercedes „Mephi“ Lalakakis und Schlagzeuger Matthias Glass auch hier wieder ganz wunderbar, mit schwerem, spacigem Fuzzrock und unprätentiös mauligem Gesang.
Portico Quartet: Monument
Nur wenige Monate nach ihrem minimalistischen Ambient-Werk „Terrain” folgt hier mit „Monument“ ein ungewohnt zugängliches Album der Londoner Elektronik-Jazzer. Schillernd, rhythmisch vertrackt und mit gewohnt glasklarem Saxofon-Sound kommen die zehn Stücke daher, die Gründungsmitglied Jack Wyllie als „exakte Skulpturen, präsentiert als polierte Artefakte“ bezeichnet.
Girlwoman: Das große Ganze
Hinter Girlwoman steckt die Bielefelder Musikerin und bildende Künstlerin Axana, die nicht nur mehrere Instrumente beherrscht, sondern auch ihr Artwork komplett selbst gestaltet. Gemischt von der französischen Grammy-Preisträgerin Veronica Ferraro, hat sie ein sehr schönes und eigenes Debüt abgeliefert mit 11 cool-düsteren Elektropop-Tracks mit tanzbaren Beats und sirenenhaftem Gesang.
Richard Dawson & Circle: Henki
Es klingt, wie mit halbem Tempo abgespielter Prog-Rock, dargeboten vom etwas exaltierten, total netten, untersetzten Erdkundelehrer, der auch den Schulchor leitet. Zusammengetan haben sich hier tatsächlich „Großbritanniens bester, humanster Songschreiber“, so der „Guardian“, und Circle, die Genre-übergreifenden Pioniere des „New Wave Of Finnish Heavy Metal“, die dafür bekannt sind, auf der Bühne pinkes Elastan oder tote Fische zu tragen und in einer erfundenen Sprache zu singen. Sympathisch verschroben schraubt Dawson seine Falsettstimme, in ruhigen Parts an Elbow-Sänger Guy Garvey erinnernd, in die Höhe und macht seinem Ruf als Freak-Folk-Barde alle Ehre. Circle und Dawson sind Fans voneinander, haben sich über Twitter ausgetauscht, was dazu führte, dass Dawson eingeladen wurde, Circle bei einem Festival-Set in Helsinki zu begleiten. Dawson: „It was like being a teenager and suddenly being asked to go onstage with Iron Maiden.“
Veranda Music: Unter Einfluss
Das fünfte und zugleich erste deutschsprachige Album der Hamburger Band, dessen Titel angelehnt ist an John Cassavetes‘ Film „Eine Frau unter Einfluss“. Mit vier Songs aus dessen Feder ist „Unter Einfluss“ auch eine Hommage an den 1996 verstorbenen Hamburger Sänger und Songschreiber Tobias Gruben, bekannt als Kopf der Band Die Erde. Songs wie „Moni“ im Duett mit Pola Lia Schulten oder „Der Dan“ zeigen, was für ein großartiger Songschreiber Guben gewesen ist. Veranda Music wurde im Jahr 2002 bekannt durch den Song „Secret Scenes“, der in einem Werbespot für Daunenjacken zum Einsatz kam. Viel spannender als der fluffige Indie-Folk-Pop-Song sind aber die aktuellen. Deutsche Texte stehen dem unangestrengten Bariton des Frontmanns Nicolai von Schweder-Schreiner ausgezeichnet, was er ganz nebenbei mit dem Udo Lindenberg-Cover „Guten Tag, Herr Filmproduzent“ beweist.
● Annika Bachem