Man kennt ihn (noch) gar nicht so richtig in Hannover, obwohl er auf eine eindrucksvolle Laufbahn als Profimusiker zurückblickt: Der Saxofonist, Komponist und Produzent York Ostermayer hat schon mit Größen wie Randy Crawford, Phil Collins, Mousse T. oder Jazzkantine zusammengearbeitet und kann auf Beiträge zu über 100 Alben verweisen. Mit seinem deutsch-afrikanischen Projekt „Culture Clan“ landete er in Südafrika einen Nr.1-Hit. Aber als der Mann, der im eigenen Studio am passenden Saxofon-Sound frickelt oder als gut gebuchter Studio- und Tourmusiker steht er selten im Vordergrund. Das soll sich jetzt ändern: Im September hat er sein erstes eigenes Album „The Soul Jazz Experience Vol. 1“ auf seinem Label „Upper Level Records“ herausgebracht.
„Jetzt muss ich mich mit Social Media beschäftigen“, lacht der gebürtige Bremer. „Klar, ich bin schon jahrelang im Geschäft, aber als Solo-Künstler und Songschreiber habe ich mich neu erfunden und muss mich jetzt erst einmal etablieren.“
Als Schüler hatte er, ganz klassisch, Flötenunterricht. „Bei einer strengen Lehrerin mit Dutt, die den Takt mit dem Bleistift auf den Notenständer geklopft hat.“ Durch die Radiosendung „Jazz rockt“ auf Radio Bremen lernte er Musiklegenden wie Joni Mitchell, George Benson, Roy Ayers oder Stevie Wonder kennen, deren Musik ihn bis heute prägt und begleitet. „Ich habe mir die Sendung aufgenommen und dann mitgeflötet“, lacht York. Mit Kumpels spielt er dann in einer Band und fand seine Flöte im Bandgefüge einfach zu leise. Ein Saxofon musste her und war auch bald gefunden – gebraucht, aus einer Haushaltsauflösung.
Abgesehen von einem zweijährigen Ausflug in die Schauspielerei, an einem freien Theater in Hannover, hat er von jetzt an immer Musik gemacht, in verschiedenen Bands und Projekten. Und vor allem geübt, geübt, geübt, sechs bis acht Stunden am Tag. „Ich habe mir sehr viel angehört, mir die Noten besorgt oder sie gleich selber herausgehört. Ich wollte immer wissen, wie das funktioniert. Später hat mir das Keyboard geholfen, die Harmonien zu verstehen. Ich war immer sehr fokussiert und motiviert, auch wenn das manchmal schwer war. Im Sommer, wenn alle draußen sind, gibt es ja Cooleres, als in einem schalldichten Kämmerchen stundenlang Tonleitern zu spielen.“
„Die Arbeit als Studiomusiker hat viel mit Einfühlungsvermögen zu tun“, beschreibt York diese Facette seiner Tätigkeit. „Man muss sich dem gewünschten Sound natürlich anpassen. Je mehr ich mit der Musik anfangen kann, desto leichter fällt mir das.“ Die Kombination von Hip-Hop und Jazz ist am ehesten sein Ding, oder auch die von Soul, Jazz und Funk, wie bei seiner Band Bahama Soul Club. Am allerliebsten spielt York, der sein Geld auch mit Film- und Theatermusik verdient, live und mit Band.
Nach Beginn der Pandemie musste er erst einmal den Schock verdauen, „dass der Kalender auf einmal weiß war“. Aber schon lange hatte er Ideen im Kopf, „Layouts“ nennt York sie, die darauf warteten, ausgearbeitet zu werden. „Dazu fehlte aber immer die Zeit. Wenn ich auf Tour bin, gucke ich mir vielleicht die Stadt an oder übe auf einem meiner vielen Instrumente, aber die Ruhe, an eigener Musik zu arbeiten, habe ich dann nicht“, so Ostermayer. „Als dann ein Termin nach dem anderen gecancelt wurde, drängten all diese aufgestauten Ideen nach außen und ich muss sagen, dass ich gerade einen Riesenspaß daran habe.“ Gleich mehrere Alben hat York produziert, unter anderem ein Seventies-Vintage-Funk-Album, bei dem er auch seine Leidenschaft für Vintage-Keyboard-Sounds ausleben kann.
Für „The Soul Jazz Experience“ hat Ostermayer sich vom Sound der frühen 70er-Jahre inspirieren lassen und mit KollegInnen zusammengearbeitet, die in der halben Welt verstreut leben. Im Arbeitsprozess werden Soundfiles mit Entwürfen, „Pilotspuren“ von den MusikerInnen hin und hergeschickt. „Die wissen sofort, wo es langgeht, nehmen ihren Part auf und senden mir das zurück.“ Bekommt man Musik, die auf diese Weise entstanden ist, überhaupt live auf die Bühne, wenn es endlich so weit ist? „Klar, für Profis ist das kein Problem“, so York, der erzählt, dass er die Musikerkollegen auf Jazzfestivals kennengelernt hat. „Man verbringt ja Backstage Zeit zusammen, isst zusammen und spinnt zusammen. Das ist wirklich schön und macht einen Riesenspaß.“
Und klar, normalerweise würde man jetzt ein Releasekonzert veranstalten. Das soll auch passieren, sobald es geht, am liebsten sogar eine internationale Tour mit mindestens acht Leuten auf der Bühne, hoffentlich gleich im nächsten Jahr. ● Annika Bachem
Foto: Uli-Schuster