Vermüller

Es gibt ja so Menschen, die sind sparsam, die wollen lieber keinen Cent zu viel ausgeben. Und wenn bei solchen Menschen dann doch irgendwann der uralte Kühlschrank seinen Geist aufgegeben hat, dann grübeln sie natürlich lange, ob die Kosten für eine sach- und fachgerechte Entsorgung möglicherweise vermeidbar sind. Nicht wenige kommen schließlich zu dem Schluss, dass ein nächtlicher Ausflug in den Wald eine ausgesprochen sparsame Variante der Entsorgung sein könnte, vorausgesetzt man wird nicht erwischt.
So machen sich diese Menschen also daran, zunächst bei dem alten Kühlschrank alle Spuren zu beseitigen, die auf einen ehemaligen Besitzer hinweisen könnten, wozu beispielsweise Aufkleber gehören, die bestimmte Schlüsse von Müllfahndern zulassen würden. Manche, besonders vorsichtige Zeitgenossen, widmen sich auch den Nummernschildern des Tatfahrzeugs, die mit ein bisschen Dreck weitgehend unleserlich gemacht werden. Man hat auch schön gehört, dass es Menschen gibt, die bei aller gebotenen Vorsicht übertreiben und sich zur nächtlichen Fahrt Perücken aufsetzen oder falsche Bärte ankleben. Was natürlich albern ist. Wie auch immer, irgendwann ist die Tat ausreichend geplant und vorbereitet, es geht los in den Wald, je nach Größe und Umfang der zu entsorgenden Ladung ist der Täter allein oder mit einem Komplizen unterwegs. Kurz parken, alles muss raus, Abfahrt. Und so liegt der alte Kühlschrank irgendwann irgendwo in der Natur, und wenn niemand zufällig darüber stolpert, ist er in einigen hundert Jahren Geschichte.
Natürlich, so ein Verhalten ist ohne Zweifel verwerflich. Und trotzdem möchten wir hier den Hut ziehen und uns tief verneigen. Denn wenn man eines ablesen kann an den sorgfältigen Tatvorbereitungen, dann ein sehr klares Unrechtsbewusstsein. Hier weiß jemand, dass er etwas Grundfalsches tut. Immerhin. Und er gibt sich entsprechend Mühe bei der illegalen Entsorgung. Er will nicht erwischt und nicht gesehen werden. Das muss man heutzutage schon sehr wertschätzen, denn wenn man auf den Straßen Hannovers unterwegs ist, sieht man an vielen Stellen entsorgten Hausrat, alte Fernseher, Matratzen, Schreibtischstühle, Regale, Badezimmerschränke und reichlich mehr, und für den Ausflug in den Wald hat es in diesen Fällen offensichtlich nicht gereicht, hier hat es sich jemand ganz leicht gemacht. Diese Gestalten, die gerne mal die Stadt vermüllen, haben null Unrechtsbewusstsein und vor allem null Scham. Was andere Leute über sie denken, ist ihnen völlig scheißegal. So kann es durchaus passieren, dass der Nachbar mit dem alten Röhrenbildschirm unter dem Arm dich beim Weg nach draußen auf die Straße noch grüßt. Um dann mit der allergrößten Selbstverständlichkeit den Fernseher gegenüber an der Mauer zu deponieren. Wo er fortan steht, bis ihn der Entsorger irgendwann nach Tagen oder sogar Wochen auf Steuerzahlerkosten abholt. Selbstredend ist so ein alter Fernseher dabei vergleichsweise noch harmlos. Derselbe Nachbar müht sich ein paar Tage später mit einer ausgedienten Matratze, die sich nun wirklich mit allen Spuren eines gelebten Lebens in unappetitlicher Aufdringlichkeit präsentiert – dir im Treppenhaus und wenig später für einige Tage der gesamten Nachbarschaft. Ein Hund hinterlässt einen weiteren Fleck. Wie sagt man so schön, das macht den Kohl nicht mehr fett.
Man muss sich das wirklich ganz klar machen, dieser Mensch weiß, dass nicht wenige andere Menschen in seiner direkten Umgebung wissen, dass ihm diese Matratze gehört. Und der alte Röhrenfernseher. Das Regal, der Teppich, der beige Badezimmerschrank, der Schreibtischstuhl, der im Polster ebenfalls ein paar Flecken aufweist, über die man tunlichst nicht weiter nachdenken sollte, wenn man keinen Spontanherpes riskieren möchte. Dieser Mensch weiß das. Würde jemand einen Brief verschicken und als Anschrift „asoziales Arschloch“ und sagen wir „Nordstadt“ auf den Umschlag schreiben, der Brief würde ganz sicher bei unserem Matratzenfreund landen. Oder bei dem, der eine Straße weiter wohnt. Oder bei all den anderen Vermüllern. Es sind so furchtbar viele.
Muss das sein? Müsst ihr uns auf diese widerliche Art und Weise den ausgestreckten Mittelfinger zeigen? Warum schließt ihr euch nicht zusammen, mietet einen 7,5-Tonner und fahrt gemeinsam in den Wald – der vielleicht in einem anderen Land liegt oder einem anderen Kontinent oder bestenfalls auf dem Mond. Ja, das wäre ganz und gar wunderbar. Ein Leben ohne Ekel-Herpes. Endlich!                                                               ● VA


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