Für mehr Bildungs- und Chancengleichheit zu sorgen, das hat sich die gemeinnützige GmbH KinderHelden auf die Fahnen geschrieben. Sie ist ein strategisches Partnerprojekt der Swiss Life Deutschland Stiftung und arbeitet mit über 1000 Ehrenamtlichen an sechs Standorten. In Hannover ist Diana Quiring seit etwa einem Jahr dabei. Ihre wöchentlichen Treffen mit der zehnjährigen Remaf sind für sie ein echtes Highlight, das sie nicht mehr missen möchte.
Dass Diana Quiring sich neben ihrem fordernden Job im Marketing eines Finanzdienstleisters überhaupt ehrenamtlich engagiert, liegt auch ein bisschen an der Corona-Pandemie. Nach einer dreimonatigen Auszeit, die Quiring in Indien verbracht hatte, „strandete“ sie im März 2020 pandemiebedingt mit anderen Touristen in Goa. Viele der etwas älteren Reisenden, die sich dort in einer Art Notgemeinschaft zusammengefunden hatten, waren komplett überfordert mit der Situation. „Ich habe mich um sie gekümmert, ihnen gezeigt, welche Flüge es noch gibt und wo man sich informieren konnte. Dabei habe ich gemerkt, wie gerne ich helfe“, so die 35-Jährige, die damals den Entschluss fasste, sich sozial zu engagieren, sobald sie wieder sicher zu Hause wäre.
„Eigentlich wollte ich mich um ältere Menschen kümmern, aber dann kamen mir die KinderHelden wieder in den Sinn, die Laura Held, die Mentoring-Beraterin der KinderHelden für Hannover, uns einige Zeit vorher schon einmal vorgestellt hatte. Laura schaut sich an, wer gut zusammenpassen würde, also wer zu welchem Kind. Das hat sie so gut drauf, sie könnte auch eine Dating-Agentur aufmachen“, erzählt Quiring lachend. Diana Quirings „Match“ ist die zehnjährige Remaf, die mit ihren Eltern und ihren zwei Geschwistern vor vier Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen ist.
Die angehenden MentorInnen werden in einem persönlichen Gespräch und einem Workshop auf ihre Tätigkeit vorbereitet. Auch nach dem Start unterstützen die KinderHelden die MentorInnen und sind als Ansprechpartner für sie da.
Die KinderHelden arbeiten mit verschiedenen Schulen in Brennpunkt-Gebieten zusammen. Die dort tätigen LehrerInnen melden den KinderHelden, welche SchülerInnen Förderbedarf haben und von den Treffen profitieren könnten. Manche Kinder melden sich sogar selbst.
Um Nachhilfe geht es bei den KinderHelden nicht, sondern eher um eine Stärkung des Selbstbewusstseins, die Erweiterung der Perspektive oder auch der sprachlichen Kompetenzen. Und natürlich ist das Programm so auch ein Beitrag zur schulischen Förderung der Kinder.
„Als Laura Held anrief und sagte, sie hätte ein Tandem-Kind für mich, war ich total aufgeregt“, so Quiring, die sehr leicht Zugang zu Remaf fand und im Grunde sofort verzaubert war von dem Mädchen: „Remaf ist so ein freundliches, offenes Kind! Durch sie bekomme ich Zugang zu einer ganz anderen Welt. Ich bin 35, Single und habe noch keine eigenen Kinder.“ Mit sechs Jahren ist Diana Quiring selbst mit ihrer Familie aus Russland nach Deutschland gekommen und kann sich in Remafs Geschichte wiederfinden. „Ich musste mich integrieren, war schüchtern und konnte die Sprache nicht richtig. Ich fühlte mich fremd und hatte immer das Gefühl, dass ich anders bin als die anderen.“
Jede Woche treffen die beiden sich einmal für zwei bis drei Stunden. Bei jedem Treffen überlegen sie, was sie beim nächsten Mal unternehmen wollen. Oft gehen sie spazieren oder sie lesen zusammen. Remaf wohnt mit ihrer Familie im Sahlkamp, wo es auch schöne Ecken gibt, aber natürlich findet sie es spannender, auch einmal andere Stadtteile zu erkunden. Schon bald nach Beginn ihrer Tandem-Freundschaft sagte Remaf: „Du warst noch nie bei mir zum Essen!“ Eine Einladung folgte und Quiring war begeistert von der Herzlichkeit der Familie und der leckeren syrischen Küche.
So nutzen im Grunde beide Tandem-Partnerinnen einander, um ein bisschen über den Tellerrand hinauszublicken. Remaf hat zum Beispiel den Traum, Polizistin zu werden. Ihre Eltern hatten ihr aber gesagt, dass das nicht möglich sei für ein Mädchen aus Syrien. Diana Quiring konnte diesen Irrtum nicht nur ausräumen, sondern auch Mut machen, diesen Weg später zu gehen. Ein Freund von ihr ist Polizist, und sie plant als Überraschung für Remaf ein Treffen der beiden oder vielleicht sogar einen Besuch auf seiner Polizeiwache zu arrangieren.
„Anfangs hatte ich Zweifel, ob mir diese Verpflichtung neben meiner Arbeit nicht zu stressig sein würde. Es ist mir aber gelungen, in meinem Kopf einen Schalter umzulegen: Wenn ich jetzt das Haus verlasse und zu Remaf fahre, ist das eine Auszeit für mich – wie ein kleiner Urlaub. Ich bin dann in ihrer Welt und kann komplett abschalten. Wenn viel zu tun ist, muss ich mich eben später noch einmal hinsetzen.“
Die KinderHelden begleiten ihre Schützlinge normalerweise für ein Jahr. Manche Tandems bleiben auch länger zusammen. Wenn ihr KinderHelden-Jahr im Sommer vorbei ist, wird Diana Quiring sich vielleicht auch anderweitig engagieren, sie hat viele Pläne. Mit Remaf wird sie auf jeden Fall in Kontakt bleiben.
● Annika Bachem
Foto: Sandra Gunjaca
Neue MentorInnen sind bei den
KinderHelden herzlich willkommen!
Infos unter www.kinderhelden.info