Unbekannt verzogen – Das Elterntagebuch

Als meine Frau mir die Kolumne klaute

Ich, Martin, Stammkolumnist auf dieser Seite: „Lars möchte in dieser Ausgabe Frauen eine besondere Bühne bieten. Ich würde dir meine Kolumne ja überlassen. Andererseits: Ich tue in Sachen Gleichberechtigung schon so viel: Bei unseren Kindern herrscht eine Frauenquote von 75%.“

Meine Frau: „Und das ist jetzt dein Verdienst, oder wie?“

Ich: Naja, das geschlechtsbestimmende zweite Chromosom kommt letztlich vom Mann, aber egal. Jedes Kind war natürlich eine 50:50-Teamleistung.

Meine Frau: Ach ja? Neun Monate Schwangerschaft und 12-Stunden-Geburten waren eine Teamleistung?

Ich: Naja…

Meine Frau: Da wir gerade über Arbeitsteilung reden – Frauen leisten immer noch 1,6 mal so viel Arbeit im Haushalt wie Männer. Sagt die Hans-Böckler-Stiftung.

Ich: Ach, die alten Sozen schon wieder. Bei uns ist die Arbeitsteilung doch ziemlich fair…

Meine Frau: Mag sein, aber es geht ja um ein gesellschaftliches Problem – und dabei geht die Frauenperspektive oft unter. Es geht ja schon damit los, dass ich hier in diesem Text „meine Frau“ heiße. Ich sollte in dieser Kolumne nicht nur über meine Rolle als Ehefrau definiert werden. Ich bin Wiebke, Lehrerin, Künstlerin, Robotik-Trainerin…

Ich: Jaja, alles klar…

Wiebke: Gut, aber das „Ich“ bei dir stört auch, so als wäre das immer noch deine Kolumne. Ich finde Du läufst ab jetzt in diesem Text als Wiebkes Mann…

Wiebkes Mann: Aber es ist meine Kolumne … seufz, meinetwegen…

Wiebke: Sehr schön!

Wiebkes Mann: Ich glaube, das ist das Problem des modernen Feminismus – zu viel Symbolik, zu wenig lebensnahe Lösungen…

Wiebke: Findest Du als Frau, ja? Manchmal braucht es eben ein bisschen Symbolik, um zur Problemlösung zu kommen. Das Problem in dieser Kolumne ist zum Beispiel, dass es immer noch viel zu sehr um dich geht. Nicht mal in einer Sonderausgabe kannst Du dich zurücknehmen.

Wiebkes Mann: Gut, der Rest gehört dir allein.

Wiebke: Perfekt! Folgendes wollte ich vorab loswerden…Martin ist manchmal echt eine arschfaule Flitzpiepe…

Wiebkes Mann: Ey, ich kann dich hören…

Wiebke: Egal, meine Kolumne. Ich hab mal ein paar Freundinnen gefragt, was sie „den Männern“ mal sagen wollen. Hier das Ergebnis: Ohne Frauen würde auf dieser Welt gar nix laufen. Dafür verdienen sie mehr Wertschätzung. Man muss Männer immer auf alles aufmerksam machen – kommt doch bitte selbst darauf, bestimmte Dinge zu erledigen. Lobt euch nicht ständig für Selbstverständlichkeiten. Wenn ihr einmal die Soße umrührt, habt ihr noch nicht „für die Familie gekocht“. Ihr könnt auch mal als erste laufen, wenn das Kind sich wehtut oder Hunger hat. Hört mehr zu! Wenn Frauen Dinge kritisieren, sind sie keine Zicken. Wenn Frauen sich aufregen, gibt es Gründe dafür. Und nein, es sind nicht immer die Hormone. Die mentale Arbeit in Familien liegt immer noch überwiegend bei uns Frauen – wir sind aber nicht nur Mütter und Gattinnen. Männer, ihr wollt doch Verantwortung, hier könnt ihr sie übernehmen. Frauen sollten sich auch nicht schlecht fühlen müssen, wenn sie mehr arbeiten und die Männer zuhause sind. Es sollte einfach normal sein. Ihr Männer könnt für all das übrigens an anderer Stelle Energie sparen: Lasst das „Mansplaining“ sein und akzeptiert, dass es jede Menge Frauen gibt, die in bestimmten Gebieten mehr Ahnung haben als ihr. Ach ja, das M in MINT-Fächer steht nicht für „Männer“. „Frauen und Technik“ ist Wirklichkeit und kein Witz. Überhaupt, sattelt euer hohes Ross ab, beerdigt eure Doppelstandards und seid nicht schockiert, wenn Frauen sich die gleichen Dinge herausnehmen wie ihr. Und, bitte: Leugnet nicht, dass Frauen es an vielen Stellen schwerer haben als ihr. Ihr wisst, dass es stimmt. Zum Abschluss was Versöhnliches! Frei nach Loriot: Männer haben auch ihr Gutes – gebt uns mehr davon! Und dann, die unnachahmliche Evelyn Hamann: „Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen“. Lasst uns gemeinsam das Beste daraus machen!

● Martin Kontzog

Diese Kolumne entstand in Zusammenarbeit von Wiebke, Nadine, Antje, Nina, Nicole, Heike, Gisela, Carla, Johanna, Susanne, Karin, Tanja, Luise, Marcela, Maike, Grit, Manja, Wiebke, Rabea, Katharina, Lilian, Frauke, Vanessa und der Schreibkraft „Wiebkes Mann“.

Martin Kontzog ist staatlich anerkannter Vater –  ansonsten gilt seine Fürsorge dem Satire-Blog Pingu-Mania (www.pingumania.dpress.com).


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2 Kommentare für “Unbekannt verzogen – Das Elterntagebuch”

  1. Vani Unteregger sagt:

    Großartig! Lustig, frisch, unterhaltsam und mit Wahrheitsgehalt! Danke Wiebke, du bringst es tiefgründig und dennoch witzig auf den Punkt. Ich will mehr davon lesen. Ja, und „Wiebkes Mann“ du bist auch toll.

  2. Marcela sagt:

    Me ha encantado!! Super Kolumne! Ihr beide seid grossartig! Ich will auch mehr davon lesen.Saludos desde Madrid!!

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