Bernhard Weiland liebt die Herausforderung der autofreien Mobilität. Nachdem der passionierte Hobbyfotograf bereits mit dem Liegerad eine Tour von Hannover bis zur marokkanischen Sahara absolviert und auf dem Weg nach Bad Muskau zu Fuß die östliche Bundesrepublik durchquert hat, nimmt er sich auch für den letzten Teil seiner persönlichen Reise-Trilogie vor, nur klimaschonende Fortbewegungsmittel zu nutzen – und zwar den Öffentlichen Personennahverkehr. Auf dessen Beförderungsmittel beschränkt hat er über einen Zeitraum von vier Jahren ungewöhnliche Reiserouten in ganz Deutschland ausprobiert. Welche Orte er besuchte und was für kuriose Erlebnisse ihm bei seinen Fahrten mit Bussen, Sammeltaxis, Stadt- und S-Bahnen beschieden waren, verrät er in seinen gesammelten Reisegeschichten, die im November bei tredition erschienen sind.
„Nicht nur im Traum zeigt sich eine Wirkung von Landschaften und ihren von Menschen produzierten Überformungen auf den Menschen. […] Gibt es eigentlich eine Wissenschaft, die das untersucht, untersuchen kann? Eine ‚Kulturlandschaftspsychologie‘ oder ‚-soziologie‘? Auf welche Weise mögen heutige industrielle Landschaften, dicht bebaute Städte, gestaltete Natur unser Wesen wohl beeinflussen?“
Die mystische, rätselhafte Aura unterschiedlicher Landschaftsbilder beschäftigt Bernhard Weiland schon seit vielen Jahren – und das nicht nur tagsüber. Nachts träumt er von geheimnisvollen Orten, merkwürdigen Bus- und Bahnfahrten in die Vergangenheit oder ins Land der Fantasie. Ausgehend von solchen Traumreisen, die Weiland stets gleich nach dem Aufstehen als Sprachmemos auf seinem Smartphone sichert, plant der gebürtige Hannoveraner ab 2016 ein sehr reales Reiseprojekt: Mit den Transportmitteln des ÖPNV will er ganz Deutschland bereisen. Ideen für mögliche Ziele sammelt er bei Freund*innen, Bekannten und Nachbar*innen und kommt auf diese Weise auf viele Orte abseits der großen Tourismushochburgen, darunter zum Beispiel der Teufelsberg in Berlin, der Funtensee im Nationalpark Berchtesgaden, der Döbelner Ortsteil Nöthschütz und die Zickerschen Alpen. Insgesamt 15 Etappen kamen so zustande, die Weiland abseits der ausgetretenen Pfade bereiste und dabei immer wieder seinen Einfallsreichtum in Sachen Routenplanung beweisen durfte. Unterwegs verließ er sich dann aber größtenteils auf persönliche Wegweisungen durch Einheimische und verzichtete auf das Mitführen von Landkarten, egal ob analog oder digital. Belohnt wurde er für seinen Ansatz, die Dinge auf sich zukommen zu lassen, mit vielen kuriosen Begegnungen und ungewöhnlichen Erlebnissen, die er in seinen Reiseberichten wiedergibt.
So trifft er auf Fliegenfischer*innen, Wellenreiter*innen, Bratwurstbrater*innen und Fischverkäufer*innen und schließt Bekanntschaft mit einer ganzen Reihe von Busfahrer*innen, die unterschiedlicher kaum sein könnten – denn von der freundlichen Servicekraft über die launige Kartenabreißerin bis hin zum eifrigen Geschichtenerzähler am Lenkrad ist alles vertreten. Neben der Schilderung solcher Begegnungen in witzigen Dialogen und Szenen beschreibt Weiland auch immer wieder seine Eindrücke und Assoziationen vor Ort, erläutert seine Erfahrungen mit dem ÖPNV oder die Geschichte des Reiseziels. Anders als ursprünglich vorgesehen endet seine letzte Etappe am Königssee Mitte September 2020, also inmitten der Corona-Krise. Wie die seine Planung beeinflusst und ihm immer wieder den hohen Wert des Reisens bewusst macht, ist besonders interessant zu lesen. Am Ende hat Weiland um die 2900 Kilometer zurückgelegt, viele Stunden an Haltestellen gewartet, auf pünktliche Verbindungen gehofft – und dieses Land neu für sich entdeckt.
1951 in Hannover-Linden geboren lebt Bernhard Weiland heute mit seiner Frau in der Calenberger Neustadt von Hannover und in Buchholz in der Nordheide. Er war bis 2011 bei der Landeshauptstadt Hannover beschäftigt. Nach einigen Jahrzehnten als Hobbymusiker an Kontrabass, Gitarre und E-Bass entdeckte er Ende der 90er Jahre die analoge und digitale Fotografie für sich. Er ist passionierter Radfahrer, seit über zwanzig Jahren ohne eigenes Auto. Am Rentnerdasein schätzt er vor allem eins: die viele Zeit zum Reisen.● Anja Dolatta, Foto: P. Manske
„Alter Mann im Bus
Eine Deutschlandreise im Öffentlichen Nahverkehr“
von Bernhard Weiland
tredition Verlag
ISBN: 978-3-347-11526-2
296 Seiten
12,99 Euro