Ein offener Brief an Horst Seehofer

Lieber Horst, jetzt müssen wir dir doch mal schnell und ein bisschen kurzatmig inmitten der allgemeinen Corona-Panik ein paar dankbare Zeilen schreiben. Es ist wirklich gut, dass bei uns in Deutschland noch so ein paar gestandene Mannsbilder und Charakterköpfe von deiner Sorte in der ersten Reihe stehen, echte Politprofis, die auch mal den Rücken breit machen und Kritik aushalten können. Oder einfach an sich abprallen lassen. Weil sie wissen, dass sich jeder Sturm auch wieder beruhigt. Das ist gut, denn viel zu oft werden unsere Politikerinnen und Politiker ja zu sich anbiedernden Wendehälsen, wenn in unserer leicht erregbaren Medienwelt mal wieder für ein paar Tage ein Thema hochgejazzt wird. Dann kommen plötzlich die krudesten Forderungen nicht nur auf den Tisch, es wird auch ernsthaft darüber nachgedacht.
Du dagegen vermeidest das. Und folgst lieber deinem eigenen inneren Kompass, deinem Bauchgefühl. Und lehnst gerne ab, was irgendwelche Gutmenschen und Linken oder noch schlimmer linke Gutmenschen meist via Social Media viral fordern – zum Beispiel eine Studie zu Rechtsextremismus bei der Polizei. Recht hast du, was für ein Quatsch! Dass es Rechte bei der Polizei gibt, wissen wir ja längst, dazu braucht es keine Studie. Das wäre mal wieder öffentliche Geldverbrennung. Weitaus besser ist da schon die Idee, irgendwann demnächst eine Studie über den Polizeialltag auf den Weg zu bringen, über „das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft“ und die „veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen“, dann darf das Thema Rassismus gerne auch ein bisschen vorkommen, aber eben nicht nur, so als pauschaler Vorwurf, und bitte ergänzt mit Untersuchungen zu Gewalt und Hass gegen Polizeibeamte. Das klingt doch schon viel mehr nach einer runden Sache, aus den Ergebnissen nach so einer großangelegten, themenbreiten Studie wird man wenigstens ganz konkrete Schlüsse ziehen können, die man dann noch mal in Ruhe analysiert, und dann kann man auch über Konsequenzen nachdenken in ein paar Jahren. So geht das. Aber doch bitte keine Hauruck-Studien, die womöglich Wasser auf die Mühlen irgendwelcher hergelaufener Kritiker der Polizei wären. So nicht!
Wir schreiben dir aber eigentlich gar nicht wegen dieser Polizeigeschichte, für die wir natürlich dankbar sind, wir schreiben dir vor allem, weil wir uns wegen der Lesbos-Geschichte in tiefster Dankbarkeit verneigen wollen. Es ist einfach groß, dass du dich von den schrecklichen Bildern nicht beirren lassen hast und weiter auf eine große europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage pochst, obwohl du natürlich genau weißt, dass es die auch in 20 Jahren noch nicht geben wird. Egal. Weil alles andere ja wieder eine Einladung gewesen wäre an die Flüchtlinge. Und das geht nicht! Auch wenn viele Bürgermeister etwas anderes sagen und viele Kommunen bereit wären, zumindest die Kinder sofort aufzunehmen. Noch einmal: Das geht nicht! Denn wo würde sie hinführen, diese inflationäre Hilfsbereitschaft? Genau, aus aller Welt würden sie uns demnächst ihre Kinder schicken, wir könnten uns hier gar nicht mehr retten vor kleinen, unbegleiteten Hungerhaken. Und wer will das? Vielleicht ein paar Linksgrüne mit Helfersyndrom, aber sonst ganz sicher niemand, auch wenn das natürlich kaum jemand laut sagt. Wir nehmen jetzt die Kinder auf, die wir eh schon eingeplant hatten, und gut ist. Damit sind wir immerhin noch humaner als die meisten anderen europäischen Staaten. Sollen die sich erstmal bewegen. Und ehe die sich irgendwann bewegen, ist das „Problem“ wahlweise volljährig oder verhungert. So geht europäische Flüchtlingspolitik.
Wir alle wissen das, die meisten wollen das so, und darum muss es Politiker wie dich geben, lieber Horst, auf die man sich im Zweifel verlassen kann, die nicht zum Fähnchen im Wind werden, nur weil ein paar Flüchtlinge auf irgendeiner Insel das eigene Lager anzünden. Die sich nicht emotional erpressen lassen. Wir brauchen Politiker, die für uns wegsehen und ihr Herz verschließen, um dann für eine schweigende, wegsehende und herzlose Mehrheit in Deutschland vernünftige und pragmatische Entscheidungen zu treffen, mit denen hier bei uns alle weiter noch möglichst lange gut leben können. Danke, lieber Horst!

VA


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