Hervorgegangen aus dem Johanniterorden, wurde die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) 1952 in Hannover gegründet. Anlass war die hohe Zahl von Verletzten und Toten aufgrund der damals stark ansteigenden Zahl von Autounfällen. Die JUH besteht heute aus neun Landesverbänden. Neben etwa 20.000 hauptamtlichen Mitarbeitern engagieren sich hier mehr als 37.000 ehrenamtliche Helfer.
Schon seit 2017 ist Julian Buchmüller dabei. In der Goetheschule lernte er die Johanniter durch den Schulsanitätsdienst kennen, ging zu einem Schnuppertag und war sofort fasziniert.
„Seitdem bin ich bei der SEG“, so der 18-Jährige, und meint damit die Schnell-Einsatzgruppe der Johanniter. Diese Gruppe steht, erreichbar über Piepser, im Prinzip rund um die Uhr bereit und unterstützt die Profis bei Einsätzen im Katastrophenschutz, bei Bombenräumungen oder beim Suchen von vermissten Personen mit der Rettungshundestaffel. Um auf solche Einsätze vorbereitet zu sein, üben die Ehrenamtlichen wöchentlich in der Gruppe, zum Beispiel die Versorgung von Verletzten anhand von Rollenspielen. Dabei werden einige ausgewählt und als Verletzten-Darsteller gebrieft. Die anderen haben dann die Aufgabe, die Situation einzuschätzen und die Verletzten zu behandeln. „Je nach den schauspielerischen Fähigkeiten der Darsteller, die zum Teil auch geschminkt werden, kann es schon mal sein, dass man dabei alles um sich vergisst und sich das alles sehr realistisch anfühlt“, so Julian, dem anzumerken ist, dass er großen Spaß an der Sache hat.
In diesem Rahmen ist Julian bereits zum Sanitätshelfer ausgebildet worden, eine erste medizinische Qualifikation, ähnlich einem erweiterten Erste-Hilfe-Schein, die die Johanniter den Jugendlichen vermitteln. Zusammen mit einem erfahreneren Kollegen führt Julian inzwischen auch eine der Jugendgruppen. Und dazu bereitet er die Unter-16-Jährigen auf ihren Kurs zum Sanitätshelfer vor. Der nächste Schritt für Julian ist die Ausbildung zum Rettungssanitäter – den Grundkurs hat er schon durchlaufen. Jetzt folgt noch das Ableisten der Praxisstunden, bevor er sich zur Prüfung anmelden kann.
Zurzeit absolviert Julian ein Freiwilliges Soziales Jahr im Henriettenstift, wo er auf der Intensivstation tätig ist und wo man seine Mitarbeit zu schätzen weiß, denn er bringt ja bereits eine gewisse Vorbildung mit. Für ihn ist es natürlich super, dass er hier einen Teil der Praxisstunden ableisten kann, sodass er seinem Ziel, Rettungssanitäter zu werden, wieder ein Stück näher kommt.
Aber bei aller Theorie: Auch spontane Einsätze kommen vor. Wenn der Piepser sie alarmiert, melden die SEGler sich bei ihrem Gruppenführer und erklären, ob sie einsatzbereit sind. Wer zum Beispiel Alkohol getrunken hat, und sei es nur ein Bier, ist das selbstverständlich nicht. Einen „Massenanfall an Verletzten“, bei dem die SEG unterstützend tätig sein würde, hat Julian glücklicherweise noch nicht erlebt. Aber bei Bombenräumungen hat er schon mitgewirkt und evakuierte, provisorisch in einer Schule untergebrachte Menschen betreut. Auch mit der Hundestaffel der Johanniter ist er schon ausgerückt, um eine Person zu suchen, die „suizidal abgängig war“, wie Julian sich schon völlig selbstverständlich ausdrückt. Geleitet von der Polizei helfen die Johanniter in solchen Fällen mit ihren „Flächensuchhunden“. „Das ist natürlich aufregend, allein schon, weil wir mit Blaulicht ausrücken“, erzählt Julian, der anschließend als Teil eines Dreierteams mithalf, den Wald zu durchsuchen. Gefunden wurde die Person an diesem Tag nicht. Häufiger kommt es vor, dass demente, verwirrte Personen gesucht werden müssen, die herumirren und nicht allein wieder nach Hause finden. Einen solchen Menschen konnte Julian mit der SEG bereits einmal in einem Gebäude neben einem Pflegeheim finden.
Wie werden die jungen Mitglieder der SEG überhaupt darauf vorbereitet, eventuell mit Toten oder Schwerverletzten konfrontiert zu werden? „Wir reden unter den Kollegen viel darüber,“ so Julian. „Für alle Einsätze gibt es später eine Besprechung, auch um zu klären, ob man etwas hätte besser machen können.“ Es gibt aber auch immer die Möglichkeit, sich bei einer dafür eingerichteten Stelle, der „Psychosozialen Notfallversorgung“, professionelle Hilfe zu holen, wenn der Einsatz belastend war.
„Es reizt mich hier, dass ich sehr viel mitnehme, Verantwortung übernehmen und mit meinen Aufgaben wachsen kann“, sagt Julian, der plant, nach Abschluss der Ausbildung zum Rettungssanitäter Polizist zu werden. Wenn er dann in ersten Einsätzen auf Verletzte trifft, wird er sehr gut vorbereitet sein.
● Annika Bachem Foto: Ulf-Lasko Werner