Müheloses Lesen ist die Basis für eine erfolgreiche Schulzeit – aber auch für alles, was danach kommt. Damit Kinder Freude am Lesen haben, brauchen sie Menschen, die sie dazu ermutigen. In vielen Familien kommen das Lesen und Vorlesen im stressigen Alltag zu kurz, und nicht bei allen Kindern können die Schulen das kompensieren. Hier setzen die LeselernhelferInnen von Mentor e.V. an, die mit ihrem Einsatz Sprach- und Lesekompetenz vermitteln, aber vor allem Spaß und Lust am Lesen. Vielen Kindern öffnen sie damit die Tür zu einer neuen Welt.
2003 wurde der Verein vom Hannoverschen Buchhändler Otto Stender gegründet, auch als Reaktion auf die alarmierenden Ergebnisse der kurz zuvor durchgeführten PISA-Studie. Bald entstanden weitere Ortsvereine, seit 2008 sind diese in einem in Hannover gegründeten Bundesverband organisiert. Mittlerweile ist Mentor e.V. auf 90 Ortsvereine angewachsen, die im gesamten Bundesgebiet tätig sind.
Schon als Kind und Jugendliche hat Christiane Eisenhauer Bücher geliebt. Später wurde sie Bibliothekarin. „Diese Leidenschaft verlässt einen ja nicht. Es gibt doch nichts Schöneres, als sich in eine fremde Welt zu versetzen und dabei die Zeit zu vergessen“, sagt sie heute und freut sich, dass sie die Möglichkeit hat, ihre Leselust zu teilen und weiterzugeben. „Leider fehlt heute oft die Zeit, Kindern etwas vorzulesen. Und damit fängt es ja an, dass man überhaupt eine Affinität zu Büchern entwickelt“, so Christiane Eisenhauer.
2009, nach ihrem Eintritt in den Ruhestand, begann sie auf Empfehlung einer Freundin als Mentorin zu arbeiten. An der Bothfelder Hauptschule, der heutigen IGS betreute sie fünf SchülerInnen. Schnell war sie so begeistert von der Arbeit des Vereins, dass sie sich auch als Koordinatorin und im Vorstand engagierte.
„Als MentorIn arbeitet man jeweils mit einem Kind, das ist eine Art feste Partnerschaft, die oft jahrelang besteht, je nach Schulform“, so Eisenhauer „In den Grundschulen setzen wir oft schon in der ersten Klasse an, weil viele Kinder gleich am Anfang nicht zurechtkommen. Wir wollen das auffangen, denn die Schwierigkeiten ziehen sich sonst ja nicht nur durch die Schulzeit, sondern später auch durch das Berufsleben.“
Wichtig ist Christiane Eisenhauer zu betonen, dass die MentorInnen keine Pädagogen sind. „Wir können Lesen und Verstehen fördern, unterstützen und Neugier wecken. Wir können aber nicht Deutsch als Sprache unterrichten, dafür sind die meisten von uns gar nicht qualifiziert.“ An Schulen, an denen Mentor e.V. etabliert ist, kommen die Kinder oft von allein. Es ist für viele etwas Besonders, einen Mentor oder eine Mentorin zu haben, und sie genießen in dieser Zeit die ungeteilte Aufmerksamkeit. „Oft kennen diese Kinder es kaum, dass sich ein Erwachsener Zeit für sie nimmt“. In der Regel werden die SchülerInnen mit Förderungsbedarf aber von den Lehrenden ausgewählt, mit denen die MentorInnen einen engen Austausch pflegen.
Die Vorbereitung auf den „Job“ erfolgt für die MentorInnen in Einführungsseminaren. Wie gehe ich auf die Kinder zu? Wie gehe ich damit um, wenn ältere keine Lust haben? Die KoordinatorInnen bieten auch Hilfe und Unterstützung bei Fragen und Konflikten. Die Altersgruppe, die sie betreuen möchten, können die MentorInnen dabei selbst wählen. „Viele wählen Kinder im Alter ihrer Enkel und sind so schon auf altersbedingte Eigenheiten vorbereitet.“ Tatsächlich sind es überwiegend ältere Menschen, die als MentorInnen tätig sind. Das liegt vor allem daran, dass die Arbeit während der Unterrichtszeit, also vormittags oder am frühen Nachmittag stattfindet.
Gerade bei jüngeren SchülerInnen wird immer erst einmal vorgelesen. Wenn die Kinder schon lesen können, gehen die MentorInnen mit ihnen in die Stadtbibliotheken, wo sie selbst auswählen können, was sie lesen wollen. „Es soll sie ja auch interessieren und Spaß machen“, sagt die Mentorin und zieht lachend ein Exemplar von „Greg‘s Tagebuch“ aus der Tasche. Beim gemeinsamen Lesen muss dann auch das Kind vorlesen. Es wird zusammengefasst, über den Inhalt gesprochen, und vor allem wird das Kind ermutigt zu sagen, was es nicht versteht.
Als Koordinatorin ist Eisenhauer auch für die Informationsveranstaltungen für neue Ehrenamtliche zuständig. „Ich finde es sehr wichtig zu wissen, worauf man sich dabei einlässt, aber betone auch immer, wie toll es ist, was man von den SchülerInnen, aber auch von der Lehrerschaft zurückbekommt. Wir bekommen oft die Rückmeldung, dass die Kinder mehr Selbstvertrauen gewinnen und viel aktiver am Unterricht teilnehmen. Diese Arbeit ist nicht nur für die Kinder gut, sondern auch für einen selbst.“ Zurzeit liegt die Arbeit von Mentor e.V. wegen der Corona-Pandemie auf Eis, man hofft aber sehr, nach den Sommerferien weitermachen zu können.
Informationen für Interessierte unter www.mentor-leselernhelfer.de
Neue Freiwillige sind herzlich willkommen!
Annika Bachem