Seit 22 Jahren ist Rolf Ohlendorf aus der hannoverschen Theaterszene nicht mehr wegzudenken: Als Gründungsmitglied des Südstädter Komöd’chens und des Hannoverschen Show Ensembles kann er auf zahlreiche erfolgreiche Inszenierungen zurückblicken. Nach seiner Verrentung im Jahr 2018 begann Ohlendorf damit, seine Biografie zu schreiben, in der er die wichtigsten Etappen seines Lebens zusammenfasst: Die behütete Kindheit in Hildesheim, sein wechselhaftes Berufsleben und die Bundeswehrzeit, sein Coming-Out und die Entdeckung seiner Liebe zum Theater, die ihn für immer verändern sollte. Herausgekommen ist ein sehr persönlicher, bisweilen urkomischer Bericht über ein bewegtes Leben.
Rolf Ohlendorf kam 1953 als viertes Kind des Waffelbäckers Willi Ohlendorf und seiner Frau Anna in der Orleansstraße 37 in Hildesheim zur Welt – eine Hausgeburt wie damals üblich. Von seinen Geschwistern trennt ihn ein großer Altersunterschied, dennoch ist das Verhältnis harmonisch, besonders zu seiner 20 Jahre älteren Schwester Erika. Sie ist nur eine der vielen starken Frauen, die Ohlendorf nachhaltig geprägt haben. Zu seinen liebsten Kindheitserinnerungen gehören die Besuche bei seiner Großmutter in Osterode am Harz, ein Ort, der im Laufe seines Lebens noch eine ganz andere Bedeutung bekommen sollte: Sein späterer Ehemann Peter Gärtner stammt ebenfalls von dort.
Nach der Schule fängt Ohlendorf in einem Handwerksbetrieb in der Nähe seines Elternhauses eine Lehre zum Waagen-Bau-Mechaniker an, die leider nicht sehr glücklich verläuft. Etwa zeitgleich beginnt er sich über seine sexuelle Orientierung klar zu werden, die im Licht der damaligen Moralvorstellungen, aber auch Gesetze als verwerflich gilt. Eine erschütternde Erfahrung macht er schon in früher Jugend, als er wegen des Kontaktes zu einem dänischen Pornoverlag, der homosexuelle Inhalte vertreibt, vor Gericht zitiert wird und schriftlich erklären muss, nicht schwul zu sein – was er aus Angst vor Repressalien, aber auch vor seinem in dieser Hinsicht vollkommen intoleranten Vater auf sich nimmt.
Die Entdeckung und Auslebung seiner Homosexualität, die Ohlendorf in mehreren „Gay Episodes“ schildert, ist eng verknüpft mit seiner Hinwendung zum Amateurtheater. Für dieses beginnt er sich nämlich kurz nach seiner Begegnung mit seinem jetzigen Partner Peter Gärtner zu interessieren, einem passionierten Hobbyschauspieler und Mitglied der Truppe „Kleines Hof Theater“ in Hannover Wülfel. Von ihm lässt sich Ohlendorf dazu ermutigen, sein eigenes Bühnentalent zu entwickeln, zunächst in kleineren Nebenrollen als Polizist und Schaffner. 1997 verlassen die beiden das Kleine Hof Theater und gründen das Südstädter Komöd’chen, aus dem sich dreizehn Jahre später auch das Hannoversche Show Ensemble herausbilden sollte. Im Laufe der Zeit entdeckt Ohlendorf außerdem seine Freude an Travestie-Auftritten, die er immer weiter später ausbaut, bis er schließlich sein bekanntes parodistisches Alter Ego Mr. Orlean erschafft – eine Anspielung auf seine Geburt in der gleichnamigen Straße.
In chronologischer Abfolge lässt Ohlendorf sein bewegtes Leben Revue passieren, das von tragischen Verlusten, schicksalhaften Begegnungen und nicht zuletzt vielen heiteren Momenten geprägt ist. Zahlreiche Fotografien ergänzen den Bericht und illustrieren viele kurzweilige Anekdoten aus dieser abwechslungsreichen Biografie.
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Osterode und Hannover waren mir nie so nah!
Eine Lebensgeschichte von 1953 bis 2019
Von Rolf Ohlendorf
tredition Verlag
ISBN: 978-3-7482-2656-7
148 Seiten
16,99 Euro