Mimmi: Semper Eadem
In einer Künstlerfamilie im norwegischen Tromsø aufgewachsen, lässt die junge Sängerin jetzt mit ihrem 2. Album aufhorchen. Es fängt mit „Pit“, einem überdreht-sphärischen Gesangstrack ziemlich stark an, und geht, mal pompös und theatralisch, mal zurückgenommen stilistisch etwas unentschlossen weiter. Beeindruckend ist Mimmis Stimme, raumfüllend, klar und wandelbar, niemals süß.
Clock Opera: Carousel
Das dritte Album der britischen Indie-Band um den Sänger, Gitarristen und Mann am Sampler Guy Connelly kommt nach dem etwas farblosen Opener mit seinem zweiten Track, dem klavierumtänzelten Namensgeber „Carousel“ erst richtig aus dem Quark. Dann fangen die experimentellen 80er-Jahre-Synthie-Perlen mit glockenreinem Falsettgesang und hektischem Schlagzeug an, Spaß zu machen.
Jakob Dobers: Der Rest Vom Licht
Mit 50 Jahren ein Singer-Songwriter-Debütalbum rausbringen, das frisch und leicht klingt, muss man erst mal hinkriegen. Gelungen ist das Jakob Dobers, bekannt von seiner Band Zimtfisch und auch als männliche Hälfte des Berliner Duos Sorry Gilberto. Er textet bildreich und voller politischer Anspielungen über alltägliche Beobachtungen, Katzen und einen Mangel an Pferden.
David Keenan: A Beginner‘s Guide to Bravery
Über den jungen Iren aus Dundalk wird gern geschrieben, er sei „nicht einfach der nächste Singer-Songwriter mit Akustikgitarre“. Aber das ist er. David Keenan ist der nächste irische Singer-Songwriter mit Akustikgitarre, und er macht das ganz wunderbar, intensiv, feinfühlig, lyrisch und charismatisch, und er hat ein sehr schönes Debütalbum aufgenommen.
Smile And Burn: Morgen Anders
Es entspricht schon ein bisschen dem Zeitgeist, von Texten in englischer Sprache auf die eigene Muttersprache umzuswitchen. Vielen Bands steht das gut, den zu einem Trio geschrumpften Berliner Punkrockern von Smile And Burn steht es auf ihrem fünften Album ganz ausgezeichnet. Ein solides Indiepunk-Werk mit neun hymnischen Mitgröhl-Perlen und einer eher so mittelguten Ballade.
Moses Boyd: Dark Matter
Hier kommt was für Drummer: Der Londoner Jazz-Schlagzeuger und Produzent hat, nachdem er bisher vor allem durch Kollaborationen z.B. mit Zara McFarlane oder Joe Armon-Jones in Erscheinung getreten ist, mit „Dark Matter“ sein Debütalbum als Bandleader am Start. Er verwebt Grime und Afrobeats mit den Clubrhythmen des Londoner Undergrounds, seine Jazz-Ausbildung bleibt dabei gut hörbar.
Fat Freddy´s Drop: Special Edition Part 1
Das Groove-Monster aus Neuseeland ist wieder da! Dieser 1. Teil des Doppelalbums umfasst 6 Tracks, die teils im Studio, teils in Live-Jam-Sessions entstanden sind. Teil 2 kommt im Anschluss an die jetzige Tour, die die siebenköpfige Formation leider nicht nach Hannover, aber immerhin nach Bremen führt. Ihre Geschichte beginnt Mitte der 90er-Jahre an der Wellington Jazz School, in deren Dunstkreis sich zu dieser Zeit eine ganze Reihe junger neuseeländischer Bands entwickelt. Ihre Musik zwischen Soul, Funk, Jazz, Dub, Electronica, HipHop oder Folk einem Genre zuzuordnen ist aussichtslos, zumal sie gern improvisieren, und ein Song live selten zweimal gleich klingt. Mit ihrer Single „Kamo Kamo“ habe sie hier ein kleines, feines Roots Reggae-Bömbchen abgeworfen, und wer das mag, wird nicht nur den namensgebenden Track „Special Edition“, sondern auch das gesamte Album lieben.
Calibro 35: Momentum
Gegründet wurden sie 2007 in Mailand mit der Intention, die funky Seite der italienischen Filmmusik wiederzubeleben. Hierzu scharte der Produzent Tommaso Colliva die besten Musiker der damaligen Indie-Szene um sich und sorgte mit Bearbeitungen vergessener Perlen des Polizotti-Kinos und zunehmend mehr mit Eigenproduktionen bald für Aufsehen. Nach „Decade“, mit dem sie 2018 die ersten 10 Jahre ihres Schaffens zusammenfassten, sind sie jetzt mit ihrem 7. Album „Momentum“ in ihre zweite Dekade gestartet. Der Sound, inspiriert von Bands und Künstlern wie Tortoise, Jagajazzist, Dj Shadow, Budos Band, Stelvio Cipriani, Ennio Morricone, Sandro Brugnolini oder White Noise, ist elektronischer geworden, kommt aber ohne Presets und Programmierungen aus. Ein Highlight ist „Stan Lee“, eine Zusammenarbeit mit dem Rapper John Derek Yancey, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Illa J.
Annika Bachem