Aus der Rubrik „UNBEKANNT VERZOGEN – Das Elterntagebuch“
Vor kurzem lieferte mir eine Freundin dieses Kolumnenthema frei Haus: Sie hatte sich eine Wohnung angeschaut und wollte diese gern mieten. Als der Eigentümer erfuhr, dass sie gern mit Freund und Kind einziehen wollte, war die Sache jedoch erledigt. Es scheint, als seien nicht nur dunkle Hautfarbe und komplizierte Nachnamen ein Hindernis bei der Wohnungssuche – Nachwuchs ist das neue Trend-Stigma im Immobilienmarkt.
Zunächst mache ich mich mal unbeliebt: Ich kann jeden Vermieter ein bisschen verstehen. Mit Kindern ziehen immer auch Lärm, Ärger und Zerstörung ein. Eine Wohnung sieht nach fünf Jahren Familienleben anders aus, als nach fünf Jahren Yuppie-Pärchen. Die häufigsten Lärmquellen in Mietshäusern sind auch nicht, wie in Filmen häufig suggeriert, lautstark stöhnende Rammler, sondern lebensfroher Nachwuchs. Ob Hüpfen auf dem Parkett, Fußball gegen die Fassade oder Amoklauf vor dem Schlafengehen – das Repertoire an akustischer Folter ist vielfältig.
Neben, über oder unter einer mehrköpfigen Familie zu wohnen, ist kein Ponyhof. Aber: Das muss man aushalten. Kinderlärm und Kinderdreck sind die Kollateralschäden jeder Gesellschaft, die eine Zukunft haben will. Wer später eine Rente sehen möchte, muss jugendliche Stepptanz-Übungen ebenso akzeptieren wie nächtliches Babykreischen. Das steht im Generationenvertrag – zwischen den Zeilen.
Das scheint jedoch nicht selbstverständlich zu sein. Unter dem Stichwort „Familie findet keine Wohnung“ stößt man bei Google auf jede Menge Horrorgeschichten über jahrelange Suchen, böse Absagen und unmoralische Angebote. Dies passt in eine Zeit, in der die Knappheit von Wohnraum vielen als eine der zentralen sozialen Fragen dieses Landes gilt. In der Politik herrscht, wie üblich, hysterischer Aktionismus. Statt neue Wohnungen zu bauen oder dieses zu erleichtern, denkt man sogar über Enteignungen nach. Kein Wunder, dass die Chaos-Stadt Berlin hier voranschreitet – eine Metropole, die ohne das Business libanesischer Großclans wahrscheinlich gar keine volkswirtschaftliche Aktivität verzeichnen würde.
Dabei gibt es vernünftige Ideen: mehr staatliches Bauland, mehr sozialen Wohnungsbau, vereinfachte Vorschriften zur Senkung der Baukosten. Da diese Maßnahmen jedoch eher langsam wirken, hier noch ein paar Spontanideen, um die Wohnungssuche für Familien zu vereinfachen:
1. Jeder Politiker, der das Wort „Enteignung“ in den Mund nimmt, muss seine Wohnung augenblicklich verlassen und sie einer Familie zur Verfügung stellen.
2. Vermieter, die Familien eine Wohnung verweigern, müssen zur Strafe ein Jahr Zivildienst in einer KITA leisten.
3. Jeder SPD-Politiker, der „Mietpreisbremse“ sagt, muss 10 Euro spenden. Vom gesammelten Geld wird das größte Wohnungsbauprogramm der deutschen Geschichte finanziert.
4. Im LEGO-Land werden Notunterkünfte für besonders bedürftige Familien errichtet.
5. Der Berliner Flughafen BER wird in ein Vielfamilienhaus mit Loft-Wohnungen umgewandelt. Von dort kann man dann zwar nicht fliegen, aber die Wohngegend hat einen guten S-Bahn-Anschluss.
6. Es gibt genug Wohnraum – er steht nur an der falschen Stelle. Deshalb: go east! In Ostdeutschland gibt es über eine Million leerstehende Wohnungen. Wir brauchen eine neue Völkerwanderung. Junge Familien in die neuen Bundesländer. Vielleicht müsste dort vorher Gold gefunden werden? Bitte mal jemand buddeln!
7. Viele Züge der Deutschen Bahn fahren ohnehin nicht. Warum lässt man sie nicht gleich stehen und nutzt sie in Metropolen als Wohnung – zumindest auf dem Papier mit Küche, Bad und Klimaanlage.
Zuletzt noch ein Tipp, frei nach Marie Antoinettes kleinem Kuchen-Ratschlag, der die aktuelle Untätigkeit der politisch Verantwortlichen perfekt zusammenfasst: Wenn die Familien keine Wohnungen finden, sollen sie doch in Ferienhäuser ziehen.
Martin Kontzog
Martin Kontzog ist staatlich anerkannter Vater – ansonsten gilt seine Fürsorge dem Satire-Blog Pingu-Mania (http://pingumania.wordpress.com/)