Aus der Rubrik „Randgruppenbeleidigung“
Ihr liebt Brunch. Für euch gibt es nichts Schöneres, als freiwillig aufs Ausschlafen zu verzichten, um mit euren Mädels oder Jungs einen Soja-Flat-White oder eine Bottomless Mimosa zu trinken und dazu haufenweise wilde Frühstückskreationen in euch hineinzuschaufeln, die den größten Hipstern vor ein paar Jahren nicht mal im Traum eingefallen wären. Schon klar. Frühstück und Mittagessen in einem. Tolles Konzept, das passt voll in den Healthy-Diätkultur-Zeitgeist. Ihr seid ganz weit vorne, absolut hip und trendy.
Ihr Lemminge! Ohne Sinn und Verstand machen, was alle machen. Schaut euch mal um, in welcher Gesellschaft ihr euch an den Sonntagen Pancakes, Frühstücksburritos oder Avocados in zehn verschiedenen Zubereitungen reinzieht? Und das kollektiv total cool findet. Fällt euch was auf? Genau, ihr seht euch alle verdammt ähnlich. Ihr Fruchtzwerge! Und dann schön Bildchen knipsen und eilig hochladen. Damit euch alle total super und toll finden. Oder noch besser nice. Ihr ahnt gar nicht, wie mächtig ihr uns mit euren #morningslikethese, #brunchgoals auf die Eier geht. Was soll das?
Wenn ihr wenigstens saufen würdet bei euren Brunch-Happenings, so wie damals die Tennis-Mütter, die literweise Sekt verklappt haben bei solchen Gelegenheiten. Das war mal der einzige nachvollziehbare Grund zu brunchen, dass man sich schon morgens ein, zwei, drei, vier Sektchen reinkippen durfte, ohne gleich hinter vorgehaltener Hand zum Alkoholiker abgestempelt zu werden. Und heute? Trinkt ihr Saft. Oder noch besser Smoothies. Und falls doch mal Alkohol, dann Frühstücks-Bloody-Marys. Aber in Maßen, versteht sich. Man darf ja bei solchen gesellschaftlichen Anlässen keinesfalls aus der Reihe fallen. Sonst fotografiert das noch jemand.
Was ist bloß aus Kippe und Kaffee geworden? Was aus dem Nutella-Toast in einer ansonsten absolut leeren WG-Küche? Warum nicht mehr frühstücken im Bett, ohne mit Menschen interagieren zu müssen, die man nicht mag? Was spricht gegen schlechten Filterkaffee im Schlafanzug? Warum geht niemand mehr ungeduscht zum Bäcker, um bei der Gelegenheit auch gleich die Zeitung des Nachbarn zu klauen?
Nein, stattdessen gebt ihr Brunch-Fetischisten unmenschlich viel Geld für EIN Frühstück aus. Was für eine Verschwendung. Ganz zu schweigen von der beschissenen Öko-Bilanz, denn die Avocado ist bekanntlich der Klima-Teufel Nummer 1. Aber Lifestyle geht natürlich vor. Macht nur so weiter, bruncht euch zu Tode. Uns egal. Wir wanken sonntags nach durchzechter Nacht lieber kurz in die Küche, und ein Nutella-Toast plus Konterbier später wieder zurück ins Bett. Dann drehen wir uns noch mal genüsslich auf die Seite, denken an die vielen Idioten da draußen und sind dankbar, dass wir so klug sind und nicht mitmachen. Und schließlich entschlummern wir sanft und traumlos. Während ihr hoffentlich den Rest des Sonntags Blähungen habt. Und wir kein bisschen Mitleid.
Text: Annika Lubosch