Aus der Rubrik „Randgruppenbeleidigung“
Influencer – ist das nicht dieses Virus, das alljährlich in den Wintermonaten Hochsaison hat? Nah dran. Der einzige echte Unterschied zur lästigen Grippe ist wahrscheinlich der, dass die Influencer das komplette Jahr influencen. Und sie verinfluencen mir total die Stimmung. Ich kann diese Hackfressen alle nicht mehr sehen. Diese nichts-könnenden Vollpfosten. Die Story ist immer ähnlich. Mit ihren wallenden, langen blonden Haaren, perfekt sitzenden Wimpernverlängerungen und – im Fall der Männer – ihren gestählten McFit-Oberkörpern und akkurat geschnittenen Bärten, hocken sie sich zuerst in für bildungsferne Schichten konzipierte Formate der Privatsender. Und hier buhlen sie dann wahlweise um irgendeine hergelaufene Frau mit Aufmerksamkeitsdefizit oder irgendeinen hergelaufenen Mann mit vergleichbarer Schacke. Und falls das noch nicht reicht, um die eigene Fresse bei der bevorzugten Zielgruppe bekannt genug zu machen, geht es dann gemeinsam mit anderen Grenzdebilen noch ins Dschungel-Camp. Während man sich parallel schon mal auf Instagram und Co. zum Affen macht. Zum fremdschämen! Scham scheint allerdings eine Empfindung zu sein, die diesen Leuten völlig abgeht. Tja, und was tut man, wenn man extrovertiert veranlagt ist und den qualifizierten Realschulabschluss knapp verpasst hat? Richtig, man wird entweder Pornodarsteller oder eben Influencer (oder beides). Und dann werben sie für völlig überteuerte Produkte auf ihren Social-Media-Kanälen. Sprich, sie verarschen ihre Fans nach Strich und Faden. Völlig ohne Gewissensbisse und Verantwortungsbewusstsein. Hauptberuflich Arschloch. Die Herren der Schöpfung prostituieren sich gerne für Proteinpulver mit utopischen Preisen und ziehen damit ihren jungen Fans das Geld aus der Tasche. Und die Damen posieren für diverse Cremes, Düfte und Abnehm-Kapseln. Lebendig gewordene Litfaßsäulen-Albträume.
Komm, wir tauchen mal kurz rein in diese Welt. Smartphone schnappen, Instagram öffnen. Das wird bestimmt #lit (lit – ein außerordentlich lites Jugendwort für super). Los geht’s: #instalife – und da springt mir auch schon die gepuderte Visage eines waschechten #instaboys ins Auge. Aua! Ein offensichtlich minderbemittelter Großhirnkastrat. Aber vielleicht ist das ja ein Vorurteil. Ich scrolle schnell weiter zur Bildunterschrift des Meisterwerks. Vielleicht finde ich dort Inhalt. Und was sehen meine bereits gereizten Augen? Diesen Spruch kenne ich doch. Das ist einer von Tante Ernas fantasielosen Kalendersprüchen. Diesen Kalender hatte sie sich damals immer in ihrer Küche an die Wand genagelt. Sehr inspirierend. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit einem #GehirnDIY? Eure Follower-IQ-Verwandtschaft würde davon bestimmt auch profitieren. Aber Vorbildfunktion? Fehlanzeige! Wobei, Negativ-Vorbilder muss es ja auch geben, denn aus Fehlern lernt man. #true.
Text: Anna-Lea Welz
Illustration: Illi Hinzberg