Aus der Rubrik „Unbekannt verzogen – Das Elterntagebuch“
Der KiKA steht derzeit im Verdacht, Propaganda für die Islamisierung Deutschlands zu machen. Eigentlich müsste man sich über derart absurde Vorwürfe kaputtlachen. Nachdem ich mir die vieldiskutierte Sendung angesehen habe, muss ich jedoch sagen: Witzig ist daran gar nichts.
Die Sendung „Schau in meine Welt“ auf dem Kinderkanal KiKA ist eigentlich harmlos. Kinder berichten aus ihrem Alltag, es geht um Freundschaft und Fußball. Im Januar wurde jedoch eine Folge ausgestrahlt, die derzeit die Gemüter erhitzt. Sie handelt von Malvina, einer 16-jährigen deutschen Schülerin, die sich in Diaa, einen 17-jährigen syrischen Flüchtling, verliebt hat. Soweit so normal.
Hier in aller Kürze die Gründe für die allgemeine Aufregung: Diaa sieht mit seinem Vollbart aus wie Anfang 30, selbst der KiKA hat sein Alter mittlerweile auf 20 korrigiert und sich für die „falsche Darstellung“ entschuldigt. Viel interessanter sind aber Diaas Anforderungen an Traumprinzessin Malvina. Sie darf keine kurzen Röcke mehr tragen, hat aufgehört Schweinefleisch zu essen und ihre männlichen Freunde zu umarmen. Außerdem muss sie mit Diaa immer wieder darüber diskutieren, ob Homosexualität denn in Ordnung sei oder nicht. Auch nach Kopftuch und Konvertierung zum Islam hat Diaa schon des Öfteren gefragt. Das möchte Malvina aber nicht, schließlich sei sie „Christin und Emanze“. Das klingt erst mal gut. Sorge bereitet aber Malvinas Fazit der Beziehungsauseinandersetzungen: „Wenn wir streiten, muss einer nachgeben – das bin meistens ich.“
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Filmverantwortlichen das Porträt eines selbstbewussten Mädchens zeichnen wollten, dass souverän mit kulturellen Konflikten umgeht. Herausgekommen ist jedoch eher eine Kreuzung aus PEGIDA-Horrorvision und Sendung mit der Maus. Gewissermaßen: Eine Islamisierung des Kinderzimmers. Nennen Sie mich altmodisch, aber irgendwie habe ich etwas andere Vorstellungen von einer Jugendliebe. Was würde wohl Dr. Sommer dazu sagen, jene Instanz für verwirrte Jugendherzen aus lang vergangenen Zeiten? „Liebes Dr. Sommer Team, er möchte, dass ich zum Islam konvertiere und zweihundert Jahre Feminismus einfach in die Mülltonne schmeiße. Soll ich das tun? Ich liebe ihn sehr.“
Ja, was tut man nicht alles für seine Jugendliebe. Früher hat man sich eben die Haare gefärbt, ein Tattoo gestochen oder eine Kette mit Initialen getragen. Heute wechselt man die Religion, entsagt seinen ungläubigen Freunden und führt mit seinem Liebsten Moraldebatten aus den späten Fünfzigern. Alles ganz normale putzige Beziehungsscharmützel.
Selbst Malvinas Eltern, die mittlerweile Angst haben, dass sie unter einer Burka verschwindet, diskutieren mit der Tochter ganz anti-autoritär ergebnisoffen über rote Linien in einer Beziehung. Niemand beschäftigt sich mit dem Offensichtlichen: Dass hier ein volljähriger Mann mit fundamentalreligiösen Ansichten einen Teenager indoktriniert. „Ohne Religion keine Prinzipien und ohne Prinzipien kein Leben“, spricht Diaa an einer Stelle des Films verträumt. Das ist kein Liebesfilm. Das ist eine Kampfansage an die liberale Gesellschaft und die Gleichberechtigung der Frau. Heiter ausgestrahlt im deutschen Kinderfernsehen.
Als Vater von Töchtern ist man automatisch Feminist. Und als solcher stehe ich sprachlos vor diesem Film. Wir leben in einer Gesellschaft, in der bereits der Verkauf von rosa T-Shirts und eine Talkshow ohne weibliche Gäste als Sexismus gelten. Ich finde diese Sensibilität richtig. Ich frage mich nur, wie man dann die Unterordnung einer jungen Frau unter eine mittelalterliche Verbots-Ideologie als spannendes Beziehungsexperiment verkaufen kann.
Die Islamisierung Deutschlands ist das sicherlich noch nicht – die KiKA-isierung von Kinderthemen reicht mir aber schon. Ich predige meinen Kindern immer wieder, dass zu viel Fernsehen doof macht. Bei den Verantwortlichen des KiKA ist es scheinbar bereits so weit.
Martin Kontzog
Martin Kontzog ist staatlich anerkannter Vater – ansonsten gilt seine Fürsorge dem Satire-Blog Pingu-Mania pingumania.wordpress.com