Karin Menges

Geschäftsführerin der Ihmeplatz 7E GmbH, Gründungsmitglied
und im Vorstand des Vereins Zukunftswerkstatt Ihme-Zentrum e.V.

Sie möchte ihr Möglichstes tun, um den „schlafenden Riesen“ aufzuwecken: Karin Menges, 60 Jahre alt, lebt gerne im Ihme-Zentrum, wo sie mit ihrem Mann und Kater in einer 3-Zimmer-Wohnung mit vier (!) Balkonen wohnt. Die Apothekerin ist nach über 20 Jahren Dorfleben geplant und überzeugt zurück in die Stadt gezogen und möchte in Hannover nirgends anders wohnen – weil sie seit 2012 zugleich ruhig und stadtnah mit allen wichtigen Strukturen wohnt und sich ihr von dort oben ein phantastischer Ausblick bietet. Um sich für die Wiederbelebung des Ihme-Zentrums einzusetzen, hat sie mit anderen IZ-Fans den Verein Zukunftswerkstatt Ihme-Zentrum gegründet: Ihr Ziel ist die nachhaltige und kreative Transformation des größtenteils leerstehenden Brutalismus-Megakomplexes aus den Siebzigerjahren in einen lebendigen, lebenswerten Ort. Karin Menges erzählt vom Potenzial des verwunschenen Betonriesens.

Mit welchem Ziel habt ihr Anfang April 2016 den Verein Zukunftswerkstatt Ihme-Zentrum gegründet?
Wir möchten das Ihme-Zentrum in positiverem Licht und als Möglichkeitsraum zeigen und daran mitwirken, einen lebens(liebens)werteren Zustand wieder herzustellen.

Zu euren Mitgliedern gehören BewohnerInnen, engagierte BürgerInnen sowie ExpertInnen aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung, Politik, Kultur und Nachhaltigkeit – haben sich alle selbstständig zusammengefunden, oder wie war das am Anfang?
Die Initiative zur Vereinsgründung ging von Constantin Alexander aus. Er ist ins IZ gezogen, hat die Rundgänge gestartet und dann Interessierte angesprochen. Bei den Rundgängen durch das Quartier wird die Geschichte des Zentrums erklärt – und unser Ansatz, aus dieser vermeintlichen Ruine ein nachhaltiges, kreatives und lebenswertes Wahrzeichen für Hannover zu machen.

Seid ihr alle ehrenamtlich tätig, oder gibt es auch Angestellte?
Wir sind alle ehrenamtlich tätig, nur für die Raumorganisation gibt es eine kleine Stelle.

Ah, für die Räume der Zukunftswerkstatt – erzähl mal.
Seit Mitte 2017 haben wir rund 230 qm Räumlichkeiten gemietet, anschließend saniert und ein Nachbarschafts- und Kulturzentrum daraus gemacht. Der Veranstaltungsraum ist bestuhlt für bis zu 80, unbestuhlt für bis zu 120 Personen ausgelegt und verfügt über Projektions- und Lichttechnik, eine Beschallungsanlage, WLAN, eine Bewirtungsecke und zwei Toiletten. Wir sind sehr zufrieden und auch stolz, dass wir nach so kurzer Zeit diese großartigen Räumlichkeiten im IZ haben. Die Renovierung ist abgeschlossen (eine Behindertentoilette wäre noch wünschenswert). Die Stadt fördert uns mit einem Betrag von 8.000 Euro – das reicht aber noch nicht und wir würden uns über weitere Spenden freuen. Der gesamte Betrieb funktioniert in Eigenleistung.

Wer sind eure größten Kooperationspartner?
Unsere wichtigsten Partner sind die Stadt Hannover, Hochschulen und Universitäten, Umbau – der Ökomarkt, Gilde und Exposive. Aber auch das Engagement von Privatpersonen ist enorm. Einige Vereinsmitglieder bieten außerdem Rundgänge an.

Worauf liegt der Schwerpunkt – auf öffentlichen Projekten, der Förderung von Kunst und Kultur, oder auf dem Austausch der BewohnerInnen?
Unser Schwerpunkt liegt auf Projekten vor Ort, die zum IZ passen. Unsere bisher realisierten Projekte sind hochkarätige Vorträge zur Architektur, Stadt- und Wegeplanung, aber auch Ausstellungen, Konzerte und Lesungen lokaler Künstler und Kreativer. Wöchentlich findet das BewohnerInnentreffen statt, monatlich die Nachmittagskonzerte für Musikfreunde (gemeinsam mit der AWO und dem FZH Linden), der PlanBoxStammtisch für IZ-Interessierte und die (teilweise Themen-) Rundgänge. Wir sind in der glücklichen Lage, dass viele Menschen mit Ideen auf uns zukommen. In Kontakt treten kann man mit uns per E-Mail oder Formular auf unserer Webseite. Und unsere Räume werden nicht nur vom Verein genutzt, sondern stehen auch der Bewohnerschaft im Ihme-Zentrum zur Verfügung. Nicht-Bewohner und Nicht-Vereinsmitglieder sind natürlich ebenfalls herzlich willkommen! Gegen eine geringe Gebühr können unsere Räume von externen Interessenten auch für Kunst, Kultur, Geburtstagsfeiern etc. gemietet werden.

Was sind die nächsten/geplante Projekte?
Unser nächstes großes Projekt ist, das IZ als wichtigen Baustein des Projektes ‚Kulturhauptstadt‘ kreativ zu entwickeln. Wir freuen uns über die fachliche Anerkennung unserer (Constantins) Arbeit beim deutschen, lokalen Nachhaltigkeitspreis.
Anmerkung: Das Konzept zur Entwicklung der Ruine zum Wahrzeichen einer nachhaltigen und kreativen Stadt wurde 2017 für den Deutschen Lokalen Nachhaltigkeitspreis nominiert.

Wie ist der Austausch zwischen den Bewohnern, dem Großeigentümer Intown, den Kleineigentümern sowie der Stadt und der Stadtgesellschaft?
Zum Großeigentümer besteht trotz vieler Angebote unsererseits kein Austausch. Zu den Bewohnern/Eigentümern beginnen die Begegnungen. Der Austausch mit der Politik und Stadtverwaltung entwickelt sich positiv durch Besuche und konstruktive Gespräche. Wir agieren eigenständig, versuchen aber stets, andere Stakeholder mit einzubeziehen.

Wozu wurde zusätzlich zum Verein noch die Ihmeplatz-7E-GmbH gegründet?
Die Ihmeplatz-7E-GmbH hat sich zur Minimierung des Immobilienrisikos gebildet, auch verfügt der Verein nicht über finanzielle Mittel. Nachdem die Statikakten zwei (!) Mal vergeblich der Eigentümergemeinschaft angeboten, und von unserer AG Planung als unverzichtbar und wesentlich für Bau-/Umbaumaßnahmen eingestuft wurden, wollen wir sie dauerhaft verfügbar für alle im IZ sichern.
Zum Hintergrund: Die vorherige Besitzerin der vom Verein angemieteten Räume hatte im Frühjahr 2017 ankündigt, die Immobilie verkaufen zu wollen. Die 27 Gesellschafter der GmbH haben die Räume daher mit Unterstützung weiterer Darlehensgeber gekauft und sie zu den gleichen Bedingungen wie die vorherige Besitzerin an den Verein vermietet. Die Vorbesitzerin der Räume ist die Witwe des Statikers, der sowohl 1970 den Neubau, als auch ab 2006 den Umbau des Ihme-Zentrums betreute. Sie bot zeitgleich zum Kaufangebot für die Räume der Eigentümergemeinschaft des Ihme-Zentrums und dem Großeigentümer Intown einen aus ca. 300 Ordnern bestehenden Satz aller Zeichnungen und Statikberechnungen des Ihme-Zentrums zum Kauf an. Der Wohnungseigentümervertreter im Beirat der WEG und auch Großeigentümer Intown lehnten den Kauf ab. Die Sammlung ist nach dem Wissenstand der GmbH der einzige weitgehend vollständige Aktensatz und umfangreicher und besser sortiert als die bei der Landeshauptstadt Hannover vorhandenen Unterlagen – die Ihmeplatz-7E-GmbH hat sie daher erworben und so vor einem möglichen Verfall gerettet und sieht sich als Treuhänderin für dieses wichtige kollektive Gedächtnis des Ihme-Zentrums.

Möchtest du etwas zu dem aktuellen Konflikt der Ihmeplatz-7E-GmbH mit der Hausverwaltung sagen?
Wir sehen uns als neue Intermediäre und Ideen-Plattform, haben stets allen Beteiligten (Bewohner/Eigentümer, Hausverwaltung, Sprecher und Verwaltungsbeirat) unsere Gesprächsbereitschaft und kooperative Zusammenarbeit angeboten und sind maßlos enttäuscht und verärgert über die nicht endende Gerüchteküche und unsägliche Handlungsweise insbesondere des alten Verwaltungsbeirats. Das wird auch in der (Stadtteil-)Öffentlichkeit sehr negativ bewertet und schadet dem IZ-Image. Wir lassen uns aber nicht einschüchtern und widersprechen unberechtigten Vorwürfen.
Zum Hintergrund: Die Klageandrohung seitens der Hausverwaltung zielt auf das Verbot, die Räume gemäß des bestehenden Mietvertrages mit der Zukunftswerkstatt Ihme-Zentrum e.V. durch diesen nutzen zu lassen – dabei wurde der dementsprechende Mietvertrag zwischen dem Verein Zukunftswerkstatt Ihme-Zentrum e.V. und der Voreigentümerin der Räume bereits im Jahr 2016 geschlossen, wobei diese beim Vertragsschluss durch die Cardea Hausverwaltung vertreten wurde. Genau dieselbe Hausverwaltung will jetzt den Mietvertrag nicht mehr kennen und die Nutzung gemäß des von ihr (als Vertreterin) selbst unterzeichneten Mietvertrages notfalls auf dem Klageweg unterbinden.

 

kurz nachgefragt

Was bedeutet das Ihme-Zentrum für dich?
Wahlheimat.

Eine schöne und eine hässliche Seite des Ihme-Zentrums?
Schön = wohnen am Wasser, hässlich = der Zustand des Sockelgeschosses.

Wer wäre das Ihme-Zentrum als Comic-Figur und warum?
Von den Avataren die Erdbändigerin Toph (kann Gestein und Metall bändigen und, obwohl sie blind ist, ist sie die mächtigste ihrer Gruppe).

Dein Soundtrack zum Ihme-Zentrum?
Edvard Griegs „In der Halle des Bergkönigs“ (Peer Gynt Suite).

Wem würdest du raten/abraten, ins Ihme-Zentrum zu ziehen?
Raten würde ich es jungen, junggebliebenen, toleranten Menschen, abraten peniblen, ruhesuchenden Menschen.

Was ist für dich das größte Potenzial des Ihme-Zentrums?
Die immense Fläche in der großartigen Lage, die heutigen Möglichkeiten in Bezug auf Energietechnik und Produktion (siehe Vortrag „produktive Stadt“).

Warum das IZ nicht „einfach abreißen“?
Das ist keine Option (rechtlich und wirtschaftlich).

Was gehört für dich zum Ihme-Zentrum, wie der Fisch ins Wasser?
Die Ihme.

Was absolut nicht?
Die Tauben.

Wie siehst du das Ihme-Zentrum in 10 Jahren?
Ein Wahrzeichen Hannovers.

Interview: Anke Wittkopp

 


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