Er liebt Musik. Was für eine profane Aussage. Das ist, wie Schalke 04 oder Erdbeerkaugummi zu mögen. Bei Jan Underwood ist das allerdings anders: „Er liebt Musik“ erklärt einen Teil seiner Persönlichkeit. Schon recht früh hat er seine Passion entdeckt, angefangen, Instrumente zu lernen und in verschiedenen Rockbands gespielt. Das hat ein breites Spektrum geschaffen, das Jan im Lauf der Zeit immer mehr erweiterte, wissend, dass Musik eine große Rolle in seinem Leben einnehmen würde …
Irgendwann geriet er in Kontakt mit elektronischer Musik und war sofort infiziert: Psytrance und progressive Sounds faszinierten ihn. Mit 20 Jahren begann er, selbst zu produzieren. Eine Leidenschaft, die bis heute geblieben ist, auch wenn er sich mittlerweile vom Psy weg zum Techno hin entwickelt und dabei seinen ganz eigenen Stil herausgearbeitet hat. Wenn wir über Jan Underwoods Techno reden, dann reden wir über „Underground-Techno“. In der gängigen Definition heißt „underground“ unserer Tage schlicht, dass ein Künstler weniger bekannt ist und sich keiner großen Basis bedienen kann. Damit allerdings wird man Jan Underwood nicht gerecht. Vielmehr bedeutet „underground“ konkret, dass Jan sich zwar abseits der großen kommerziellen Kreise bewegt, einen Hauch zu weit weg ist vom Mainstream, aber dabei experimentell, fast revolutionär zu Werke geht. Sein Stil? Schwierig zu erklären. Ja, es ist Techno, und es ist fast immer düster. Melodiös, experimentell und progressiv. Fein strukturiert, der Bass sitzt, mal ein wenig minimalistischer, mal ein bisschen schneller. Komplex, aber tanzbar, kontrolliert, aber nicht gefangen. In Jans Musik ist immer etwas Treibendes, Bewegung. Bewegung ist nämlich wichtig und Stillstand absolut zu vermeiden. Viel sehen, viel erleben, heißt die Devise, die Fühler ausstrecken und sich inspirieren lassen.
Im Augenblick sitzt Jan zusammen mit Henning Riez in Hamburg und arbeitet an einem Remix für die Rockband „Egg bites Chicken“ (Roba Music). Sobald der fertig ist und die Feiertage vorbei sind, fliegt Underwood über den großen Teich. Denn Anfang 2017 hat er Gigs in San Francisco, Los Angeles, San Diego und Tijuana, Mexiko. Zwischendurch veröffentlicht er noch mal kurzerhand zwei EPs, eine davon, „Rotor“, auf seinem Stammlabel Uncut Music, und die andere, „The fine Spindel“, auf Physical Techno Recordings. Auch die Kanadier haben Interesse an dem Hannoveraner: So darf er Teil einer Remix-LP sein, die ebenfalls Anfang 2017 von DMT Records veröffentlicht wird. Auf Vinyl – und das ist tatsächlich eine Premiere, denn Vinyl hatte Jan bisher noch nicht.
Wo nimmt man eine solche Kreativität bloß her? Braucht der Mann keinen Schlaf? Jan sagt, er liebt es, mit anderen Künstlern zusammen zu kommen, sich auszutauschen, etwas sowohl mitzunehmen als auch da zulassen, damit jeder von der Kreativität und Inspiration des anderen profitiert.
So arbeitet er seit einigen Jahren mit Sebastian Brutzel zusammen, der genau so ein Tausendsassa wie Underwood selbst ist: Mediendesigner, Künstler, Fotograf, Ideenhaber – und durch den Austausch der beiden entsteht manchmal Magisches. Genau das ist es, was nach all den Jahren noch den Reiz für Jan Underwood ausmacht: Das Produzieren bedeutet für ihn, beflügelt zu sein, abzutauchen, sich auszudrücken und zu verwirklichen. Dem Künstlerischen keine Grenzen zu setzen. Und wenn da doch mal welche sind, sie einfach zu überschreiten.
UM