Die Nachricht dürfte mittlerweile bei den meisten kulturinteressierten Menschen in Hannover und Umgebung angekommen sein: Das Béi Chéz Heinz (BCH) in Linden/Limmer ist in Gefahr. Einer der besten alternativen Clubs in Hannover, der sich sowohl bundesweit als auch international einen Namen gemacht hat, könnte seine Räumlichkeiten in den Katakomben des Fössebades verlieren, sollte die Stadt Hannover und die Fössebad-Betriebs-GmbH an ihren bisherigen Plänen zur Sanierung bzw. zum Neubau des Fössebades festhalten. Besonders ärgerlich ist, dass das BCH bis zum jetzigen Zeitpunkt (Redaktionsschluss: 21.04.) nicht gleichberechtigt an der Diskussion um die Zukunft des Bades beteiligt wurde – und das als Veranstaltungsbetrieb, der über Jahrzehnte das subkulturelle Leben der „UNESCO City of Music“ bereichert hat.
Der 9. Mai wird zum Stichtag in der Debatte um den Standorterhalt des Clubs, dann an diesem Tag soll im Sportausschuss der Stadt Hannover ein Konzept zur Zukunft des Fössebades vorgestellt werden. Zur Diskussion stehen zwei Pläne: die Sanierung des Fössebades oder ein kompletter Neubau. Bei beiden Entwürfen ist allerdings nach derzeitigem Stand ein Verbleib des BCH im Keller des Gebäudes nicht vorgesehen. Der Pachtvertrag endet am 31.12.2017, was danach passiert ist noch ungewiss.
Dass das Fössebad sanierungsbedürftig ist und sich die Menschen aus den umliegenden Stadtteilen über ein neues Schwimmbad freuen würden, steht außer Frage. Zumal das Freibad schon seit Jahren aufgrund von baulichen Mängeln nicht mehr genutzt werden kann. Doch warum nun in der Phase der fortgeschrittenen Planungen das BCH vollkommen außer Acht gelassen wird, ist nicht nachzuvollziehen. Lässt man einmal Revue passieren, was in dem ehemaligen Fahrradkeller bereits an großartigen kulturellen Veranstaltungen gelaufen ist, versteht man dieses Vorgehen seitens der Stadt noch weniger. Ein kurzer Blick in die Vergangenheit: 1995 zog der Club, der aus einem DGB-Jugendtreff hervorgegangen ist, von der Spichernstraße in den jetzigen Keller des Fössebades. Mit einem großen Aufgebot an freiwilligen Helfern wurde in Eigenregie die Sanierung der Räume umgesetzt. Dieser Bau und auch der zweite Umbau 2008 wurde ohne Subventionen geschaffen. Ein echter Kraftakt, der nur durch das enorme Engagement vieler Ehremamtlicher möglich war. Seit 21 Jahren steht das BCH, das sich komplett subventionsfrei selbst finanziert, für ein vielfältiges, innovatives Veranstaltungsprogramm. Die nackten Zahlen sprechen für sich: 2184 Konzerte veranstaltete der Club, es spielten 5023 Bands, 3276 Partys gehörten ebenfalls dazu und auch die Fachschaften fanden im BCH einen Anlaufpunkt für ihre Partys. Außerdem wurden Lesungen, Kleinkunst, Quiz-Shows, Zaubersalons, Kino und eine Vielzahl an legendären Festivals und ideenreichen – um nicht zu sagen ziemlich durchgeknallten und deshalb umso beliebteren – Special Events veranstaltet. Um mal ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen … In den Anfangsjahren war der Club noch auf Tour und bespielte diverse Veranstaltungsorte wie den Pavillon, die Faust, das Bad oder das heimelige Ernst-Winter-Heim am Lindener Berge. 1994 wurden erste Kontakte zum Fössebad geknüpft und das „Weisse Heinz Open Air“ gestartet. Ein Jahr später fand im Pavillon das „How to Händel the Schlagerfestival“ statt, eines der Non-Stop-Festivals, bei dem auch zu frühesten Morgenstunden noch Udo-Jürgen-Songs auf der Bühne geträllert wurden. Einzigartig der „Lindenstraßen-Marathon“ 1998, bei dem Tag und Nacht ohne Pause alle damals noch 675 Folgen gezeigt wurden. Die Gewinner durften nach Köln zum Lindenstraßen-Dreh fahren. Unvergesslich auch die „Chez Waterworld“-Partys, bei denen sich das wilde Partyvolk im Hallenbad vergnügen durfte – samt Biertrinkerei und Rauchen am Becken. Erst letztes Jahr veranstaltete der Club das Fest „Linden Liept Limmer“ und blickt auf eine gelungene Kooperation mit der benachbarten Schule, der Bethlehem-Kirche und dem Fössebad zurück. Beeindruckend, was das BCH in all den Jahren auf die Beine gestellt hat. Der Club hat große, international bekannte Künstler und Bands nach Hannover geholt, gleichzeitig aber auch den Nachwuchs-Künstlern eine Bühne geboten. Er wurde damit zu einem Ort für unterschiedlichste subkulturelle Strömungen.
Neue Räume zu finden – und die Betreiber des BCH lehnen einen Umzug nicht generell ab – wird ganz sicher ein weitaus schwierigeres Problem, als es momentan auf politischer Ebene dargestellt wird. Allein die Suche nach bezahlbaren Räumlichkeiten in Linden/Limmer in einer vergleichbaren Größe dürfte ein kompliziertes Unterfangen werden, ganz zu schweigen von verschärften Bauauflagen, die bei neuen Räumen erfüllt werden müssten.
Höchste Zeit, das BCH bei allen anstehenden Fössebad-Planungen mit ins Boot zu holen und seine Rolle als wichtigen (Sub-)Kulturträger Hannovers zu würdigen. Damit sich die Stadt auch weiterhin mit gutem Gewissen mit dem Titel „UNESCO City of Music“ rühmen kann.
Katja Merx