Editorial 2024-07

Liebe Leser*innen,

bevor ich hier etwas zu dieser Ausgabe, zu unserer neuen Titelserie und zu meinem ersten Gespräch mit Sabine Busmann schreibe, der Geschäftsführerin des Musikzentrums Hannover, möchte ich nach der Europawahl noch ein paar Gedanken loswerden.
Das Entsetzen war ja allerseits groß. Insbesondere darüber, dass auch so viele junge Wählerinnen und Wähler die AfD gewählt haben. Die Erklärungsansätze dazu fand ich teilweise amüsant. Es liegt also an TikTok, klar. TikTok verklebt den jungen Menschen die Hirne. So einfach, so schnell ist man fertig mit der Analyse. Wie könnte nun eine Lösung aussehen? Auch klar, man macht sich schleunigst auf, ebenfalls bei TikTok mitzuspielen – und dreht sensationelle Clips über altgediente Aktentaschen. Da drängst sich mir mehr und mehr eine Frage auf: Geht’s eigentlich noch?

Vielleicht irre ich mich, aber ich bin ziemlich sicher, dass „die Menschen“, und auch „die jungen Menschen“ sich vor allem eins wünschen von der Politik. Nein, gar nicht die schnellstmögliche Lösung irgendwelcher Probleme. Sie wünschen sich, Achtung, ein großes Wort: Wahrhaftigkeit.
Sie möchten keine Floskeln und Phrasen, keine Symbole, keine Nebelkerzen, kein Geschwafel, sie möchten wissen, was Phase ist, sie möchten nichts verkauft bekommen, sie möchten nicht emotional abgeholt werden, irgendwie eingefangen und überzeugt werden, sie möchten ganz schlicht ernst genommen werden, sie möchten, dass man mit ihnen auf Augenhöhe kommuniziert. Dass man sie eben nicht für doof hält.

Aber genau diesen Eindruck bekommt man leider, wenn man vielen Politikerinnen und Politikern (es gibt Ausnahmen) zuhört. Es wäre schön, wenn sich das wieder ändern würde. Wenn es wieder ein bisschen mehr Respekt vor den Wählenden geben würde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Politikerinnen und Politiker dann ihrerseits auch wieder mit ein bisschen mehr Respekt rechnen dürfen. Denn was sich eingebürgert hat bei den Wählenden, das ist so eine sehr fragwürdige Gewissheit: Im Zweifel wirst du verarscht. Und leider hat dieser Eindruck auch stellenweise durchaus seine Berechtigung.
Wenn es in Deutschland irgendwann wieder um die Lösung der echten, der tatsächlichen Probleme gehen soll, dann muss es zunächst mal darum gehen, diese Probleme klar zu kommunizieren und in den Vordergrund zu stellen. Gehört eine vernünftige und kluge Einwanderungspolitik ganz vorne auf die Agenda, oder müssen wir uns darüber die Köpfe heißreden, ob wir demnächst eine Handvoll Islamisten nach Afghanistan abschieben? Ersteres ist eine Aufgabe, die man lösen kann und muss, das zweite eine Sau, die populistisch durchs Dorf getrieben wird. *
Können wir uns jetzt mal alle wieder besinnen? Wo soll denn das enden? Wollen wir den politischen Diskurs immer flacher gestalten? Wenn wir uns keine Tiefe mehr zutrauen, dann haben irgendwann auch die mit den einfachen Lösungen eine Chance.
So, das musste ich hier mal kurz loswerden.

Jetzt aber zum Titelgespräch. Sabine Busmann hat gerade ein paar sehr anstrengende Monate hinter sich. Wenn ich hier diese Zeilen schreiben, macht sie hoffentlich schon Urlaub. Und sie hat es sich wirklich verdient. Die Rettung des Musikzentrums war stellenweise fast ein Krimi. Jetzt ist es aber geschafft. Und ich muss hier die Stadt Hannover einfach mal ganz ausdrücklich loben. Der Kauf des gesamten Geländes ist aus meiner Sicht ein mutiger, aber auch ein wichtiger und richtiger Schritt. Vielleicht wäre so ein Kauf auch bei anderen problematischen Arealen in Hannover keine so schlechte Lösung. Okay, ich hör schon auf. Man muss manchmal auch einfach mal zufrieden sein mit dem, was man hat. Das Gespräch mit Sabine beginnt auf Seite 52.

Viel Spaß mit dieser Ausgabe

● Lars Kompa
Herausgeber
Stadtkind


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