Editorial 2024-06

Liebe Leser*innen,

Und schon wieder eine Republik, diesmal eine aufgehetzte … Nach den Übergriffen in Dresden und anderswo wird gerade überall diskutiert, ob diese Attacken zu einer Gefahr für unsere Demokratie werden könnten. Ich finde diese Fragestellung bezeichnend. Geht es vielleicht auch mal eine Nummer kleiner? Natürlich – wehret den Anfängen. Und natürlich – ich würde mir einerseits Aufrüstung wünschen. Aber auch Abrüstung. Aufrüstung zum Beispiel bei der Ausschöpfung des Strafmaßes für solche Übergriffe. Und Abrüstung bei den gegenseitigen Schuldzuweisungen.

Aber muss eigentlich jedes Problem immer gleich zu einem Riesen aufgeblasen werden? Ein paar Idioten sind gewalttätig geworden. Sie sind bereits in Gewahrsam. Sie werden hoffentlich hart bestraft. Aber nein, unsere Demokratie ist nach den Attacken noch längst nicht in Gefahr. Sie ist glücklicherweise ziemlich wehrhaft aufgestellt. Was aber nicht heißt, dass man nun einfach so zur Tagesordnung übergehen sollte. Denn ein Problem haben wir, gar keine Frage.

Wir sind eine aufgehetzte Gesellschaft, wir sind alarmiert, ängstlich, besorgt und alles andere als optimistisch. Und das ist kein Zustand, der für Gesellschaften besonders gesund ist. Zumal in dieses Feuer gerne noch Öl gekippt wird. Denn natürlich versuchen diverse Länder von außen massiv Einfluss zu nehmen. Die bereits sichtbare Spaltung soll weiter vorangetrieben werden, man will Deutschland destabilisieren. Was nun eigentlich dazu führen müsste, dass die Demokraten in Berlin den Schulterschluss wagen und sich darauf besinnen, um was es eigentlich geht, nämlich um das Wohl der Menschen in Deutschland.

Leider tun sie das Gegenteil. Sie machen mit. Sie polemisieren, sie diffamieren. Sie kochen jeweils ihr ganz eigenes Süppchen. Zum Nachteil Deutschlands. Ich habe selten eine Regierung gesehen, deren Koalitionspartner derart egozentrisch auf den eigenen Vorteil fokussiert waren. Und ich habe selten eine Opposition gesehen (damit ist hier die CDU/CSU gemeint, die AfD ist für mich keine Opposition, sondern ein erbärmlicher Witz), die derart verantwortungslos die Stimmung im Land vergiftet hat. Es ist wirklich ein trauriges Schauspiel.

Es gäbe sehr viel, was die demokratischen Parteien gemeinsam tun könnten, um wieder für ein bisschen mehr Ruhe und Frieden, für ein bisschen mehr Gemeinschaft und Zuversicht zu sorgen. Sie könnten beispielsweise mal alle zusammen und ausnahmsweise konstruktiv an den Problemen arbeiten, mit denen wir in Deutschland tatsächlich zu kämpfen haben. Aber wenn ich mir die handelnden Akteurinnen und Akteure so ansehe, hält sich meine Hoffnung doch sehr in Grenzen. Haben die alle zusammen verdient, dass man sie wählt? Das man am 9. Juni zur Wahl geht und sein Kreuz macht? Nein, verdient haben sie es ganz und gar nicht.

Ich gehe aber trotzdem zur Wahl und werde mein Kreuz machen – um Schlimmeres zu verhindern. Das ist leider bei dieser Wahl meine einzige Motivation. Ich würde mir sehr wünschen, dass die demokratischen Parteien in Berlin mir möglichst bald wieder ein paar mehr Gründe gönnen.

Viel Freude mit dieser Ausgabe wünscht

● Lars Kompa
Herausgeber
Stadtkind


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