Editorial 2024-04

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Die ängstliche Republik“, so haben wir unseren Titel in dieser Ausgabe genannt. Ein knapper Zwischenruf zur Bürokratie und zu den Folgen. „Wie Deutschland sich lähmt“, dieser Untertitel kommt nicht von ungefähr. Und aufgrund dieser Lähmung hängt sich Deutschland im internationalen Wettbewerb inzwischen zunehmend ab. Noch sind wir die viertgrößte Volkswirtschaft. Aber wie lange noch?

Dieser drohende (und oft viel zu schwarz gemalte) Untergang – gerne wird in letzter Zeit auch von der „Deindustrialisierung“ der deutschen Wirtschaft gesprochen – macht vielen Menschen in Deutschland Angst. Und befeuert wird diese Angst noch vom rechten und linken Rand. Beziehungsweise mittlerweile auch direkt aus der Mitte. Wenn man der CDU/CSU stellenweise zuhört, droht wahrscheinlich bereits morgen der Untergang des Abendlandes. Falls die Grünen so weitermachen, diese schlimmen Menschen, die Böses im Schilde führen. Wir erleben in letzter Zeit eine Kakophonie der Schwarzmalerei. Man ist sich leider sehr einig: Deutschland geht den Bach runter. Wenn es so weitergeht wie bisher, versteht sich.

Und man macht große, populistische Versprechungen. Wenn man ein paar Schrauben fester zieht, ein paar Zäune höher baut, ein paar Faule an die Arbeit kriegt, ein bisschen pragmatischer bei den Menschenrechten ist, usw., dann gibt es noch Hoffnung. Was für ein unfassbarer Schwachsinn! Uns ist – davon bin ich überzeugt – überhaupt nicht damit geholfen, Neiddebatten anzuzetteln oder bestimmte Menschen herabzuwürdigen und zu diskriminieren, uns abzuschotten oder unsere Werte mal für eine Weile ein bisschen auszublenden, damit es mit dem Bruttoinlandsprodukt wieder besser klappt. Wir brauchen auch nicht noch mehr Ausländerfeindlichkeit, oder, um mal ein anderes Wort zu benutzen, Zuwanderungsskepsis. Wir brauchen Ausländerfreundlichkeit und Optimismus. Wir dürfen uns keine Angst mehr machen lassen, im Gegenteil, wir müssen uns endlich wieder darauf besinnen, welche Ressourcen Deutschland eigentlich hat. Wir sind innovativ und wir sind immer noch gut aufgestellt. Wir sind nicht ohne Grund die Nummer 4 in der Welt. Wir müssen jetzt mal wieder rauskommen aus unserem depressiven Loch und kämpfen. Um unsere Demokratie, unsere Freiheit und gerne auch um unseren Wohlstand.

Ich befürchte nur, dass das wahrscheinlich eher ein frommer Wunsch bleibt. Wir sind zu träge geworden und zu gleichgültig. Wir wünschen uns einfach nur die alte Sicherheit zurück. Die war doch eben noch da. Welche Knöpfe müssen denn jetzt gedrückt werden, damit sich die Zeit zurückdreht? Das scheint eine weit verbreitete Erwartungshaltung gegenüber der Politik zu sein. Wie wäre es, mal wieder selbst ein bisschen Verantwortung zu übernehmen? Um das zu ermöglichen, müsste allerdings die Politik weitaus mehr tun als im Moment. Sie müsste sich die Bürokratie mit Nachdruck vorknöpfen, auf allen Ebenen, in den Ländern, im Bund, in Europa, aber auch ganz lokal in den Städten und Gemeinden. Wir brauchen dringend mehr Beinfreiheit, ein System, in dem es sich lohnt, mutig zu sein. Klingt das jetzt nach FDP? Ich hoffe nicht. Ich wünsche mir ja in die Zukunft gewandte, progressive Bewegung. Bremsklotz zu sein, das überlasse ich doch lieber den Liberalen.

● Lars Kompa
Herausgeber Stadtkind


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