Editorial 2023-05

Liebe Leserinnen und Leser,

ich muss hier zum Einstieg gleich mal ein Geständnis machen, ich arbeite sehr gerne in meinem Job. Zumindest teilweise. Auf ein paar Geschichten könnte ich ehrlich gesagt ganz gut verzichten. Es wäre schon nett, wenn ich ein paar dieser unangenehmen Aufgaben delegieren könnte. Kann ich aber nicht, denn das würde Geld kosten, das so ein Verlag einfach nicht erwirtschaftet. Also bin ich dran und muss in den sauren Apfel beißen. Es ist ein Kompromiss: Ich erledige Arbeiten, die ich nicht mag, weil mir das ermöglicht, auf der anderen Seite einen wirklich sehr schönen und erfüllenden Job zu machen. Ich habe mich damit arrangiert. Es sind wahrscheinlich drei oder vier Jobs, aber das Positive gleicht das Negative locker aus.

Ich habe kein Problem damit, diese nicht so schönen Arbeiten zu erledigen. Ich jammere zwar manchmal ein bisschen, aber es ist nicht so schlimm, es gibt viel anstrengendere Tätigkeiten. Ich habe viele solcher anstrengenden Tätigkeiten in meinem Leben kennengelernt, ich habe als Schüler Zeitungen ausgeteilt, als Student unter anderem in einem Presswerk für Autobleche gearbeitet, ich habe bei einer großen Spedition am Band gestanden, ich habe bei der Müllabfuhr gejobbt, ich habe bei einem Unternehmen, das Schlafzimmer herstellt, nachts in langen Stunden LKW beladen, ich habe natürlich in der Gastro gearbeitet, ich habe wirklich sehr viel gemacht, um mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Für mich war das immer eine Selbstverständlichkeit. Das hat einfach dazugehört. Und es war okay. Ich habe viel gelernt während dieser Jobs. Bestimmt mehr als in meinem Studium.

Ich habe natürlich auch negative Erfahrungen gemacht. Fiese Vorarbeiter, schlechte Arbeitsbedingungen, miese Bezahlung, mieses Trinkgeld. Meine Lieblings-Negativerfahrung war während eines Jobs bei einer Werbeagentur. Ich bin kurzfristig als Fahrer für eine Fotografin eingesprungen, eigentlich habe ich dort getextet. Und ich musste die Erfahrung machen, wie es sich anfühlt, als absoluter Untermensch behandelt zu werden. Diese Frau war charakterlich ein derartiger Totalausfall, dass ich im Nachgang mein Erlebnis in gleich mehreren Kolumnen verarbeiten musste. Traumatisch. Aber keine Sorge, ich habe das inzwischen ganz gut verarbeitet. Ich wache nachts kaum noch schweißgebadet und schreiend auf.

Mit 30 oder 31 habe ich meinen Verlag gegründet und es war (und ist) echt nicht leicht. Und trotzdem würde ich mal behaupten, dass mein Job ein Traumjob ist. Für mich ist er das. Klar, ich hätte gerne ein bisschen mehr Zeit. Für mich, für meine Kinder. Und ich lerne gerade immer besser, mir diese Zeit auch mal zu nehmen. Ich gucke mir da ein bisschen was ab von der Generation Z, die bei mir zunehmend arbeitet. Ich bin ganz glücklich über meine Generation Z. Weil sie sehr klar realisieren, wie viel ich arbeite und wieviel Herzblut ich ins Stadtkind stecke.

Es gibt aber auch eine ganz andere Generation Z, und auch die habe ich bereits kennengelernt. Ich nenne sie die Generation „Ich-komme-morgen-vielleicht-zur-Arbeit“. Mit dieser Generation Z, das gebe ich gerne zu, habe ich so meine Probleme. Vor allem, wenn ich mir Vorträge darüber anhören muss, dass ich mal ein bisschen mehr mein Leben chillen soll. Und dass ich – so als Bonze mit eigenem Verlag – ja auch mal ein bisschen was drauflegen könnte. Diese Bonzen-Geschichte ist tatsächlich ganz spannend. Wenn du Unternehmer bist, dann wirst du von manchen Menschen ganz automatisch abgelehnt, dann gehörst du zur anderen Seite, zur Ausbeuter-Seite. Und aus der Schublade kommst du auch nicht mehr raus. Egal ob die ganze Nacht in deinem Büro das Licht brennt. Du bist als Unternehmer ein Kapitalist. Und Kapitalisten sind böse. Alle. So geht die Geschichte. Und diese Geschichte haben auch Teile der Generation Z gerne mal im Kopf, wenn sie ins Berufsleben starten. Nicht so sehr den Böse-Teil, aber den Bonzen-Teil. Entsprechend fall die Ansprüche und Forderungen aus. Ich habe ganz krasse Erfahrungen glücklicherweise noch nicht machen müssen, wer sich bei einem Verlag bewirbt, bringt sehr wahrscheinlich doch ein bisschen Kenntnis der Branche mit. Aber ich habe von vielen anderen (kleinen und sehr fleißigen) Unternehmer*innen schon sehr spezielle Geschichten gehört.

Ich bin beim Thema Generation Z und Arbeitsethik durchaus zwiegespalten. Ich sehe den Ansatz, die Arbeit nicht zum absoluten Mittelpunkt des eigenen Lebens zu machen, mit sehr viel Sympathie. Aber ich sehe auch eine Generation, der aus meiner Sicht ein bisschen mehr Realismus stellenweise ganz gut zu Gesicht stünde. Mehr zum Thema ab Seite 56.
Viel Spaß mit dieser Ausgabe!

Lars Kompa
Herausgeber Stadtkind  


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